Freitag, 30. Oktober 2020

Füttern wir unsere Lebenskraft

                                                          Foto: Gottesgnadenkraut


Das vegetative Nervensystem ist das oberste und wichtigste Steuerungsorgan im menschlichen Organismus. Wird es über längere Zeit mit mehreren schädigenden Einflüssen belastet, ermüdet es. Ein Erschöpfungssyndrom entsteht über einen längeren Zeitraum hinweg durch das Zusammentreffen mehrerer Ursachen. Wenn wir erschöpft sind verlieren wir an Lebenskraft.
Die Lebenskraft ist das Urprinzip aller vitalen Prozesse unseres lebendigen Organismus. Dieses immaterielle Prinzip, ist der Ausgangspunkt unserer inneren Ressourcen und Selbstheilungskräfte. Ist unsere Lebenskraft erschöpft fühlen wir es. Es zeigen sich u.a. Symptome wie Müdigkeit, Antriebsmangel, Schlafstörungen, Nervosität und Reizbarkeit, innere Unruhe, depressive Verstimmungen, Ängste, Gefühle der Leere und Sinnlosigkeit, Resignation bis hin zu psychosomatischen und funktionellen Erkrankungen der Organsysteme und eine hohe Infektanfälligkeit.

In diesem Zustand sind wir nicht nur körperlich ausgelaugt und besonders anfällig für seelische und körperliche Erkrankungen, wir sind im Geist instabil und verlieren den Kontakt zu unserer Intuition. Wir wissen nicht mehr, ob wir uns selbst vertrauen können und sind durchlässig für alles was vom Außen auf uns eindringt. Wir verlieren die Fähigkeit uns zu erden. Aber das ist es was wir gerade in dieser schweren Zeit so dringend brauchen: Erdung. Und zugleich brauchen wir die geistige Anbindung nach Oben, sprich zu unserem Höheren Selbst und damit zu unserer Intuition.

Intution lateinisch: intuitio ist die Fähigkeit, Einsichten in die Stimmigkeit von Entscheidungen zu erlangen, ohne den diskursiven Gebrauch des Verstandes.
Die Yogis deuten Intuition als die direkte Wahrnehmung oder die Ahnung der göttlichen Wirklichkeit. In der Psychologie C.G. Jungs ist die Intuition eine von vier psychologischen Grundfunktionen, die die Wahrnehmung zukünftiger Entwicklungen mit all ihren Optionen und Potenzialen ermöglicht. Intuition ist das instinktive Erfassen, die gefühlsmäßige Ahnung, sie vermittelt Wahrnehmungen, die die Tatsächlichkeit der Dinge betreffen – wir wissen instinktiv was ist und was zu tun ist. Mit anderen Worten: Intuition ist eine erkenntnisfähig fühlende Emotion. Eine gute Intuition schenkt uns die Sicherheit im richtigen Moment das für uns Richtige zu tun. Manchmal kommt sie in einer scheinbar ausweglosen Situation wie ein Blitz aus heiterem Himmel und zeigt uns den nächsten Schritt, wenn der Verstand keinen Weg mehr sieht. In der Intuition ist alles klar. Alle Zweifel vergehen. Wir fühlen uns klar und lebendig. Und wir handeln dementsprechend zu unserem Besten. Je erschöpfter wir aber sind, desto weniger klar und lebendig sind wir. Wir sind beeinflussbar, wir sind manipulierbar, wir sind führungswillig, weil wir nicht mehr unterscheiden können, was gut und was unheilsam ist. Daher ist es so wichtig dafür zu sorgen, dass unsere Lebenskraft nicht versiegt durch das Chaos in dem wir gerade alle leben. Daher ist es so wichtig an uns selbst angebunden zu sein, um unsere Intuition wieder zu spüren, um uns selbst wieder zu vertrauen. Um dahin zu kommen ist es lebensnotwendig uns von allem zu distanzieren und abzugrenzen, was unseren Kopf vermüllt. Denn was den Kopf vermüllt, vermüllt immer auch Seele und Körper.

Wir dürfen uns nicht ver rückt machen lassen von Menschen, die ver rückt sind.  

Und das sind im Moment viele Menschen. Diese Zeit ist voller Verrücktheiten, voller Hysterie und Angst und Panik udn Wut und je mehr davon in diesem energetischen Feld ist, desto ver rückter werden die Menschen.
Schützen wir uns davor.
Indem wir uns selbst vertrauen. Indem wir unsere Lebenskraft füttern mit Heilsamem und sie nicht mit toxischem Müll vergiften. Was toxisch für uns ist, das spüren wir, wenn wir unserer Intuition vertrauen und ihr folgen.
Was sich nicht gut anfühlt, ist nicht gut!
Darüber gibt es nichts zu diskutieren. Wir lassen es, wir entfernen wir uns davon - mental, emotional und auf der körperlichen Ebene.

Sorgen wir in Anbetracht all des Unheilsamen was gerade auf uns einschlägt, für das Heilsame was da auch ist. Suchen wir es und bewahren wir es für uns, in unserem Feld. Füllen wir unser Leben mit dem Guten, dem Wahren und dem Schönen und all dem Heilsamen, was wir in der Natur finden, denn ja - all das gibt es noch. Schützen und nähren wir unsere Lebenskraft, denn die brauchen wir wie gesagt, auch für ein starkes Immunsystem.
Möge es vielen von uns gelingen.

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Ein Raum mitten im Wirbelsturm

                                 Foto: www


Manchmal sind wir in einem Teufelskreis gefangen. Unsere Vorstellungen und wir selbst drehen uns im Kreis. Wir stecken in einem Wirbel von Vorstellungen voller Bilder und verlieren den klaren Verstand und unsere Stabilität. Wir fühlen uns gefangen in einer Situation und sehen keinen Ausweg. Wir blicken nur auf den Ausweg, den wir nicht sehen. Wir stecken fest und je länger wir feststecken desto enger wird unser Blick. Wir leben in der Zukunft, die den Ausweg bringen soll, weil er doch kommen muss, denn er kam ja immer irgendwie, irgendwann, weil nichts bleibt wie es ist. Anstatt uns unsere Unwissenheit zuzugestehen und den Raum des Nichtwissens zu betreten, machen wir Ausweichmanöver ins Unbekannte und beginnen zu spekulieren. Das fühlt sich zunächst gut an, entpuppt sich aber als sinnlos, denn das Unbekannte ist das Unbekannte.

Die Ausweglosigkeit unserer Situation wird uns noch bewusster.
Langsam kommen wir an den Punkt, an dem uns klar wird, dass wir niemals eine dauerhafte Stabilität errreichen, weil es unmöglich ist, sie ist in der Natur und im Leben einfach nicht vorgesehen. Unser Ich-Gebäude bricht zusammen. Und wir fragen uns: Jetzt, nachdem alles doch einigermaßen über lange Jahre funktioniert hat, müssen wir all das in Frage stellen? Sollen wir etwa unsere Vorstellungen ändern? Was war verabschieden, auch wenn es gut war für uns? Den Ausweg als nicht gegegeben akzeptieren? Die Ungewissheit zulassen?
Und was dann?

