Dienstag, 31. Mai 2011

wem geht es denn schon gut?

seit es den neuen supermarkt in meinem viertel gibt, arbeitet sie dort. der supermarkt, der damit wirbt, dass er von auszubildenden geführt wird. irgendwie seltsam dachte ich, von anfang an, die brüsten sich damit, dass sie mit lehrlingen arbeiten. na ja, ist klar, dachte ich, auszubildende kosten wenig und die sparen geld. auch eine möglichkeit, das was nicht richtig ist, als richtig zu verkaufen, das ist längst zeitgeist geworden. trotzdem fällt es mir auf, immer wieder.

irgendwie gucke ich meistens da hin wo die dinge nicht ideal und schön und spaßig sind und manche werfen mir vor ich habe einen tunnelblick ins dunkle des lebens. aber so ist es nicht. ich seh das schöne und ich liebe es. aber die schönen dinge muss man nicht verändern. die anderen schon. versuchen kann man es zumindest.

in dem supermarkt arbeiten vier auszubildene. zwei jungs und zwei mädchen. sie fiel mir schon am ersten tag auf. sie ist vielleicht sechzehn oder siebzehn, klein und schmal mit aschblonden langen haaren, die immer ein bisschen wie ungekämmt aussehen, so als habe sie verschlafen und keine zeit gehabt sich zurechtzumachen. unter den blaugrünen augen liegen tiefe schatten. immer hat sie irgendwo ein weißes pflaster kleben. an den händen, auf den unterarmen. einmal hatte sie sogar ein kleines pflaster über der rechten augenbraue. sie ist an der kasse, oder sie räumt regale ein, schiebt brötchenteig in den großen ofen neben dem eingang oder wischt den fußboden, weil wieder irgendetwas runter gefallen ist,. ab und zu sehe ich sie vor dem lieferanteneingang stehen. sie steht da, regungslos wie festgeklebt am boden, raucht eine zigarette und starrt mit leerem blick auf die strasse.

sie rührt mich. sie rührt mich so sehr, dass ich sie am liebsten in den arm nehmen möchte und sie halten würde, ganz lang und dann würde ich sie gern fragen: kann ich etwas für dich tun?

wenn sie an der kasse sitzt und stoisch die waren einscannt zeigt ihr mädchengesicht keine regung, so als sei es eingefroren, alles und besonders das lächeln. ich habe sie nie lächeln sehen und ich bin öfter in dem supermarkt, fast jeden zweiten tag, weil ich kein auto habe und meine lebensmittel kaufe, wie ich sie gerade brauche.

einmal, sie saß wieder an der kasse und die schatten unter ihren leeren augen waren noch dunkler als sonst, habe ich sie dann angesprochen: " geht es ihnen gut?", habe ich sie gefragt und sie angelächelt. und sie sah mich an und eigentlich sah sie durch mich hindurch.
dann sagte sie: "wem geht es denn schon gut?"

Samstag, 28. Mai 2011

Kleine Geschichte vom Brotbacken

Dies ist die Geschichte von einem Bäcker, der in seiner kleinen Backstube Brot backt. Er tut das, weil er Bäcker ist, weil er das gelernt hat und weil er das gern tut. Brot backen. Und er gibt seine ganze Liebe in das Brot, dass er backt.

Als das Brot gebacken ist holt er es aus dem Ofen. Und er lächelt und freut sich über all die Brote. Sie duften gut und er probiert eines und es schmeckt auch gut.

Am Morgen legt er die Brote in die Regale seines Bäckerladen. Voller Freude bietet er sein Brot an, das da liegt für jeden sichtbar, wohlgeformt und gut duftend. Voller Zuversicht wartet er darauf, dass die Menschen diese Brote auch mögen und sie haben wollen. Und da kommt einer und noch einer und noch einer. Aber es sind viele Brote und nur wenige, die sie mögen. Am Abend liegen die meisten noch immer in den Regalen des Bäckerladens.

Der Bäcker denkt, na ja, es war eben kein guter Tag für Brote und er macht sich daran neues, frisches Brot zu backen. Wieder tut er es mit Liebe, weil er es gern tut, weil nur das gern tut und weil er das nun mal am Besten kann.

