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Malerei: Angelika Wende |
Für
das Kind ist die Mutter die Heimat, sie gibt ihm Sicherheit, Geborgenheit und
bedingungslose Liebe. Im Kleinkindalter bestimmt das Kind, vorausgesetzt man
gibt ihm die Möglichkeit, selbst den Radius mit dem es sich aus dem Schutz
dieser Geborgenheit nach und nach herauswagt um sich selbst und Welt zu
entdecken. Das Kind muss, um sich zu einer eigenständigen Persönlichkeit
entwickeln zu können, lernen Sicherheit und Halt außerhalb der mütterlichen
Geborgenheit zu finden. Ein Prozess der für Mutter und Kind ein stetiges
schrittweises Loslassens bedeutet. Gelingt dieser Prozess, hat das Kind
erfahren, seine Sicherheit außerhalb des mütterlichen Schutzraumes zu finden,
im besten Falle findet es Geborgenheit in sich selbst.
Welche Rolle fällt dem Vater zu?
Die Aufgabe des Vaters ist es diesen Prozess zu begleiten. Er ist es, der den
Übergang in das eigenständige Leben begleitet. Es ist seine Aufgabe, das Kind
aus der Mutter-Kind-Symbiose heraus in die Welt und zu sich selbst zu führen.
Man nennt das Initiation.
Außerhalb
unserer modernen westlichen Gesellschaft wurden und werden noch heue Jungen in
der Pubertät von den älteren Männern in die Mysterien und Geheimnisse des
Lebens eingeweiht, sie werden initiiert. Der Vater hilft, diese Initiation,
sprich den Übergang vom Kindsein in die Erwachsenenwelt des Mannes, zu
bewältigen. Er steht seinem Sohn bei, ohne es aber für ihn zu tun. Fehlt die
väterlich-männliche Unterstützung und Orientierung, muss der Heranwachsende
diesen Übergang alleine bewältigen. Bedauerlicherweise gibt es in unserer
westlichen Welt keine Initiationsriten mehr. Stattdessen gibt es jede Menge
Pseudovorbilder die wir vom Mannsein haben.
Unsere Gesellschaft ist zwar voller
Volljähriger, in Wahrheit aber ist sie voller unerwachsener, unreifer Menschen.
Die meisten Jungen, Mädchen ebenso, hatten oder haben einen Vater, der zwar
körperlich anwesend, dafür aber emotional und geistig abwesend war. Er war
damit beschäftigt alles andere zu erreichen und zu sein, als seine Rolle als hinreichend
guter Vater zu übernehmen und zu erfüllen. Wie auch sollte es anders sein? Er
hat wie die meisten Männer selbst nicht erfahren, was Vater sein ausmacht. Für
viele Männer, die selbst Väter werden, hat eine Initiation nicht stattgefunden.
Es gab keine Begleitung in die Welt ihrer männlichen Rolle. Die wenigsten
Männer sind mit Vätern aufwachsen, die ihnen ein verantwortungsvolles Vorbild
waren.
Wohin kann der junge Mann also
blicken, woran sich orientieren, wo findet er ein gesundes Vorbild für
Männlichkeit? Es gibt kaum eines. Was es gibt, ist eine Gesellschaft voller
ewiger Jünglinge.
Der Psychoanalytiker C.G. Jung prägte den Begriff vom “Puer-Aeturnus-Komplex”,
nach der Mythologie des gleichnamigen antiken Gottes, der in Ovids Metamorphosen
beschrieben wird. Puer-Aeturnus bezeichnet Männer, die auch in der Mitte ihres
Lebens innerlich nicht über die Reife eines Jungen hinausgekommen sind. Der
ewige Jüngling ist nach Jung ein Mann, der in seiner geistigen und emotionalen
Entwicklung innerlich ein Kind geblieben ist und nicht erwachsen werden will. Unbewusst
hat er Angst Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen, er
nimmt Einschränkung als persönliche Bedrohung wahr, er hat Angst vor Bindung
oder klammert in Beziehungen, oder er sucht rastlos seinen Platz im Leben ohne
sich dessen bewusst zu sein, dass er ihn in zuerst in sich selbst suchen muss.
Im tiefsten Inneren sucht er in jeder Frau der er sich zuwendet die gute
Mutter, die ihm all das gibt, wie einst die Mutter oder all das, was die Mutter
ihm verweigert hat oder nicht geben konnte.
Der ewige Jüngling hat keine Heimat, er
hat nichts, was ihn von Innen hält, er hat keine Wurzeln. Wer keine Wurzel hat
ist ein ewig Suchender. Unfähig, sich selbst ein Halt zu sein, ist er innerlich
gespalten und zerrissen. Zum Einen sucht er die Heimat in der mütterlichen
Frau, zum anderen eine starke Vaterfigur, an der er sich orientieren kann und
die ihm Halt und Sicherheit gibt.
Aber wo findet er diese Leitbild
gebende Vaterfigur in Nachhinein, wo ist er, der den Lehrer, den er als Kind so
nötig gebraucht hat? Was bleibt sind unreife unsichere Männer, die ihre in
Ermangelung eines hinreichend guten Vatervorbildes die verlorene mütterliche
Heimat in der Frau suchen, egal ob es eine gute oder eine unschöne Heimat war,
Hauptsache sie ist bekannt und vertraut.
Welche Frauen ziehen solche ewigen Jünglinge an?
