Sonntag, 28. August 2011

schweigen

nicht mehr reissfest
zu viel zerreissproben
dünnhäutig wie pergamentpapier
sich selbst halten
um nicht auseinanderzureissen
nicht mehr zu den menschen reden
schweigend heilende stille zulassen ...




funktionieren ...

"ich verdränge das", sagte er, "ich will mich nicht mit dem alten kram belasten. die vergangenheit ist vorbei und basta." anna sah ihn an, den vater, wie er da saß in den weißen laken in diesem krankenzimmer, das kalt war und grau an den wänden. der vater war blass, seine augen lagen in tiefen höhlen. auch dieses mal hatte er es überlebt. das herz pumpte wieder im gewohnten rhythmus.

sie wusste wie schwer es ihm fiel die angst in den griff zu bekommen. schon als kind hatte sie es gespürt, wie er mit ihr kämpfte. er war ein verdränger. es wunderte sie nicht, dass er es am herzen hatte. irgendwo musste es sich auswirken sein nichthinschauen wollen. sein herz erinnerte seinen kopf daran es zu tun, aber er begriff nicht. noch immer war da diese hartnäckige weigerung hinzuschauen.

"nichts wird durch wegschauen unwirksam, weder etwas das war, noch etwas das ist, noch ein wunder punkt in der eigenen seele", sagte sie. "lass mich mit meiner seele in ruhe", murmelte er und blickte an die wand, als könne er dort zustimmung erwarten.

der vater hatte sein leben lang pragmatisch gedacht. " dass du dein auskommen hast und ein dach über dem kopf, das zählt und dass alles funktioniert", hatte er ihr eingetrichtert schon als sie ein kind war. aber es war aus ihr herausgelaufen, sie hatte es durchlaufen lassen durch ihren kopf gleich nach unten, wo es wieder aus ihr herausfloss das eingetrichterte. die seele hatte es nicht erreicht und als sie ihn jetzt sah, wusste sie, dass ihre seele recht gehabt hatte.

"papa, denkst du nicht, es ist zeit uns endlich auszusprechen, fragte sie. "lass den alten kram. ich hab mein ganzes leben immer nach vorne geschaut und das war gut so. mama und mir geht es prächtig, wir haben alles." anna dachte an ihre mutter, die sich irgendwann einen hund zugelegt hatte, einen braunen pudel, den sie hegte und pflegte wie ihren augapfel und an die pudel die ihm folgten als er tot war, immer neue pudel, die den platz an ihrer seite behaupteten auch in der nacht im ehebett. seit ich die menschen kenne, liebe ich die tiere war einer ihrer lieblingsprüche gewesen. anna dachte, dass da ganz viel enttäuschung drin lag und eine sehnsucht nach einem der zu einem gehört und einen annimmt wie man ist. hunde machen so was wohl, dachte sie weiter, aber auch nur weil sie nicht denken können wie menschen und deshalb nicht bewerten. ausserdem sind sie abhängig von ihrem menschen und das spürten sie wohl instinktiv. anna hasste abhängigkeit in jeder weise.

der vater, der jetzt da lag wie ein schatten seiner selbst nestelte an der bettdecke. er war schmal geworden, sein ehemals volles dunkles haar war grau und dünn, am hinterhopf schien die weiße haut durch. seine kleinen hände waren ausgemerkelt und mit altersflecken übersät. er tat ihr leid. leid tun hat mit liebe nichts zu tun, dachte anna und suchte nach liebe für den vater.

sie hatte mit ihm reden wollen, hatte sich versöhnung gewünscht, nach all den jahren in denen sie nicht miteinander gesprochen hatten, auch darum war sie hier. sie hatte ihm sagen wollen, dass sie ihn lieb hatte, sich nach seiner liebe gesehnt hatte, als kind und später als erwachsene frau. sie sah, dass ihre liebe eine illusion gewesen war.

