Samstag, 30. September 2017

Der innere Widerstand



Foto AW

In manche Ziele fließt weniger Energie als in den Widerstand ihrer Erfüllung.
Warum ist das so? Warum reden und träumen Menschen von ihren Zielen und tun nichts dafür oder nicht genug um sie zu erreichen? Die Gründe sind vielfältig, sie beginnen dort wo wir nicht fähig sind an uns selbst zu glauben, über die Angst die vertraute Komfortzone zu verlassen bis hin zu einer Resignation, derer wir uns gar nicht bewusst sind, oder schlicht und einfach weil wir zu bequem und zu wenig diszipliniert sind um das, was wir erreichen wollen auch in Handlung umzusetzen.
All das und mehr führt zu einem inneren Widerstand, einem Hindernis, das dazu führt, dass statt dem kontinuierlichen Tun und der Arbeit, die zum Erreichen des Zieles notwendig sind, ein Gefühl der Sehnsucht bleibt. Sehnsucht, dieses köstliche Gefühl aus einer Mischung von Erfüllung und Mangel kann durchaus erfüllen, wenn unsere Träume und Ziele unerfüllt bleiben.

Wer wenig oder keine Energie in sein Ziel gibt, wer sehnt anstatt zu handeln, schützt sich vor Enttäuschungen. Wer nicht wagt, kann also nicht nur nicht gewinnen, er kann auch nocht verlieren. Was ihm bleibt ist das tröstliche: "Ich könnte ja, wenn ich wollte", und das fühlt sich für viele besser an als der Gedanke mit dem zielgerichteten Wollen eventuell zu scheitern. Die Angst zu scheitern ist ein großes Hindernis, dessen sich viele Menschen nicht bewusst sind. Was wenn wir scheitern? Dann sind wir ungenügend, nicht gut genug, unfähig, wettert der innere Kritiker. Und wer sind wir dann vor uns selbst und in den Augen der Anderen?

Widerstand ist eine Art Selbstschutz. Er verhindert, dass wir etwas tun, von dem wir nicht wissen wie es wird oder wie es ausgeht. Und damit bremst er uns aus, verhindert Entwicklung und Wachstum. Das ist sein einer Pol. Aber alles hat zwei Pole, auch der Widerstand. Manchmal bewahrt er uns davor etwas aufzugeben, was vielleicht besser für uns ist, als wir es meinen oder er bewahrt uns davor ein Risiko einzugehen, das einen zu hohen Preis hat.

Bevor wir also Energie in ein Ziel geben macht es Sinn zu fragen: Warum will ich genau das erreichen? Was sind meine Motive?

Unsicherheiten, was unsere Ziele angeht, bedeuten immer, es fehlt der echte innere Drang. Wer diesen besitzt wird losgehen, trotz der Hindernisse die ihm auf seinem Weg begegnen können. Wer ein Herzensziel hat, spürt keinen Widerstand.

Mittwoch, 27. September 2017

Auf dem Boden der inneren Leere liegt die Lösung

Foto: AW

Immer wieder kommen Menschen zu mir, die unter einem Gefühl der inneren Leere leiden. Sie haben von Außen betrachtet alles was ihrem Leben Fülle schenkt, eine gesunde Familie, einen Partner, einen erfolgreichen Job, genug Geld und manche haben alles sogar im Überfluss. Und dann wieder gibt es Menschen, die nichts von alledem haben und dennoch diese innere Leere verspüren. Sich innen leer fühlen hat also nichts mit dem zu tun, was wir haben. Es hat mit unserem Sein zu tun, damit wer wir sind, sprich wie wir uns mit und in uns selbst fühlen.
Menschen die sich innerlich leer fühlen, fehlt häufig der Zugang zu genau diesem Gefühl. Sie spüren sich nicht. Wenn ich sie frage: "Wie fühlt sich diese Leere an?", kommen oft Antworten wie „blöd“ „schlecht“ oder ein: „Ich weiß es nicht, leer halt.“ „Blöd“, „leer“ und „ich weiß es nicht“ sind keine Gefühle. Es sind Beschreibungen eines Zustandes. Und meist kommen diese Beschreibungen aus dem Kopf und nicht von dort her wo der Zustand herrscht und von wo aus er etwas auslöst – die Leere nämlich.

