Montag, 31. Dezember 2018

Resümee



Wieder geht ein Jahr zu Ende. Für manche von uns war es ein gutes Jahr, manche von uns hatten ein weniger gutes Jahr. Und alle Jahre wieder kommen sie - die Hoffnung, die Wünsche, die Ziele, das was wir anders und besser machen wollen. Die Vorsätze, die wir haben und umsetzen wollen und es meist nicht tun.

Es ist gut am Ende des alten Jahres Resümee zu ziehen, auch ich tue das, aber ein Jahr, das zu Ende geht hat keine andere Bedeutung, als dass wieder ein Jahr kostbares Leben vorbei ist. Das ist was ist. Was kommt, was wird, ob es besser wird oder nicht besser, ob das Schicksal wieder in unsere Hoffnungen, Wünsche und Ziele hineinschlägt, ob uns das Glück, das uns im alten Jahr nicht fand, im neuen Jahr findet, wissen wir nicht.

Wir wissen nichts, wir betreten wie alle Jahre wieder Neuland.
Und doch wissen wir viel am Ende des alten Jahres und wenn wir Klarheit erlangen beim Resümee ziehen, wissen wir, was wir an Altem ins Neue mit hinüber nehmen und was wir sein lassen.
Wir machen einen Anfang, der heilsam ist, der es uns besser gehen lässt, der uns weiter wachsen lässt. Wir sortieren aus, was uns daran hindert ein zufriedenes, friedliches Leben zu gestalten - für uns selbst und die, die uns begleiten und die wir lieben. Wir werden uns unserer Werte bewusst und sind bereit, die Entscheidungen zu treffen, die unsere Werte stützen und nähren. Wir entscheiden, wer wir sein wollen und welche Identität wir leben wollen und sind bereit das Nötige dafür zu tun. Wir schauen auf das, was wir an Wertvollem haben und achten, pflegen und respektieren es. Wir gestalten unser Leben mit dem, was wir an Gestaltungsmöglichkeiten haben und hören auf der Wirklichkeit zu entfliehen, sondern sehen was ist. Wir erkennen was Substanz hat und was nicht. Wir akzeptieren das Unveränderbare und sind bereit zu verändern, was zu verändern ist. Wir lassen los von destruktiven Gewohnheiten, Menschen und Beziehungen und pflegen jene, die uns gut tun. Wir werden uns bewusst, dass die Zeit, die wir haben begrenzt ist und gehen achtsam und sinnvoll damit um. Wir sorgen liebevoll für uns selbst und andere. Wir achten unsere Grenzen und überschreiten nicht die Grenzen anderer. Wir kümmern uns um unsere kleine Welt und wissen, dass das alles ist, was wir tun können, damit die Welt ein bisschen besser wird. Wir tun, was wir tun können, über uns selbst hinaus und geben, was wir geben können. Wir sehen das Schöne und das Unschöne und wissen - das ist das Leben, ein anderes gibt es nicht und sagen ja zu dem, was wir haben - dankbar für alles Gute, das wir haben.

Wir wissen am Ende eines Jahres welche Menschen uns loyal, unterstützend und liebevoll begleitet haben und an unserer Seite standen und umgekehrt. Diesen Menschen könnten wir danken. Ein guter Tag, der letzte Tag des Jahres, um das zu tun.
Ein guter Tag für mich, Euch allen von Herzen DANKE zu sagen.
Danke, dass es Euch gibt!

Habt es gut und möget Ihr finden, was Eure Seelen suchen ...
Namaste Ihr Lieben.

Donnerstag, 27. Dezember 2018

Übergänge

Foto: A. Wende

Und plötzlich fängst du an dein Leben zu hinterfragen. Vielleicht gab es einen Auslöser, vielleicht gab es eine Erschütterung, vielleicht ist nichts davon passiert. Du denkst plötzlich das Ganze macht keinen Sinn mehr so wie es ist. Es fühlt sich nicht mehr gut an, nicht mehr lebendig. Du fühlst eine gewisse Schwäche. Dein Körper ist weniger belastbar, du bist oft müde und erschöpft, kleine Wehwechen kommen und gehen nicht mehr so schnell weg. Die Psyche zeigt eine gewisse Labilität, du bist schneller und öfter frustriert, du bist scheinbar grundlos traurig oder gehst ungewöhnlich schnell hoch, wenn du dich angegriffen fühlst. Du hast plötzlich diffuse Ängste. Dein Selbstvertrauen schwächelt. Selbstzweifel kommen hoch und du fragst dich: Was ist denn plötzlich mit mir los?

Was da los ist?
Da kommt etwas in Gang. Ein Lebensabschnitt geht zu Ende, eine Phase geht zu Ende, ein Entwicklungsprozess geht zu Ende, eine alte Identität stellt sich in Frage, stellt dich in Frage.
Und tief drinnen weißt du es:
Es ist Zeit Resümee zu ziehen, Zeit etwas zurückzulassen, bevor etwas Neues beginnen kann. Es ist Zeit auszumisten und das was ist, zu überprüfen daraufhin ob es noch Substanz hat, ob es dich trägt, ob es dich nährt und dir gut tut. Zeit für Selbstreflexion.

Die damit einhergehende Unsicherheit, die Unzufriedenheit und innere Unruhe gilt es auszuhalten. Denn genau diese Labilität, diese gefühlte Brüchigkeit des Bodens auf dem du bisher gegangen bist, dieses kaum merkbare Wackeln unter den Füßen, ermöglicht es uns innezuhalten. Wir werden vorsichtiger. Vorsichtiger mit uns und dem was wir zulassen wollen und dem, was wir nicht mehr zulassen wollen. Wir spüren, dass manches nicht mehr zu uns passt. Wir werden empfindlicher, weil wir spüren, wir müssen etwas verändern um weiter zu kommen in Richtung Identitätsentwicklung.