"du hast dein ganzes leben versaut", fuhr er sie an, "dabei hättest du alles haben können, blöd warst du ja nicht und hässlich bist du auch nicht. und jetzt sitzt du allein da in deinem elfenbeinturm, selbst schuld."

anna musste lächeln über den elfenbeintum, der eine kleine wohnung am stadtrand war. "hast eben immer deinen kopf durchsetzen müssen, hättest besser mal die klappe gehalten und funktioniert. was ist denn so schlimm daran, andere frauen können das doch auch. was machst du eigentlich wenn du mal alt bist? dann bist du allein und im zweifel im armenhaus, mit deiner blöden kunst verdienst du doch eh nichts. also von mir gibts nichts zu erben." anna nickte mit dem kopf. erbschaft war das letzte woran sie dachte. "hättest dir besser mal einen ordentlichen mann gesucht, dann wärst du versorgt. na ja, aber das funktioniert bei dir ja auch nicht, du hast sie alle vergrault, taugst eben für nichts, nicht mal zur ordentlichen ehefrau. reich mir mal den apfelsaft rüber."

anna griff nach der flasche, die auf dem metallenen nachtisch stand und goß apfelsaft in ein glas. sie sah in seine augen. alles was sie darin fand war vernichtung. sie merkte nicht was ihr arm tat, merkte nicht wie er sich langsam hob, merkte nicht, wie ihre hand die kippbewegung machte, merkte nicht wie der saft aus dem glas über seinen kopf floss bis sie ihn schreien hörte, so wie er immer geschrieen hatte, damals als sie ein kind war.

"das funktioniert so nicht papa", sagte sie als sie merkte was ihr arm getan hatte, was ihre hand getan hatte. dann ging sie ins badezimmer und holte ein handtuch um seinen kopf trocken zu reiben.

Samstag, 27. August 2011

beklagen

die frau beklagte sich
seit ihr leben sich verändert hatte beklagte sie sich

überall verstreute sie ihre klage
jeder sollte sie hören
ihre klage

laut war sie die klage der frau
über das was sie verloren hatte

laut beklagte sie den dieb der es ihr genommen hatte
und gab ihm ein menschengesicht

und vor lauter lautem klagen
hörte sie die wahrheit nicht
die nichts mit dem dieb mit dem menschengesicht zu tun hatte

die wahrheit die leise in ihr sprach:
schau dich an!

wiederholung

anders
und doch nicht anders
nur variationen
also nicht anders

sich wiederholendes
endlosschleife

einsicht
wiederholendes hat system
also ein gewolltes sich wiederholen
von innen kommendes
was von aussen kommendes anzieht

inneres unverändertes weist darauf hin
so zu sein
so sein wollen
resistent
auch das


Freitag, 26. August 2011

ein versuch zu verstehen ...

menschen begegnen sich aufgrund einer inneren entsprechung, nicht aus aus zufall.
zwei menschen, die primär ihre abwehr- und anpassungsmechanismen leben, und unbewusst alle energie aufwenden, um das lebendige und die individuelle eigenart in sich unterdrücken, können nicht glücklich werden, denn sie lernen sich nur in ihren abwehr, anpassungs-und fluchtmechanismen kennen und halten dies fälschlich
erweise für ihr wahres wesen.
insofern gibt es für jeden menschen zwei mögliche partner: einen, der zu individuellen neurose passt, und einen der der eigenen wahren natur entspricht.
solange man seine neurose mit sich herumschleppt ohne sie erkannt zu haben, wird man den partner mit dem eine wesensmäßige übereinstimmung besteht nicht erkennen.
mit anderen worten: solange wir nicht wissen wer wir sind, wie sollen wir dem begegnen, der uns entspricht?
solange wir eine rolle spielen, bewusst oder unbewusst, werden wir anderen rollenspielern begegnen. wir leben in einer illusion von uns selbst und erfahren eine weitere illusion, die meistens mit einer enttäuschung endet.
aber enttäuschung bedeutet nichts anderes als das ende der täuschung. wären wir uns dessen bewusst, gäbe es weniger herzeleid und liebeskummer.

