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Zeichnung: AW 2017 |
Wenn es verletzt ist es keine Liebe, heißt ein Buch von Chuck Spezzano.
Das klingt einfach, sehr einfach. Nur das weder das Leben noch wir Menschen einfach sind.
Warum also sollte es die Liebe zwischen zwei Menschen sein?
Weil
uns das einer sagt, weil die menschenfremde Botschaft, dass wir Liebe und
Verletzen trennen müssen, mittlerweile über
den Kreis der Esoteriker heinausgedrungen ist? Mal ehrlich, wer von uns kennt eine Liebe, die ohne Verletzungen einhergeht? Es gibt sie nicht. Sie ist eine Illusion. Und wünschen wir uns eine Liebe ohne Verletzungen leben wir in einer Illusion.
Der
heutige Mensch ist durchdrungen von einem Perfektionismus und einer
Sucht nach Erfolg und Selbstoptimierung wie es sie zu keiner Zeit zuvor jemals gab.
Und er liebt Ilusionen.
Er will alles glatt,
problemlos und ohne sich anstrengen zu müssen. Er muss so sehr um seine
monitäre Existenz kämpfen, dass ein emotionales Einlassen ein Zuviel
bedeutet. Was also nicht einfach geht, was vielleicht sogar anstrengend
ist, muss weg. Beziehungen müssen einen Benefit bringen aber bloß keine
Probleme. Mittlerweile brauchen weder Männer noch Frauen
einen Partner um gemeinsam in der Welt zu überleben. Beziehung ist wie
der Milchschaum im Kaffee, es geht auch ohne. Partner sind Luxus
und zum Luxus gehört eben auch, dass da nichts anstrengend ist und alles
schön glänzt. Wir haben genug Probleme mit uns selbst mit unserem Alltag und all dem was wir meinen tun und erreichen zu müssen, also warum sich
die Probleme des Anderen auch noch aufladen? Geteiltes Leid ist
doppeltes Leid.
Jeder von uns bringt
seine Probleme, seine Macken und seine Neurosen mit in die Beziehung.
Jeder von uns bringt sein inneres Kind mit in die Beziehung, seine
Beziehungserfahrungen aus der Ursprungsfamilie, seine alten Verletzungen
oder gar seine Traumata aus der Vergangenheit seines gelebten Lebens. Da sind Zwei
und mit der Beziehung entsteht ein Drittes, was die eigene Identiät und
die des Anderen zwangsläufig beeinflusst und verändert.
Viele
unserer Neurosen schlafen wenn wir alleine sind. Wir kommen gut mit
ihnen und mit uns selbst klar, wir bemerken sie gar nicht. Aber wenn da
plötzlich ein Anderer in unsere Komfortzone einbricht ist alles anders.
Wir erfahren, dass wir in der Konfrontation mit den Eigenarten, den Wünschen,
den Bedürfnissen, den Verhaltensweisen und den Vorstellungen des Anderen unsere
Komfortzone verlassen müssen. Wir müssen uns einlassen auf das fremde
Wesen, das wir uns vertraut machen. Vorbei mit der Ruhe, die wir alleine
so schön bewahren konnten, als da keiner war der uns "gestört" hat, der
einen anderen Tagesrythmus hat, als wir ihn für uns ritualisiert haben.
Da spricht uns plötzlich einer an bevor wir noch den ersten Schluck Kaffee
getrunken haben, da ist einer der uns etwas erzählen will, während wir lieber schweigend den Tag beginnen. Da ist einer nicht gut
drauf oder hat Sorgen und Ängste wo es uns gerade mal prima geht. Das tangiert unser Gefühlsleben.
Das macht etwas mit uns. Das nervt im Zweifel, das ist vielleicht sogar
lästig sobald die ersten Schmetterlinge den Bauch verlassen haben und
die rosarote Brille der Tönung der eher grauen Wirklichkeit ausgesetzt
ist. Da ist die Wirklichkeit des Fremden in unserem Leben, der uns noch eine lange Zeit, falls wir die mit ihm überstehen, fremd bleibt. Da sind
seine Macken, da sind die Knöpfe, die er bei uns drückt und wir bei
ihm, da sind die Erinnerungen an alte Beziehungen, an die Kindheit, an
Bilder und Emotionen die wir längst vergessen oder verdrängt hatten oder die wir für geheilt hielten. All
das und mehr sind Dinge, Zustände und Befindlichkeiten, die das
Miteinander zweier Liebender auslöst. So kommt es zu Verletzungen, die wir, wären wir allein geblieben nicht erleben müssten. Und schon wird es
ungemütlich.
Wir erkennen im Spiegel, den uns der Andere unbewusst und
ungewollt Tag für Tag vorhält, was in uns gar nicht so entspannt, ruhig und geheilt ist, wie wir glaubten.
Wir erkennen, wenn wir ehrlich mit
uns selbst sind, dass wir nicht so frei von Neurosen sind wie wir
dachten. Dann sind wir verletzt in der Liebe, durch die Liebe zum
Anderen. In Wahrheit aber bringt die Liebe nur die Verletzungen zum Vorschein, die wir nicht geheilt haben, weil sie uns liebt.
Aber
das verstehen wir nicht, das wollen wir nicht verstehen, weil es weh tut und dann glauben wir es ist
keine Liebe und wir rennen weg von der Liebe, weil sie alles andere ist
als das Perfekte, das Glatte, das Einfache, das sich unsere Illusion vom
Liebesglück wünscht. Es passt halt nicht, denken wir, sagen wir und
gehen weiter, zurück in die scheinbare Sicherheit des Alleinlebens. Bis
zum nächsten Mal. Bis die Liebe wieder an unser Herz klopft und uns heilen will.