Freitag, 29. April 2016

Wenn aus Liebe Hass wird




Zeichnung: AW

Es gibt viele Menschen, die sich ungeliebt fühlen. Niemand braucht sie, niemand schenkt ihnen Beachtung, niemand schenkt ihnen Anerkennung, für niemanden sind sie wichtig und niemand bedauert sie in ihrem Schmerz. Sie bekommen keine Aufmerksamkeit. Sie fühlen sich verlassen, hilflos und ohnmächtig.

Und so kann es geschehen, dass ein Mensch in seinem ungehörten Schmerz beschließt - wenn ich schon keine Liebe bekomme, dann muss ich einen anderen Weg finden um Aufmerksamkeit zu bekommen, einen Weg, um aus der Ohnmacht in die Macht zu gelangen.
Und sie wählen Hass.
Sie verbreiten Angst und Schrecken, sie terrorisieren und quälen andere. Die Angst, die sie verbreiten, wird zum Ersatz für Liebe, die sie so schmerzlich vermissen. 
Damit beginnt jedes Muster von emotionaler oder körperlicher Gewalt.
Und doch begann alles mit der Liebe ...


Und weil ich von deiner Liebe abhängig bin, von deinen Augen, 
die mich sehen, werde ich alles tun, damit du mich siehst.
Und wenn du mich nicht lieben kannst, werde ich alles tun, dass du Angst vor mir hast.

Donnerstag, 28. April 2016

Genau so

Wenn ich mir keine Ölfarbe mehr leisten kann, kaufe ich Wasserfarben. Wenn für Wasserfarben kein Geld mehr bleibt, bitte ich um Bleistifte. Wenn die Bleistifte ausgehen, man mich ins Gefängnis wirft, spuck ich mir auf den Finger und bemale die Wand.

Pablo Picasso

Vom Suhlen in der Opferrolle




Mach deine beschissene Kindheit dafür verantwortlich, wenn du Suchtprobleme hast und das Leben nicht meistern kannst.
Mach deine Vergangenheit dafür verantwortlich, wenn du im Leben nicht klar kommst und alles kaputt geht.
Jammere und bemitleide dich selbst, wenn dich jemand verletzt hat.
Wähle Hass und Zerstörung, wenn dich die Liebe verlassen hat.
Schlag auf Schwächere, wenn du dich schwach fühlst.
Giere nach Rache, wenn du dich verletzt fühlst.
Gib anderen die Schuld, wenn du Probleme hast und sag dir immer wieder: Ich kann nichts dafür, die anderen sind das Problem.
Bemitleide dich ein Leben lang selbst, wenn du eine unglückliche Kindheit hattest.
Als Rechtfertigung wenn dir nichts gelingt: Rede dir ein, du bist so weil man dich zu dem gemacht hat, was du bist, und dafür kannst du nichts.
Verurteile andere für ihre Fehler und rede dir ein, dass du im Recht bist und was du tust gerechtfertigt, weil man dir etwas angetan hat.
Rede dir ein, dass du ein guter Mensch bist und alle anderen schlecht sind und dass das Leben sowieso ungerecht ist.
Wenn du leidest, sorg dafür, dass andere auch leiden, damit du dich nicht so allein mit deinem Leid fühlst.
Rede dir ein, dass das Leben sowieso sinnlos ist und du eh nichts ändern kannst. 

Mit anderen Worten: Suhle dich in der Rolle des Opfers deiner Erfahrungen und anderer Menschen.
Dann hast du es geschafft!
Wenn du anderen für alles die Schuld gibst, bist du für nichts in deinem Leben verantwortlich.

Du kannst dich hinsetzen, deine Hände in den Schoß legen, andere für dein Unglück verantwortlich machen, dir ewig selber leid tun, ohne schlechtes Gewissen saufen oder kiffen, dich selbst zerstören und andere mit. Du hast immer eine Entschuldigung dafür, warum es dir schlecht geht und du nichts an dir selbst verändern musst.

Du könntest dich aber auch in einem wachen Moment fragen:
Macht es Sinn solchen Schaden bei mir selbst anzurichten, indem ich immer bei anderen die Schuld suche? Macht es Sinn mich selbst in die Opferrolle einzusperren und mir damit mein Leben zu versauen und das vieler anderer gleich mit?

Macht das Sinn?
Es macht keinen Sinn - es ist die perfekte Strategie für lebenslanges Leiden und Unglück.

Erst wenn du aus der Opferrolle aussteigst und mit all deinen Schuldzuweisungen aufhörst, kannst du dein Leben in die Hand nehmen und anfangen es zu gestalten, wie du es dir wünscht und so wie du es brauchst.

Zugegeben es ist leichter nichts zu verändern, als sein Leben in die Hand zu nehmen und aus der Opferrolle auszusteigen.

Mittwoch, 27. April 2016

Ich lerne

in einer zeit, in der alles brüchig ist und die angst sich ausbreitet wie ein virus, in der angst von den mächtigen geschürt wird um menschen zu lähmen und gefügig zu machen, sucht die mehrzahl nach den einfachsten erklärungen, um das leben zu verstehen. nie zuvor gab es eine kultur, in der menschen so sehr nach einfachen antworten suchten und konzepte und konstruktionen von wirklichkeit, die seelenheil versprechen, eine ganze industrie nährten.
die zeit der großen denker ist vorbei. es gibt nicht mehr viele. aber es gibt immer mehr schafe, die genau dem hirten folgen, der ihnen die einfachsten antworten auf ihre fragen gibt. all diese heilversprechenden konzepte sind konstruktionen, von menschen erdacht. viele von ihnen beruhen auf vereinfachung und trennung. der mensch, als hoch komplexes wesen mit allem, was ihn ausmacht, mitsamt den natürlichen emotionen, mitsamt allen sich widerstrebenden gefühlen und gedanken, wird in konstruierte konzepte gepackt.
es ist schwer in dieser welt voller konstruktionen die eigene wahrheit zu finden, die alles menschliche einschließt und es verstehen lässt.
um das eigene leben zu erfassen gibt es nur einen weg und der wird nicht über konzepte gewonnen, sondern über die eigene lebenserfahrung jedes einzelnen von uns, über das zusammenleben mit anderen, das beobachten von menschen, das sprechen mit menschen und das erleben eines menschlichen miteinanders.
auch dann werden wir keine allumfassende wahrheit finden, so wie sie in diesen konzepten propagiert wird. wir finden die unsere. auch diese wird niemals eine dauertüchtige, niemals eine feststehende sein. wir ändern unsere wahrheiten so wie sich das leben verändert. 
wir wissen nichts.
das einzige was wir wissen ist das, was wir selbst erfahren, was wir selbst gelebt und empfunden haben und zwar jeder für sich selbst. mag all das im zweifel auch nur eine illusion sein - es ist die unsere.
ich hüte mich vor jedem, der mir sagen will wie leben geht oder mir sagen will, was wahrheit ist.
er weiß nichts.
ich weiß nichts.
ich lerne.


Wir spekulieren erfolglos





Die Sorge um Dinge, die geschehen könnten, hindert uns daran, unsere heutigen Dinge und Aufgaben achtsam und effektiv zu bewältigen. Jede sorgenvolle Frage, die sich bezüglich der Zukunft aufdrängt, nimmt unsere Aufmerksamkeit in Beschlag. Sie macht uns unruhig, unkonzentriert und unsicher bei dem, was heute zu tun ist. Das kostet viel Energie, die uns dann für das, was im Jetzt zu tun ist, fehlt.