Das Gefühl der inneren Leere kann sich wie eine Lücke oder ein schwarzes Loch anfühlen, das alles in sich einsaugt und verschluckt. Es kann sich wie eine tiefe Sehnsucht anfühlen, die namenlos ist. Es kann sich wie ein sich Auflösen anfühlen oder wie eine große Angst. Es kann sich wie eine tiefe Trauer anfühlen, die keinen Trost findet. Es kann auch eine ohnmächtige Wut sein, die keinen Ausdruck findet. Das und mehr liegt am Boden des Loches, das das Gefühl des Leer seins covert, weil derart existentielle Gefühle oft abgespalten werden, damit sie uns nicht überfluten.

Ungute starke Gefühle sind für uns Menschen schwer auszuhalten. Und weil viele Menschen sie nicht auszuhalten glauben tun sie das Nächstliegende: Sie versuchen das Loch zu stopfen. Übermäßiges Essen, Alkohol, Drogen, Menschen, Beziehungen, ständig in Aktion sein, arbeiten bis zum Umfallen, feiern, Geld ausgeben, exzessiver Sex, Dinge kaufen - all das sind Versuche diese Leere und die Gefühle, die auf ihrem Grund ruhen, zu vertreiben. Es sind untaugliche Versuche mit und an den untauglichen Objekten. Denn dass diese Versuche nicht hilfreich sind, zeigt sich daran, dass sie ständig wiederholt werden müssen und immer zum gleichen Ergebnis führen: Die Leere lässt sich nicht wegkonsumieren, wie exzessiv man es auch betreiben möge.
Auch hier gilt: An den Symptomen herumdoktern heilt nicht die Ursache.

Auf dem Grund dieses Loches ist ein Boden. Auf dem Grund dieses Loches liegt die Ursache, welche die zu diesem Gefühl der Leere führt. Leere ist immer ein Zustand des Mangels. Der gefühlte Mangel also ist der Urgrund der Leere. Dieser Mangel hat viele Gesichter. Es kann der Mangel an Liebe sein, an Wertschätzung, an Anerkennung, an Aufmerksamkeit, an Zuwendung, an Trost, an Lebensfreude u.v.m. Jeder der diese leere kennt leidet unter einem Mangel besonders. Auch ich kenne dieses Gefühl gut und ich weiß, es ist kein schlechtes Gefühl. Es ist ein ehrliches Gefühl, ein nach Oben drängendes Gefühl, das uns als Wegweiser dienen kann unseren Mangel zu erkennen, ihn uns genau anzuschauen und herauszufinden wie alt er ist und auf welches Bedürfnis er verweist. Meist ist dieses Bedürfnis so alt wie wir selbst.

Vielleicht haben wir als Kind nicht die Liebe bekommen, die wir gebraucht haben oder wir wurden ständig übersehen, nicht ernst genommen, nicht gelobt oder gar kritisiert. Vielleicht hat man uns vermittelt, dass wir ein schlechtes Kind sind oder wir wurden emotional und/oder körperlich missbraucht. Besonders Opfer von Missbrauch sprechen häufig vom Gefühl von innerer Leere. Hier hat dieses "sich leer fühlen" die Abwehrfunktion, Gefühle von Schuld und Scham abzuspalten.
Der Hauptgrund des sich leer fühlens liegt also häufig in einem Mangel an Liebe, Halt und Zuneigung zu einem Zeitpunkt in unserem Leben als dies am Nötigsten gebraucht hätten.