Nein, man verlässt das Alte nicht leicht und man lässt nicht leicht los. Das wissen wir. Das ist sogar das Schwerste, obwohl wir es immer wieder getan haben. Wir haben viel loslassen müssen um dahin zu kommen wo wir jetzt sind. Und wir wissen es war schmerzhaft, jedes Mal. Aber ohne das Loslassen wären wir stehen geblieben. Mit jedem Loslassen sind wir weiter gegangen. Manchmal wurde es besser, manchmal nicht. Dennoch, wir haben uns entwickelt. Mit jedem Übergang vom Alten zum Neuen sind wir gewachsen und stärker geworden. Wir haben bewältig, was zu bewältigen war. Und wir haben es geschafft. Und darum werden wir es wieder schaffen.

Übergänge sind Teil unseres Lebens. Sie sind Zwischenstationen, die zu Veränderungen überleiten. Sie sind Zwischenstationen in denen sich etwas Wichtiges in unserem Leben verändert. Und manchmal stellen sie eben auch das ganze Leben in Frage. Es kommt auf den Prüfstand, damit wir ein neues Selbstkonzept gestalten, immer dann wenn das Alte dem Test der Zeit nicht mehr standhält. Ist der Übergang geschafft werden wir uns ein Stück freier, ein Stück lebendiger, ein Stück heimischer im eigenen Leben fühlen.



Montag, 24. Dezember 2018

Weihnachten




Foto: A.Wende

Alle Jahre wieder - die Sehnsucht nach einer heileren Welt, die Sehnsucht alles möge sich zum Guten fügen, die Sehnsucht nach Liebe, die Sehnsucht nach Familie, Geborgenheit und Halt, die Sehnsucht nach Frieden unter den Menschen und in der Welt. Ja letztlich ist es wohl diese Sehnsucht, die uns an Weihnachten so umtreibt, innerlich, während wir im Außen umtriebig dafür sorgen, dass alles schön wird. Schöne Geschenke, schönes Essen, eine schöne Zeit. Alles soll schön werden und friedlich. Frieden auf Erden und in der Seele. Alle Jahre wieder Hoffnungen und Erwartungen. Aber da kommt bei vielen von uns auch eine Menge hoch, was das ganze Jahr unterdrückt wird und das ist nicht so schön.

Irgendwie macht das was mit uns, dieses Weihnachten, so ganz tief innen drin.
Wir werden sentimentaler, nachdenklicher, berührbarer, melancholischer. Sogar die scheinbar Hartgesottenen spüren dieses seltsam nominose Gefühl, das sich nicht ignorieren lässt. Dieses unbestimmte Gefühl, das sich nicht wirklich fassen lässt. Oder wir spüren ein bestimmtes Gefühl wie Freude und Dankbarkeit noch gesund und am Leben zu sein und die Liebsten auch gesund und am Leben. Oder wir fühlen Trauer um all die Verluste, die wir erfahren mussten, um die Träume, die verloren sind und die Enttäuschungen, die das Jahr zu einem nicht guten Jahr gemacht haben. Alle Jahre wieder ziehen viele von uns Resumee und vielen geht es damit nicht sonderlich gut. Ja, Weihnachten das hat schon was, das hat was, was ans Gemüt rührt, ob wir es nun feiern oder einfach ignorieren, was sowieso nicht gelingt, weil Weihnachten nun einmal stattfindet, mit oder ohne uns. Mit uns allein oder mit unseren Liebsten.

Was war denn da eigentlich an Weihnachten?
Da wurde Jesus Christus geboren in einem Stall in Bethlehem. Und die ganze Welt weiß darum noch heute. Christus, der geboren wurde um den Menschen die Augen zu öffnen. Einer, der kam und so ganz anders war. Gütig, liebevoll, gebend, helfend, verzeihend, heilend in seinem ganzen Wesen und in seinem ganzen Tun.

Einer, der kam und zeigte, was ein Mensch sein könnte.

Das ist es wohl, was uns so besinnlich macht, dieses Wissen, wie der Mensch sein könnte, wenn ... ? Ja wenn er all das, was er auch ist, nicht wäre. Dieses "auch" ist es was uns das Leben und das miteinander leben oft so schwer macht. All der dunkle Kram in der Seele, der uns daran hindert zu sein, was ein Mensch sein könnte. Das ist menschlich. Wir sind nicht wie Jesus und wir werden es nie sein, keiner von uns, auch wenn wir noch so lange an uns selbst arbeiten. Wir werden weiter unsere Schatten ebenso mit uns herumtragen wie unser Licht. Und das ist okay. Es ist okay solange unser Licht leuchtet, in uns selbst und zu anderen hin. Es ist okay, solange wir den Schatten nicht die Macht geben unser Leben und das Leben derer, die wir lieben, bewusst zu verdunkeln. Es ist okay, solange wir uns bewusst darüber sind, was ein Mensch sein könnte und danach leben es zu sein.

Euch allen wünsche ich ein friedliches, helles Weihnachten.
Danke, dass es Euch gibt!

Namaste

Freitag, 21. Dezember 2018

Fehler

Foto: A. W.