Donnerstag, 25. August 2011

lustlos

lustlos im eigenen raum
keine lust auf raumerweiterung
alles bekannt
unbekanntes deutet auf ein mögliches wiedererkennen

im eigenen raum bleiben
lustlos nachdenken
denken
alles gedachte eine bloße wiederholung
weltbild festgezimmert

wo findet ein anderes leben statt?




Mittwoch, 24. August 2011

gedankensplitter 27


hände drehen zigaretten
mund stößt rauch aus

verrauchtes
aufgelöstes
ungelöstes

nichts das bleibt




absicht ...

sie hatten es verloren auf dem weg den sie hatten gehen wollen, einfach verloren. aber so einfach war das nicht, denn das verlieren war kein absichtsloses, wäre es ein absichtloses gewesen hätten sie es anders betrachten können. immer wieder war da die mahnung gewesen acht zu geben, um es nicht zu verlieren.

sie sprachen darüber, sprachen über viel, zu viel. zu viel gesprochenes macht das gefühlte klein und kleiner, dachten sie dann und kein aufhören nach dem gedachten. sie hatten sich verloren in den worten, dazwischen gefühle, die schweigen wollten, nur das. aber immer wieder worte gesagt, die nicht hätten gesagt werden sollen. zerredet die nähe, zerredet mit worten. entrückt von sich selbst und vom anderen gingen sie auf glas. trittunsicher. sie fühlten wie zerbrechlich es war, dann.

absichtlos und dann doch mit absicht, den bruch gesehen, darauf hingewiesen, nicht beachtet. achtlosigkeit ist absicht. das passiert nicht einfach, es geschieht und das ist etwas anderes. das geschehen kommt nicht aus heiterem himmel wie ein es ist passiert.

zu spät vielleicht, weil es geschehen war und all die bilder wie es dazu kam, im kopf. der kopf dann laut über dem herzen, das schweigt. hätten sie doch geschwiegen, sich schweigen lassen, sich schweigend fühlen lassen. mit absicht.

Dienstag, 23. August 2011

stören ...

alles in ordnung, dachte sie als sie erwachte. sie sah auf die uhr, die auf dem nachttisch lag, es war fünfuhrdreißig. normalerweise schlief sie länger. für einen moment überlegte sie, ob sie wieder einschlafen sollte, aber sie war hellwach und stand auf.

es ist gut mit diesem gefühl aufzuwachen, dachte sie, dieses in ordnung gefühl hatte es nicht oft gegeben in den letzten jahren. sieben waren es gewesen, sieben jahre in denen nichts in ordnung gewesen war, sieben jahre in denen sie mit der angst aufgewacht war, egal zu welcher uhrzeit. an diesem morgen war es in ordnung. keine angst, das war ordnung genug.

draussen brach ein morgen auf zum tag zu werden. sie ging in die küche, öffnete das fenster und atmete die milde augustluft ein. draussen war es still, nur ein vogel machte stimmen aus den grünen blättern des kastanienbaumes heraus. sie liebte den baum, er war da gewesen all die zeit, groß und stark. der baum hatte sie daran erinnert, dass alles kommt und geht wie die jahreszeiten in denen er seine gestalt veränderte. alles ist veränderung, schien er zu sagen, ließ sie ihn sagen. sie verstanden sich, der baum und sie. er würde ihr fehlen.