Am nächsten Morgen legt er sein Brot wieder in die Regale und wartet. Und es geschieht genau das Gleiche wie am vorangegangenen Tag. Die meisten seiner Brote bleiben liegen. Da denkt der Bäcker ich muss Werbung machen für mein Brot, so wie das alle anderen machen für sich oder die Dinge, die sie anzubieten haben. Und er macht Werbung. Er geht sogar zu einem, der sich auskennt im Werbung machen. Und er verteilt die Werbung überall in der Stadt in der er lebt.

Aber auch das hilft nichts. Wie lange und wie sehr der Bäcker es auch versucht, nie wird er all seine Brote los.

Und mit jedem neuen Tag dieser untauglichen Versuche sein Brot zu verkaufen, fragt er sich mehr und mehr: Was ist nur los, warum wollen die Menschen mein Brot nicht? Was ist falsch an meinem Brot? Ist es nicht schön genug? Ist es nicht gut genug?

Er findet Antworten wie, mein Laden hat eine schlechte Lage, mein Brot ist nicht der Geschmack der Leute, die Werbung ist nicht richtig, und vieles mehr. Und er ändert ein wenig die Zutaten, die er in sein Brot gibt und schöpft wieder Hoffnung. Aber auch die neuen Zutaten ändern nichts. Die Menschen sehen das Brot des Bäckers und gehen vorüber.

Irgendwann ist der Bäcker verzweifelt und irgendwann ist er sehr müde. Und dann hört der Bäcker auf sein Brot für die anderen zu backen. Er backt ein Brot für sich selbst, damit er etwas zu essen hat. Aber irgendwie schmeckt ihm sein Brot nicht mehr.

Seine Seele ist verhungert in all dieser Zeit des Bemühens und Kämpfens.
Und er fragt sich nicht mehr, was an seinem Brot nicht gut war. Er fragt sich, was an ihm selbst nicht gut ist.

Was macht der Bäcker dann?

staubkorn seele

vielleicht gibt nicht nur die „eine seele“
vielleicht gibt es innerhalb jedes menschen viele verschiedene formen, die mal kindlich, mal trotzig, mal traurig, mal verzweifelt, mal leidenschaftlich sind

hast du die seele jemals gesehen?
ich habe sie nicht gesehen
und auch wenn ich sie zu fühlen glaube
wo, was ist sie?
und gibt es nur eine, wenn wir sie nicht sehen und was wenn es viele gibt, eine für dies, eine für das?

wer hat uns das mit der seele erzählt ... ?
meine seele ist so voll mit allem, das mein hirn platzt

staubkorn seele

Dienstag, 24. Mai 2011

meine innere quelle

da war etwas unbestimmtes, unklares hinter der sicheren fassade.
ich nahm es wahr das bedürftige, fühlte die schwäche, die zu mir herüberkroch.
sie berührte meine lebensverneindende seite.
meine innere quelle wurde trüb und trüber.
ich fragte mich warum.
und dann wusste ich: jede negative emotion bindet lebensenergie.
und ich wusste:es ist gleich, ob sie aus uns selbst kommt oder wir sie übernehmen vom anderen.
und ich wusste: ich muss sie besser schützen meine quelle.

Meine innere Quelle

Dienstag, 17. Mai 2011

lass mich

lass meine schatten im dunkel
tief versteckt
schlafen

dein dasein leuchtet sie an
taucht sie in grelles licht
das blendet
in den augen schmerzt

lass meine schatten im dunkel
lass sie ruhen
lass mich
schlafen

Kurze Geschichte von Schwänen


Anna sah den beiden Schwänen zu. In sich versunken glitten sie über die glatte Oberfläche des Flusses. Das Wasser dampfte. Es war ungewöhnlich warm für November.