Kein Mensch ist ein Fehler.
Menschen machen Fehler.
Fehler machen ist menschlich.
Fehler haben Konsequenzen, aus denen du lernen könntest.
Wenn du einen Fehler machst, könntest du ihn korrigieren.
Wenn du ihn nicht korrigieren kannst, obwohl du es versucht hast, kannst du aus deinem Fehler lernen.
Wenn du gelernt hast, wirst du den Fehler nicht wiederholen.
Fehler können sich wiederholen.
Dann hast du noch nicht gelernt, was du hättest lernen können.
Du darfst wieder dazu lernen.
Noch einmal.
Vielleicht noch einmal.
Vielleicht noch viele Male.


Dienstag, 18. Dezember 2018

Die Depression hat Sinn


 
Foto: A. Wende

"Diese Depression, ich hasse sie, sie hat doch keinen Sinn", sagte eine Klientin zu mir. Aber ja, sie hat einen Sinn antwortete ich. Die Depression fordert sie auf, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Sie möchte, dass sie sich mit ihrem Unbewussten beschäftigen um herauszufinden, was in ihrem Leben auch gelebt werden will. Sie verweist auf ihre inneren Konflikte, die sie nicht lösen können und auf das, was sie nicht mehr ertragen, auf das, was sie nach unten drückt und lähmt. Sie ist dazu da herauszufinden was sie in ihrem Leben wirklich wollen und was sie nicht mehr wollen.

C. G. Jung schrieb einmal: "Die Depression ist gleich einer Dame in schwarz. Tritt sie auf, so weise sie nicht weg, sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat.“ 

Die Depression ist nicht unser Feind. Sie ist diese Dame, von der Jung schreibt. Sie besucht uns, wenn wir es so wie es ist nicht mehr aushalten und sie zwingt uns dazu innzuhalten, weil nichts mehr geht.

Viele von uns leben eine Identität, die ihnen nicht entspricht. Sie passen sich an ein Leben an, in das sie hineingeraten sind oder für das sie sich irgendwann entschieden haben. Aber irgendwann kann es sein, dass dieses Leben nicht mehr passt. Es fühlt sich nicht gut an, es fühlt sich an als sei es längst überholt. Der Selbstentwurf, der daraus entstanden ist fühlt sich unecht an. Es fühlt sich als befinde man sich im falschen Leben. Die meisten Menschen machen trotzdem weiter. Sie hören und fühlen die Alarmsignale der Seele und des Körpers, der dann die Somatik übernimmt, wenn die Seele keinen Ausweg mehr findet, nicht. Sie werden krank und machen immer noch weiter, solange Tabletten helfen. Aber irgendwann hilft nichts mehr und die Depression sitzt am Tisch. Wer sich zu sehr an das anpasst, was die Welt von ihm will ist gefährdet. Sich zu sehr und zu lange in die Erwartungen der äußeren Welt anpassen macht krank. Es geht auf Kosten der Persönlichkeit, wenn wir immer nur tun, was „man“ tut oder was „man“ von uns erwartet. Und plötzlich wird emotional eine große Leere erlebt und der Sinn des eigenen Lebens wird zur unlösbaren Frage.

Wenn der Mensch den Sinn verliert stumpft er ab, oder er verliert sich in Alkohol und Drogen um den Schmerz darüber zu betäuben oder er wird krank und depressiv. Wenn Menschen zu lange mögliche Selbstentwürfe aussparen geschieht all das. Wenn Menschen sich an einer Identität festhalten, die ihnen nicht, oder nicht mehr entspricht, geschieht das. Wenn Menschen nicht wissen was sie vom Leben und von sich selbst wollen, geschieht das. Dann sind sie wie ein Boot auf einem dunklen Meer – sie lassen sich treiben bis sie untergehen.

Ich kenne Menschen, die Tag für Tag nur drüber leben. Über ihre Bedürfnisse, über ihre Träume, über ihre Gaben und Potentiale über ihre Fähigkeiten. Sie lassen all das links liegen und beklagen sich, dass sich nichts ändert. Weil sie längst den Glauben an sich selbst verloren haben. Es ist erschreckend zu sehen was das mit ihnen macht. Sie werden zu einem Schatten ihrer selbst. Sie leben in einer inneren und äußeren Isolation. Innen fühlen sie genauso wenig wie im Außen. Nichts berührt sie mehr. Sie haben den Bezug zu sich und der Welt verloren. Sie warten nur noch. Auf was? Fragt man sie wissen sie es nicht. Sie haben sich aufgegeben. Sie leben in einer lavierten Depression, die nur noch das Nötigste zulässt um nicht zu Grunde zu gehen. Sie spüren zwar, dass es so wie es ist nicht mehr geht, aber sie können längst nicht mehr handeln. Sie erkennen den Sinn ihres Zustandes nicht.

Ja, die Depression hat einen Sinn: Sie hat den Sinn, uns den Sinn unseres Lebens neu suchen zu lassen.



Montag, 17. Dezember 2018

Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen.



Foto: A. Wende

"Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen".
Das ist wahr. Das Leben passiert, auch ohne mein Zutun, mein Wünschen, meine Pläne. Aber dennoch, es ist nicht nur so, denn bei allem was ohne meinen Einfluss geschieht, habe ich doch die Möglichkeit mein Leben zu gestalten und damit habe ich Einfluss auf so manches.

Jetzt wo wieder ein Jahr zu Ende geht, frage ich mich wie jedes Jahr: Habe ich gestaltet, was ich gestalten will, habe ich getan, was wichtig ist und wertvoll, für mich und die, die mich begleiten und die ich begleiten darf? Ich habe vieles gestaltet und vieles ist geschehen. Es gab Verluste, die mich noch immer traurig machen. Die Trauer wird dauern. Vielleicht hört sie noch lange nicht auf. Das ist Leben. Alles was ist, auch das, was ich nicht will und plane. Ich übe mich in Akzeptanz. Keine leichte Ubung, wenn da manchmal die Wut hochkommt auf das, was nicht hätte sein müssen, nicht hätte passieren müssen, wäre da mehr Achtsamkeit gewesen, denke ich und weiß, auch das hätte vielleicht nichts geholfen, denn die Dinge geschehen eben. Mich dagegen wehren ist sinnlos. Jedes Ausweichmanöver entpuppt sich als anstrengend. In dem Moment, wo ich es bemerke, wird mir das bewusst. Wie absurd die Bemühung, wie absurd es trotzdem zu versuchen.