Wir wissen nicht was die Zukunft bringt. Wir spekulieren erfolglos. Auch wenn wir die Dinge noch so sorgfältig planen, es gibt immer die Möglichkeit, dass Etwas oder Jemand unsere Pläne zunichte macht, bevor die Zukunft überhaupt stattfindet.

Im Hier und Jetzt leben ist das Beste, was wir tun können. Es ist hilfreich, sich das bewusst zu machen. Jeden Tag.

Dienstag, 26. April 2016

Angst oder Liebe



Wir finden durch Rache keine Befriedigung.
Wir finden auch keine Befriedigung, wenn wir beweisen, dass der andere im Unrecht ist.
Wir finden keinen Frieden, wenn wir einen Menschen verurteilen, verletzen oder demütigen, der uns Probleme bereitet.
Wir finden keine Ruhe, wenn wir anderen Leid und Schmerz zufügen, im Glauben er habe es verdient.
All das bringt uns keinen Gewinn.
All das führt zu Zerstörung.
Zerstörung geschieht aus Angst.

Wer in der Angst ist, ist nicht in der Liebe.

Nicht in der Liebe zu sich selbst und damit nicht in der Liebe für andere. Mitgefühl für sich selbst und andere, Fürsorge, Zuneigung Güte, Geben, ohne den Gedanken etwas dafür zu bekommen, und einander helfen sind die Qualitäten von Liebe.

Das Wort Liebe, so wie wir es verstehen, ist ein Geben in der Erwartung etwas dafür zurückzubekommen, ein Deal. Wenn wir nichts mehr bekommen, ist der Deal zu Ende und wir sind wütend, enttäuscht und verbittert. Das ist keine Liebe. Sie ist nicht verlässlich und sie ist voller Verlustangst.
Das alles ist keine Liebe. Wirkliche Liebe können wir nicht verlieren.
Wenn wir Frieden erfahren wollen, müssen wir uns heilen. Wir müssen uns gegenseitig heilen.
Aber worin besteht Heilung?
Heilung besteht darin, die Angst loszulassen.
Ohne den Schatten der Angst sind mein Denken, mein Fühlen und mein Handeln auf Liebe und Frieden ausgerichtet. Je mehr ich meine Angst loslasse, um so mehr Heilung finde ich.

Ich wünsche uns Liebe. 

Sonntag, 24. April 2016

Was am Gesetz der Resonanz so gefährlich ist


Das Gesetz der Anziehung oder das Prinzip der Resonanz besagt: Gleiches zieht Gleiches an. Es behauptet, wie alle Konstruktionen um Wirklichkeit zu verstehen und zu erklären, dass die Energie unserer Gedanken Schwingungen hat, die sich im Außen manifestieren und auf den, der sie in sich trägt, je nach Qualität seiner gedachten Gedanken, zurückfallen. Es besagt, dass wir bewusst oder unbewusst anziehen, was uns geschieht. Das Gute und das Ungute. Mit anderen Worten: Dir geschieht wie du denkst und fühlst. Und darum gibt es nur dich selbst, der seine Welt erschafft.  Du bist es, der deine Welt beherrscht mit der Macht deiner Gedanken und du beherrscht deine Welt nicht nur, du kannst sie auch verändern, wenn du nur richtig denkst. Das Universum erfüllt dir dann all deine Wünsche. Das Gesetz der Anziehung wird somit als Werkzeug aufgefasst, mit dem jeder sein Leben nach seinen Wünschen und Vorstellungen gestalten kann. Ja, und wer ungut denkt, der hat Pech gehabt. 
Seinen Ursprung hat  der Begriff Gesetz der Anziehung im Jahr 1877 in einem Buch der Okkultistin Helena Blavatzky. 
Seitdem wurde der Begriff wiederholt von esoterisch orientierten Menschen  und Gruppierungen aufgegriffen. Richtig populär wurde das Gesetz 2006 durch den Film The Secret, nach dem Buch von Rhonda Byrne. Zitat: Das Gesetz der Anziehung gilt generell, für alles und alle. Es gilt für alles, das existiert. Jeder Gedanke, den wir denken, jedes Gefühl, das wir fühlen, zieht ähnliche oder gleichartige Gedanken und Gefühle an. 

Einige Beispiele:
Hast du kein Geld, denkst du, dass du es nicht verdient hast. Hast du keinen, der dich liebt, bist du nicht in der Liebe, hast du keinen Erfolg, denkst du, dass du ihn nicht wert bist, erfährst du Böses, denkst du Böses, erfährst du Gutes, denkst und fühlst du Gutes. Das Universum reagiert quasi auf deinen Gedankenbefehl und schickt dir prompt alles eins zu eins zurück.
Also achte auf deine Gedanken. 

Ganz neu ist diese Theorie nicht. Schon in der Bibel steht: "Euch geschehe nach Eurem Glauben."  
Glaube versetzt Berge. Wenn wir an uns glauben, können wir Unglaubliches vollbringen. Und wenn wir an Gott glauben, finden wir die Kraft alles zu überstehen. Das ist die Kraft, die der Glaube schafft. Das Gesetz der Resonanz aber will uns Glauben machen, dass wir alles mit der Macht unserer gedachten Gedanken steuern und herbeiführen oder eben anziehen. Und das ist etwas gänzlich anderes, als der Glaube an Gott oder an uns selbst. 
Glaubt man dem Resonanzprinzip könnte man glauben: Nun, das ist sie also – die (Er) Lösung für alles Leid dieser Welt. Nur seltsam, dass die Menschheit, wenn das so einfach funktioniert, nicht endlich mit dem Umsetzen beginnt. Es wissen doch nun wahrlich genug Menschen vom Resonanzprinzip. Vielleicht sind die Menschen ja klüger als so mancher Resonanzgläubige denkt.

Das Gefährliche an diesem Prinzip ist: Es führt zur Entstehung einer Mentalität, die grundsätzlich dem Opfer die alleinige Verantwortung übergibt.
Du bist verprügelt worden? Selbst verantwortlich, du hast es angezogen, weil du Angst oder aggressive Gedanken hast. Du hast Krebs? Selbst verantwortlich, du hast kranke Gedanken oder du bist nicht in der Selbstliebe. Du hast keinen, der dich liebt? Deine Verantwortung – du schwingst nicht in der Liebe, sondern in der Angst, weil - Angst ist das Gegenteil von Liebe.
An dieser Stelle frage ich mich gerade: Welche Mutter hat keine Angst um ihr Kind, wenn es zum ersten Mal allein in den Kindergarten oder in die Schule geht oder wenn es als Teenager nachts unterwegs ist. Vertraut sie der Liebe nicht, ist sie nicht in der Liebe? Sie hätte doch sonst keine Angst. Und wenn dann tatsächlich ihrem Kind etwas zustößt, dann ist sie dafür verantwortlich, weil ihre Angst es angezogen hat?

Die Kinder, die im Krieg sterben, was ist mit ihnen, was tragen sie in sich, umd das anzuziehen? Oder sind es die Schwingungen der Erwachsenen um sie herum, die Krieg machen und weil sie in deren zerstörerischer Resonanz mitschwingen, müssen sie sterben. Dieses Gesetz wirft alles Menschliche über den Haufen. Es kann sogar unmenschlich machen. Denn wir werden, wenn wir ihm folgen, weder Mitgefühl noch sonst eine Regung von Barmherzigkeit haben, wenn uns einer begegnet, dem gerade ein Unglück geschehen ist. Wir werden zu ihm sagen: "Du hast das angezogen",  und uns im Zweifel schnell vom Acker machen, denn dieser Mensch hat negative Schwingungen, mit denen er das Unglück angezogen hat, und damit wollen wir nicht in Resonanz treten, denn es vergiftet unsere positive Schwingung.  