Dann kommt die Angst. Die Angst, die immer kommt und wächst, je länger die Ungewissheit dauert.
Es ist eine fundamentale Angst, die dann kommt - die Angst leer dazustehen. Wir fürchten uns davor, was danach passiert, wenn alte Vorstellungen nicht mehr greifen. Dann sind wir "nichts". Und was macht das dann mit uns?
Wir fürchten vernichtet zu werden. Wir fürchten uns aufzulösen.
Was tun wir also gegen die Angst?
Wir beginnen den leeren Raum zu füllen.
Mit neuen Vorstellungen, denn ohne Vorstellungen sind wir nicht.
Unsere Vorstellungen und Gedanken erzeugen unsere Identität, sie formieren unser Selbstbild und unser Selbstgefühl.
Wir sind der Lebensraum und diesen gestalten wir nach unserem Selbstbild. Alles in diesem Raum entspricht damit unserer Ich-Vorstellung. Wir sind die Mitte des Raumes, ganz gleich, was draußen geschieht. Wir schaffen unsere Wirklichkeit mitten im Wirbelsturm.

Dienstag, 27. Oktober 2020

Gedanken für das Leben


 
Jedes Leid, auch das größte, geht vorüber.
Alles ist im Fluss der Zeit und verändert sich ständig.
Nach dem Dunkel folgt Licht.
Wo du nichts tun kannst, wo du die Dinge nicht ändern kannst, hör auf dich anzustrengen oder aufzuregen.
Kümmere dich nicht vergeblich um fremde Angelegenheiten.
Hör auf von anderen zu erwarten oder zu verlangen, dass sie so leben, wie du es dir wünscht.
Du hast keine Macht über andere Menschen, du kannst andere nicht ändern, nur dich selbst und das ist schwer genug.
 
Erlaube dir deine Gefühle und achte deine innere Wahrheit.
Aber lass dich nicht in sie hineinziehen.
Verfalle nicht der Panik. Gelassenheit wächst, je weniger du dich der Angst hingibst.
Gib der Angst nicht die Macht über deinen Willen.
Hör auf gegen Vorstellungen zu kämpfen, wie es zu sein hat.
Gib den Kampf gegen Hindernisse und Probleme auf, die nur in deiner Fantasie existieren.
Hafte nicht an der Vergangenheit, denke nicht ständig in die Zukunft. Lebe im Jetzt.
Lass Hass, Wut, Neid und destruktive Kritik anderen gegenüber.
Schau auf Dich und tu jeden Tag das Beste, was dir möglich ist.
 
Fanatismus und Pessimismus zerstören dein seelisches Gleichgewicht.
Bleib neugierig und wissbegierig.
Versuche den Sinn für Gute, das Wahre und das Schöne zu behalten.
Positives Denken hört dann auf, wenn du das Unheilsame als unheilsam erkennst.
Wo du Unrecht siehst, tu etwas dagegen.
Hab keine Angst vor neuen Aufgaben.
 
Achte deinen Nächsten und erwarte nicht, dass er vollkommen ist, du bist es auch nicht.
Urteile und verurteile nicht zu schnell. Beobachte.
Dein Mitgefühl bewirkt mehr als alles andere.
Mach dir bewusst, dass deine Probleme von denen anderer Menschen gar nicht so verschieden sind.
Hilf denen, denen es schlechter geht als dir, wenn sie es zulassen.
Gestalte deine Leben einfach und heilsam.
Lerne dich verstehen und wertschätzen, dann verstehst und wertschätzt du auch andere.
Wenn du etwas ändern kannst, ändere es, wenn du es nicht ändern kannst, verschwende keine unnötige Energie.
 
Wenn dich etwas an einem anderen stört, akzeptiere es. Wenn du es nicht kannst, geh weg.
Bemühe dich um Klarheit im Denken und im Reden.
Lerne Nein zu sagen, wo du nein meinst und deinem Ja zu folgen.
 
Erkenne dich selbst, lerne dich selbst liebevoll anzunehmen und dir selbst zu vertrauen.
Achte auf die Signale deiner Seele und deines Körpers, sie sind wichtige Botschaften.
Hör auf gegen dich selbst zu kämpfen!
Übernimm Verantwortung für dich selbst.
Solange du keine Verantwortung übernimmst, ist die Welt dein Problem.

Sonntag, 25. Oktober 2020

Lockdown der Seele und eine Insel

 



Die Infektionszahlen steigen täglich, weltweit. Immer öfter höre ich von Menschen, die einen Infizierten kennen. Meine Nachbarin hatte Corona Verdacht. Sie ist negativ. Wir sind froh darüber.
Als ich am Freitag in der Notaufnahme saß, weil ich mir den Fuß verletzt habe, hörte ich ziemlich oft ein hupendes Geräusch. Ich fragte einen Pfleger was das bedeutet. Er sagte, es hupt, wenn ein potenzieller Coronafall in die Notaufnahme kommt. Wir haben heute zehn Fälle aufgenommen. Das ist verdammt viel, sagte er und dass die Leute zu lange warten, bis sie ins Krankenhaus gehen.
Mir wurde mulmig zumute, je länger ich warten musste. Am Liebsten wäre ich trotz heftiger Schmerzen wieder gegangen.
Ich bin geblieben.Was sollte ich auch tun.
Jetzt sitze ich hier an meinem Schreibtisch mit einem verstauchten Fuß. Gott sei Dank kein Bruch, aber ich habe Schmerzen, ich kann nicht gehen und ich denke nach. Wie so oft in den letzten Monaten über diese Pandemie.
 
Die Welt da draußen hat sich verändert. Fundamentales ist zerstört. Die Meisten von uns leben von einem Tag zum anderen.
Wir wissen nicht was kommt, wir können immer weniger planen. Wir müssen uns täglich auf neue Veränderungen einstellen. Das Meer an Möglichkeiten, das es einmal gab, ist geschrumpft auf die Größe eines Sees. Unsere persönliche und unsere kollektive Freiheit ist einer Verbots- und Gebotskultur gewichen. Wir leben seit Monaten in einem permanenten Alarmzustand. Das belastet den gelassensten Menschen. Das kann sogar wütend machen. Gerade hat der Dalai Lama ein Buch mit dem Titel "Be Angry!: Die Kraft der Wut kreativ nutzen", veröffentlicht. Ja, Wut ist absolut menschlich und ja, wir können sie kreativ nutzen. Viele Menschen sind gerade sehr wütend, weil sie frustriert sind, es leid haben, müde sind, vom dem was ist, erschöpft vom Kämpfen um ihre Existenz, niedergedrückt von der Angst. Das ist eine Wut, die Kreativität blockiert. Es ist eine ohnmächtige Wut.
 
Nach mehreren Wochen Ausgangssperre gab es im Sommer durch die Corona-Lockerungen die Hoffnung auf eine Besserung. Diese Hoffung war vergeblich. Jetzt mahnt die WHO, dass das Virus, ähnlich wie das HIV Virus, nie wieder weg gehen könnte und empfiehlt weiterhin "die höchstmögliche Alarmstufe". Die Politiker und die Virologen sind weiter uneins. Sie wissen nicht mehr was sie tun sollen. Fast schon verzweifelt wird Vieles versucht. Zur Zeit scheint scheint nichts wirklich wirksam um die Lage zu verbessern.Wir müssen realisieren, dass wir den einzig wahren Weg aus dieser Krise nicht kennen. Wir müssen erkennen: Wissen ist immer nur ein Wissen auf Zeit. Es gibt keine Klarheit und noch keine Lösung, die das Drama beendet.
 