Wer bin ich denn, alles gestalten zu wollen nach meinem Bild, das ich mir mache, von meinem kleinen Leben? Das Leben macht, was es will, das hat es mir wieder bewiesen und ich füge mich wieder einmal dem, was ist, und versuche wieder einmal in allem einen Sinn zu finden. Das ist schwer wenn der innere Widerstand sich aufbäumt. Aber, Schätzelchen, sage ich mir heute, an diesem Morgen der letzten Adventswoche: Du kannst nicht bekommen, was du dir wünscht, aber du kannst aus dem, was du bekommst, das Beste machen.

Sonntag, 16. Dezember 2018

Ich SEIN



Foto:A. Wende
Das Ich allein. 
Ganz ich.
Ich-Gefühl, das zwingt sich mit sich selbst zu befassen macht Angst. 
Weil es schmerzhaft ist das Gefühl des Getrenntseins von Allem. 
Spätestens jetzt webt sich leise Verzweiflung ins Gemüt. Aus Getrenntsein wird verlassen sein. Ein Gefühl, das zu vermeiden ist, weil es den Boden unter den Füßen wegreißt. 
Das Ich verliert seine vitalen Bedürfnisse, wird zum Leiden an sich selbst und führt schlussendlich zum bedrohlichen Gefühl tiefer Resignation.

Wohin mit dem Ich in der Unerträglichkeit des Getrenntseins?
Wohin mit dem Ich in der Angst des Alleinseins?
Wohin mit dem Ich in der Verzweiflung des Verlassenseins?
Wohin mit dem Ich in der Einsamkeit?
Wohin mit dem Ich in der Resignation?

In der Grenzerfahrung ist Wachstum möglich.

Nicht Flucht. Nicht Starre. Nicht Angriff.
Aushalten weil es aushaltbar ist.

Der begrenzte Ich-Raum ist nicht leer.

Er ist voll mit ICH SEIN.
Das will gesehen werden. 
Das will gehört, gespürt werden. 
Angenommen werden.
Das will befreit werden, von all den Vorstellungen, die wir über es haben.
Befreit werden von den Vorstellungen die andere in uns gelegt und in uns erzeugt haben.
Befreit von den Vorstellungen, denen wir folgen wir einem Plan, der nichts anderes zulässt als seine definierten Parameter.
Das bedeutet, dass du eine Menge zu tun hast ...

Samstag, 15. Dezember 2018

Es war


Foto: A.W.


Es war Liebe
Es war Vertrauen
Es war Vertrautheit
Es war Verstehen
Es war verstanden werden
Es war Geborgenheit
Es war berühren
Es war berührt werden
Es war nah
Es war tief
   Es war wahr

     Es war einmal.

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Der Tyrann im Kopf




Malerei: Angelika Wende

"Kein Mensch muss müssen", schrieb einst der Dichter Gotthold Ephraim Lessing.
Ist das wirklich wahr?
Es ist nicht wahr.
Wir müssen alle irgendetwas und wir müssen das müssen, ob wir wollen oder nicht. Wir müssen zum Beispiel essen, trinken und all die anderen Dinge, die der Körper von uns verlangt, wollen wir nicht zugrunde gehen. Und sterben müssen wir auch müssen. Bei allem anderen wie z.B., dass wir arbeiten müssen um zu leben, streiten sich die Geister. Menschen mit Zwangsstörungen allerdings können ein ganz anderes Lied vom müssen müssen singen und es wäre ein Klagelied, würden sie es anstimmen.

Wer unter Zwängen leidet, den zwingt ein Tyrann im Kopf Dinge zu denken oder zu tun, die er nicht will, aber er muss.

Was sind Zwangsstörungen?
Zwangsstörungen zeigen sich in wiederkehrenden Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, die das emotionale Erleben der Betroffenen stark einschränken. „Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die den Patienten immer wieder stereotyp beschäftigen. Sie sind fast immer quälend, der Patient versucht häufig erfolglos, Widerstand zu leisten. Angst ist meist ständig vorhanden. Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich“, definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem Klassifikationssystem Zwangsgedanken.  
Zwangsgedanken werden in der Psychologie mit der Fehlbewertung von normalen, aufdringlichen Gedanken erklärt. Grundüberzeugungen, Einstellungen und Metakognitionen zu Gedanken, Gefühlen und Handlungen spielen eine Rolle bei der Anhaftung an Zwangsgedanken.

Wie können wir uns Zwangsgedanken vorstellen?
Die meisten von uns gar nicht. Trotz aller Empathie, wir können nicht fühlen, was andere fühlen und wir können nicht in den Kopf unseres Gegenübers hineinschauen. Wir können versuchen zu verstehen was der andere denkt und fühlt, aber es bleibt beim Versuch. Auch deshalb, weil sie sich nicht verstanden fühlen, fühlen sich viele Menschen innerlich einsam. Der Zwangserkrankte aber ist umso einsamer, weil seine innere Welt für Außenstehende absolut nicht nachzuvollziehen ist. Ich kenne Zwängler, die genau unter diesem "nicht verstanden werden" sehr leiden.