sie musste weg, weg aus der wohnung, die sie sieben jahre wie eine burg behaust hatte, weg weil in ihr die erinnerung wohnte an die sieben jahre, die nicht in ordnung gewesen waren. der mann hatte das gesagt, er hatte es immer wieder gesagt und sie hatte sich immer wieder gewehrt gegen das gesagte. sie wollte bleiben, weil sie den baum ebenso wenig verlassen wollte wie die erinnerung. dass es die erinnerung sei, die sie vom neuen abhielt, hatte der mann gesagt und dass sie in der vergangenheit lebte und wer in der vergangenheit lebt, hat keine gegenwart. der mann, der auch gesagt hatte, dass es ihm egal sei, wie sie die zahnpastatube ausdrückt. von oben, nicht wie er von unten. es störe ihn aber nicht, weil er sie liebe.

sie hatte sich gewundert, dass der mann überhaupt bemerkt hatte wie sie die zahnpastatube ausdrückte. sie hatte nicht bemerkt wie er sie ausdrückte oder irgendjemand mit dem sie irgendwann die zahnpasta geteilt hatte. was spielt es für eine rolle, fragte sie sich an diesem morgen. das wie des ausdrückens einer zahnpastatube konnte doch keine rolle spielen, wie bemerkte man so etwas überhaupt und und was machte es für einen sinn es zu bemerken. sie schüttelte den kopf, fühlte wie sie ihn schüttelte, schüttelte ihn schneller damit der zahnpastatubengedanke verschwand.

sie ging ins bad. da war wieder oder immer noch, der gedanke an die zahnpastatube. sie nahm die tube aus dem silbernen becher und drückte fest oben drauf. das blauweiße gel schoß heraus, ergoß sich über die zahnbürste, die sie darunter hielt, floss über sie hinaus ins weiß des waschbeckens und hinterließ einen einen blauweißen fleck im waschbecken, den das laufende wasser nicht ganz wegspülte. es stört mich auch nicht, dass du das wasser beim zähneputzen laufen lässt, hatte der mann gesagt. wieder hatte sie sich gewundert, dass er das wahrnahm. sie schrubbte die zähne bis das zahnfleisch schmerzte.

sie hatte dem mann erklärt, dass sie das kratzende geräusch nicht mochte, dass das zähneputzen macht, dass sie deshalb das wasser laufen ließ, damit sie es nicht so laut hören musste und der mann hatte gesagt, dass man es doch dann trotzdem höre und dass es also keinen sinn mache das wasser laufen zu lassen. sie drehte das wasser auf bis es nicht nicht mehr lauter wurde und schrubbte weiter bis das zahnfleisch blutete.

was der mann wohl dazu gesagt hätte, dass sie ihr zahnfleisch bluten ließ? vielleicht hätte ihn das auch nicht gestört. und dann fragte sie sich warum der mann immer gesagt hatte, dass ihn etwas nicht stört und sie dachte, dass einem etwas, was einen nicht stört doch gar nicht erst auffallen konnte oder man erst gar nicht darüber redet, wenn einen etwas nicht stört und dann dachte sie, dass es in ordnung war an diesem morgen, ohne den mann, den das alles nicht störte.


(c) angelika wende

Dienstag, 16. August 2011

war es das jetzt?

irgendwann ist er da, der moment im leben in dem wir uns fragen: war es das jetzt? war das mein leben, all die dinge, die ich gelebt habe und sie mich?

dieses sie mich ist es, das schmerzt. nicht wirklich weh tut, eher brennt wie eine kleine wunde, die nicht heilen will, uns immer wieder neu erinnert, an das, was uns gelebt hat.

das wollen wir nicht, wir wollen es leben unser leben, wir wollen die macht, weil wir eitel sind. eitelkeit sieht nur sich selbst. auch im spiegel des anderen sieht sie nur sich selbst, weil sie ein selbstbezogenes ist.

diese eitelkeit ist ungut, denn sie verstellt uns den blick auf das ganze. das ganze sind wir mit unserem wollen und es ist das leben mit seinem wollen, all die anderen dinge und menschen die mit uns dieses leben teilen, all die begegnungen von aussen, die etwas mit uns machen im eigenen innenraum. das von aussen kommende, das wir nicht abstellen können, weil wir in der welt sind.