Wo es keine Klarheit gibt leben Menschen in Unsicherheit.
Unser Jetzt: ein Leben im ständigen emotionalen Chaos. Das ist ungesund für die Seele, den Geist und den Körper. Mittlerweile sprechen sie in den Medien von einem Lockdown der Seele.
Worauf kommt es jetzt an, frage ich mich?
Hilft uns die Wut jetzt?
Sicher sie ist da, sie darf da sein, aber ist sie jetzt nützlich?
Wut ist die Brücke zur Trauer.
Ich denke wir müssen endgültig akzeptieren, dass es die Normalität, wie wir sie ein Leben lang kannten, nicht mehr gibt. Sie ist ein für alle Mal vorbei. Das ist leichter gesagt als getan. Auch mir fällt es schwer, was ich für selbstverständlich gehalten habe, nicht mehr tun zu können. Es ist wie wenn man eine Diagnose bekommt, die alles radikal verändert. Da ist erst einmal der Schock, den man verarbeiten muss. Dann kommt die Wut und wir jammern und klagen. Irgendwann kommt der Punkt, wo man begreift - dadurch ändert sich nichts. Es ist wie es ist, was einem da geschieht hat man nicht unter Kontrolle. Aber bis man dahin kommt ist es ein Prozess. Und am Ende dieses Prozesses ist Trauer. Trauer, das Gefühl, das jeder Abschied, egal wovon, nach sich zieht. Wir trauern um den Verlust dessen, was wir hatten.
 
Trauer ist heilsam. Mit der Trauer geben wir den Widerstand auf und akzeptieren was ist.
Erlauben wir uns zu trauern. Mit der Trauer hören wir auf uns etwas vorzumachen, wir hören auf so zu tun, als ob alles nicht so schlimm ist und erkennen an – ja, es ist schlimm. Es ist okay, dass wir so fühlen. Wir hören auf zu kompensieren um die Wut und den Schmerz nicht zu spüren und erlauben uns zu fühlen, anstatt uns mit Essen oder Alkohol oder anderen unheilsamen Dingen, zu betäuben. Weil das nicht funktioniert und nichts besser macht.
 
Das Bessere ist – wir schenken dem eigenen Leben und dem, was wir in unserem Einflussbereich noch gestalten können, bewusst mehr Beachtung. Wir kümmern uns um unser Immunsystem und sorgen für eine effektive Bewältigung von zusätzlichem Stress. Das bedeutet: Wir sortieren jetzt endgültig aus, was uns nicht gut tut, auf allen Ebenen.
Wir suchen nach dem, was uns gut tut und tun es so oft es geht.
Wir sorgen für die Regulierung unserer Emotionen – das heißt: Wir lernen Techniken zur Selbstberuhigung oder wenden Gelerntes regelmäßig an.
Wir schaffen uns eine Insel inmitten des Chaos. Diese Insel sieht für jeden von uns anders aus. Es macht Sinn darüber nachzudenken, welche Insel die Unsere ist. Meine ist das Schreiben. Die kleine Insel hält stabiler in aller Instabilität, die in unser Leben eingebrochen ist. Wir machen uns bewusst, nichts bleibt wie es ist, alles, alles, geht vorüber, und irgendwann auch diese Krise. Wir müssen da durch. Wir haben keine Wahl, aber wir können wählen, wie wir da durch gehen.

Montag, 19. Oktober 2020

Weisheit

 


Foto: C.G. Jung
www
 
Weisheit ist das tiefgehende Verständnis der Zusammenhänge und die Fähigkeit, bei Problemen und Herausforderungen die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu identifizieren. Weisheit kann sich nur dann entwickeln, wenn ein Mensch die Bereitschaft hat, sich zu verändern. Wenn er neuen Erfahrungen nicht mit seiner vorgefassten Sichtweise und starren inneren Überzeugungen begegnet, sondern bereit ist, sich zu öffnen, sich überraschen und beeindrucken zu lassen.
Ein weiser Mensch besitzt Neugier und Offenheit für neue Perspektiven, Empathie, Reflektiertheit, Selbstreflexion und pflegt einen achtsamen Umgang mit seinen Gedanken und Gefühlen.
Ein weiser Menschen denkt nach. Er liebt es nachzudenken und die Dinge bis ins Tiefste zu ergründen. Er denkt über das Eigene kleine Universum hinaus. Vor allem denkt er komplexer als Menschen, die dazu neigen einfachen Erklärungen komplizierter Sachverhalte Glauben zu schenken. 
 
Weise Menschen streben danach Lösungen zu finden, die unterschiedliche Gesichtspunkte, Annahmen und Interessen ausbalancieren, so dass der heilsamste Weg gefunden wird, zum Wohle aller.
Weisheit ist Erkenntnis, die auf direkter Erfahrung beruht.
Weisheit ist Wissen, das sich aus tiefer Lebenserfahrung herausbildet, gepaart mit Vernunft und Unterscheidungsfähigkeit.
 
Ein weiser Mensch weiß um die Ambivalenzen und Paradoxien des Lebens. "Die Paradoxie gehört sonderbarerweise zum höchsten geistigen Gut; die Eindeutigkeit aber ist ein Zeichen der Schwäche.", wie es Carl Gustav Jung formulierte.
 
Weisheit ist immer verbunden mit Herzensbildung, Warmherzigkeit und Wohlwollen.

Sonntag, 18. Oktober 2020

Respektlosigkeit

 


                                                             Malerei: Angelika Wende


Das Wort kommt aus dem Lateinischen respectus und bedeutet so viel wie Zurückschauen, Rücksicht, Berücksichtigung und bezeichnet eine Form der Wertschätzung anderen gegenüber, mit anderen Worten: das Rücksicht nehmen auf andere und damit auch das Berücksichtigen der Meinungen anderer.
Rücksicht erfordert Achtung und Empathie. Wenn wir achtsam sind, wenn wir empathisch sind, wissen wir Rücksicht zu nehmen. 
 
Wir wissen was es bedeutet, die Gefühle und Gedanken anderer Menschen zu berücksichtigen. Wir achten diese und wir tun nichts was den anderen bewusst trifft oder verletzt, nur weil uns das, was der andere fühlt, denkt oder sagt nicht ins eigene Bild von Welt passt. Wir respektieren den anderen so wie er ist.
 
Der Respektlose aber kennt keine Rücksicht, er kennt nur sein Bild von Welt, seine Meinung, seinen Willen auf den er beharrt und den er mit Macht durchsetzen will - rücksichtslos.
So trampelt der Rücksichtslose auf die Erfüllung seiner Ego-Bedüfnisse bedacht, nicht selten wie ein Elefant durch den emotionalen Porzellanladen anderer. 
 
Respekt zählt zu den ethischen und moralischen Werten. In der Respektlosigkeit liegt die Gefahr einer kulturellen Verrohung des Subjekts. Die Feinde der Kultur eines respektvollen Miteinanders sind die Dummheit, die Ignoranz, die Missachtung Andersdenkender, die Unfähigkeit zur Selbstreflexion und das Recht haben wollen, das bis hin zu persönlichen Beleidigungen geht. Repektlosigkeit spaltet Menschen, ein Phänomen, das wir gerade erlebe.
Können wir das nicht besser?

Samstag, 17. Oktober 2020

Corona Herbst 2020

 

                                                                        Foto: www

 
Ja, diese Regeln sind absolut richtig, meint sie, die Maske unterm Kinn hängend. Also ich halte mich dran.
Ich weiß, sie tut es nicht.
Sie geht ins Fitnessstudio, ins volle Restaurant, ins Café, lädt Menschen zu sich nach Hause ein, fährt in Urlaub, geht auf öffentliche Veranstaltungen, ins Theater und besucht jedes zweite Wochenende Freunde in anderen Städten. Sie ist aktiv auf Tinder und erzählt mir von ihren One night stands, die ihr die Zeit des Singledaseins versüßen.
Alles nachvollziehbar, auch das ist normales Leben.
Nur – das war normales Leben, denn die alte Normalität existiert seit März 2020 nicht mehr. Schon gecheckt?, würde ich sie gerne fragen, spare mir aber die Worte, weil ich keine Worte mehr verschwende von denen ich weiß, dass sie bei meinem Gegenüber nicht ankommen.
Sie findet die Regeln absolut richtig und die, die sich fragen ob diese Regeln alle so sinnvoll sind und wo da eine erkennbare Logik ist, wie zum Beispiel das Maskentagen im Freien, im Restaurant aber nicht, nennt sie Covidioten. 
 