Wie aber überwindet man nun diese innere Leere?
Man könnte sich auf die Reise in die Vergangenheit begeben. Man könnte für sich herausfinden, was genau es ist, das diese Leere erschaffen hat. Wenn wir den Urgrund identifizieren können, können wir uns daran machen alte Wunden zu erkennen, sie anzuerkennen und sie zu versorgen, damit sie weniger schmerzen. Vorrausetzung dafür aber ist - und das ist aus meiner Erfahrung das Wesentliche: Der Mut durch einen Schmerz zu gehen, von dem wir glauben nicht aushalten zu können. Der Mut die Angst zu überwinden, die uns von uns selbst trennt und dem was wir wirklich suchen und brauchen.Die Erfahrung sagt: Das sind wir selbst, in all dem was uns ausmacht. Für mich ist es den Mut wert den Schmerz auszuhalten. Er wird sich auflösen, aber nicht, wenn wir ihn ein Leben lang unterdrücken, sondern nur dann, wenn wir ihn endlich herausfließen lassen.

Angelika Wende

www.wende-praxis.de

Montag, 25. September 2017

Lasst Euer Licht leuchten!




Es ist eingetreten, was viele von uns befürchtet und andere gehofft haben: Eine radikale rechte Partei wird ins Parlament einziehen. Vielen von uns macht das Angst. Es ist die Angst, die auf dem gründet, was unser Land glaubte überwunden zu haben - den Schrecken und die Schuld des Nationalsozialismus. "Wir werden Merkel jagen" postuliert einer dieser Rechten und erinnert mit dieser Wortwahl an jene unheilige Zeiten, in denen Menschen Menschen jagten um sie zu vernichten. Ja, da kann es einen gruseln. Und ja solche Parolen in einem vermeintlich zivilisierten Land können uns wieder das Fürchten lehren.

Es gibt schon genug zu fürchten und es gibt immer mehr zu fürchten. Zu fürchten ist auch die Weltlage. Die USA entsendet Langstreckenbomber und Kampfjets in den internationalen Luftraum östlich von Nordkorea. All das ist fürchterlich und all das schürt Angst. Angst lähmt. Angst macht starr. Angst macht eng. Angst macht uns zu Marionetten. Haben wir Angst denken, handeln und reagieren wir aus der Angst heraus und damit der Situation unangemesssen.

Was frage ich mich an diesem Montagmorgen nach dieser desaströsen Wahl ist angemesssenes Denken? Was kann ich tun angesichts der Erkenntnis, dass die Geschichte uns Menschen nichts, aber auch nichts lehrt? Was tue ich als Einzelner angesichts all dieser Dinge, die ich nicht beeinflussen kann? Rege ich mich auf ändert das nichts an dem, wie es ist. Habe ich Angst ändert das nichts an dem, was ist. Es wird geschehen was geschehen wird und auch nach der Abgabe meiner Stimme ist mein Einfluss auf das große Ganze sehr gering und unbedeutend was die Lage in meinem Land und was die Lage in der Welt angeht. Ich kann am großen Rad nicht drehen. Ich habe keine Macht über andere Menschen. Und schon gar nicht über Regierungen.

Aber ich kann etwas tun. Ich kann an kleinen Rädchen drehen. Ich bin nicht ohnmächtig. Ich kann an meinen eigenen Rädchen drehen. Ich kann Vieles tun im Sinne der Menschlichkeit in einer Welt, die immer unmenschlicher wird. Ich kann wirken - auf mein eigenes Sein. Das ist das Einzige was ich beeinflussen kann, was ich gestalten kann. Und das ist es, was ich tun werde, trotz der leisen Angst, dass die Menschheit sich im Zweifel selbst vernichtet.

Lasst Euer Licht leuchten, dann macht es all das Dunkle da draußen heller!
Namaste Ihr Lieben

Freitag, 22. September 2017

Wenn du bereit bist





Niemand hilft dir auf deine tiefsten Fragen Antworten zu finden, wenn du nicht bereit bist, sie in dir selbst zu finden. Die Betonung liegt auf: bereit.