Das Leid des Zwangskranken
Im Kopf eines Zwangskranken lebt ein Tyrann, der ihm Dinge einredet von denen der Betroffene genau weiß, dass sie nicht real sind, sie aber dennoch glaubt. Auch wenn er sich hundertmal sagt, das sind nur Gedanken, er kann sich von diesen Gedanken nicht disidentifizieren. Auch wenn er die Realität überprüft, der Tyrann im Kopf ist hartnäckig und überflutet seine Gefühlswelt. Das ist das Fatale an der Zwangsstörung – die Betroffenen wissen um die Absurdität und Sinnlosigkeit ihrer Gedanken und Zwänge, sie wehren sich mit mentaler Kraft dagegen, doch sie müssen immer wieder erleben, dass die Gedanken und Impulse mächtiger sind als ihr klarer Verstand und ihr Wille.

Wie sehen Zwangsgedanken aus?
Zwangsgedanken können ganz alltäglichen Gedanken, Sorgen und Befürchtungen ähneln. Sie haben jedoch eine viel intensivere und bedrohlichere Qualität.
Oftmals handelt es sich um bizarre, absurde, rational schwer nachvollziehbare Gedanken mit Inhalten wie Vergiftung, Beschmutzung, Krankheiten, Ordnung, Aggression, Gewalt, Missbrauch, Sexualität und religiöse Inhalte.
Die Betroffenen erleben die Zwangsgedanken als destruktiv, inakzeptabel, quälend und in hohem Maße beschämend. Sie fragen sich: „Wie kann ich nur so denken? Ich weiß doch, dass ich „normal“ bin, ich weiß doch, dass ich das, was ich denke nicht wirklich tun will und tun werde“. Aber die irrationale Angst es doch irgendwann zu tun oder die Angst, dass ihnen angetan wird, was der Zwang ihnen vorgaukelt, ist immer da. 

Zwangsgedanken sind obsessiv, immens zeitraubend und seelisch extrem belastend. Sie schränken auf vielerlei Ebenen das Fühlen und Erleben der Betroffenen stark ein. Das Funktionieren im Alltag ist für diese Menschen eine Gratwanderung. Es ist ein Kampf, eine ständige Herausforderung, für manche ist es sogar eine Qual. Ständig ist da der Zweifel an der eigenen Wahrnehmung. Niemals ist Ruhe im Kopf.

Wieder und wieder produziert der Tyrann da Oben belastende, unangenehme, beängstigende Gedanken und die dazu gehörigen Vorstellungen. Er provoziert Handlungsimpulse (Intrusionen), die sich dem Betroffenen gegen den eigenen Willen aufdrängen. In der Folge kommt zu ritualisierten Gedanken- und Handlungsketten, die zwingend ausgeführt werden müssen, um die gedanklichen Befürchtungen zu neutralisieren. In Endlosschleife wird das Für und Wieder von Alternativen abgewägt um die einfachsten Entscheidungen des Lebens treffen zu können. Viele Zwangserkrankte vermeiden daher bekannte Auslöser und zeigen ein hohes Kontrollverhalten.

Zwangsgedanken können durch bestimmte Situationen ausgelöst werden oder wie ein Blitz aus heiterem Himmel in den Kopf einschlagen.
Der Zwängler kämpft jeden Tag gegen seine dysfunktionalen Gedanken wie Sisyphos mit seinem Stein. Es ist ein Leid ohne Ende, und nein, sie sind keine glücklichen Menschen. Wie auch? Sie erleben keine Selbstwirksamkeit was den eigenen Kopf angeht. Der Tyrann im Kopf entzieht sich ihrer Kontrolle. Er lässt sich nicht besänftigen und führt ein fieses Eigenleben. Die Betroffenen können beobachten wie sich da etwas in ihrem Kopf selbstständig macht, ein katastrophales Eigenleben führt und ihnen das Leben zur Hölle macht, aber sie können nichts dagegen tun. Es ist zum Verrücktwerden und manche Betroffene befürchten, dass dies irgendwann geschieht und sie komplett die Kontrolle verlieren.

Die Seele leidet unvorstellbar 
Immer wieder erfahren Zwangskranke Gefühle von Angst, Schuld, Scham, Hilflosigkeit und Ohnmacht. Alles was sie versuchen führt zu keinem Erfolg. Viele Betroffene werden depressiv. Untersuchungen ergaben: Bis zu 50% der Zwangserkrankten haben irgendwann Selbstmordgedanken und bei einem Viertel kommt es zu Selbstmordversuchen.

Mit der Zeit entwickeln zwangserkrankte Menschen ein tiefes inneres Unbehagen. Die Hoffnung ein normales Leben führen zu können schwindet je länger die Krankheit besteht.
Unermüdlich versuchen sie alles um den Tyrann im Kopf irgendwie in Schach zu halten, ihn zu vertreiben oder zu besiegen. Zwangshandlungen, die Ritualcharakter haben, sollen die Angst reduzieren, die mit den destruktiven Gedanken einhergeht. Dysfunktionale Bewältigungsstrategien, wie der Versuch die Gedanken zu unterdrücken, das Vermeiden von auslösenden Situationen, die Rückversicherung durch nahestehende Menschen oder das Darüberlegen von hilfreichen positiv besetzten Gedanken, führen bisweilen zu einer kurzfristigen Selbstberuhigung, auf lange Sicht aber führt jeder innere Widerstand zu einer Aufrechterhaltung der Symptomatik, mehr noch, es kommt zur negativen Verstärkung der Zwangsgedanken.

Was sind die Ursachen?