Ich frage mich ernsthaft, was im Kopf dieses Menschen vorgeht. Ich frage mich, wer der Idiot ist.
Vor allem aber bin ich befremdet über die Scheinheiligkeit und das Maß an Ignoranz, das dazu führt sich die Dinge so hinzudenken, dass sie in die eigene Komfortzone passen.
Passt aber. Machen viele. Und was nicht passt, wird passend gemacht. Und oft sind es genau jene die das machen, die laut tönen: Super, die Regeln. Gut für unser aller Schutz!
Es sind genau die, die sich einen Dreck darum scheren, was sie mit ihrem scheinheiligen Verhalten im Hinblick auf das Ganze bewirken. Nämlich das Dilemma vor dem wir jetzt im Oktober 2020 stehen.
Die Zahlen steigen und sie werden weiter steigen. Und das nicht nur wegen der fragwürdigen PCR Testungen. Sie steigen, weil Menschen sich über alles hinwegsetzen, was ihnen nicht in den Kram passt und was temporären Verzicht bedeuten würde.
Sie werden weiter steigen, so lange diese Menschen nicht anfangen ihr Verhalten zu reflektieren und so zu verändern, dass es der Situation angemessen ist.
 
Was erwarten wir denn? Oder besser, was haben wir erwartet?
Nach all den Lockerungen im Sommer, der Reiselust als ob nichts wäre, den Parties draußen, dem Aufeinanderhocken zu vielen ohne Abstand, dem Maskentragen unterm Kind oder nur unter der Nase, wo sie nichts nützt, nach dem Motto – Hauptsache sie sitzt irgendwo im Gesicht.
Was erwarten wir denn, wenn wir uns jetzt wieder in größeren Gruppen in Innenräumen aufhalten, ohne Abstand, ohne Maske, um auf den netten Abend beim Italiener oder den leckeren Kuchen im Lieblingscafé nicht verzichten zu müssen?
Ja, ist eine Katastrophe, dass Menschen ihre Existenz verlieren, auch Gastronomen und auch all jene, deren Einkommen von Veranstaltungen abhängt. Es ist unfassbar und schlimmer, dass jetzt unsere Kinder in der Schule über Stunden Masken tragen müssen. Man sollte einmal jedes einzelne Kind fragen, wie es ihm damit geht.
Nein, das sollte es gar nicht geben, das ein Kind sechs bis acht Stunden eine Maske vor Mund und Nase hat, unter der Atmen auf Dauer schwer fällt und der Kopf zu brummen beginnt, weil dem Gehirn langsam der Sauerstoff fehlt. Wem das egal ist oder wer das verharmlost, nach dem Motto Chirurgen tragen auch über Stunden eine Maske, der denkt einfach nicht komplex und er hat vor allem keine Empathie. Das ist kein Vergleich, der Chirurg ist erwachsen und er hat seinen Job gewählt. Unsere Kinder können nicht wählen. Sie werden zwangsbemasket. Ihr Kindeswohl liegt in unseren Händen. Bis jetzt. Bis uns klar werden sollte, unsere Kinder gehören dem Staat und der entscheidet jetzt über ihr Unwohl. 
 
Und die Erwachsenen? Die sitzen weiter ohne Maske in den Restaurants und Cafés. Und sie schweigen, sitzen da und halten fest an ihrer Komfortzone und haben das eigene Denken längst eingestellt.
Freiheit wird in der Regel verstanden als die Möglichkeit, ohne Zwang zwischen verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen. Diese Freiheit ist futsch. Unsere Kinder haben keine Wahl. Aber wir haben sie, wir können den Mund aufmachen. Der Mundschutz ist nicht festgetackert. Oder ist es schon so weit? Es geht doch um Gesundheit, seit März ist die Gesundheit zum Maß aller Dinge erhoben. Im Namen der Gesundheit leiden jetzt unsere Kinder.
Noch immer gibt es große Unklarheiten über die Rolle von Kindern bei der Übertragung des neuartigen Coronavirus, heißt es in den Richtlinien der WHO. Und der Ärzteverband betont:
"Wenn alle auf ihren Plätzen sitzen und Abstand sichergestellt ist, macht das Tragen von Masken während der Unterrichtsstunden überhaupt keinen Sinn und wäre eine überflüssige Behinderung"
 
Also, worum geht es? Um welche Interessen, die Vorrang haben?
Es ist erschütternd. Es macht mich fassungslos, wütend und traurig. Und ich hoffe, dass es mehr Menschen gibt die endlich begreifen: Die gesundheitlichen, sozialen und psychischen Folgen dieser undurchdachten, willkürlichen, drastischen Pandemie-Bekämpfungspolitik werden um ein Vielfaches höher sein als die direkten Folgen des Virus. Und wir alle nehmen diese Folgen billigend in Kauf. Das wird so nicht gut aus gehen.
Ja, das Virus ist da. Es ist keine Erfindung und es ist gefährlich für manche von uns.
 
Was in Gottes Namen glauben wir denn?
Dass der Kelch an uns vorrübergeht, wenn wir uns vormachen, dass wir so weiter machen können wie vorher. Die Zahlen steigen, die Einsicht der Scheinheiligen und Ignoranten nicht.
Wir wissen längst, dass sich das Virus von Kontakten ernährt.
Also wäre es doch sinnvoll zumindest für eine Weile auf gewisse, nicht lebensnotwendige Kontakte, die allein dem Vergnügen dienen, zu verzichten, um die lebensnotwendigen Kontakte weiter leben zu können. 
 
Maskenfreie Schulstunden, den Arztbesuch vor dem sich viele Menschen fürchten, und der Krankheiten verschlimmert oder gar unerkannt bleiben lässt. Der Besuch bei der Oma oder dem Opa im Altenheim, die vor Einsamkeit zugrunde gehen, der Krankenhausbesuch eines geliebten Menschen, der uns braucht. Das fällt aus, da gibt es strikte Regeln. Da gibt es Besuchsverbote, zum Leid vieler Menschen, während die Scheinheiligen uneingeschränkt weiter ihr dolce vita leben, ohne sich auch nur einen Moment gewahr zu sein, was ihr Verhalten nach sich zieht für das Ganze – nämlich für uns alle, inklusive und besonders der Kinder, der Alten und der Schwachen.
Ich habe es satt, dass Menschen wegen diesen Scheinheiligen unter verschärften und unsinnigen Maßnahmen leiden müssen. Ich habe sie satt, die Ignoranz manche Mitmenschen, die der Drastik der Maßnahmen den Boden bereitet,. Ich habe sie satt, die Angst die geschürt wird, weil bei so vielen keine Einsicht da ist und die daher längst zum politischen Instrument geworden ist um die Ignoranten gefügig zu machen. Ich habe sie satt, diese unseligen Drohungen, die viele von uns paralysieren wie das Kaninchen, dass auf die Schlange starrt.
 Angst, die die Vernunft und das Mitgefühl ausschaltet.
Diese Angst treibt unheilsame Blüten.
 