All die Fragen, die du anderen stellst, all die Versuche durch andere eine Lösung für dein Dilemma zu finden, all das Suchen nach Ratschlägen ist nutzlos, denn die Antworten anderer sind nicht deine Lösung. Wenn du glaubst, das macht einer für dich, bist du auf dem Holzweg.

Die kindliche Sehnsucht, ein anderer möge es für dich richten, aber glaubt das. Und erfährt wieder und wieder Enttäuschungen auf ihrer vergeblichen Suche nach Rettung. Und dann sitzt es da, dieses Kind in dir, traurig und mit einem tiefen Gefühl innerer Verlassenheit und sehnt sich schmerzvoll weiter. Die Antworten ungelöst, die Trauer schwer und schwerer und kein Ausweg in Sicht. Und immer noch die kindliche passive Hoffnung auf (Er) Lösung. Am Ende vielleicht Resignation ob der Sinnlosigkeit all der untauglichen Versuche, und Angst weil die Zeit vergeht und sich nichts ändert an all dem, was schwer auf dir liegt. Dann ist es ein Geschenk jemanden zu finden, der die richtigen Fragen stellt, die dich zu deinen Antworten führen. Du wirst ihn finden, wenn du bereit dazu bist.

Freitag, 15. September 2017

Was bin ich mir wert?





Unsere innere Stärke beginnt bei der oft unterschätzten Tatsache, wie wir über uns selbst denken, mit uns selbst sprechen und wie wir mit uns selbst umgehen. An diesen Zugangsformen zum eigenen Ich können wir etwas ändern.
Zum Beispiel mit der Frage: Was bin ich mir wert?
Diese Frage, wirklich ernsthaft reflektiert, setzt einen Prozess in Gang, der ein Leben verändern kann.

Wie oft erlebe ich in der Praxis wunderbare Menschen, die genau daran leiden, dass sie nicht erkennen wie wertvoll sie sind. Sie haben ein Bild von sich selbst im Kopf, das kein gutes Haar an selbigem lässt. Zu lange leben sie in einem Gedankengebäude, das ihren Eigenwert zu Boden zieht. Irgendwann einmal haben sich diese Gedanken eingegraben, meist in der Kindheit. Sie haben am Modell der Mutter oder des Vaters gelernt oder sie haben erfahren müssen, dass man sie nicht wertschätzt für das was sie sind. Aufgrund dieser Erfahrungen sind sie der festen Überzeugung nichts wert zu sein. Das klingt sehr einfach, aber die tiefesten Wahrheiten finden sich genau in dieser Einfachheit. Unsere frühkindlichen Erfahrungen und davon besonders die unguten, sind tief verinnerlicht und es ist schwer sich davon zu befreien. Zu viele Hindernisse liegen auf dem Weg und viele Menschen scheuen sich oder sie sind schlicht und einfach zu bequem sich auf die Suche zu machen, sie zu erkennen und sie wegzuräumen. Sie klagen lieber und lassen alles beim Alten.

Das Hinderlichste um im Leben genau der zu bleiben, von dem man denkt, der man sei, ist der Gedanke: "Da kann man eh nichts machen."

Es ist nicht wahr. Man kann etwas machen, nur wenn man macht was man schon immer gemacht hat, wird es bleiben wie man es schon immer gemacht hat und das Erleben oder das Lebensgefühl der Wertlosigkeit wird zum lebenslangen Begleiter. Der Gedanke: "Da kann man eh nichts machen" nimmt uns die Zuversicht und unser Selbstwertgefühl.

Wer so auf sich selbst und sein Leben schaut wird in dieser Haltung erstarren. Er füttert damit die Zweifel an sich selbst und seine Unfähigkeit oder seine Angst Herausfoderungen zu bewältigen.
Sich selbst wertschätzen lernen ist eine solche Herausforderung. Aber wie will ich sie annehmen wenn ich voller Zweifel bin? Wer Herausforderungen meidet, der vermeidet es sich selbst zu entwickeln. Er bleibt wer er ist und wo er ist, mit dem was er hat. Und meist bleibt er unzufrieden.

