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Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer Menschen hineinzuversetzen. So kann man ihr Verhalten verstehen, vorhersagen, sich darauf einstellen und darauf antworten. Mitgefühl geht weit darüber hinaus. Es geht mit Gefühlen der Fürsorge, Zuwendung und Wärme einher und dem Impuls, aktiv Leiden zu lindern und zu helfen. Ein mitfühlender Mensch kann sich den Auswirkungen kaum entziehen, den der ständige enge Kontakt mit leidenden Menschen hat. Irgendwann entsteht Mitgefühls-Stress. Wenn dieser Stress über längere Zeit anhält, führt er zu Mitgefühlsmüdigkeit (Compassion Fatigue). Sie kann bei professionellen Helfern auftreten, bei Ärzten, Therapeuten, Rettungskräften, pflegenden Angehörigen und bei Menschen, die mit seelisch Kranken oder Suchtkranken leben. Irgendwann ist die Batterie leer. Man hat sich verausgabt. Man ist erschöpft. Man fühlt im Extremfall Wut oder emotionale Taubheit.
Die Kraft zur Hilfe, die man gibt, ist nicht unerschöpflich.
Irgendwann
brennt auch der stärkste mitfühlende Mensch aus und sein Mitgefühl
züngelt nur noch als kleines Flämmchen. Dann ist es höchste Zeit die
Reißleine zu ziehen und sich zur Abwechslung Selbstmitgefühl zu
schenken.
Nur dass viele Mitfühlende das nur schwer können.
Sie
sind so darauf programmiert anderen zu helfen, dass sie Selbsthilfe und
Selbstmitgefühl gar nicht auf dem Schirm haben. Eine lange Zeit ist
Mitgefühl nicht ermüdend, es gibt sogar Kraft und Energie. Man wird
gebraucht, man hilft Menschen und macht die schöne Erfahrung: die Hilfe
wirkt.
Manchmal aber wirkt sie nicht.
Dann kommt die Erkenntnis: Vergeblichkeit.
Man
hat sich vergeblich engeagiert. Man hat nichts bewirkt. Man muss
anerkennen: Nicht jedem ist zu helfen. Man hat alles gegeben und es
kommt nicht zum gewünschten Erfolg.
Das geschieht, wenn man dort
helfen will, wo ein anderer die Hilfe nicht annimmt, obwohl er sie
wünscht oder, wenn der andere keinerlei Bereitschaft zeigt mitzuwirken,
damit es ihm besser geht und weiter klagt und jammert.
Die Falle in
die der Mitfühlende dann oft tappt ist selbstschädigend. Er macht immer
mehr, anstatt loszulassen und die Vergeblichkeit seine Anstrengungen zu
akzeptieren.
Mitgefühl sollte niemals dazu führen, sich zu verausgaben.
Das
geschieht insbesondere dann, wenn der Mitfühlende auf das Ergebnis
seiner Bemühungen fixiert ist und sich vom Erfolg derselben abhängig
macht oder seinen Eigenwert darüber definiert.
Es geschieht dann,
wenn er keine Grenzen setzt. Wenn er immer verfügbar sein will für die
Nöte und Sorgen anderer und sich selbst und seine Bedürfnisse dabei
völlig vergisst.
Es geschieht dann, wenn er seine Lebensenergie in
andere fließen lässt ohne sie aufzufüllen, was heißt: sich Zeit und Muße
zu nehmen für Dinge, die ihn inspirieren, Freude machen und seine Seele
nähren.
Das geschieht dann, wenn er nur gibt, ohne etwas zu empfangen.
Es geschieht dann, wenn er grenzenlos ist und nicht spürt, wo das Du aufhört und das Ich anfängt.
Denn
letztlich, bei allem Mitgefühl – jeder ist für sich selbst
verantwortlich, wenn er nicht gerade geistig oder körperlich schwer
erkrankt ist oder in lebensbedrohlicher Not.
Das vergessen die
Mitfühlenden leicht. Angemessen helfen bedeutet nicht: Alles für den
anderen zu tun oder ihn retten zu wollen. Es bedeutet: Hilfe zur
Selbsthilfe zu geben.
Ist das Mitgefühl erschöpft, ist es höchste
Zeit die eigenen Grenzen neu zu justieren, denn Mitgefühl ohne Grenzen
ist Selbstschädigung.
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