Das ist eine Pandemie und die geht nicht weg indem wir drüber leben als gäbe es sie nicht und Maßnahmen ertragen, die völlig daneben sind.
Ich habe es satt, dass Menschen nur noch eine Todesursache wahrnehmen - Corona und der Tod, der zur Katastrophe stilisiert wird. Der Tod, den wir so lange in unserer Gesellschaft verdrängt haben ist allgegenwärtig, das sollten wir spätestens jetzt verinnerlicht haben. Er trifft uns am Ende alle, mit oder ohne Corona. Das können wir nicht verhindern.
Was wir aber verhindern können ist unser Umgang mit der potenziellen tödlichen Bedrohung durch das Virus – und zwar indem alle wach werden und sich so verhalten, dass das Problem nicht weiter aufrecht erhalten oder verstärkt wird, sondern ein angemessener Umgang damit stattfindet. Das Problem wird sicher nicht durch die Impfung gelöst, auf die können wir im Zweifel lange warten. Die wird sich auch nicht jeder antun. Aber wir können achtsam sein, jeder Einzelne von uns, achtsam mit dem Leben wie wir es sinnvoll leben in einem Ausnahmezustand, der uns langsam an die Grenzen bringt. Achtsam sein, indem wir für uns selbst überprüfen, was wir als Einzelner dazu beitragen können, damit es besser wird als es ist und uns fragen, was jetzt wirklich wichtig ist und was nicht.
Das Virus bleibt. Wir müssen wohl oder übel lernen damit zu leben. Es bleibt so lange unter uns bis wir kapiert haben was das Wesentliche im Leben ist.
Und das ist sicher nicht das Vida Loca. Jetzt nicht.
Was wenn der zweite Lockdown kommt? Was dann?
Und er könnte kommen, schon sehr bald, weil wir die Kontrolle verloren haben.
Und dann? Dann war es das, für viele von uns.
Aber auch dann geht es weiter ... irgendwie.
Und im besten Falle haben wir gelernt was wirklich wichtig ist.

Mittwoch, 14. Oktober 2020

Diese eine Liebe

 

                                                                  Foto: A. Wende

 

Kein anderer Mensch weiß so genau wie ich, was ich mag, was ich gerne tue, was ich liebe, was ich brauche, was ich denke und fühle, was mich ausmacht. Kein anderer außer mir selbst. Ich kenne mich gut, ich kenne mich seit ich auf der Welt bin und ich bin mit mir, seit ich lebe. Jeden Tag, jede Minute, jeden Augenblick. In guten und in schlechten Zeiten.

Wenn ich das erkenne und mich selbst nicht bloß als eine Hälfte von etwas empfinde, weil da keiner an meiner Seite ist, kann ich dankbar sein. Aus diesem Gefühl von Dankbarkeit heraus fühle ich mich, achte ich mich und bin gut zu mir.

Ich bin die Basis, die mich trägt. Ich kann mir das geben. Und doch es genügt nicht.

Den meisten von uns ist es nicht genug.

 

Da ist ein gefühlt ein Loch mitten in dieser Basis.

Ein Brauchen, eine Sehnsucht, vielleicht ein Schmerz, weil er nicht da ist – der, den wir lieben dürfen und der, der uns liebt. Nur so fühlen wir uns ganz. Und wir suchen das, was uns dieses Loch füllt – die Liebe. Wir suchen, sehnend nach Liebe, auch wenn wir Menschen um uns herum haben, die uns lieben, wir suchen diese eine Liebe.

 

Auf der Suche nach dieser einen Liebe sehen wir alles andere was da an Liebe ist nicht, oder wir sehen es und fühlen es nicht. Das ist nicht genug, das ist nicht, was wir so dringend brauchen. Das erfüllt uns nicht, das stopft das Loch nicht. Ohne diese eine Liebe sind wir die Halbierten, die ihre andere Hälfte suchen.

Wir, die wir die Basis sind, wir, die komplett sind, fühlen uns nicht ganz wenn wir nicht zu zweit sind. Ganz sein ist ein menschliches Bedürfnis, auch wenn Menschen hier unterschiedlich sind. Der Mensch ist grundsätzlich ein soziales Wesen und er leidet, wenn er nicht berührt wird, keine Zuneigung, keine Zärtlichkeit bekommt. Das ist normal. Wer keine Zuneigung, keine Zärtlichkeit, keine Berührung mehr braucht, ist emotional abgestorben.

 

Die Sehnsucht nach dieser einen Liebe ist okay. Es ist menschlich uns nach dieser anderen Hälfte zu sehnen. Aber wenn es dazu führt, dass wir uns, weil es diese andere Hälfte gerade nicht für uns gibt, in tiefen Schmerz stürzen und wir mit uns selbst nicht gut sein können, wir uns selbst nicht genügen, wenn wir vielleicht sogar das Gefühl haben mit uns selbst in schlechter Gesellschaft zu sein, dann haben wir eine Aufgabe. Zumindest könnten wir das so sehen. Und wenn wir das können, könnten wir uns fragen: Was ist die Aufgabe? 

 

Wir dürfen uns das Loch genauer anschauen.

Woher kommt es? Was ist da drin, was uns das schmerzhafte Gefühl gibt: Allein bin ich nicht komplett.

Mit uns selbst nicht zufrieden zu sein mit dem was ist, mit uns und dem was unser Leben ausmacht, hat einen Grund.

Fühlen wir uns nicht wertvoll mit uns selbst, nicht gesehen, nicht gefühlt, nicht beantwortet? Fühlen wir uns unzureichend, ausgestoßen, falsch, kaputt oder vom Leben bestraft? Denken wir, wir sind nicht liebenswert, nicht klug genug, nicht attraktiv genug, nicht unkompliziert genug, nicht interessant genug für einen anderen?

Was ist das, was uns im allein-mit-uns-selbst-sein das Gefühl gibt, dass da ein Loch ist? 

Es ist der Gedanke, dass wir Liebe von einem anderen bekommen müssen.

Wir müssen sie bekommen, weil wir sie allein mit uns, für uns, in uns, nicht fühlen.

Wir fühlen die Liebe nicht.

 

Wie  aber kann es dann sein, dass wir sie fühlen, wenn uns jemand seine Liebe schenkt?

Weil sie eben doch da ist. 

 

Denn wäre sie nicht da, gäbe es keine Resonanz – wir würden die Liebe, die man uns entgegenbringt gar nicht fühlen, wenn es diese Resonanz nicht gäbe. 

Wir können nur dort berührt werden, wo wir berührbar sind.

Die Liebe ist berührbar, weil sie da ist, ganz tief da unten, in diesem Loch in uns.

Da liegt sie und wir sehen, fühlen und vertrauen ihr nicht.

Wir sehen, fühlen und vertrauen ihr nicht, weil man uns in einem Moment in der Zeit oder in vielen Momenten in der Zeit Liebe nicht geschenkt hat. 

Warum auch immer, man hat uns die Liebe nicht fühlen lassen. Es gab keine Resonanz. Unsere Liebe wurde nicht erwidert. Man hat uns nicht geantwortet. Man hat uns nicht so geliebt, wie wir es gebraucht hätten. Es haben sich keine liebenden Augen auf uns gelegt.

Wir wurden nicht geliebt, einfach deshalb, weil wir der Mensch sind, der wir sind.

Es gab sie nicht diese eine Liebe, bedingungslos und aus ganzem Herzen.

Deshalb vertrauen wir der Liebe nicht. Darum lieben wir uns selbst nicht genug.

Und darum ist da dieses Loch, wenn da keiner ist, der es uns Liebe fühlen macht.

Unten in diesem Loch wartet sie auf uns, geduldig. Sie wartet, bis wir ihr vertrauen und bereit sind, sie zu fühlen -  für uns selbst.

Und dann ist die Sehnsucht einfach Sehnsucht, ohne Drängen, ohne Schmerz, ohne Leiden, weich, sanft und schön. Weil wir spüren: Es ist gut. Ich bin ganz. Und der andere ist niemals eine Hälfte – er ist ganz. Wenn zwei Ganze sich begegnen ist Liebe bedingungslos, denn sie muss kein Loch mehr füllen.