Was uns in Wahrheit weglaufen lässt, ist nicht die Liebe, in der wir schwingen, sondern die nackte Angst. Die Liebe nämlich würde diesem Menschen Hilfe schenken und ihn nicht verantwortlich, bzw, schuldig, für sein Unglück sprechen. 
Der Gedanke – jeder ist für das, was ihm widerfährt, selbst verantwortlich, ist perfekt dazu geeignet Schuldgefühle zu machen - und zwar jedem, der, weil er Mensch ist, auch einmal nicht so liebevolle Gedanken hegt oder Wut spürt oder sonst ein menschliches Gefühl, das keine positive Schwingung hat. Dieses Gesetz trennt und zwar in Gut und Ungut. Und es hält eine Konstruktion von Liebe hoch, Liebe als Mittel zum Zweck, was mit Liebe nichts zu tun hat. 
Und Liebe trennt nicht – für die Liebe ist alles eins.

Das Resonanzprinzip macht blind, es macht uns blind für die Komplexität der menschlichen Psyche und der Seele. Es macht blind für die Ursachen und Faktoren, die eine Situation oder einen Menschen in seiner Ganzheit ausmachen. 
Zugebenermaßen – es ist viel einfacher zu sagen, das hast du selbst angezogen, weil du denkst, wie du denkst, als sich mit einem Menschen und seinen Tiefen, seinen Ängsten und seinen Blockaden auseinanderzusetzen, die für ihn nicht hilfreich sind. Er muss nur lernen anders zu denken und das Universum liefert prompt bessere Tage. Nein, Ihr Lieben, so einfach ist es nicht. Jeder von uns hat selbstschädigende, wenig hilfreiche Denkmuster und destruktive innere Überzeugungen, die es zu finden gilt um sie anzuschauen, zu überprüfen und durch hilfreichere zu ersetzen – aber das ist ein Prozess und dieser braucht Zeit und liebevolle Zuwendung, Verstehen und Empathie. Und nicht den Fingerzeig: Denk anders und alles ist gut. Und schon gar nicht den latenten Vorwurf – dir geschieht das, weil du nicht in der Liebe bist, sondern im Mangel oder in der Angst. 

Ich kann nur ändern, was ich begreife und auch dann geht das nicht sofort, es bedarf der Erkenntnis, der Umsetzung und es bedarf Zeit. Der Weg zur Meisterschaft des eigenen Lebensweges ist ein langer Weg und kein Gedankenmachtspiel und er ist unberechenbar.
Wer Meditation praktiziert kann ein Lied davon singen, wie schwer es ist  die Gedanken einfach sein zu lassen, sie nur zu beobachten und nicht zu bewerten. Zum Leben gehört alles. Alles darf sein. Beim Resonanzprinzip geht es immer um Bewertung und um Verurteilung, die sich unter dem Wort "Eigenverantwortlichkeit" versteckt: „Weil du das gedacht hast, deshalb ...".  Weil du nicht in der Liebe bist, geschieht dir ...“

Die Mahnung an die Liebe wird benutzt um Menschen zu bekehren. Aber Liebe will nicht bekehren, sie will nichts - sie ist. Sie ist auch niemals ein Instrument um etwas zu erreichen oder um Menschen zu manipulieren. Liebe lässt sein – sie lässt alles sein und kennt keine Bewertung.
Wie blind für das was Leben ist, ist dieses Prinzip. Und sonderbarerweise, schaut man einmal genauer hin, wenn man denn das Glück hat einem radikalen Vertreter des Prinzips zu begegnen, hat doch dieser Mensch selbst so manches nicht vom Universum bekommen, was er sich wünscht oder sich mittels der Macht seiner Gedanken hindenkt.
Seltsam oder?

Der Mensch und seine Gedanken- und Gefühlswelt, seine Seele, seine Psyche und sein Körper sind ein heiliges Rätsel.  
Die Seele ist in ihrer Tiefe bis heute nicht erforscht worden. Weil sie das vielleicht gar nicht will, weil es da etwas gibt, das größer ist als wir und das sich nicht steuern und schon gar nicht mittels Gedanken manipulieren und kontrollieren lässt und macht, was wir wollen.

Wo bleibt die Demut, wo die Achtung für das, was größer ist als der Mensch und dessen Wille geschieht, ob wir das wollen oder nicht? Sie ist versumpft in einem großen Industriezweig der Bücher, Ratgeber, CD´s  und Seminare zum Thema Resonanz anbietet und Millionen Umsätze macht. Womit? Mit der Angst der Menschen, die sich nicht dem Fluss des Lebens und nicht der Liebe des Schöpfers anvertrauen, sondern die Kontrolle wollen über das Leben selbst. Das Bedürfnis nach Kontrolle hat nur eine Ursache: Angst.
Die Geschichte und jede menschliche Biografie zeigt uns – wir haben nicht alles unter Kontrolle. Wir besitzen nicht die Allmacht, weder über unsere Gedanken, noch über andere und schon gar nicht über die Liebe.



Wie aus Opfern Täter werden können



 

Ist es Schicksal, wenn einem immer wieder schlimme Dinge geschehen, wenn einem nichts gelingt, von dem, was man sich vorgenommen hat, auch wenn man sich noch so anstrengt, wenn einem immer wieder der oder die Falsche begegnet oder wenn man keinen Job bekommt, auch wenn man sich noch so bemüht? Ist es Schicksal, wenn wir von einer Krise in die andere stürzen, wir immer wieder gemobbt werden, uns gar Gewalt angetan wird oder sind wir das geborene Opfer und wir ziehen das alles an?

Menschen, die in Krisengebieten geboren sind, sind Opfer der Kriegstreiber, Menschen, die in sozial schwache oder kaputte Familienkonstrukte hineingeboren werden, sind Opfer der Umstände und Frauen, werden noch heute durch die soziale Rolle, die ihnen zugeschrieben wird, eher in der Aufopferungsrolle landen als viele Männer. Und Kinder die missbraucht werden sind Opfer. Und alle haben nichts dazu getan, dass ihnen Schlimmes weiderfährt. Und dann gibt es etwas, das größer ist als der Mensch: Das Schicksal, Unglücke, Naturkatastrophen oder schwere Krankheiten oder seelisch kranke, gewalttätige Menschen, die Menschen ohne ihr Zutun zum Opfer machen.
Das Leben ist nicht gerecht und das ist wahr.

Aber viele Menschen haben einfach nur das Gefühl, dass das Schicksal oder andere Menschen ihnen übel mitspielen. Sie fühlen sich ihr Leben lang als Opfer und die anderen sind in ihren Augen die Täter, die ihnen all das Üble angetan haben oder antun. Wären die anderen anders, wäre alles in meinem Leben besser, wäre ich als Kind geliebt worden oder hätten mich meine Eltern gefördert, könnte ich mein Leben anders leben - diese Haltung ist in diesen Menschen tief verankert. Sie fühlen sich dem Leben ausgeliefert und verbringen es in der Opferrolle. Und damit sehen sie keine Möglichkeit, etwas zu ändern. 

Warum schlüpfen Menschen in die Opferrolle?