ich bin die welt, las ich heute morgen, irgendwo stand es geschrieben.

das ist wahr, auch wahr, so wie es wahr ist, dass wir in der welt sind, also ein in der welt sein - das gefällt mir besser als ein "ich bin die welt". ich bin nicht die welt, sie ist in mir und ich bin ein teil dieses großen ganzen - alles andere ist eitel.

eitelkeit ist keine sünde, sie ist im weitesten sinne mit dem stolz, der superbia, jener todünde zu verbinden, die dem entgegensteht, was man allgemein großmut nennt, der große mut der uneitlen, derer die großmütig akzeptieren was ist, im eigenen sein und im sein der anderen, der großmut derer, die welt sein lassen. pathetisch? meinetwegen, dann bin ich eben pathetisch.

und dieses sein lassen bedeutet auch, sich selbst und das eigene leben, das vergangene, das uns so viel von unserem wollen verwehrt hat, sein lassen - als erfahrung, als teil des weges zu einem ziel, das wir uns aussuchen, aber niemals selbst bestimmen, denn es gibt etwas, das größer ist als wir, das anders ist als wir, etwas, das uns auch bestimmt, denn wir sind nicht die bestimmer - weder für unser leben noch für das leben anderer, noch in der welt. das zu glauben ist eitel, ist hochmut.

warum fällt es uns so schwer unser wollen umszusetzen in unser sein?
weil es schwer ist!


der wille ist eine illusion und seine manifestation im eigen leben auch. wir sind teil der welt und daher beeinflusst von welt. allein das begrenzt den willen.

wir sind verantwortlich für uns selbst. das ist wahr. aber wir sind auch verantwortlich für die, die wir lieben, geliebt haben, lieben wollen. wir sind auch teil des anderen willens, der sich, sobald wir in beziehung treten zum anderen, in unser wollen mischt.

weil das so ist, ist es eben auch so, dass wir in diesem moment wo die frage ganz groß wird: war das mein leben? - wenn wir aufrichtig zu uns selbst sind - sagen könnten: ja, das war es bis jetzt, das war mein leben, denn die anderen haben wir selbst in unser leben gelassen, wir haben unser wollen nicht durchgesetzt, die anderen sind ein teil dieses wollens geworden. also was wollen wir?

wir habe es zugelassen und bei allem zulassen eigenes wollen verloren oder es irgendwo vergraben, wo es schmerzt jetzt, in diesem moment der großen frage.


und dann ist es gut und es schmerzt weniger. und es ist immer noch zeit neu zu wollen, immer noch zeit zu versuchen zu wollen - anderes.

das ganze leben ist ein prozess und jede einzelne phase ist unser leben.es war nichts umsonst, denn sonst hätten wir es geändert unser leben und es uns geholt, das nach dem wir uns jetzt sehnen. also ist die frage - warum haben wir das nicht früher geändert, warum haben wir das nicht früher gespürt, warum haben wir nicht früher getan was wir gewollt haben, sinnlos.

wir haben es nicht gespürt, oder nicht genug gespürt, denn sonst hätten wir früher gehandelt und unserem willen so weit es menschenmöglich ist, zu entsprechen versucht.
wir haben das nicht getan.

lassen wir doch das eitle und seien aufrichtig zu uns selbst und sagen - vielleicht tue ich es jetzt, das was ich will, mit all dem was ich erfahren und mitgenommen habe - denn irgendetwas in mir und meinem in der welt sein hat das, was war, so gewollt.