Zweifel nehmen uns die Zuversicht und fungieren als Bremse.
Und dann fühlen wir uns vom Leben ausgebremst, aber es ist nicht das Leben das das tut - wir selbst sind es, die wir uns dem verweigern, was das Leben von uns will: Wachsen nämlich, zu uns hin wachsen. Zu dem, der wir sind.

Viele Menschen haben auf die Frage: "Wer bist du?" eine Antwort, die mich immer wieder erstaunt. Sie erzählen was sie machen, was sie für einen Job haben und was sie leisten. Damit beantworten sie die Frage natürlich nicht. "Wer bist du?", heißt diese nämlich und nicht: "Was machst du?" Wie man das verwechseln kann? Man weiß nicht wer man ist und definiert sich über das, was man macht. Und genau diese Menschen sind es, die in eine tiefe Leere fallen, wenn das Leben ihnen das, was sie machen, wegnimmt oder sie es aus welchen Gründen auch immer verlieren.Was bin ich denn noch ohne meine Arbeit? Wer bin ich denn ohne meinen Mann, meine Frau, meinen Liebhaber? Wer bin ich denn ohne meine Kinder? Wer bin ich denn ohne mein Geld, mein Haus, mein Pferd, mein .... ?

Genau diese Fragen führen uns zu unserem Denken über uns selbst, zu unserem Gefühl für den Wert, den wir uns zuschreiben. Liegt dieser im Außen? Ja, für die meisten ist das so. Aber dieser über das Äußere definierte Wert ist fragil, so fragil wie das Leben selbst. Und nein, wir haben nicht unendlich viel Lebenszeit und nein wir können das Wesentliche nicht auf Morgen verschieben. Denn es kann sein, dass es das Morgen nicht mehr gibt. Auch das kommt nicht in das Bewusstsein vieler Menschen. Wahnwitziger Weise denken sie sie haben endlos Zeit. Und machen weiter wie bisher, in der Hoffnung auf eine bessere Zeit, dann, irgendwann.
Eine lähmende Hoffnung, die das Denken auf eine unberechenbare Zukunft focusiert.
Und was ist in der Zwischenzeit? Zwischenleben.
Ein Leben zwischen sich unglücklich fühlen und schaler Hoffnung.

Die Hoffnung verändert nichts, sie ist kein Schub, der uns in eine Entwicklung treibt - sie ist eine passive Dulderin, die uns dort festhält wo wir sind und lediglich als Trösterin dient für die Illusion von einer besseren Zeit.
Die Zeit ist jetzt, heute an diesem Tag und nicht an einem in weiter Ferne liegenden Punkt X an dem alles besser und schöner ist. Ein besseres Leben erträumt man nicht, man gestaltet es. Und die  Gestaltung beginnt mit der Frage: Was bin ich mir wert?




Montag, 11. September 2017

Über das Urteilen



Foto: www

Urteile haben einen großen Nachteil, für uns selbst und für andere - wir bleiben in Unklarheit darüber was uns im Innersten bewegt. Urteile sind Deckel, unter denen wir unsere Gefühle und Bedürfnisse verschließen. Das bewirkt, dass wir uns derer nicht bewusst werden. Urteile kappen die Verbindung zu uns selbst und anderen, sie trennen und spalten ab. Zack, Urteil und fertig!
Und wir meinen damit ist es gut.
Es ist nicht gut.
Urteile sind nichts anderes als ein erstarrter Ausdruck unseres Innenlebens. Je härter Menschen urteilen, desto größer ist der eingekapselte Schmerz, den sie nicht fühlen wollen. Urteilen ist eine Form von Abwehr - wir wehren ab, womit wir uns nicht auseinandersetzen wollen. Aber das bringt uns nicht weiter, nicht näher zu uns selbst und nicht näher zum anderen hin.
Es bringt uns weiter, uns dem Gefühl zuzuwenden, das sich hinter dem Urteil verbirgt. Hinter jedem Urteil steht ein Bedürfnis, das sich meldet und versorgt werden will.