Zuschreibungen jeder Art sind beruhigend und bequem. Und vor allem, man hat eine Erklärung für alles, was nicht gut ist. Man ist eben ein Opfer und kann nichts dafür und nichts dagegen machen. Wer sich als Opfer begreift muss sich nicht verantwortlich für sein Leben fühlen, er muss keinen Standpunkt einnehmen, er kann alles auf die anderen und auf die ungerechte Welt schieben – er wäscht seine Hände in vermeintlicher Unschuld. Er kann sich in der Opferrolle verstecken, braucht sich eine Mühe zu geben, muss nichts verändern und sich nicht die Mühe machen, das eigene Leben zu gestalten oder sich überhaupt fragen, was er eigentlich vom Leben will. Er darf jammern, sich selbst bemitleiden und mit den Fingern auf alle die zeigen, die ihn zu dem gemacht haben, als der er sich fühlt. Wäre die Rolle des Opfers eine Krankheit könnte man von einem sekundären Krankheitsgewinn sprechen. Die Konsequenzen einer solchen Haltung sind allerdings schwerwiegend. Eine Opferhaltung führt immer in die Passivität, in ein Leben das beherrscht wird vom Gefühl der Spielball äußerer Mächte zu sein. Ein Mensch, der in der Opferhaltung lebt, hat selten das Gefühl der Selbstwirksamkeit, er ist ein Abhängiger von den Gefühlen der Hilflosigkeit und der Ohnmacht und vor allem – er macht sich abhängig von anderen, die sein Leben scheinbar dirigieren und diese sind dann in seiner Wahrnehmung die bösen Täter, die sein Glück verhindern.

Opfer und Täter brauchen und bedingen sich gegenseitig: Ein Opfer kann nicht ohne einen Aggressor existieren und ein Aggressor nicht ohne ein Opfer.

Ich spreche hier wie gesagt nicht vom Schicksal, von Gewalt und Verbrechen. In diesen Fällen werden Menschen zu unschuldigen Opfern. Ihnen eine Verantwortung zu übertragen wäre der blanke Hohn, wenn auch die Kriminologie davon ausgeht, dass es typische Opfer gibt, also Menschen, die eher zu Verbrechensopfern werden als andere. In dieses Feld wage ich mich nicht vor. Auch die esoterische Parole von der Macht der Gedanken, dass der Mensch an allem Leid, das ihm wiederfährt, selbst schuld sein soll, ist Unfug und gefährlich dazu, denn wer das glaubt, wird ganz automatisch zum Opfer, nämlich, weil er glaubt, er müsse nur richtig denken, damit sein Leben richtig läuft und wenn es ihm nicht gelingt ist er selbst schuld. So einfach ist es nicht, wir sind nicht Gott und auch der denkt sich nicht alles aus, was uns Menschen geschieht oder nicht geschieht. In allen anderen Fällen aber geht es um Macht und Ohnmacht, und das hat mit Angst, Aggression und der Regulierung des Selbstwertgefühls und der Impulskontrolle zu tun. 

Opfer zu sein ist nicht gut, und Aggressor zu sein ist auch nicht gut, und doch finden beide in ihren Rollen etwas, das sie darin stecken bleiben lässt. Die Frage ist, was ist das?

Jeder Mensch, der unbewusst immer wieder in die Opferrolle rutscht, imitiert ein Rollenverhalten, von dem er erfahren hat, dass es irgendwie funktioniert.
Das kann das Vorbild eines Elternteils sein, es können Erfahrungen aus der Kindheit sein, indem er selbst Opfer wurde, es kann aber kulturell bedingt sein. Der Urgrund jeder Opferhaltung ist eine tiefgreifende gefühlte Erfahrung von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Machtlosigkeit. Es fehlt das Gefühl: Ich bin wertvoll, ich habe ein Recht auf eigene Grenzen, ich bin ein autonomer Mensch und ich handle selbstverantwortlich und ich kann das.

„Der Opfertyp, der an seiner Rolle festhält“, schreibt die Jungianerin Verena Kast in ihrem Buch „Abschied von der Opferrolle“, „ist ein Konfliktvermeider und ein Ja-Sager wider Willen. Er ist ein Mensch, der in seiner Kindheit von Autoritäten bestimmt wurde, an den Schuldgefühle delegiert wurden und der früh gelernt hat, dass alle anderen wichtiger sind als er selbst.“ Oft ist er Opfer von Gewalt und Missbrauch, ob seelisch oder körperlich, spielt dabei keine Rolle, entscheidend ist eine andauernde oder eine extreme Ohnmachtserfahrung, ein Trauma.

Das Fatale an der Opferrolle ist, dass diese Menschen aufgrund ihrer Unfähigkeit sich auch im späteren Leben abzugrenzen, noch immer tief verletzt und gekränkt sind. 

Die Opfer von Gewalt, Krieg und Naturkatastrophen entwickeln fast alle eine Posttraumatische Belastungsstörung, deren Folgen psychosomatische Symptome, Depressionen, Borderline-Störungen, Narzissmus, Angsterkrankungen und dissoziative Persönlichkeitsveränderungen sein können. Was die Opferhaltung von Menschen angeht, die kein dramatisches Traumata erlebt haben, hat oft zur Folge, dass sie verbittern. Diese Verbitterung führt ebenso zu psychischen Schäden: Selbstzweifel, ein negatives Selbstbild, Depressionen, Ängste und unterdrückte Aggressionen sind deren Ausdruck.
Wer sich als Opfer fühlt, fühlt sich vom Leben ungerecht behandelt – mit dem Ergebnis, dass er nicht autonom handelt und seine eigenen Bedürfnisse weder wahrnimmt noch auslebt. Wer sich ungerecht behandelt fühlt ist wütend und voller Groll und Selbsthass. Er schleppt eine Unmenge Aggressionen mit sich herum, die er permanent zu unterdrücken versucht. In ihm steckt das Potential eines Aggressors. 

„Um weder Opfer zu bleiben noch Aggressor zu werden, ist es wichtig, sich immer wieder um ein gutes Selbstwertgefühl zu bemühen“, schreibt Verena Kast. Dazu ist die Ablösung von den elterlichen Introjekten und den aus der Kindheit verinnerlichten negativen Glaubensmustern unabdingbar. Diese zu erkennen und auf ihre Wahrheit zu überprüfen ist der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben – was nichts anderes heißt, als die Verantwortung für das Jetzt übernehmen zu wollen und sich bewusst dafür zu entscheiden: Was war ist nicht mehr veränderbar, aber was sein soll liegt in meiner Macht. Es bedeutet die eigenen Opfersituationen herauszufinden, sich zu beobachten, zu reflektieren und sich bewusst zu machen wo der eigene Gestaltungraum beginnt. Es bedeutet seine Potenziale zu erkennen und anzuwenden und ganz wichtig: Alternativen zuzulassen, die förderlicher sind als das bisher gelebte alte Muster. Es geht darum, den Wunsch nach Autonomie zu entwickeln und Eigenständigkeit im wahrsten Sinne des Wortes auszuprobieren und das heißt: Neues hilfreiches Denken und Verhalten erlernen und üben.

Man muss neue Erfahrungen machen wollen, um nicht im alten Muster stecken zu bleiben und vor allem – man muss danach handeln und sich vom sekundären Krankheitsgewinn ein für alle Mal verabschieden. Für manche Opfer ist das allerdings ein Ding der Unmöglichkeit, denn dann müssten sie das tun und übernehmen, was sie nicht wollen: Selbstreflexion und Eigenverantwortung.