 

 

"Das Glück gehört denen, die sich selbst genügen. Denn alle äußeren Quellen des Glückes und Genusses sind - ihrer Natur nach - höchst unsicher, misslich, vergänglich und dem Zufall unterworfen."

Arthur Schopenhauer

Dienstag, 13. Oktober 2020

Gedankensplitter

 

                                                                  Foto: A. Wende

 

Mittels des Schauens, des Riechens, des Hörens, des Berührens, kommt das Fühlen. 

Gefühltes wird verinnerlicht.

Wird zu Erinnerung.

Erinnerung legt sich zum Augenblick, zum Jetzt.

Nichts verschwindet.

Montag, 12. Oktober 2020

Stabilität

 

                                                                       Foto: www

Wir erhalten Stabilität daraus, dass wir fürsorglich mit uns selbst umgehen, wenn wir auf eigenen Füßen stehen und selbstabhängig unser Leben gestalten. Zugleich erhalten wir Stabilität, wenn wir mit anderen Menschen verbunden sind, die uns zugeneigt sind. Dann haben wir das Gefühl getragen und gehalten zu sein. Die anderen halten uns und wir halten sie. 
 
Besonders in dieser Zeit ist das wichtig um unsere Stabilität zu halten und zu festigen. 
Momente des Umsorgtwerdens, des gegenseitigen Verstehens geben uns Kraft. Freunde, denen wir unsere Gefühle mitteilen können und die uns zuhören, die uns mit all diesen Gefühlen annehmen, geben uns das Gefühl verstanden zu sein und mit dem, was uns bewegt und damit nicht allein zu sein. Im Kontakt mit anderen erfahren wir Resonanz und Verbundenheit, auch wenn wir alleine leben, auch wenn Menschen, die wir lieben und wertschätzen, gerade nicht bei uns sein können.
Einander zuhören, einander ernst nehmen, einander beistehen ist eine tragende Säule in unserem Leben.
 
Niemand ist eine Insel, sagt man.
Und doch gibt es Menschen, die genau das empfinden: Ich bin eine Insel, alleine im großen, tiefen Meer. Sie sind einsam. Sie haben keine tiefen Verbindungen oder sie haben sie verloren, durch Trennung oder Tod. Sie müssen alleine durch alles was das Leben ihnen aufträgt und keiner ist da, der ihnen Stabilität schenkt, wenn sie ins Wanken kommen. Das ist schwer.
Es ist schwer sich alleine aufrecht zu halten, besonders, wenn es uns nicht gut geht. Es ist eine tägliche Herausforderung und machmal macht sie müde und verzagt. Aber Resonanz und Verbundenheit lassen sich nicht nur mit anderen Menschen empfinden. 
 
In Phasen, wo wir alleine sind oder uns einsam fühlen, können wir uns intensiv mit dem verbinden, was wir gerne tun, was wir lieben und was uns beim Tun Freude macht. Wir können uns mit der Natur verbinden, mit Tieren, mit Kunstwerken, mit Büchern und deren Autoren, mit Musik, mit Kunst machen, mit Schreiben und vielem mehr, was uns das Gefühl gibt etwas zu berühren und berührt zu werden. Wir können in Resonanz gehen mit dem Universum, mit unserem Glauben, mit unseren Werten, unseren Träumen und Visionen. 
 
Wenn wir alleine sind, sind wir selbstverantwortlich für unsere Stabiltät, unsere Integrität, unser Herz, unsere Seele und unser Wohlbefinden. Sorgen wir dann nicht gut für uns sind wir gefährdet.
Ja, es ist eine Herausforderung und sie kann uns traurig machen und an manchen Tagen ängstlich und hoffungslos. Aber wir schaffen es da durch, im Wissen, dass nichts bleibt wie es ist. Im Wissen, dass das Leben uns immer wieder neue Möglichkeiten schenkt, wenn wir uns dafür öffnen. Im Wissen, dass nach jedem Tief wieder ein Hoch kommt. 
 
Vertrauen.
Wir dürfen dem Leben vertrauen.
Wir dürfen uns selbst vertrauen.
Selbstvertrauen schenkt uns Stabilität.
Und dafür können wir etwas tun: Wir sind gut zu uns. Jeden einzelnen Tag, so gut es uns gelingt. 
Das gelingt nicht auf einmal. Das gelingt Schritt für Schritt, immer nur einen Tag nach dem anderen. Und wenn es nicht gelingt, dürfen wir uns Hilfe holen. Auch das bedeutet: Gut zu uns sein um stabil zu bleiben. 

Sonntag, 11. Oktober 2020

Warum wir in Beziehungen bleiben, die uns nicht mehr gut tun

 

                                                                         Zeichnung: A. Wende

 

„Wenn du sie liebst, dann lass sie gehn“,  heißt es in einem Lied von Clueso. 

„Wenn du dich liebst, dann lass dich gehen“, wäre eine andere Variante. Obwohl wir wissen, dass es besser für uns wäre zu gehen, bleiben viele von uns in Beziehungen, die abgelebt sind, die unglücklich machen  oder sogar krank.

 

Was sind die häufigsten Gründe warum wir dennoch bleiben? 

 

Wir erleben den "Sunk Costs Effect"

Aktuelle Studien sprechen vom sogenannten. "Sunk Costs Effect". Er bezeichnet das Verhalten, an etwas festzuhalten, weil es uns Geld, Zeit, Gefühle, Kraft oder Mühe gekostet hat. Gäbe man es auf, wären diese Aufwände vergeblich gewesen und man müsste sich seinem Ohnmachtsgefühl, das die Erkenntnis der Vergeblichkeit hervorruft, stellen. Hält man stattdessen an der Beziehung fest, können sinnlose Investitionen und belastende Ohnmachtsgefühle verdrängt werden. 

 

Wir haben Angst vor Einsamkeit

Wir Menschen können alleine nicht lange überleben. Menschen schlossen sich immer schon zusammen um sich gegenseitig zu schützen und ihr Überleben zu sichern. Wir sind soziale Wesen und brauchen einander. Das ist tief in unserem kollektiven Gedächtnis verankert. Zudem haben wir die Norm „Paar sein“, tief verinnerlicht. Viele Menschen fühlen großes Unbehagen, wenn sie allein sind. Andere können es gar nur schwer oder gar nicht aushalten. Im Alleinsein fehlt ein Gegenüber, ein Gegenüber, zu dem man innerlich gehört. Einsamkeit ist oft die Folge zu langen Alleinseins. Einsamkeit ist das Gefühl der Verlassenheit, sie ist das Leiden am Alleinsein. 

Studien zufolge ist die Angst vor Einsamkeit der häufigste Grund warum Menschen in unglücklichen oder destruktiven Beziehungen verharren. Statt sich dem Alleinsein und dem Gefühl der Einsamkeit zu stellen, bleibt man, aus Angst, es nicht aushalten zu können. Man verlässt sich lieber selbst, seine Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte, anstatt das Risiko einzugehen vielleicht im Zweifel eine Weile einsam zu sein.