Die Bedeutung, die das Thema Vater und Mutter in der Kindheit und Adoleszenz für
unser erwachsenes Leben hat, für unsere Art und Weise durchs Leben zu gehen und
Beziehungen zu knüpfen, wird immer noch bei vielen Menschen verdrängt oder
abgewehrt. Je bewusster sich ein Mensch mit seiner Biografie auseinandersetzt,
desto klarer wird ihm, was er tief in sich fühlt und warum er wie handelt. Es
ist so - wir sind das Kind unseres
Vaters und unserer Mutter, ob wir das nun gut finden oder nicht, ob sie gut für
uns waren oder nicht, und das wirkt sich auf allen Lebensbereichen und besonders
in unseren Liebesbeziehungen aus. Die Kindheit hat uns geprägt und sie bestimmt
nicht zuletzt auch unsere Beziehungsmuster, zu uns selbst und mit anderen.
War der Vater in Kindheit abwesend oder emotional nicht erreichbar, ziehen
Frauen, die ihr Vaterthema nicht verarbeitet haben, später mit großer Wahrscheinlichkeit
Männer an, die emotional nicht erreichbar sind, oder sie werden immer wieder
verlassen. Frauen die einen schwachen Vater erlebt haben finden sich nicht
selten immer wieder in einer Beziehung mit dem ewigen Jüngling.
Dieser fungiert quasi als
Stellvertreter für den schwachen Vater, den sie als Kind, stärken, helfen oder
retten wollten. Der schwache Vater lässt sie als Frau später schwache Männer
anziehen, denen sie helfen will, Stärke und Größe zu entwickeln, sprich der
Mann zu werden, den sie im Vater nicht finden konnte.
Wer als Mädchen erfolglos
versucht hat, die väterliche Schwäche auszugleichen, sucht sich als Frau oft instinktiv
Männer als Partner aus, die an irgendetwas leiden, z.B. an einer Sucht, einer
Persönlichkeitsstörung, an einer Depression, an mangelndem
Durchsetzungsvermögen, oder an einer tiefen Unfähigkeit ihr Leben
eigenverantwortlich und proaktiv zu meisten.
Sie tut bis hin zur
Selbstverleugnung alles um diesen Mann aus seinem inneren Drama zu befreien
indem sie ihn emotional füttert und ihn versorgt. Was beim Vater nicht gelang,
wird in einem endlosen Wiederholungsversuch nahezu zwanghaft bearbeitet. Das Innere
Kind ist davon überzeugt: Wenn es mir gelingt diesen Mann zu retten, rette
ich meinen Vater.
Solche Beziehungen sind, bis die Beziehung
zum Vater und die damit verbundenen prägenden Muster erkannt und aufgelöst hat,
der ewige Versuch das Drama der Kindheit zu reinszenieren in der Hoffnung
es endlich zu einem guten Ende zu bringen.
Erst wenn eine Frau erkennt, dass
sie sich emotional noch immer in der destruktiven Kindheitsbeziehung zum
schwachen Vater befindet, wird sie begreifen, dass sie den Mann durch ihr
Retter-Verhalten nicht erlöst, sondern im Gegenteil nur weiter schwächt, aber vor
allem sich selbst indem sie ihre Energie auf den vergeblichen Versuch
verschwendet den anderen nach ihren Vorstellungen zu verändern.
Die Befreiung aus dem Schatten des
Vaters gelingt nicht, indem Frauen versuchen den Partner zu retten oder zu
bemuttern, sondern indem sie beginnen sich sich selbst zuwenden, sich die
Beziehung zum Vater der Kindheit anschauen und schließlich beginnen die
unselige Verstrickung zu lösen.
Das gilt ebenso für Männer, die kein
hinreichend gutes männliches Vorbild hatten. Es gilt zu erforschen woran es im eigenen
Leben an männlichen Qualitäten mangelt und was wir beim anderen suchen um nicht
weiter unbewusst in unzähligen untauglichen Selbstheilungsversuchen, innere Mängel und
Sehnsüchte der Kindheit im Beziehen auf den Anderen erfüllen zu wollen.
Die Welt ist voll mit Frauen, die
Männer retten und ebenso voll mit Männern, die Frauen retten wollen. Jedes „Retten-
wollen“ entspringt der infantilen
Sehnsucht des Inneren Kindes, die suggeriert: Wenn du den anderen rettest,
rettest du deine unvollkommene Kindheit.
Wenn wir uns in unserem
Beziehungsverhalten verstehen wollen, kommen wir nicht umhin den Vater der
illusionistischen Verklärung oder der wütenden Anklage zu entheben und schonungslos
ehrlich zu uns selbst zu sein. Erst dann werden wir erkennen, was es war, was
er uns nicht geben konnte udn wonach wir noch immer suchen. Erst dann, wenn wir uns des inneren Mangels und der
unerfüllten Sehnsucht nach väterlicher Liebe und Begleitung gewahr werden,
verstehen wir was uns in die immer gleichen Beziehungen führt, die
von genau dieser Sehnsucht leben und in unheilsame Verstrickungen führen.
Was uns fehlt wird uns der Vater der
Kindheit niemals mehr geben können, das ist Vergangenheit und unwideruflich
verloren. Aber wir können es in uns selbst entwickeln um uns aus den
destruktiven Beziehungsverstrickungen in der Gegenwart zu lösen.
Der ewige Jüngling darf nachreifen um ein
verantwortungsvoller Mann zu werden. Die Frau, die ihn stark machen will, darf lernen
sich zuerst selbst zu geben, was sie dem schwachen Mann anträgt: Halt und
Fürsorge.