Für den Opfertypen ein schweres Unterfangen. Der Opfertyp ist ein Konfliktvermeider. Er ist ein Mensch, der sich lieber zurücknimmt, als für sich selbst einzustehen und für seine Bedürfnisse und Ziele zu kämpfen. Er ist ein Ja-Sager, der ständig ja sagt ohne es zu meinen und seinen Frust darüber herunterschluckt. Er entschuldigt sich für alles und vor allem er entschuldigt sich selbst, weil er es ja so schwer hatte und es noch immer schwer hat. Sein Lebensmotto ist: "Du bist o.k., ich bin nicht o.k.“ Im Unterbewusstsein aber gibt es einen zweiten Satz und der lautet: „Ich bin o.k., aber du nicht und die Welt sowieso nicht.“
In jedem Opfer steckt ein Aggressor, der irgendwann zum Täter werden kann. Der Grad der Aggressions- und Tatbereitschaft hängt vom Grad der Unversöhnlichkeit des Opfers mit seinem Schicksal ab.

Menschen, die sich nicht konstruktiv mit ihrem Schicksal und ihrer Biografie auseinandersetzen sind oft voller Scham, Schuldgefühle und Selbstmitleid, und – sie erzeugen Schuldgefühle bei anderen. 

Sie schlucken ihre Wut und sind in Wahrheit voller stiller Vorwürfe. Sie haben eine panische Angst davor, ihre Aggressionen auszudrücken. Unterschwellig aber brodelt es in ihnen. Das Unrecht, das sie erfahren haben, schreit noch immer stumm nach Vergeltung. Weil sie sich das selbst nicht eingestehen, neigen sie dazu andere zu manipulieren oder emotional zu erpressen. Sie machen anderen Schuldgefühle und übergeben ihnen so die Verantwortung für ihre eigenen Gefühle der Schuld und der Scham, die sie nicht ausdrücken können. Auf diese Weise geben sie ihre schlechten Gefühle an andere weiter, damit sich die anderen ebenso so schlecht fühlen wie sie selbst. Sie machen andere damit zum Aggressor, der sie in Wahrheit selbst sind. Sie projizieren das eigene Ungute ins Außen. Diese Menschen identifizieren sich auf diese Weise unbewusst mit dem Täter, der ihre eigene Wut ausdrückt, im vermeintlichen Glauben auf diese Weise der Opferrolle zu entkommen und sich emotional zu entlasten. Sie lösen den Konflikt zwischen Anpassung an sich selbst und Anpassung an die Mitwelt dadurch, dass sie andere ausleben lassen, was sie sich selbst nicht zugestehen.

Andere Opfer wiederum werden zu Tätern an anderen, nicht selten sogar an den eigenen Kindern oder am Partner. Sie geben das Unrecht, die Gewalt, die Aggression und das Leid, das sie erfahren haben, ungefiltert an Schwächere weiter, sie verfügen über keine Selbstregulation und schreien die Wut auf das erlittene Unrecht heraus. Im schlimmsten Falle wird ihr Selbsthass so groß, dass sie gewalttätig werden. Die Entschuldigung dieser Menschen lautet dann: „Ich habe nichts getan, der andere ist schlecht zu mir und muss bestraft oder vernichtet werden.“ Oder es kommt die Rechtfertigung: „Ich habe es selbst nicht anders erlebt, ich kann nichts dafür, dass ich so bin.“ Diese Menschen geben ihr tiefes Leid und ihren seelischen Schmerz rücksichtslos weiter und so nimmt die Spirale des Unrechts kein Ende. Und das alles mit dem unbewussten Zwang ein Opfer zu bleiben, denn dann, wie gesagt, bleibt die Verantwortung für das, was im eigenen Innenleben geschieht da draußen, bei den anderen eben und nicht im eigenen Haus.
 
Diese Menschen brauchen Hilfe. Sie brauchen sie dringend, denn sie sind lebendige Pulverfässer, die wenn sie explodieren, Schlimmes anrichten können.

Samstag, 23. April 2016

Ausstieg aus der Opferrolle


Malerei AW

Es ist schwer Verständnis oder Mitgefühl für jemanden aufzubringen, der uns zum Opfer seiner Wut und seines Hasses macht. Es ist schwer den Schmerz auszuhalten, den uns ein anderer zufügt, weil er mit seinem eigenen Schmerz nicht liebevoll umgehen kann. Es ist schwer in einem solchen Menschen noch etwas Gutes zu sehen. Und es ist wohl auch so, dass dieser Mensch in seinem Schmerz seine Güte verloren hat. Gütige Menschen machen andere nicht zum Opfer, sie gehen ihren Weg in Mitgefühl und in Liebe. 

Wenn Menschen mit einer zwanghaften Störung etwas tun, wozu sie sich innerlich gezwungen fühlen, zeigen sie damit nicht nur, dass sie den anderen nicht achten und nicht lieben, sie zeigen, dass sie sich selbst nicht achten und nicht lieben.

Wir können diese Menschen nicht ändern, wir können sie nicht von ihrem unseligen Weg abbringen. Das liegt nicht in unserer Macht. Aber wir können uns in Sicherheit bringen. Wir müssen das tun um aus der Opferrolle auszusteigen. Auch wenn wir erst einmal nicht wissen wo wir landen, wenn wir losgehen, auch wenn wir eine zeitlang unbequeme Lebensumstände in Kauf nehmen müssen - wir müssen uns lösen, aus Liebe und Achtung vor uns selbst.

Donnerstag, 21. April 2016

Über das Alleinsein



Wenn wir beginnen uns mit dem Alleinsein anzufreunden müssen wir lernen die leeren Räume selbst auszufüllen. Wir müssen lernen, uns selbst zu mögen und unseren Hunger nach Zuwendung selbst zu stillen. Wir müssen lernen, unsere Probleme allein zu lösen und uns das auch zuzutrauen. Wir müssen lernen, auf uns selbst acht zu geben und gut für uns selbst zu sorgen. Wir müssen auch lernen mit den Momenten jener tiefen Verlassenheitsgefühle umzugehen, die uns Angst machen können.

Es ist nicht leicht sich mit dem Alleinsein anzufreunden, aber irgendwann entdecken wir, dass wir auch diese Zeit überleben und mit allem fertig werden können, was sie von uns fordert. Es ist in Ordnung allein zu sein. Es gibt uns eine gewisse Würde, wenn wir es achtsam für uns selbst meistern.

Mittwoch, 20. April 2016

Aus der Praxis – Wer anderen hilft ist kein Übermensch





In all der Zeit, die ich auf dieser Erde lebe, ist mir noch nie ein Übermensch begegnet.
Euch etwa?
Alle Menschen haben Sorgen, Probleme, Krisen, Krankheiten, wir alle tragen ein verletztes inneres Kind in uns, das uns Schwierigkeiten macht und wir alle haben Ängste. Natürlich bilden auch Menschen, die mit Menschen arbeiten, da keine Ausnahme. Auch Therapeuten, Berater und Coaches haben ihre Sorgen, Probleme und Schwierigkeiten, auch sie werden von Krisen nicht verschont, ganz einfach - weil sie Menschen sind und eben keine Übermenschen.

Manche scheinen das aber zu denken. Es gibt Menschen, die in der Tat glauben, dass jene, die anderen von Berufs wegen helfen, alles im Griff haben müssen und unfehlbar zu sein haben. Das Bild vom Gott im weißen Kittel oder die Illusion des erleuchteten Heilers scheint bei diesen Menschen in der Tat im Kopf herum zu spuken. Das ist naiv und wenig reflektiert und hat mit der Realität nichts zu tun und vor allem: Es hat mit Menschsein nichts zu tun.