 

Wir wiederholen unser Kindheitsdrama

Menschen, die in einem destruktiven familiären Umfeld aufgewachsen sind, in dem Lieblosigkeit, Sucht, Gewalt, emotionaler und/oder körperlicher Missbrauch erlebt wurde, fühlen sich im Tiefsten wertlos. Paradoxerweise fühlen sie sich aufgrund des Erlebten in einer destruktiven Beziehung, die ihnen dieses Gefühl immer wieder vermittelt, emotional zuhause und angekommen. Sie glauben, sie haben nichts Besseres verdient und erleben in Variationen Ähnliches, was ihnen aus der Kindheit vertraut ist. Dahinter verbirgt sich  der sogenannte Wiederholungszwang. Sie reinszenieren unbewusst ihr Kindheitsdrama mit immer wieder neuen Protagonisten, die sie nicht gut behandeln. Der inneren Stimme folgend: „Er/sie behandelt dich zwar schlecht, aber dieses Mal wird es gut werden, wenn du nur alles dafür tust geliebt zu werden“, tappen sie in die Falle des Unbewussten, das ihnen vorgaukelt die kindliche Vergangenheit endlich zum Guten wenden zu können, wenn es ihnen im Jetzt gelingt es gut werden zu lassen. 

Es wird nicht gut. Es wird dann besser, wenn die Wunden der  Kindheit angeschaut, bewusst gemacht und verarbeitet werden.

 

Wir knüpfen unseren Wert an eine Beziehung

Alleinsein hat einen schlechten Ruf. Wir glauben, dass wir alleine als Mensch nichts wert sind. Wir glauben vielleicht sogar, dass wir „falsch“ sind, wenn wir Niemanden an unserer Seite haben, der mit uns durchs Leben geht. Das hat viel mit Konditionierung zu tun. 

Wie oft haben wir das gehört? „Eine alleinstehende Frau? Mit der stimmt was nicht.“ „Ein ewiger Single: Mit dem stimmt was nicht.“ Single sein zwar ist okay, aber nur als vorrübergehender Zustand.

Glaubenssätze wie: „Wenn ich allein bin, stimmt mit mir etwas nicht“ sind tief verankert und sie haben wiederum mit dem Gefühl von Eigenwert zu tun. Wir glauben, wir brauchen den anderen, der uns mit seinem Dasein bezeugt, dass wir es wert sind zu sein. In Beziehung zu sein, ein Teil eines Ganzen zu sein, wert mit und bei uns zu sein. Und wenn wir das wert sind, sind wir okay. Sind wir allein, sind wir es nicht. Auch wenn wir uns nicht geliebt fühlen, auch wenn uns die Beziehung unsere Bedürfnisse nicht erfüllt, wir werden wenigstens gesehen, wir bekommen Aufmerksamkeit, sogar wenn es eine negative Aufmerksamkeit ist, was mit Wertschätzung absolut nichts zu tun hat. Das wird allerdings verdrängt. 

Der innere Antrieb den Eigenwert durch "In-Beziehung- sein" zu stärken, der Wunsch in eine Partnerschaft eingebunden zu sein und damit einen Mehrwert der eigenen Person zu empfinden, ist mächtiger als der Preis der Selbstverleugnung, der im Zweifel dafür gezahlt wird.

  

Wir sind in finanzieller Abhängigkeit

Der Partner verdient den Lebensunterhalt, er ermöglicht uns ein gutes Leben und schenkt uns eine materielle Sicherheit, die wir nicht aufzugeben bereit sind. Wir wollen auf das gute Leben nicht verzichten. Oder wir haben zu zweit ein Leben, das wir alleine nicht finanzieren könnten.

Die Fähigkeit für sich selbst zu sorgen wird angezweifelt. Also lieber bleiben als im Zweifel finanziell und sozial abzurutschen oder für die eigene Existenzgrundlage sorgen zu müssen.

 

Wir stecken in einem Zustand kognitiver Dissonanz

Dieses Phänomen ist in der Wissenschaft als Coolidge-Effekt bekannt. Dissonanz entsteht dadurch, dass unterschiedliche Kognitionen miteinander hadern. Dies entsteht, wenn zwei zugleich bestehende Kognitionen einander widersprechen oder sich ausschließen, oder wenn ein Gedanke nicht in unser Wertesystem passt. Zwischen diesen Kognitionen können Konflikte „Dissonanzen) entstehen. Wir befinden uns in einer unbefriedigenden Beziehung, wir wissen das und machen uns vor, das alles nicht so schlimm ist um uns vor uns selbst zu rechtfertigen, weil wir sonst den Kontrast nicht aushalten würden zwischen dem was wirklich ist, und dem, was wir für richtig halten, als richtig empfinden und uns eigentlich wünschen. Wir beschönigen das Ungute und machen uns vor, dass es so schlimm nicht ist, weil es ja auch hin und wieder gute Momente gibt. Wir beschönigen den Menschen, der uns nicht mehr gut tut und rufen uns das Gute von einst in Erinnerung. Dieses Gefühl der inneren Unstimmigkeit führt zur Abspaltung der Realität. Das belastet die Seele so sehr, dass wir alles tun, um es loszuwerden. Also verhindern wir alles, was die Dissonanz füttern würde, und selektieren die Situation oder den Menschen nach unserer Erwartungshaltung. Wir machen uns selbst etwas vor. Und damit auch dem anderen.

 

Wir verwechseln Liebe mit Gewohnheit

Bisweilen verwechseln wir Liebe mit Gewohnheit. Der Partner ist uns vertraut, unsere gemeinsamen Erfahrungen und Erinnerungen, das gemeinsame Leben, die gemeinsamen Rituale und die Zeit die wir miteinander gelebt und gestaltet haben. Die Liebe ist längst vergangen, der Partner ist selbstverständlich geworden oder uninteressant als Liebesobjekt. Im besten Falle leben wir wie Bruder und Schwester miteinander. Es gibt keine Neugierde mehr auf den anderen, es gibt kein Begehren und keine Leidenschaft mehr. Es gibt nur noch den Alltag der gut funktioniert und die gemeinsamen Interessen oder die gemeinsame Kindererziehung.

Unser Grundgefühl ist eine wachsende innere Leere und eine bedrückende innere Einsamkeit, aber wir bleiben, aus Gewohnheit und weil wir denken, es kommt ja sowieso nichts Besseres oder aus Angst vor dem Alleinsein und worauf wir dann alles verzichten müssten.

 

Wir haben Schuldgefühle

„Ich kann doch nicht gehen. Das kann ich ihm/ihr doch nicht antun. Ohne mich geht er/sie unter. Er/sie braucht mich doch.“So klingen Schuldgefühle.

Schuldgefühle machen abhängig. Sie lähmen, das eigene Leben und das des anderen. Denn der andere spürt sehr wohl, dass wir nicht aus Liebe bleiben.

Wer aus Schuldgefühlen heraus in einer kaputten Beziehung bleibt oder bei einem Menschen, der sich z.B. durch eine Sucht selbst zerstört und damit auch die Beziehung, haftet an und zwar an sich selbst und dem schlechten Gewissen, das er sich macht, weil er kein schlechter Mensch sein darf. „Ich darf den anderen nicht hängen lassen“, heißt im Grunde: „Ich will gebraucht werden, denn wenn ich nicht gebraucht werde, bin ich nichts wert oder habe keinen Lebensinhalt oder im schlimmsten Falle keine Lebensberechtigung.“ 

Das ist oft das unbewusste Motiv co-abhängiger Menschen.

Manche Menschen sind von Kindheit an auf Schuldgefühle konditioniert. Sie fühlen sich ständig schuldig für alles und jeden. Und damit fühlen sie sich gezwungen es wieder gut zu machen. Sie sind daher extrem manipulierbar. Der Satz: „Das kannst du mir nicht antun“, lässt sie am Unglück kleben wie die Fliege auf dem Honig. Das Ende der Fliege ist bekannt.

Schuldgefühle sind ungesund. Sie schaden uns selbst und dem Anderen mehr, als dass sie helfen. Sie sind ein zersetzendes Gift, das zu unzähligen Dramen führt.