Neurobiologische Ursachen  
Man geht heute davon aus, dass Zwänge auf Dysfunktionen mehrere Gehirnregionen zurückzuführen sind. Bei der Zwangsstörung sind es die Bereiche Frontalhirn, Basalganglien (Striatum) und Thalamus (zentralen Strukturen des Stammhirns) zu nennen. So hat die Neurobiologie herausgefunden, dass bei Zwangserkrankungen u.a. die dorsale und ventrale Schleife der Basalganglien von Veränderungen betroffen ist. Zu den Funktionen der ventralen Schleife gehört es bestimmte situationsangepasste Handlungen freizuschalten während gleichzeitig unangemessene Handlungen unterdrückt werden. Diese Schleifen sind entsprechend daran beteiligt, motorische wie kognitive Gewohnheiten aufzubauen. Hier scheinen bei Zwangsstörungen Fehler aufzutreten, denn die Störung verhindert, dass bestimmte Gewohnheiten, etwa die sich ständig wiederholenden Zwangshandlungen und Gedanken, dann unterdrückt werden, wenn sie unpassend sind. (Graybiel und Rauch, 2000)

In Anbetracht der impulshemmenden und beruhigenden Funktion des Serotonins sowie der motivierenden Funktion des Dopamins liegt die Vermutung nahe, dass Zwangsstörungen auch mit einer veränderten Funktion dieser beiden Systeme zusammenhängen. Eine Reihe weiterer Befunde unterstützt die Annahme, dass die serotogene und dopamine Erregungsverarbeitung bei Zwangsstörungen fehlerhaft ist. (Gerhard Roth, Wie das Gehirn die Seele macht)
Daher wird bei der Behandlung von Zwangsstörungen in den meisten Fällen ein Serotonin- Wiederaufnahmehemmer eingesetzt.

Gene und Biografie
Es lassen sich zwei weitere Ursachen die zur Entstehung einer Zwangsstörung führen können, finden: Die Genetische Disposition  und die Biografie des Betroffenen. Man geht davon aus, dass die Genetik etwa 30% der Ursachen ausmacht und die Biografie für die übrigen etwa 70% der Ursachen verantwortlich ist. Das bedeutet, dass bei Zwangsstörungen fast immer alle drei Faktoren mitspielen: Die Neurobiologie, die genetische Disposition und die kindliche Entwicklung, sprich Erziehung, Erlebnisse und Traumata.

Eine extreme Sauberkeitserziehung erkannte bereits Sigmund Freud als mitverantwortlich für die Entwicklung einer Zwangsstörung. Hohe Anforderungen und überzogene Leistungsansprüche der Eltern an das Kind, eine starke Überbehütung (Overprotection). Starre, ritualisierte und rigide Abläufe sind u.a. Erziehungsstile, die die Entstehung einer Zwangsstörung fördern können. Einen erheblichen Einfluss aber haben Traumata wie emotionaler und körperlicher Missbrauch, Gewalterfahrungen, Verluste, Trennungen von Bezugspersonen, der Tod eines geliebten Menschen oder alkoholkranke und aggressive Eltern(teile). All das können Auslöser für eine Zwangsstörung und die dazugehörigen destruktiven Gedanken sein. Ein geringes Selbstwertgefühl, daraus resultierende Minderwertigkeitskomplexe und rigide moralische und ethische Wertvorstellungen erhöhen das Risiko an einer Zwangsstörung zu erkranken.

Flexibilität ist der Feind der Zwangsstörung
Gibt es die typische Zwangspersönlichkeit? Studien ergaben: Von der Persönlichkeit her neigen zwangskranke Menschen zu Perfektionismus und kognitiver Starre. Auch meine Erfahrung mit Zwangserkrankten zeigt, diese Menschen beharren starr auf ihren inneren Überzeugungen. Sie tendieren dazu vieles kontrollieren zu wollen. Sie weigern sich, sich an Gewohnheiten oder Denkweisen anderer Menschen anzupassen und bestehen andererseits darauf, dass ihr Gegenüber sich ihren eigenen Überzeugungen und Gewohnheiten unterordnet. Sie beharren auf dem, was sie einmal als richtig befunden haben. Geistige Flexibilität fällt schwer. In vielen Dingen sind sie besonders vorsichtig. Wegen ihrer hohen Ansprüche an sich selbst und andere haben sie Schwierigkeiten sich Ziele zu setzen, Pläne zu verfolgen und Aufgaben zu erledigen. Aus Angst zu versagen sind sie bei allem was neu und unbekannt ist sehr zurückhaltend. Darüber hinaus haben die meisten Zwängler eine Gefühlstörung. Es gelingt ihnen nur schwer ihre Gefühle auszudrücken. Auf andere wirken sie oft unterkühlt und rational. Zwangskranke leben in einer eigenen, wenig flexiblen Welt, die einem Käfig gleicht, dessen Stäbe den intensiven Kontakt zum Leben vergittert.