Jeder hat Schwächen und jedem geht es einmal nicht gut.
Diejenigen, denen es gut geht, sind Menschen, die gelernt haben mit ihren Schwächen umzugehen und mit ihren Sorgen und Problemen fertig zu werden. Das macht einen guten Helfer aus. Er hat gelernt sich in der Not selbst zu helfen.

Was macht einen guten Helfer sonst noch aus?

Er muss sein Handwerkszeug gelernt haben und es anwenden können.
Er wird sich Zeit nehmen seine Methode zu erklären, wenn er danach gefragt wird. Er wird dir sagen, dass es keine Methode gibt, die für jeden gleich sinnvoll und hilfreich ist. Er hat ein breitgefächertes, tiefes Fachwissen, basierend auf wissenschaftlicher Forschung und verfügt über die der Erfahrung, die er selbst, im optimalsten Fall, in einer Analyse bei einem Therapeuten erworben hat. Er kennt seine Macken und seine Trigger, seine Schatten und sein Licht, und das ist wichtig um bei seiner Arbeit mit Menschen nicht zu projizieren oder Eigenes auf den Klienten zu übertragen.

Eine wünschenswerte Voraussetzung für das Gelingen jeder Art von psychologischer Intervention ist, dass der Berater in der Sitzung ganz beim Klienten ist und selbst in einem hinreichend guten seelischen und gesundheitlichem Zustand. Sicher kann man auch mit Klienten arbeiten wenn man gestresst ist oder private Probleme hat. Das bleibt während der Sitzung draußen vor der Tür des geschützten Raumes in dem der Klient und sein Anliegen im Focus stehen. Er sollte über die Kompetenz des achtsamen Zuhörens und über Empathie verfügen, die Fähigkeit sich in sein Gegenüber einzufühlen. Er muss hinter die Worte fühlen können, denn nicht selten sprechen Menschen anders über sich als sie empfinden. Er muss beobachten können und fähig sein Mimik und Körpersprache zu deuten, kurz: Er muss die Gabe besitzen sein Gegenüber in seiner Ganzheit zu erfassen. Diese Gabe kann man in keinem Lehrbuch lernen.

„Lernen sie das Beste, wissen sie das Beste - und dann vergessen sie alles, wenn sie zum Patienten kommen." schrieb C.G. Jung.

Das Entscheidende aber ist: Ein Mensch, der anderen hilft zu sich selbst zu finden und ihre Probleme selbstwirksam lösen zu lernen, muss eins sein: Authentisch und wahrhaftig. Man hilft Menschen nicht allein anhand von theoretischen Wissen, man hat sich diese Fähigkeit nicht irgendwo angelesen, man hat sie erworben und zwar auf der Reise als Mensch durch das eigene Leben mit seinen Höhen und Tiefen, seinen Krisen und seinen Erfolgen, seinem Scheitern und seinem wieder Aufstehen - ich spreche von gewachsener Lebenserfahrung.

Ein Mensch der anderen Menschen helfen kann ist also alles andere als ein Übermensch ohne Fehl und Tadel – er ist ein Mensch, der ebenso wie die Menschen, die zu ihm kommen, das Leid kennt. So wie Carl Gustav Jung es kannte, so wie Sigmund Freud es kannte, so wie Anna Freud es kannte, so wie Josef Bernhard Lang es kannte, so wie Viktor Frankl es kannte, so wie Alice Miller es kannte und all die anderen großen Helfer auf dem Gebiet der Psyche und der Seele, deren Biografien sich lesen wie ein Gang durch den Hades und wieder zurück.

Es ist ein großer Vorteil für Helfende, wenn sie selbst durch das Dunkel gegangen sind und erfahren haben: am Ende ist das Licht und in ihm ist das Licht neben den Schatten, und alles ist eins. Es erleichtert die Empathie. Man kann sich besser in fremdes Leid einfühlen, wenn man selbst gelitten hat, weil man gefühlt hat, woran der Andere leidet. Selbst Leid empfunden zu haben, hilft dabei die Werkzeuge zu beherrschen, derer man sich selbst bedient hat und man versteht, wie schwer es für Klienten ist, das umzusetzen, was man in den Sitzungen erarbeitet, weil man selbst diesen Weg gegangen ist und um seine Fallstricke und Rückschläge weiß. Über das Wissen hinaus haben Menschen, die die Gabe und die Kraft und den Wunsch haben anderen zu helfen eins – sie haben das Plus der Erfahrung im Meisten des Lebens, mit allem was dazu gehört. Wer also glaubt ein Mensch, der anderen hilft, muss ein Übermensch ohne Makel sein, irrt gewaltig.




Dienstag, 19. April 2016

Der eigene Mythos




Heute könntest du dich fragen: Was habe ich zu meiner Geschichte gemacht, was ist der Mythos, den ich benutze, um zu erklären, warum es ist wie es ist und weshalb ich glaube, dass bestimmte Dinge für mich nicht möglich sind?
Was glaubst du? Wie viel Veränderung ist möglich, wenn du deinen Mythos aufrecht erhälst, indem du deine Geschichte wieder und wieder erzählst?
Was wäre, wenn es deine Geschichte nicht gäbe, wenn du nicht die Geißel deines Mythos wärest?
Anstatt deine alte Geschichte immer aufs Neue wiederzukäuen und sie damit zu manifestieren, könntest du dir folgende Fragen stellen:
Was wäre anders, wenn ich meinen eigenen Mythos nicht weiter aufrecht erhalten würde?
Was ist hier und jetzt?
Wer bin ich hier und jetzt?
Was kann ich hier und jetzt verändern?
Welche Wahl will ich treffen?

Sonntag, 17. April 2016

Notiz an mich selbst

du musst nicht alles zerdenken
nicht über alles und allem nach ... denken
ob es eine bedeutung hat
ob es ein teil des plans ist
ob es eine botschaft ist
ob es ein zeichen ist
das ist übertriebenes grübeln

manchmal besteht die lektion einfach daraus, die dinge anzugehen
tun statt denken
handeln statt grübeln
angemessen handeln.









Samstag, 16. April 2016

Aus der Praxis – Schuld und Schuldgefühl


Schuld, Schuldgefühl ... schon beim Schreiben dieser Worte spüre ich ein unangenehmes Grummeln im Bauch, ein Gefühl, das ich oft erlebt habe und hin und wieder noch immer erlebe, ein Gefühl, das mir das Herz beschwert.

„Schicksalsschläge lassen sich ertragen - sie kommen von außen, sind zufällig. Aber durch eigene Schuld leiden - das ist der Stachel des Lebens“, so drückte es Oscar Wilde einmal aus. Ein kluger und sensibler Geist, der das Thema Schuld hautnah erfahren hat, brachte ihm doch seine Homosexualität eine zweijährige Gefängnisstrafe ein, die letztlich seine Gesundheit ruinierte und zum Tod führte. Wilde fühlte sich schuldig seiner Frau gegenüber, den Kindern gegenüber, weil er nicht anders konnte als seine Veranlagung auszuleben.

Schuld spielt in unser aller Leben eine Rolle. Ein schuldloses Leben gibt es nicht. Wir alle haben uns irgendwann, irgendwem gegenüber schuldig gemacht, meist absichtslos. Betrachten wir das Thema Schuld, so kommen wir nicht umhin die wichtige Rolle des Komplexes „Schuld - Verantwortung“ einzubeziehen. Viele von uns meinen, wie Wilde, alle Schuld, die nicht durch einen Schicksalsschlag entstanden ist, bedeutet -  sie sind am Vorgefallenen, am Unglück, wie immer es auch aussehen mag, selbst schuld. Aber, wenn dem so ist, dann müsste die Schuld durch eigene Anstrengungen auch wieder wegzukriegen sein. Wenn das aber trotz aller Bemühungen nicht klappt, haben wir uns nicht genug angestrengt, also haben wir schon wieder versagt, dann sind wir wieder „schuld“. Ein unseliger Kreislauf.