Es stimmte nichts mehr. Nicht einmal der Winter war mehr das, was er sein sollte. Sie blickte sich um. Am Wochenende waren mehr Spaziergänger unterwegs als an den anderen Tagen. Seit etwa drei Wochen fuhr sie jeden Vormittag zur Alten Donau. Am Arbeiterstrandbad stieg sie aus der U2 und lief zum Ufer der Alten Donau. Seit drei Jahren war sie jetzt arbeitslos. Am Anfang hatte sie noch versucht eine neue Stelle zu finden. Sie war Redakteurin bei der Kronenzeitung gewesen. Die Redaktion hatte ihr gekündigt und eine Jüngere eingestellt. Ich bin zu alt, hatte sie gedacht, mit fünfundvierzig zu alt. Der Redaktionsleiter hatte die Kündigung nicht begründet und sie hatte nicht nach dem Warum gefragt. Ihr Vertrag war ausgelaufen. Es gab keinen Grund nachzufragen.

Zu alt, das hatte sie in den vergangenen Jahren oft gehört. Zu alt für dies, zu alt für das, oder überqualifiziert, das war die Variante, die dafür herhielt, dass sie nicht wieder Fuß fassen konnte in der normalen Welt derer die arbeiten durften.

Was war normal? Sie hatte es einmal gewusst, zumindest hatte sie geglaubt es zu wissen. Sie erinnerte sich. Erinnern in ihrer Situation war nicht gut. Jeder Blick zurück in die Vergangenheit schmerzte. Es lassen konnte sie trotzdem nicht. Es war wie ein Zwang. Sie hatte versucht sich Abzulenken, dem Moment, wo sie weiter und weiter in die Rückschau glitt etwas dagegen zu setzen, ein Bild vom Jetzt, eine aktuelle Momentaufnahme, die alte Momente in die Schranken weißt, sie gar nicht erst durch lässt in die Gegenwart, der Anblick eines Gebäudes, einer Straße, eines Menschen, der ihr über den Weg lief, eine Tasse Kaffee auf die sie sich konzentrierte.

Es hatte funktioniert, ein paar Mal, aber die Momentaufnahmen verblassten schnell, die gespeicherten Bilder in ihrem Kopf waren bunter.
Schwäne sind sich ein Leben lang treu. Wenn einer stirbt bleibt der andere allein bis er ebenfalls stirbt. Das hatte sie ein Mal gelesen. Sie wusste, dass das nicht stimmte. Es war ein romantisches Märchen über die ewige Treue, das man Leuten auftischen konnte, die zuversichtlich in die Welt blicken.

Zuversicht war mehr als Hoffnung. Zuversichtlich sind die, die stark sind, die im Leben stehen, erfolgreich und selbstsicher. Hoffnung ist für die, die eigentlich schon an nichts mehr glauben, aber noch glauben wollen, bevor sie endgültig aufgeben.

Es gab Tage, da war sie kurz davor aufzugeben. Einfach loslassen, das Wenige, was sie noch hatte. Die Wohnung lag ihr am Herzen. Der Vermieter hatte ihr mit der Räumungsklage gedroht, nachdem sie zwei Monate die Miete nicht hatte zahlen können. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit eine neue zu finden. Ohne Einkommensnachweis war das unmöglich. Sie arbeite freiberuflich, lebte von Auftrag zu Auftrag. Die Auftragslage war schlecht. Da gab einem keiner eine Wohnung, nicht einmal ein Zimmer. Die Vermieter, denen sie sich vorgestellt hatte, hatten Angst. Wer keine Arbeit hat ist nicht solvent. Insolvenz ist das Schreckgespenst für die, die etwas besitzen.

Vor Gespenstern fürchten sich die Menschen. Sie sind eine Macht aus einer anderen Welt, und da sollen sie bleiben, gefälligst. Sie könnten einen ja mit sich runter ziehen. Wer tut sich das an?

Anna nahm das alte Brot, das sie mitgebracht hatte in ihre Handfläche, schloss die Finger und drückte zu. Es leistete Widerstand, ließ sich nicht zerbröseln. Sie öffnete die zur Faust geballte Hand, ließ das Brot auf die Erde fallen und zertrat es mit dem Absatz ihres Stiefels. Es knirschte. Sie spürte wie die Wut nach oben kroch. Im Hals blieb sie stecken. Die Wut machte es nicht besser. Immerhin war sie besser als Verzweiflung. Die lähmt.

Es spielte keine Rolle, ob sie dieses oder jenes Gefühl zuließ, ihr Leben blieb was es war – eine Einbahnstrasse, die gegen die Wand führte. Da sie am Ende in jedem Fall aufschlagen würde war es egal. Wie sie sich wohl anfühlte, die Wand?