(c) angelika wende





Montag, 15. August 2011

schuld

es hing an ihr wie blei
zog an ihr
ließ sie nie leicht sein
das war schwer
schweres vergangenes

schuld

schuld war das wort
schuldig geworden
ohne es sein zu wollen
aber geworden
absichtslos

schuldig gemacht
also gemacht
die schuld
aus absichtslosigkeit
also schuldig
das hing an ihr wie blei

Sonntag, 14. August 2011

lernen

menschen ändern sich nicht
ich weiß es, weil ich selbst ein mensch bin
menschen ändern manchmal ihr verhalten
und auch nur dann wenn neues verhalten auf dauer lohnenswerter ist als altes verhalten

diese erkenntnis ist nicht von mir, sie entstammt der psychologie

verändertes verhalten bedeutet nicht veränderte menschen
der mensch bleibt, was er in seinem innersten wesen ist - immer
davon bin ich überzeugt, weil ich es erlebt habe bei mir selbst und anderen
jedes hoffen darauf, dass ein mensch sich ändert ist eine illusion die einem wunschdenken entspringt

menschen könne sich verstellen
in vielerlei weise
eine weile
sie können versuchen dem anderen zu entsprechen
oder dem von sich selbst erwarteten

eine weile

doch irgendwann bricht das im wesen angelegte durch
tut es das nicht kommt es zur neurose
zur neuen neurose die sich zu der alten legt
ich kenne wenige die keine neurose haben

manchmal legt sich neurose zu neurose
unbewusstes erkennt unbewusstes instinktiv
will sich verbinden
mit dem anderen
dem fremden

daher gibt in keiner begegnung zwischen menschen unpassendes
das unpassende ist, wie das passende, eine erweiterung des eigenen innenraumes
des eigenen seins
der erkenntnis des selbst

jede begegnung ist eine lehre
immer
und für jede dieser lehren gibt es eine erkenntnis
und sei es die, die uns auf uns selbst zurückwirft
sie ist die wertvollste





Samstag, 13. August 2011

leben

alles im leben hat eine berechtigung
alles
denn alles ist eine erfahrung, die unsere seele wählt

es gibt kein größeres verbrechen gegen die eigene seele und die seele des anderen
als dem erfahrenen die berechtigung seines gewesenseins abzusprechen

im nachinein ist alles beurteilen einfach
im moment des geschehens aber sind die dinge
was sie sind
lebenserfahrungen die uns selbst gehören und nur uns selbst

indem wie anderen unsere geschichte erzählen wird sie nicht anders
das zu glauben ist ein irrglaube
aber sie wird im zweifel zu etwas anderem gemacht
das uns nur von uns selbst wegbringt

also schweigen wir besser
wenn wir nicht in der lage sind unser leben als das zu erkennen was es ist
unteilbar und allein uns selbst gehörend

leere

manchmal überfiel sie diese leere
es gab keinen grund
keinen anlass
keinen auslöser

es war da
das leere

namenlos
in ihr

breitete sich aus
aus ihr
bis über ihre grenzen hinaus

endlos
leer




gedankensplitter 27

ich will nicht alles verstehen
weil ich niemals alles verstehen kann
ich will mich verstehen
um besser verstanden zu werden


gedankensplitter 26

ich will die welt nicht ändern.
ich weiß, ich kann das nicht.

ich will mich verändern.

um gut mit mir zu sein.
und die welt mit mir.




Freitag, 12. August 2011

zweisames

ungeleerte aschenbecher
zigarettengestank
wäsche auf der leine
übertrocken
laken verknüllt auf dem bett
geschirr in spülbecken
fettverkrustet
milch im kühlschrank
versauernd
bügelwäsche
aufgetürmt
staub auf möbeln
ungelesenes
aufgeschlagen auf nachtischen
zeit überfüllt
vertrocknetes grün
auf fensterbänken
terminverschobenes
gedankenraum
übervoll mit eigenem und fremdem

beziehung in zwei wohnungen






Donnerstag, 11. August 2011

Die Wut der jungen Menschen in England ... ein Erklärungsversuch

Sigmund Freud behauptete, dass das ganze menschliche Triebleben eingespannt sei zwischen zwei Polen: dem Lusttrieb und dem Todestrieb, sprich der Lust an der Destruktion als Teilaspekt des Aggressionstriebs.