Freitag, 8. September 2017

Sich selbst lieben geht nicht auf Knopfdruck



Danke für das Foto, Lucas


Die Liebe für uns selbst muss sich darauf beziehen, was wir sind und nicht auf das, was wir tun. Erst dann gelingt es uns, uns vorbehaltlos zu akzeptieren. Das Erkennen des Unterschieds zwischen Tun und Sein ist eine der wichtigsten Erfahrungen, die wir im Leben machen können.

Sich selbst lieben geht nicht auf Knopfdruck. Es ist Arbeit. Der Psychiater und Bestsellerautor M. Scott Pecks sagte einmal, dass Liebe besagt, dass Liebe eine harte Arbeit ist, zu der eine Erweiterung der Persönlichkeit gehört. Und so ist es. Die Selbstliebe kommt uns nicht einfach so angeflogen, wenn wir sie nicht fühlen können. Sie muss in der Tat erarbeitet werden. Es braucht den Willen und es braucht Übung die Selbstabwertung oder die Selbstverachtung aufzugeben und uns selbst vorbehaltlos zu akzeptieren mit allem was uns ausmacht, auch mit dem, was wir an uns selbst nicht leiden können. Sich selbst nicht leiden können bringt Leid, innerseelisch und im Kontakt mit anderen Menschen, in all unseren Beziehungen.

Die Arbeit an der Selbstliebe beginnt damit, dass wir uns selbst zuhören. 
Wie hört man sich selbst zu? Indem man auf seine Gefühle, seine Wünsche und seine Bedürfnisse achtet. Die meisten von uns haben das nicht gelernt. Wir haben gelernt unseren Focus auf das zu richten was andere fühlen, wünschen oder brauchen. Wir haben gelernt Erwartungen zu erfüllen, die andere an uns haben, aber wir haben nicht gelernt unsere Erwartungen an uns selbst zu achten und zu erfüllen und wenn, dann sind es jene, die man uns beigebracht hat. Was wir tun müssen, damit wir anderen gefallen, ist eine davon. Auch wenn wir glauben wir tun all das was wir tun für uns, so ist das in Wahrheit nicht selten ein Irrglaube, wir tun es damit man uns achtet, uns Aufmerksamkeit schenkt, uns wertschätzt und liebt. Wir tun es um durch unser Tun etwas zu bekommen, von dem wir meinen, dass wir es brauchen. Und meistens bekommen wir ja auch etwas für unser Tun, aber wann bekommen wir etwas für unser Sein?
Leistung bringen ist Tun.
Sein ist einfach da sein, ohne etwas tun zu müssen.  
Wann nehmen wir uns die Zeit einfach nur zu sein?
Erlauben wir es uns? Oder denken wir gar nicht darüber nach, so wie die meisten Menschen, die ständig irgendetwas tun müssen, weil sie gar nicht wissen was nichts tun sein kann, und weil sie sich schlecht fühlen im Nichtstun. So funktioniert unsere Leistungsgesellschaft. So funktioniert Leben, wie man es uns beigebracht hat. Tu was, dann bist du wer. Wer nichts tut, ist nichts wert.
Und wem schenken wir damit Aufmerksamkeit? Nicht uns selbst jedenfalls.

