Mittwoch, 19. Februar 2025
Vielleicht
Sonntag, 16. Februar 2025
Romantisierung
Freitag, 14. Februar 2025
Also sprach Zarathustra
Donnerstag, 13. Februar 2025
Aus der Praxis: Probleme und Lösungen
Dienstag, 11. Februar 2025
Es sagen
Montag, 10. Februar 2025
"Sicherheit ist das Kennzeichen des Tölpels "
Samstag, 8. Februar 2025
Trost
Mittwoch, 5. Februar 2025
Wenn alles zusammenbricht
Foto: A.Wende
Meine Klientin ist vollkommen entmutigt. Sie steckt in einer fundamentalen Krise. Sie ist eine starke, autonome und selbstbewusste Frau, die niemals aufgab, immer kämpfte und aus jeder Krise in ihrem bisherigen Leben gestärkt hervorging. Sie ist das, was man einen resilienten Menschen nennt. Ihre Resilienz hielt sie lange aufrecht, bis sie schließlich einen Nervenzusammenbruch erlitt. Alles was schief gehen konnte, ging schief, ein Verlust folgte dem anderen, egal was sie tat, nichts veränderte die Situation, im Gegenteil sie spitzte sich immer mehr zu. Die Versuche, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, schlugen fehl. Alle Säulen auf dem sie ihr Leben gebaut hatte brachen nacheinander zusammen. Nach der Trennung von ihrem Ehemann, der sie über Jahre belogen und betrogen hat, wurde sie krank. Weil sie krank wurde konnte sie im Job keine Leistung mehr bringen. Weil sie keine Leistung mehr brachte musste sie ihre freiberufliche Tätigkeit einstellen. Weil sie kein Geld mehr verdiente verlor sie ihre materielle Sicherheit und muss jetzt, sollte sich nichts ändern, aus ihrer Wohnung ausziehen.
Wie sagt man? „Ein Unglück kommt selten allein, oder Murphys Gesetz: „Alles, was schiefgehen kann, geht schief!", übrigens laut Wikipedia - ein Aphorismus über menschliches Versagen bzw. Fehlerquellen in komplexen Systemen. Leider ist es manchmal so, dass wir versagen und es dann obendrauf noch Fehlerquellen gibt, die unser komplexes System massiv stören, besonders wenn eine Krise der anderen folgt und nach und nach alle Säulen, auf denen wir unser Leben aufgebaut haben, gleichzeitig instabil werden oder gar zusammenbrechen. Warum ist das so? Weil sie in einem einander beeinflussenden und sich bedingenden komplexen Zusammenhang stehen.
Durch den Verrat und die Trennung, den Schmerz über den Verlust, den Liebeskummer
und den damit verbundenen emotionalen Stress wurde meine Klientin krank. Durch
die Krankheit verlor sie ihre Kraft für den Job, in der Folge brach die materielle
Sicherheit weg, durch den Kummer zog sie sich monatelang in die Isolation
zurück und ihr soziales Netzwerk ging verloren. „Es ist als würde sich alles nach
und nach auflösen und ich selbst mit und ich kann nur noch tatenlos dabei
zuschauen“, sagt sie.
Körper und Gesundheit, Soziales Netzwerk, Arbeit und Leistung, materielle Sicherheit, Werte und innere Haltung sind tragende Säulen unseres Lebens. Wackelt eine davon können wir damit umgehen, wackeln mehrere oder brechen nahezu alle zusammen befinden wir uns in einer tiefen existenziellen Krise. Nichts geht mehr.
Für meine Klientin wurde es zu viel. Sie ist kurz davor sich selbst aufzugeben. Sie versinkt schließlich in einer Depression. „Ich bin am Ende sagt sie, ich will nicht mehr leben, ich habe kein Wozu und kein Worum mehr, alles was ich versucht habe ist gescheitert. Nichts von allem, was mein Leben ausmachte, ist mehr übrig.“ Nachdem alle Versuche, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen gescheitert sind, fühlt sie sich wie betäubt. Sie erwartet nichts Gutes mehr. Sie hat resigniert. Sie braucht Hilfe.
Ich verstehe sie gut. Ich kenne existenzielle Krisen. Ich bin Krisenexpertin. Ich kenne die Resignation, dieses: „Es reicht, ich gebe auf“. Ich habe nicht aufgegeben. Und es ging weiter. Weil es weitergeht solange wir leben.