Wie wird die Zwangsstörung behandelt? 
Es hat sich gezeigt, dass die kognitive Verhaltenstherapie, die darauf abzielt den Betroffenen zu einer Neubewertung von Zwangsgedanken anzuregen am hilfreichsten ist. Der Zwangserkrankte soll hier lernen die mentalen Ereignisse als Bewusstseinsstrom zu verstehen, den andere Menschen genauso erleben, ihn jedoch anders bewerten. Diese Form der Neubewertung der obsessiven Gedanken führt in der Regel dazu, dass es bei vielen Betroffenen zu einer seelischen Entlastung kommt. Der Zwängler lernt nach und nach Distanz zu seinem inneren Tyrannen einzunehmen, er lernt das Geschehen in seinem Kopf wertfrei wahrzunehmen und die Katastophisierung seiner Gedanken als Fehlbewertung zu erkennen. Therapeutisches Ziel ist es, die Zwangsgedanken als rein mentale Ereignisse zu bewerten und sie vorbei ziehen zu lassen. Das ist nicht leicht und es dauert lange bis dies gelingt. Auch hier geht es wie bei allen Veränderungsprozessen um Geduld, Selbstmitgefühl, Disziplin und Übung. Das Problem dabei ist: Da Zwängler ständig zweifeln und wenig mentale Flexibilität zulassen können, brauchen diese Menschen Kriterien mit deren Hilfe sie Zwangsgedanken von normalen Gedanken unterscheiden lernen können.
Daher sollen anhand von Verhaltensprotokollen die auslösenden Situationen, die Zwangsgedanken, deren Bewertung, die dazugehörige Gefühle und die bisherigen Bewältigungsstrategien beobachtet und analysiert werden. Betroffene sollen befähigt werden eine innere Distanz einzunehmen, mit anderen Worten: Sie müssen lernen sich mit den Zwangsgedanken nicht mehr zu identifizieren. Nach dem Motto: Ich HABE diese Gedanken, aber ich BIN nicht diese Gedanken.

Erkennen, Erforschen , Analysieren, Akzeptieren, nicht Identifizieren - exakt das, was auch in der Achtsamkeitspraxis erlernt wird.  
Die hilfreiche Übung der Achtsamkeit für den Zwängler bedeutet: Er lernt seine Aufmerksamkeit auf das bewusste Erleben im Augenblick zu lenken. Die Aufmerksamkeit wird so von der fokussierten, selektiven Wahrnehmung der zwangsauslösenden Stimuli auf den gegenwärtigen Moment gelenkt. Es gibt Hilfe für das müssen müssen. Der Weg zur seelischen Entlastung ist lang und er ist schwer und er ist Tag für Tag eine Herausforderung für die Betroffenen. Aber das Einzige was wirklich hilfreich ist um den Tyrann im Kopf zu entmachten ist: Übendes Tun.




Halt

Malerei. A. Wende

Solange du Halt in anderen suchst, bist du haltlos in dir selbst.
Solange du glaubst, du bist alleine nicht lebensfähig, führt das verletzte Kind in dir die Regie in deinem Leben.
Solange du über die Maßen gibst, bist du über die Maßen bedürftig.
Solange du dich am Haben festhälst, fehlt dir das Bewusstsein für dein Sein.
Solange du es mit dir selbst nicht gut aushälst, hälst du es mit anderen nicht gut aus.
Solange du kein Mitgefühl für dich selbst fühlst, fühlst du den anderen nicht.
Solange du emotional kontrollieren musst, bist du in der Angst gefangen.
Solange du dich selbst belügst, belügst du die anderen.
Solange du dich innen leer füllst, suchst du im Außen nach Er-Füllung.
Solange du dich selbst nicht wertschätzt, wertschätzt du das Leben nicht.
Solange du im Außen suchst, bleibst du innerlich einsam.
Solange du nicht an dich selbst glaubst, suchst du Bestätigung im Außen.
Solange du dir selbst nicht vertraust, misstraust du anderen.
Solange du dich selbst nicht liebevoll und wertschätzend annimmst, brauchst du andere, die das für dich erledigen sollen.
Solange du deine Lektionen nicht gelernt hast, kehren sie wieder.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Gedankensplitter




Malerei: A. Wende

Man ...

Jeder andere, die anderen als Gruppe, zu der man selbst gehört, frei gewählt oder hineingeboren - das ist das "Man". Ein "Man" in dem wir mitlaufen, uns verlaufen, mit dem wir uns vergleichen und uns abgleichen, uns identifizeren und disidentifizieren, auf das wir uns beziehen, dem wir uns entziehen, das das Eigene bestätigt, untermauert und fragmentiert, in dem wir uns sicher fühlen oder unsicher, weil wir anders sind, hinter dem wir uns zu auch zu verschanzen gelernt haben, solange bis wir fühlen: Das bin ICH. Und das ändert vieles.

Samstag, 8. Dezember 2018

ENTSCHEIDUNG FÜR UNSER INNERES KIND



Malerei: A. Wende

Dann wenn wir die Entscheidung getroffen haben, die Verantwortung für das ehemals leidende Kind in uns zu übernehmen, wollen wir dieses Kind, das wir waren, verstehen.
Wir wollen sein Leiden anerkennen und es nicht länger verleugnen oder abspalten.
Wir wollen dieses verletzte Kind, das voller Angst und ohne Halt ist, mitfühlend und liebevoll annehmen und ihm eine Orientierung geben.
Wir wollen ihm zeigen, dass nicht die ganze Welt ihm Schmerz zufügen will, dass nicht alle Menschen ihm weh tun wollen, und dass Liebe nicht gefährlich ist.

Donnerstag, 6. Dezember 2018

Was solls


Foto: A. Wende
 
Erinnerung ist trügerisch. Manchmal ist sie das und wir, im Glauben sie ist was sie ist. Momente zurückholen ins Jetzt und mit helleren Farben überziehen als sie waren in Wirklichkeit, damals als sie waren. Und sich daran festhalten wollen, an dem, was nicht zu halten war und vergangen. Tröstlich. Das Untröstliche tröstend. Und weitermachen und dabei zurückschauen. Zurückfühlen wie gut es doch war und wie schön und das Jetzt so leer ohne das Gute und Schöne. Träumen, tagträumen und wünschen, es wäre noch so wie am Anfang, als wir fühlten, wieder tief fühlten, was so selten ist im Gefühl und so kostbar.
Und es erhöhen in der Erinnerung, weil das Jetzt so schal ist und leblos an manchen Tagen in denen nichts geschieht, nur das Immergleiche vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Gelebte Zeit über das Jetzt ziehen und nicht im Moment sein. Wieder und wieder in Trance nach hinten reisend und Sehnsucht im Jetzt, die brennt. Ins Herz brennt. Und Angst zu verbrennen am Glück, das es einmal gab und zerbrach am Leben, das fließt und wegfließen lässt. Immer. Alles. Trauer und Schmerz und wissen, es war und wird nicht wieder sein. Nie mehr sein, so wie es war. Nicht austauschbar, nicht ersetzbar, nicht wiederholbar. Nachschlag gibt es nicht. Illusionen hast du dir gemacht. Du weißt es. Was solls, schön wars. Und nichts bereuen und ein: Du würdest es wieder tun.