Aber was ist Schuld und was sind Schuldgefühle?

Schuld und Schuldgefühle sind zweierlei. In den meisten Fällen ist es nicht eine objektive Schuld mit der wir beladen sind, es sind Schuldgefühle, die wir haben, weil wir etwas getan haben, das einem anderen Schaden zugefügt hat, oder uns selbst. Wir „fühlen“ uns schuldig, auch wenn es objektiv nur ein Fehler war, den wir gemacht haben, weil wir es nicht besser wussten oder nicht besser konnten. Schuldgefühle werden uns, machen wir sie uns nicht selbst, gemacht von anderen, die glauben, dass wir ihnen etwas angetan haben. Darin enthalten ist die Forderung nach Wiedergutmachung oder die Erwartung, dass wir Abbitte leisten, für das, was wir ihnen angetan haben. Auf diese Weise entstehen Opfer-Täter-Konstellationen, die unser Leben beherrschen können, wenn es uns nicht gelingt uns aus der Täterrolle herauszubewegen, die durch die Forderung nach Buße gleichzeitig auch zur Opferrolle wird. In den Augen dessen, dem wir etwas angetan haben, sind wir Täter, durch die Schuldgefühle, die uns belasten, sind wir Opfer. Auf diese Weise sitzen wir in der Falle und unsere Seele leidet. Das Leiden ist dann quasi die Buße, die wir uns selbst auferlegen. 

Wem nutzt das? Dem anderen, der uns leiden sieht, uns selbst, die wir glauben wir haben es verdient, weil wir uns schuldig gemacht haben? 

Wozu ist das gut? Für keinen, denn "Opfer" und "Täter", sind in diesem Konstrukt miteinander verstrickt und zu einem selbstbestimmten Leben nicht mehr fähig. Ein Übermaß an vitaler Lebensenergie wird für Schuld und Sühne verbraucht, die in Wahrheit nichts mehr gut und nichts mehr ungeschehen machen.

In vielen Familien und Beziehungen gehört das „Schuld und Sühne Spiel“ zum Lebensalltag. Ich kenne Mütter, die sich die Schuld geben, weil die Tochter drogenabhängig ist oder weil der Sohn auf die schiefe Bahn geraten ist. Sie suchen bei sich den Fehler für die Sucht, sie zermartern sich Hirn und Seele um den Moment zu finden, in dem sie versagt haben, den Moment, an dem sie etwas versäumt oder etwas getan haben, was zu dieser Entwicklung geführt hat. Sie fragen sich ständig: Was habe ich falsch gemacht? Warum mein Kind? Sie werden keine Antwort finden, aber sie werden das Fragen niemals aufgeben, sie werden nicht aufhören nach ihrer Schuld zu suchen und sich ewig schuldig fühlen und sie werden sich ewig ohnmächtig fühlen, wenn es ihnen nicht gelingt ihr Kind zu retten und damit sich selbst von ihrer Schuld zu befreien. Diese Mütter leiden. Sie leiden am Leid ihrer Kinder und sie leiden an sich selbst. Das Leid potenziert sich und keinem wird auf diese Weise geholfen.

Schuldgefühle geben uns das Gefühl ein schlechter Mensch zu sein und nichts Gutes mehr verdient zu haben. „Schuldgefühle, die wir nicht loswerden, verhindern den Fluss des Lebens und sie verhindern die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und Identität", schreibt der Therapeut und Autor Heribert Fischedick in seinem Buch „Aufbrechen - Schuld als Chance“. Fischedick ist Therapeut und Theologe. In beiden Wirkungsbereichen ist er mit Schuld und Schuldgefühlen konfrontiert. Er kennzeichnet das Erleben von Schuldgefühlen als einen mehrdimensionalen Vorgang, der sich sowohl auf der Verstandesebene - „das hättest du nicht tun dürfen“,  als auch der Körperebene, z.B. durch psychosomatische Erkrankungen manifestiert. Gefühlsmäßig werden Schuldgefühle als Spannungszustand erlebt, der auf Entlastung drängt, was aber nicht gelingt. So somatisiert der Körper schließlich, was die Seele nicht aushält.

Fischedick macht eine wichtige Unterscheidung: Er trennt begrifflich das „materialistische“ vom „existenziellen Schuldverständnis“. So orientiert sich das materialistische Schuldverständnis am traditionellen moralischen System Gott-Eltern-Gesellschaft, das Regelverstöße einer Autorität gegenüber streng ahndet und in seinem dualistischen Weltbild nur „gut oder böse“ kennt. Hier wird Schuld als das Abweichen von der gesellschaftlich vorgegebenen Norm gesehen. Die Folge ist eine innere Zerrissenheit, „die darum weiß, den Forderungen nicht gewachsen zu sein und deshalb diesen Schatten ständig unterdrücken, verdrängen und verleugnen muss.“ 

Das existenzielle Schuldverständnis, nach Erich Fromm auch das „humanistische Gewissen“, ist die eigene Stimme, die in jedem Menschen spricht und die von keiner äußeren Strafe und Belohnung abhängt. Damit sind wir beim Thema Verantwortung angelangt.

Schuldig werden ist menschlich, wir alle machen Fehler, Schuldgefühle gehören zum Menschsein. Entscheidend aber ist, dass wir lernen zu unterscheiden, aus welcher Art Schuldverständnis heraus diese geboren werden und zu verstehen versuchen, weshalb wir uns schuldig fühlen, auf welche Weise wir glauben uns „schuldig“ gemacht zu haben, wem gegenüber, in welcher Lebenssituation - und vor allem aus unserer Biografie heraus nach Ursachen suchen, warum wir nicht anders konnten. 

Auf diese Weise kann es gelingen unsere Schuldgefühle anzunehmen ohne uns zur Sühne zu verurteilen oder uns als schlechten Menschen zu empfinden. Indem wir uns mit diesen Gefühlen auseinandersetzen holen wir sie aus dem Reich der Schatten ins Licht, wir integrieren sie und werden nicht mehr unbewusst in unserem Denken, Fühlen und Handeln von Schuldgefühlen gesteuert. Wir befreien uns aus der Opferrolle indem wir unsere Fehler bewusst anerkennen, ohne auf ewig den Büßer zu geben. 


Die Frage lautet also: Will ich Verantwortung für mein Leben übernehmen und nicht weiter aus Schuldgefühlen heraus in Selbstbestrafung und damit letztlich in die Selbstzerstörung verfallen?
Es muss deutlich werden, dass Schuldgefühle zur Verantwortlichkeit gehören“, schreibt Fischedick. Und Fritz Pearls, der Begründer der Gestalttherapie, schreibt dazu: „Solange man ein Symptom bekämpft, wird es schlimmer. Wenn man Verantwortung übernimmt für das, was man sich selber antut, wie man sein ganzes Dasein hervorbringt, in dem Augenblick, in dem man mit sich selbst in Berührung kommt, beginnt das Wachstum, beginnt die Integration, die Sammlung.“ Und damit meint er eben nicht, dass man doch „selbst schuld“ ist, vielmehr liegt auch hier der Fokus auf dem Begriff Verantwortung.