Jedes Mal, wenn alles zusammenbrach, habe ich mich gefragt:
Was hält mich noch, wenn alles sich auflöst?
Was bleibt von mir und meinem Leben übrig, wenn alles, was mir wertvoll und wichtig war, zerbricht und es sich anfühlt, wie im freien Fall und du nur noch auf den Aufschlag wartest? Was übrig blieb war meine innere Haltung und meine Werte. Auch wenn sie erschüttert wurden, diese Säule kippte hin und her, aber sie fiel nicht um, sie hielt. Und sie hat mich gerettet. Sich der eigenen Werte bewusst zu sein, nach ihnen zu leben, sie nicht zu verraten auch wenn sich jemand ganz viel Mühe gibt sie zu erschüttern, und ihnen zu folgen, verhilft uns nicht nur zu einem Grundselbstvertrauen, sondern gibt uns Kraft – die Kraft des Glaubens an uns selbst und das Leben, auch wenn es uns gerade die Fragmente einer alten Identität um die Ohren fliegen lässt.
In Krisen spielen Werte eine entscheidende Rolle.
Wenn im Außen alles wegbricht, wenn es keinen äußeren Halt und keinen sichtbaren Weg mehr gibt, sind sie es an denen wir uns festhalten können. Es geht um unsere innere Haltung und es geht um unsere Einstellung zu den Dingen und die hat wiederum mit unseren Werten zu tun. Das Wissen um unsere Werte hilft uns durch die Krise zu gehen und nicht in Apathie und Resignation zu versinken. Was nicht heißt es ist ein Spaziergang, nein, es ist ein Ritt durch die Hölle, aber what the fuck!, es ist unser Ritt und damit unsere Herausforderung, die es anzunehmen und zu bestehen gilt oder eben nicht – wir haben immer die Wahl. Wir haben die Wahl uns nicht unterkriegen zu lassen, auch wenn es schwer ist und wir allein, ohne den Rest der vertrauten Welt, dastehen. Wer aufgibt hat schon verloren.
„Aufgeben ist keine Option“ ist auch einer meiner Werte. Ich bin dankbar, dass ich bisher niemals aufgegeben habe, denn in jeder Krise bin ich gewachsen und habe mehr zu mir selbst gefunden.
Ich habe mich jedes Mal gefragt, was darf ich aus dieser Krise lernen?
Was will sie mir zeigen?
Stoppt mich die Krise, weil ich auf dem Holzweg bin?
Entspricht mir das Leben, das ich lebe, noch und bin ich nur zu feige oder zu bequem um etwas zu ändern?
Was will das Leben jetzt von mir?
Was passt nicht mehr, was ich mit Macht festhalten will?
Wessen bin ich mir nicht bewusst und was verdränge ich?
Dann: Innehalten. In die Stille gehen. Klar werden. Gewahr werden.
Den Wert der Krise erfassen.
Und dann die Frage: Was ist jetzt der nächste sinnvolle Schritt?
In jeder Krise steckt auch ein Wert
– er ist die Chance, die sie in sich trägt und genau das habe ich versucht zu erkennen.
Unsere innere Haltung hilft uns dabei aus der Opferrolle auszusteigen und trotzdem
weiter zu gehen. Das ist der Wert: Eigenverantwortung.
Niemand von uns wird immer gewinnen. Manchmal lässt Gott oder das Universum oder das eigene Unbewusste, je nachdem woran wir glauben, uns in einen Abgrund fallen, um uns von uns selbst zu befreien. Hierin liegt der Wert des Vertrauens – das Vertrauen in das, woran wir im tiefsten Herzen glauben. Das vertrauensvolle Herz trägt durch die Krise und wieder heraus. Vertrauen - auf die ordnende Kraft im Chaos. „Du musst mit dir selbst am Ende sein, um in Gott den Anfang zu sehen“, habe ich kürzlich irgendwo gelesen. Für diejenigen, die nicht an Gott glauben mag das keinen Sinn machen. Für mich macht es Sinn, weil mich mein Glaube trägt. Für die, die nicht an Gott glauben, kann man es so formulieren: „Du muss mit dir selbst am Ende sein um in deinem wahren Wesen den Anfang zu sehen.“ Dazu sind existenzielle Krisen manchmal unausweichlich – um uns dahin zu führen, was unser Leben wirklich ausmacht, was uns wirklich erfüllt, wer wir in Wahrheit sind, wenn alles andere zusammenbricht.