Mittwoch, 5. Dezember 2018

Scheitern


Anhand deines Scheiterns kannst du Rückschlüsse auf dich selbst ziehen, indem du dich fragst:
Was habe ich gelernt und wie wende ich das Gelernte künftig an?
Inwiefern habe ich durch das Scheitern etwas gewonnen?

Dienstag, 4. Dezember 2018

Gedankensplitter


 
Foto: Dirk Arlt


Viele kleine Verletzungen reißen im Laufe der Zeit eine große Wunde und sie reißen alte Wunden wieder auf. Jede einzelne Verletzung ist wie ein kleiner Nadelstich, der uns anpickst um uns zu warnen, uns nicht noch mehr weh tun zu lassen. Aber wir reagieren nicht, in der trügerischen Hoffnung, dass es irgendwann doch gut wird oder zumindest besser. 

Also halten wir durch - solange bis die Wunde aufreißt und wir vor Schmerz nicht mehr können. Manchmal muss der Leidensdruck so hoch werden um endlich den Mut zum Aufbruch zu fassen, um endlich die Brille abzusetzen, die die Realität vernebelt, eine Realität, die schon immer da war, die wir aber nicht klar sehen wollten. Wir müssen uns zurückholen, was wir verloren haben – unsere Würde. Einfach ist das nicht. Aber es ist noch schwerer das Leben klaren Blickes für etwas zu verschwenden, was zu immer mehr vom Gleichen führt: Leiden. Das ist zum Fürchten.
 

Sonntag, 2. Dezember 2018

I am





I think, therefore I am
Descartes

I ought, therefore I can
Immanuel Kant

I want, therefore I am
Leo Tolstoy

I rebel, therefore I am
Albert Camus

I think that I think, therefore I think than I am
Ambroise Birece

Sometimes I think, sometimes I am
Paul Valery

Samstag, 1. Dezember 2018

Krisenintervention





Es ist nicht schön wenn man einsehen muss, dass ein Lebenskonstrukt oder eine Beziehung sich überlebt haben. Und es ist schmerzlich den eigenen Anteil daran zu erkennen. Aber, wenn wir den Willen und die Bereitschaft haben uns der eigenen Verantwortung für unser Leben zu stellen, können wir grundlegende Verbesserungen bewirken. Das geht nicht von jetzt auf gleich. 

In Krisenzeiten zeigt sich auf wen oder was wir uns verlassen können, auf wen oder was wir vertrauen können, was uns hält und was uns Kraft raubt und das Leben erschwert. Wir suchen Klarheit und ziehen Resümee in welchem Bereich unseres Lebens sich die Dinge abgelebt haben oder zerrüttet sind. Wir erkennen in welchen Lebensbereichen wir richtig gehandelt haben, wo wir uns einer Illusion hingegeben haben und welche Bereiche uns lähmen oder sogar blockieren. Wir lassen los was uns nicht mehr gut tut. Je mehr wir vom Unguten loslassen, desto mehr Druck entweicht aus unserem Inneren. Die innere Anspannung wird weniger. Blockaden lösen sich auf und wir schaffen Raum für Klarheit. 

Krisenintervention geschieht durch die bewusste Konzentration auf das Wesentliche, durch das Fokussieren auf das, was weiterhin nützlich ist und gut ist und durch das Optimieren dessen, was in unserem Leben Substanz hat - Innen wie Außen.
 
Krisenintervention geschieht durch geduldiges Arbeiten an uns selbst. Sie braucht Disziplin und Durchhaltevermögen,  auch wenn es schwer ist und wir manchmal glauben, es nicht zu schaffen. Sie braucht Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge.

In dem Moment, in dem wir bereit sind die volle Verantwortung zu übernehmen beginnen wir an einer realistischen Lösung unseres Problems zu arbeiten. Dann haben wir die Kraft, Klarheit zu finden und Möglichkeiten zum konstruktiven Handeln. 

Wenn wir wissen was unsere Werte sind und was unser höheres Ziel ist, werden wir die Bereitschaft aufbringen loszulassen, was mit diesen Werten und diesem Ziel nicht vereinbar ist, auch wenn es schmerzt. Wir werden unsere Energie in das geben, was uns nützlich ist, uns Freude macht und Sinn gibt. Wir werden dankbar Ja sagen zu dem was hilfreich ist und ein bewusstes Nein zu dem, was destruktiv oder dysfunktional ist. Und ja, dazu braucht es Mut. Und es braucht Zuversicht, die den Mut stützt, Schritt für Schritt, wieder und wieder, in guten und besonders in schweren Momenten. 
Diese Zuversicht können wir finden, indem wir erkennen, was das Leben ist – eine ständiges Werden und Vergehen, ein Weg mit Höhen und Tiefen, ein Lernprozess, dessen tieferer Sinn es ist zu uns selbst zu finden und zwar zu dem Menschen, der wir sein möchten.