Wann und wie sie aufschlagen würde überstieg ihr Vorstellungsvermögen. Das Schlimmste, was war das für sie? Manchmal verbrachte sie ganze Abende mit dieser Frage. Mal fand sie die eine, mal die andere Antwort. Keine davon nahm ihr die Angst vor dem Ungewissen. Wie viel konnte sie beeinflussen? Was kann man beeinflussen ohne Geld, ohne Sicherheiten, ohne etwas, das über das hinaus geht, was man am Leib trägt, was in den Schränken hängt und ein Wohnungsmobiliar ausmacht, die Dinge, die sich im Laufe eines Lebens angesammelt haben? Sie könnte die Sachen verkaufen. Es wären ein paar Euro, schnell wieder ausgegeben. Sie konnte sich nur schwer trennen von den Dingen, die sie ein Leben lang begleitet hatten. Sie hing daran, sie waren ihr Heimatgefühl. Anna war immer da zu Hause gewesen, wo ihre Sachen waren.

Von Kindheit an war ihr Heimat als ein Gebrochenes, Undurchdachtes, erschienen. Im Schatten der Wand, die auf sie wartete, kam etwas ans Licht für das sie nur ein Wort fand: aufgehoben. Sie fühlte sich aufgehoben in ihrer Wohnung, zwischen ihren Sachen. Wo die Welt als Unzuhause erscheint wird es unheimlich. Sie kannte das Gefühl. Diesen Zustand hatte sie zu überwinden gesucht, weil sie wie alle ohne Angst leben wollte, unfremd und zuversichtlich. Die Wohnung war eine Parallelwelt, in deren Zeichensystem sie zuhause war.

Als Kind war sie mit den Eltern oft umgezogen. Sie hatten eine Nomadenexistenz geführt. Immer war sie eine Fremde gewesen, eine Fremde unter Fremden, kaum Zeit sich vertraut zu machen, Entsprechungen zu finden. Freunde hatte sie nie gehabt. Es war so gewesen und es war so geblieben.

Dass sie allein war, daran hatte sie sich gewöhnt. Sie war es nicht immer gewesen, einmal hatte sie mit einen Mann zusammen gelebt. Er war gegangen als sie ihren Job verloren hatte. Wenige Monate danach war er ausgezogen. Sie hatte ihn nicht gebeten zu bleiben. Sie hatte nicht geweint, ihm eine Szene gemacht. Sie wusste, dass die Bitte "bleib" nichts half, wenn ein Mensch gehen will.

Es war auch besser so, er war keiner der in schlechten Zeiten den anderen halten konnte, er war ein Bonvivant, der ruhelos von einer zu anderen zog. Sie war nur eine Station auf seinem Weg gewesen. Das hatte sie von Anfang an gewusst.

Sie bückte sich, hob die Brotkrümel auf und warf sie den Schwänen zu. Sie hatte nicht vor aufzugeben. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie dieses Mal nicht gefragt wurde. Die Schwäne ignorierten das Brot und schwammen unbeeindruckt weiter. Ein paar Enten stürzten sich darauf. Sie mochte Enten nicht, weder Enten noch Möven mochte sie, weil sie laut waren und gierig. Sie hatte gewusst, dass die Schwäne ihr Brot verweigern würden, sie hatte oft genug versucht sie zu füttern. Aber sie versuchte es wieder und wieder, wie eine Bestätigung dafür, dass Wille und Beharrlichkeit zum Ziel führen. Hätten sie das Brot genommen, es wäre ihr wie ein Zeichen erschienen. Ein Hinweis des Universums, das sie es schaffen würde, irgendwie, mit Beharrlichkeit und Willenskraft.

Sie hatte sich gefragt ob man einen Deal mit Gott machen konnte, aber dann hatte sie sich selbst die Antwort gegeben und sich gesagt, dass Gott sich nicht für eine achtundvierzigjährige verzweifelte Frau interessiert. Gott hatte wichtigeres zu tun. Im Radio hatte ein Sänger gesungen: God is a DJ. Es klang blasphemisch, aber irgendwie hatte ihr der Gedanke gefallen. Gott, der im Himmel Platten auflegt und alle tanzen dazu. Das hatte etwas Leichtes, etwas Spielerisches, nahm der Sache Leben die Ernsthaftigkeit.