Wir sind größer als wir glauben, wenn wir es denn glauben.
Und manchmal braucht es jemanden, der uns das fühlen lässt und den können wir uns suchen, wenn wir es alleine nicht schaffen.
"Ich nenne die Fähigkeit, andere Hüllen des Bewusstseins zu betreten, Liebe. Die Liebe sagt, Ich bin alles. Die Weisheit sagt, Ich bin nichts. Zwischen diesen beiden fließt mein Leben."
Nisargadatta Maharaj
Dienstag, 4. Februar 2025
Aus der Praxis: Wieviel Trauer ist zu viel?
Foto: A.Wende
Sonntag, 2. Februar 2025
Um was geht es wirklich
Montag, 27. Januar 2025
Geradewegs gegen eine Wand
Malerei: A.Wende
„Beschleunigte Prozesse werden dort problematisch werden, wo sie unser Weltverhältnis so verändern, dass es zu Entfremdung vom eigenen Dasein führt“, so der Soziologe Hartmut Rosa sinngemäß.
Wir sind mittendrin in diesem Prozess der Entfremdung.
Höher, schneller, weiter. Selbstoptimierung, Prozessoptimierung und Maximierung als Maßstab. Und wir vergessen dabei: Ein zu schnelles und zu hohes Tempo in allen Lebensbereichen führt zu Überforderung und Anpassungsstörungen. Immer im Außen, immer im Funktionsmodus, immer informiert sein, überall mitreden können, nichts verpassen. So leben unzählige Menschen.
Die Folge – sie verpassen sich selbst und sind irgendwann ausgebrannt.
Wie Rosa richtig sagt – Selbstentfremdung, vom eigenen Dasein entfremdet.
Von Oben betrachtet:
Funktionierende menschliche Teilchen einer sich selbst überholenden Geschwindigkeit.
Das Gefühl für das Wesentliche schwindet im selben Maße wie diese Teilchen durchs Leben hetzen und rennen.
Alles ist flüchtig.
Flüchtig werden Headlines gelesen, flüchtig werden What´s App geschrieben, flüchtig wird im Internet gescrollt, flüchtig wird getextet, anstatt geredet. Ich war entsetzt als mir neulich ein Klient erzählte, er habe vom Tod der Mutter via Textnachricht erfahren.
Das ist nicht wahr habe ich gedacht, und doch es ist wahr.
Die Selbstentfremdung und die Entfremdung vom Nächsten gehen nebeneinander her.
Die Empathiebereitschaft und die Empathiefähigkeit uns selbst und anderen gegenüber sinkt.
Statt miteinander verbunden, verbinden wir uns mit technischen Geräten um uns verbunden zu fühlen. Ständig kleben wir an unseren Smartphones, als sei darin die Welt enthalten und sonst nirgendwo. Wir sind in Kontakt mit künstlicher Intelligenz, aber nicht mit uns selbst und unserem Nächsten.
Wohin führt das?
Vereinzelung, innere, äußere Isolation, Einsamkeit und Vereinsamung sind die Seuche unserer Zeit. Wir sind mehr und mehr emotional degenerierte narzisstische Wesen, die sich um sich selbst und um eine immer künstlicher werdende Welt drehen, bis uns schwindelig wird und der klare Geist aufweicht, ganz zu schweigen von den immer kälter werdenden Herzen.
Eine Welt wie ein Irrenhaus in der man nicht einmal mehr weiß, wer die Irren sind – die Insassen oder die Betreuer oder beide.
Wir leben in einem virtuellen Raum, in dem wir täglich millionenfach filterlos Reize aufnehmen und kein Raum zwischen Reiz und Reaktion. Wahllos wird temporeich konsumiert ohne das Konsumierte überhaupt verdauen zu können. Flüchtig wird Essen hineingeschoben ohne es überhaupt zu schmecken. Flüchtig werden Beziehungen geführt und wieder beendet, per Textnachricht oder indem geghostet wird.
Flüchtig sind wir in hoher Geschwindigkeit auf der Flucht.
Vor wem?
Vor uns selbst und wir merken es nicht einmal, eben wegen der rasend hohen Geschwindigkeit in der wir konsumieren und agieren.
Wo wir hinrasen? Geradewegs gegen eine Wand.