Man muss sich selbst Aufmerksamkeit schenken um sich selbst wahrzunehmen.
Das beginnt damit in Kontakt mit den eigenen Gefühlen zu kommen. Und jedes Gefühl, das wir haben sagt uns etwas über unsere Bedürfnisse. Gefühle sind immer auf Bedürfnisse ausgerichtet. Wenn ich zum Beispiel traurig bin habe ich das Bedürfnis nach Fürsorge, Geborgenheit und Trost. Wenn ich mich hilflos fühle, habe ich das Bedürfnis nach Selbstbestimmung, nach Sicherheit und Halt. Jedes Gefühl verweist auf ein tiefes Bedürfnis. Die meisten Menschen erkennen das nicht. Sie übergehen ihre Gefühle und weil sie das tun, wissen sie nichts über ihre wahren Bedürfnisse.

Ein Mensch, der sich selbst liebt weiß um seine Bedürfnisse. 
Das ist die Vorrausetzung für Selbst - Bewusstsein. Nur wer sich seiner selbst bewusst ist wird sein Leben so gestalten, dass es seinen Bedürfnissen nahe kommt.
Die Arbeit an der Selbstliebe erfordert Aufmerksamkeit für uns selbst und sie geht nicht ohne Selbstdisziplin vonstatten. Selbstdisziplin bedeutet sich selbst gegenüber absolut ehrlich zu sein, seine Triebe aufschieben zu können und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Wer sich so verhält besitzt Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit und Selbstwertgefühl. Ohne das ist Selbstliebe nicht möglich. Sie bedeutet nämlich auch Verzicht. Verzicht auf Dinge, die uns nicht gut tun. Dazu muss man eben wissen was einem nicht gut tut und damit sind wir wieder bei der Aufmerksamkeit, die wir uns selbst schenken müssen um bei uns selbst anzukommen.

Erst wenn wir das gelernt haben und es dauert, wie alles was wir neu lernen müssen, werden wir irgendwann bei uns selbst ankommen und dem Gefühl ein einzigartiger liebenswerter Mensch zu sein,  der sich vorbehaltlos akzeptiert und sich verzeihen kann wenn er Fehler macht. Selbstliebe versetzt uns in die Lage nichts mehr von anderen einzufordern, was sie uns nicht zu geben vermögen, können oder geben wollen, sie macht aus emotional Abhängigen selbstsichere Menschen, die wissen wie sie selbst gut für sich sorgen und sich ihre Bedürfnisse erfüllen können. Selbstliebe hilft uns dabei nein zu sagen, sie hilft uns dabei uns abzugrenzen. Sie hilft uns auch um etwas zu bitten, wenn wir uns etwas wünschen und sie hilft uns damit umzugehen wenn wir Zurückweisung erfahren. Wenn wir die Arbeit der Selbstliebe nicht scheuen erhalten wir ein wertvolles Geschenk – wir wissen um den wahren Wert unseres Seins. Und dafür müssen wir nichts tun und uns selbst und anderen nichts beweisen.

Namaste 

Angelika









Mittwoch, 6. September 2017

Aus der Praxis – Wie wir quälende Gedanken stoppen können


Wir alle kennen es, wir möchten nicht an etwas Bestimmtes denken, aber wir können nicht damit aufhören. Quälende Gedanken können uns beherrschen. Mehr noch, sie werden zu Gefühlen, die uns besetzen, die unseren Tag beherrschen und uns in den Nächten den Schlaf rauben. Jedes Gefühl, das wir haben, kann internalisiert werden. Geschieht das, hört das Gefühl auf wie ein Gefühl zu wirken, es wird zu einem Teil unserer Persönlichkeit mit dem wir uns identifizieren. Wenn wir uns bewusst machen, dass die Dynamik unseres Seins aus Gefühlen, Bedürfnissen und Trieben zusammensetzt ist, können wir uns leicht vorstellen, dass wir mir diesen Identifikationen eine Störung in diese Dynamik bringen. Das ganze System ist im Ungleichgewicht und wir reagieren und handeln aus dem internalisierten Gefühl heraus. Es hat uns im Griff. Was wir nun brauchen ist ein Weg um uns von diesen Gefühlen zu lösen, oder wie man in der Psychologie sagt: Wir disidentifizieren uns von belastenden Gefühlen.