 

Die Hoffnung stirbt zuletzt

„Er, sie wird sich ändern. Es wird wieder wie am Anfang wo alles so gut und schön war. So besonders, so einzigartig. Das kann nicht für immer vorbei sein.“

Wenn wir so denken leben in der Vergangenheit und sehen nicht was jetzt ist.

Wir projizieren das Jetzt in den Anfang und negieren die Realität.

Jetzt ist nichts mehr gut und schön. Es ist vielleicht sogar sehr ungut und unschön. Wir werden gedemütigt, belogen, betrogen und lassen uns schlecht behandeln. Oder wir streiten nur noch und die Beziehung ist längst  zum Schlachtfeld geworden.

Aber manchmal blitzt für Momente in der Zeit der Mensch auf, den wir so sehr liebten. Und alles ist wieder gut. Bis zum nächsten Drama. So entsteht mit der Zeit ein Suchtverhalten. Wie ein Suchtkranker greifen wir immer wieder nach der kurzen Erleichterung des schönen Rausches durch die Droge und nehmen den miesen Kater billigend in Kauf. Bis zur nächsten Dosis, wo es wieder so schön ist. Ein circulus vitiosus nimmt seinen Lauf. Die Hoffnung hält ihn am Leben. Sie gaukelt uns vor, dass es wieder gut wird, wenn wir nur lange genug ausharren. 

Es wird nicht gut. Wir zerfleischen uns selbst und den anderen.

 

Resignation

Das Leiden in und an der Beziehung ist normal geworden. Es wird als nicht mehr abwendbar empfunden. Es wird verharrt, weil die Kräfte am Ende sind. Das Selbstwertgefühl ist zerstört, es wird nur noch ausgehalten was ist. Die Kraft zur Veränderung  ist der Resignation gewichen.

 

All das sind Motive und Gründe warum Menschen bleiben, wo sie längst Abschied nehmen sollten. Aber diese Gründe zeigen auch wie schwer es ist zu gehen.

Partir cést toujours un peu mourir, sagen die Franzosen.

Gehen ist ein bisschen sterben. Und wir fürchten uns vor dem Sterben.

Dabei: Leben ist sterben. Jeden Tag. Nur fühlen wollen wir es nicht. Weil es weh tut.

 

Samstag, 10. Oktober 2020

Kritik? Bloß nicht!

                                                             Zeichnung: A. Wende
 
Etwas annehmen ist keine leichte Sache für manche Menschen, besonders wenn es etwas ist, was sie als Kritik verstehen. Kritik wirft uns aus unserer Komfortzone. Sie kann uns unsicher machen und das Bild, das wir von uns selbst haben, kommt ins Wanken. Das mögen wir gar nicht. Verständlich. Wir wollen unser Selbstbild erhalten, denn es gibt uns das Gefühl von Selbstsicherheit.
Ein selbstsicherer Mensch aber kann Kritik zulassen. Er ist offen dafür, vorausgesetzt sie begegnet ihm mit Wohlwollen. 
 
Kritikfähig zu sein bedeutet, Kritik anzunehmen, die sachlich formuliert und gerechtfertigt ist.
Der Kritikunfähige aber hat damit Probleme. Und je größer die Probleme sind, die ihm das macht, desto unsicher ist dieser Mensch in sich selbst. Die kleinste Kritk und es wird um sich geschlagen, mit Worten. Der Kritiker wird angegriffen und im worst case abgewertet. Der Kritikunfähige geht in die Abwehr nach Außen, anstatt nach Innen, wo der richtige Ort wäre um zu reflektieren. Und das würde so gehen: Ich frage mich, ob der Kritiker vielleicht Recht hat, ob er mir damit einen wertvollen Hinweis gibt auf etwas, was ich selbst nicht erkennen kann. Auf etwas, das mir vielleicht im Leben schon so manches versaut hat und was ich anders machen könnte.
Es ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein, wenn wir sagen können: Danke für den Hinweis, wie kann ich es besser machen?
Es kann aber auch sein, dass wir zu dem Schluss kommen, dass unsere Sicht der Dinge oder unser Standpunkt für uns der richtige ist. Kritikfähigkeit bedeutet nicht alles zu bejahen was andere meinen. Sie bedeutet aber: wir hören uns die Meinung des anderen an, wir zeigen Interesse am Feedback des anderen, wir nutzen die Anregungen und die Gedanken, die uns gegeben werden. Kritikfähigkeit heißt auch zu erkennen, dass andere gute Gründe haben anders zu denken oder es anders zu wollen als wir selbst, dass sie andere Ideen, Wahrnehmungen, Ideen und Lösungsvorschläge haben.
Kritikfähigkeit heißt, dass wir das Gesagte dann in unsere Gedankenwelt mit einbeziehen und so über unsere Sicht der Dinge hinausblicken. 
 
Jede respektvolle Kritik ist ein Ausdruck dafür, dass sich der andere für uns interessiert, dass wir ihm wichtig sind und er uns helfen will.  
Nur indem wir uns für einander öffnen und bereit sind andere Gedanken anzunehmen, können wir unseren Horizont erweitern und vielleicht sogar blinde Flecken in uns erkennen, die wir allein nicht sehen konnten. Und wir können wieder ein bisschen wachsen.
Die Abwehr des Kritikunfähigen allerdings schließt die Tür. Die Tür zum anderen hin und die Tür zu mir selbst und zu dem, was ich an mir selbst nicht wahrnehmen kann, weil ich es einfach nicht sehe oder nicht wahrhaben will. 
 
Menschen die keine Kritik vertragen sehen sich oft als Opfer.  
Typisch für die Opferhaltung ist: Es sind immer die anderen. Es sind die anderen, die Schuld haben, die anderen, die sie nicht so verstehen wie sie es sich wünschen, die anderen, die ihre Erwartungen und Bedürfnisse nicht erfüllen. Es sind die anderen, die ihnen das Leben schwer machen und es sind die anderen, die sich ändern müssen, damit es ihnen besser geht.
Kritikunfähigkeit kann auch ein Symptom für eine Persönlichkeitsstörung sein, wie z.B. bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Hier geht es um das erhöhte Selbstbild des narzisstischen Menschen, das auf keinen Fall Kratzer bekommen darf, denn das stürzt den Narziss in eine Krise. Er fühlt sich klein und unbedeutend und das hält er nicht aus. 
 
Der Kritikunfähige fühlt sich in seiner ganzen Person bedroht und das macht ihm emotionalen Stress.
Auf diese emotionale Bedrohung reagiert er entweder mit Flucht, Angriff oder Starre. Das bedeutet: Entweder er wendet sich ab, greift aggressiv an oder tut so als habe er nichts gehört. Das alles sind Manifestationen von Kritikunfähigkeit und diese kommen immer aus einem mangelnden Selbstbewusstsein. Mangelndes Selbstbewusstsein klammert sich an etwas was so zu sein hat und nicht anders, denn es verträgt keine Erschütterungen, weil es so fragil ist. Gesundes Selbstbewusstsein ist neugierig, offen und freut sich über Impulse, die es dazu anregen etwas dazuzulernen. 
 
Wie gehen wir mit einem kritikunfähigen Menschen um?
Wir machen uns bewusst: Wir haben keine Macht über andere Menschen. Menschen sind so, wie sie sind und es ist nicht unsere Aufgabe sie zu ändern. Wir regen uns nicht auf. Wir akzeptieren, dass der andere unsere Gedanken und Gefühle zu seinen Ansichten nicht hören möchte. Wir lassen ihm seins und wir lassen ihn sein.
Es ist okay.