Niemand außer wir selbst ist dafür verantwortlich welche Bedeutung wir den Geschehnissen in unserem Leben geben, wir selbst sind also auch verantwortlich dafür, was wir in Bezug auf unsere Schuldgefühle tun oder unterlassen. Wir selbst sind verantwortlich für die möglichen Korrekturen unserer Fehler. Wir selbst sind verantwortlich für unsere Gefühle und wir sind verantwortlich dafür, wie wir uns von unguten Gefühlen entlasten, eben auch von Gefühlen der Schuld, die vielleicht gar keine ist Schuld ist, sondern eben "nur" das Gefühl von Schuld.

Wenn wir alles was in unserer Macht steht, alles was in unserem Verantwortungsbereich liegt, getan haben um unseren Fehler zu korrigieren und der andere diese Bemühungen nicht anerkennt, dann sind allein wir verantwortlich dafür, ob wir das Einfordern von Sühne weiterhin zulassen oder nicht. Das klingt alles sehr theoretisch und es das ist es auch. Die Mutter, die unter Schuldgefühlen leidet, wird das nicht entlasten. Eine Mutter glaubt sich immer verantwortlich für das Leben ihrer Kinder, sie hat schließlich mit der Geburt die Verantwortung für dieses Leben übernommen. Sie hat versagt, wenn dieses Leben ungut verläuft, das ist ihre Überzeugung und sie versagt in ihren Augen, wenn sie ihr Kind nicht beschützen, bewahren oder retten kann.
Aber – ist das wirklich wahr? 

Es ist nicht wahr. Wahr ist vielmehr, dass wir nichts unter Kontrolle haben, dass wir, wenn wir unser Bestes gegeben haben, was wir in diesem Moment in der Zeit geben und tun konnten, es nicht in der Hand haben was im Leben eines anderen geschieht, weder das Gute noch das Ungute. Wir sind Menschen und keine Götter. Und weil wir Menschen sind machen wir Fehler. Wir machen sie und unsere Kinder machen sie, weil wir nicht anders können, denn könnten wir anders, würden wir anders handeln. Und diese Fehler können nur wir selbst uns vergeben oder Gott. „Herr vergib uns, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Ich möchte hinzufügen: Auch wenn wir selbst unser Schuldiger sind. 

Schuld und Vergebung sind untrennbar miteinander verbunden. Wir sind solange in Schuld und Schuldgefühl verstrickt, wie wir uns selbst nicht vergeben. Kein anderer kann das für uns tun. Und es zu tun erfordert eine wichtige Einsicht: Schuldgefühle sind nur für eins (un)gut: Sie hindern uns am Leben, sie sind die Starre der Seele, die eintritt, wenn wir den Stachel der Schuld nicht irgendwann herausziehen. Die Liebe würde das nicht für uns wollen, ganz gleich wie fehlerhaft wir einmal gehandelt haben.

Montag, 11. April 2016

Aus der Praxis – Über das Ich und das Ganze




Foto: AW

Das Ich blendet, giert nach Anerkennung, manipuliert und überschätzt sich gnadenlos. Es nimmt sich enorm wichtig und macht sich enorm wichtig und dabei weiß es nicht, wo seine Grenzen liegen und wie abhängig es von dem ist, was da vorgeht wo sein Ganzes ist. Sein Verhalten zielt immer darauf ab, gut dazustehen und Kritik oder gar Scheitern zu vermeiden. Es erfindet Geschichten und lügt bis sich die Balken biegen. Es überschätzt sich selbst und verschließt sich selbst im Käfig des Narzissmus.

Es hält sich für besser als es ist und vermeidet tunlichst, diese Maskerade zu beenden, die ein anderer Teil des Ganzen im Grunde längst durchschaut hat. Aber es verschließt die Augen und wird blind. Das Ich will seinem Mythos von der eigenen Größe treu bleiben und vermeidet alles, was diesen ins Wackeln bringen könnte. 
Wer das Ich durchschaut, entdeckt mit ihm auch die Selbstlüge. 

Wer will das schon?

Das will der, der zu sich selbst kommen will.

Um uns selbst zu erkennen, müssen wir nicht nur unsere Gedanken und unsere Gefühle, sondern vor allem unser Verhalten beobachten also das Ganze. 
Und nicht zu vergessen: Wir müssen auf die Intuition achten.


Freitag, 8. April 2016

Aus der Praxis - Derjenige der uns herabwürdigt, tut dies immer wegen eigener Probleme





Es gibt immer Menschen, die uns einreden wollen, dass wir so wie wir sind, wie wir denken, wie wir reagieren oder handeln, nicht ok sind. Diese Menschen geben uns bei jeder Begegnung das Gefühl falsch zu sein. Sie werten uns ab. Sie tun das, weil wir so, wie wir sind, nicht in ihren Denkrahmen passen. Sie werten uns ab, weil wir für sie nicht passend sind. 
Immer wenn wir es mit diesen Menschen zu tun bekommen, haben wir ein ungutes Gefühl, wir fühlen uns schlecht nach der Begegnung mit ihnen und beginnen an uns zu zweifeln. Wir fühlen uns so, wie wir uns als Kind gefühlt haben, als man uns vermittelt hat: So wie du bist, bist du falsch. Wir sind aber nicht falsch, falsch verhalten sich die, die uns dieses Gefühl geben wollen. 

Wenn man uns in der Kindheit das Gefühl gab, wir seien wertlos, dann sind solche Gefühle sehr tief in uns verwurzelt und können immer wieder getriggert werden, besonders von jenen Menschen, die uns nahe stehen. 

Im Kontakt mit einem Menschen, der uns abwertet oder mit Angriffen überhäuft, werden diese Gefühle reaktiviert und wieder vertieft, wir werden wie durch einen Sog nach hinten in unsere alten Wunden gezogen. Indem er uns das Gefühl gibt: Du bist nicht ok!, weckt er die Schuldgefühle, die man uns schon in der Kindheit gab. Schuldgefühle hindern uns daran, uns selbst zu akzeptieren und uns Fehler zu verzeihen - das führt wiederum zur Selbstabwertung. Wann immer wir solchen Attacken ausgesetzt sind, werden wir schließlich zu der Überzeugung gelangen, dass wir völlig falsch oder wertlos sind.

Solange wir nicht gelernt haben, uns selbst ok zu fühlen, so wie wir sind, mit allem was wir sind, sind wir für diese Menschen eine Zielscheibe für ihre Projektionen, ihren Frust und ihre eigenen verdrängten Themen. 
Es hilft uns, wenn wir begreifen: Derjenige der uns herabwürdigt, tut dies immer wegen eigener Probleme. 
Nun ist es nicht immer möglich diese Menschen zu meiden, oder gelassen weg zu hören - aber es ist möglich, dass wir lernen uns selbst zu schützen. Das bedeutet, uns abgrenzen zu lernen.

Abgrenzen gelingt uns, wenn wir aufhören uns einzureden, wir seien nicht liebenswert, wenn wir aufhören an uns selbst zu zweifeln und uns selbst, unseren Gedanken und Gefühlen Vertrauen schenken. Dann sind wir nicht mehr empfänglich für Angriffe und Abwertungen von anderen und dann wissen wir auch: Sie meinen nicht uns. Wer uns wirklich meint, meint es gut mit uns, er will uns nicht verletzen, er will uns verstehen, er fühlt mit uns, ohne zu werten und ohne zu verurteilen. Er ist einfach da, in liebevoller Aufmerksamkeit. Und es fühlt sich gut an.