Der Mensch befindet sich, folgt man Freud weiter, in ewiger Konfliktspannung zwischen einen „aufbauenden“ und einem „abbauenden“ Prinzip. Der Lust und der Unlust, bis hin zur Lust am Zerstörerischen.

Was das menschliche Eingespanntsein zwischen zwei Triebwelten angeht, stellt sich die Frage, ob der Mensch von Grund auf, also von Geburt an, von seinem Wesen her beides in sich trägt.

Ich frage mich, ist Aggression und die Lust am Destruktiven im Wesen des Menschen angelegt oder ist sie konditioniert, heißt durch eine Re - Aktion auf frustrierende Erfahrungen herausgebildet?

Das Neugeborene strebt nach atmen, Nahrung, Nähe und Geborgenheit und Schmerzvermeidung. Aggression, die schon beim Neugeborenen entsteht, ist immer die Folge von Frustration, hervorgerufen durch die subjektive Empfindung nicht erfüllter Bedürfnisse. Das innerste menschliche Bedürfnis ist „überleben“ - was Freud als den Lebenstrieb bezeichnet.

Aggression wächst durch wiederholte Frustration, die sich mehr und mehr aufbaut, wenn Bedürfnisse, Wille und Anlagen nicht zur Entfaltung kommen.

So gesehen ist es möglich, dass die Interaktion des Menschen mit einer ihn immer wieder „enttäuschenden“ Aussenwelt zu Aggression führt (Reaktionsbildung auf Äusseres). Somit ist es für mich eindeutig, dass der Todestrieb, also die "Lust" am Zerstören ein reakiver ist und nicht ein im Menschen biologisch angelegter.

Ein sattes Tier reißt nicht. Ein Tier reißt nicht aus Aggression, es reißt weil es Hunger hat.

Ein Tier kämpft nicht aus Lust, es kämpft „um“ etwas oder „für“ etwas.

Was also sind die Motive für Aggression, Wut und zerstörerisches Handeln?

Ein Mensch reagiert mit Aggression und Wut , wenn er einen Mangel spürt, gleich welcher Art. Wenn er sich ohnmächtig fühlt.

Die vermeintliche Lust an der Destruktion, die blinde nicht zielgerichtete Zerstörungswut ist immer eine Folge von „etwas existentiell Unerfülltem“ und nicht von Natur aus gegeben.

Der oberste Trieb beim Tier und beim Menschen ist das Überleben, nicht die Todessehnsucht, nicht der Todestrieb. Wenn er übermächtig wird, wird er das in Folge - quasi als Reaktionsbildung.

Der Todestrieb ist somit sicher kein vorkultureller Zustand von Natur, sondern wird geboren aus einer menschenverachtenden Kultur.

Erst durch die Unterdrückung und Entfremdung des Menschen von libidinösen, seelischen und existentiellen Grundbedürfnissen durch das gesellschaftlichen Umfeld und nicht durch biologische Disposition formt sich der Todestrieb. Somit ist der Todestrieb m.E. nicht als polar zum Lebenstrieb zu sehen, sondern aus ihm heraus geboren.

Die Zerstörungswut, die die Welt angesichts der Jugendrevolten in England erlebt, gründet auf einem Gefühl: „Was nicht sein darf, was ich nicht haben kann, wovon ich kein Teil bin, was mich nicht achtet, muss zerstört werden.“ Extremer ausgedrückt: „Ich zerstöre was ich nicht sein darf - am Ende das eigene Sein.“ Diese Jugend ist so verzweifelt, dass sie glaubt, sie hat nichts mehr zu verlieren. Also zerstören diese jungen Menschen, was sie zerstört. Sie sind dabei blind ) vor Wut).

Und ja - sie reagieren vollkommen normal.

(c) angelikawende