Wie ist das möglich?
In der Psychoanalyse wird zwischen verschiedenen Ich-Zuständen unterschieden. Wir haben ein sogenanntes Ego das uns mit Gedanken und Gefühlen überfluten kann. Aber all die ganzen Stimmen die wir so im Kopf haben - das SIND wir nicht. Wir sind weder unsere Gefühle, noch unsere Gedanken. Wir erschaffen sie und nicht sie erschaffen und beherrschen uns, auch wenn wir das irrtümlicherweise glauben. Diese einfache Wahrheit wird oft übersehen und viele Menschen können sich auch nicht vorstellen, dass es so ist. Können wir uns aber auf diese Wahrheit einlassen, haben wir eine gute Chance nicht weiter das Opfer unserer Gedanken und Gefühle zu sein. Wir können uns unsere Eigenmacht zurückholen, wenn wir wissen: Alles was wir denken und fühlen, können wir beeinflussen, denn WIR sind es, die denken und fühlen. Es gibt niemanden, der uns sagen kann: Du musst dich jetzt so oder so fühlen. Es gibt niemanden, der uns verletzen kann, wenn wir es nicht zulassen. Es ist einzig und allein unsere Interpretation der Dinge, die unsere Gedanken und Gefühle erschafft. Diese Interpretation läuft allerdings in Sekundenbruchteilen ab. Und manchmal merken wir es erst, wenn wir mitten drin stecken im Dilemma.

Viktor Frankl sagte einmal: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum“. Was er damit meinte ist, dass wir genau diesen Raum für uns nutzen können um nicht wie ein Pawlowscher Hund auf einen von außen kommenden Reiz zu reagieren. Wir haben diesen Raum, der eine Distanz zwischen Ursache und Wirkung, zwischen Reiz und Reaktion, schaffen kann und dieser Raum ist ein hilfreiches Geschenk, wenn uns wieder einmal ein quälender Gedanke massiv zusetzt.
Hierzu gibt es eine einfache und sehr wirksame Methode aus der Psychologie: den Gedankenstopp.
Der Gedankenstopp hilft, nicht noch tiefer in die quälenden Gedanken, die depressive Stimmung oder in die Angst zu fallen, sondern nach einer Lösung zu suchen und diese auch zu finden. Der Sinn der des Gedankenstopps liegt darin, uns selbst aufzuwecken, bevor wir von destruktiven Gedanken überflutet werden.
Zugegeben das zu verinnerlichen ist schwer und es braucht Übung. Es braucht den Willen es zu üben.
Wie das funktioniert?

Sobald quälende Gedanken auftauchen: Setz dich in aufrechter Körperhaltung an einen stillen Ort und lass diese Gedanken zu. Dann haue kräftig auf den Tisch und sage laut „Stopp“ zu dir selbst. Du wirst überrascht sein, wie du plötzlich wieder im Hier und jetzt bist und die quälenden Gedanken weg sind.
Eine weitere Übung, die mir persönlich hilft, ist diese kleine aber sehr effektive Übung im Selbstmitgefühl:
Sag mitfühlend zu dir selbst: „Ja, so ist das“. Wenn du magst, lege dabei deine Hände auf dein Herz und atme dabei ruhig ein uns aus. Tu das solange du magst oder solange bis zu fühlst, dass es in dir ruhiger wird. Bei manchen Menschen nützt schon diese kleine Übung um innerlich wieder zu sich selbst zu kommen.

Und zum Schluss ein Zitat von Roberto Assagioli
„Ich habe einen Körper, aber ich bin nicht mein Körper.
Ich habe Gefühle, aber ich bin nicht meine Gefühle.
Ich habe Wünsche, aber ich bin nicht meine Wünsche.
Ich habe einen Geist, aber ich bin nicht mein Geist.
Ich bin ein Zentrum aus reinem Bewusstsein.“

Namaste Ihr Lieben



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