Anna war eine ernster Mensch. Der Mann hatte ihr das manchmal vorgeworfen, wenn er selbst ernst gewesen war. Er war es die meiste Zeit gewesen. Aber seine Ernsthaftigkeit war eine andere gewesen als ihre. Dahinter hauste eine wütende Unzufriedenheit, weil er seinen Traum nicht hatte leben können. Er war Maler und verkaufte nichts. Er war von Tag zu Tag unzufriedener geworden und ernster. Anna war ernst, weil sie das Leben an sich für eine ernste Angelegenheit hielt aber sie war nicht unglücklich deswegen, sie liebte das Leben auf ihre ernste Weise.

Sie sog den Duft der feuchten Herbstluft in sich ein. Sie roch nach Vergänglichkeit. Einerseits mochte sie den leicht modrigen Geruch verwesender Blätter auf dem Gras am Ufer, andererseits, wenn sie sich ihm zu lange und zu intensiv hingab, wurde ihr übel. Sie hasste die Vergänglichkeit und alles was damit zu tun hatte. Wie konnte man Freude, Liebe und Glück empfinden im Gewahrsein, dass all das vergehen würde von eimem Moment zum anderen. Was waren diese großen Empfindungen wert angesichts ihrer Endlichkeit. Musste man nicht schon trauern wenn man liebte, über den kommenden Verlust.

War man nicht ein Narr, der sich selbst etwas vorgaukelte wenn man sich glücklich fühlte, wo das Glück ein Momentanes war, fernab jedes Anspruchs auf Beständigkeit, war die Freude nicht schon am Verklingen, noch während man sie empfand. Diese Ambivalenz machte ihr zu schaffen.

In der Erinnerung hatte sie die schönen Dinge behalten. Vielleicht war die Erinnerung das einzige Mittel gegen die Vergänglichkeit. Vielleicht beharrte sie deshalb so auf Annas Aufmerksamkeit. Die Erinnerung konnte man ihr nicht nehmen. Die Erinnerung gehörte ihr. Sie war unvergänglich, zu jeder Zeit abrufbar und damit dauertüchtig. In der Erinnerung gab es keine Wand. Dort würde es sie niemals geben.

Sie bückte sich, hob die letzten Brotstücke auf und warf sie ins Wasser. Sie wollte sich gerade umdrehen und auf den Heimweg machen, als sie bemerkte, wie eine Schwan auf sie zuschwamm. Für einen kurzen Moment sah er sie an, dann senkte er den schlanken weißen Hals hinunter zur Wasseroberfläche, öffnete den roten Schnabel und fischte etwas heraus, das aussah wie ein Stück aufgeweichtes Brot.

Montag, 16. Mai 2011

die wunde ...

"es gibt kein größeres verlangen, als das eines verwundeten nach einer anderen wunde", schreibt der philosoph georges batailles.

warum kommt mir am frühen morgen dieses zitat in den sinn?
weil ich lese, was menschen posten in facebook, meiner social community, die ich heute, wie an jedem morgen, bei einer tasse kaffee besuche. morgenbesuch in den gedanken anderer. heute lese ich gedanken anderer menschen über wunden.

auch in trage wunden in mir, alte und neue. wir alle sind verwundet auf irgendeine weise und wir alle leben mit diesen wunden. sie beinflussen unser leben mehr oder weniger. je nachdem wie tief sie sind, je nachdem wie wir sie empfinden.

wunden sind ein teil des menschseins. sie zu haben ist unschön glauben wir. sie sind es, die uns angreifbar machen. sie sind es aber auch, die uns öffnen, besonders für die wunden anderer. und es ist nicht selten, dass wir aufgrund unserer eigenen wunde auf ein gegenüber treffen, dass eine ähnliche wunde in sich trägt.

wunden suchen wunden, sagt batailles und ich gebe ihm recht. es ist die wunde, die uns empathisch macht, für uns selbst und für andere. wunden, so sehr sie unsere integrität auch ins wanken bringen können haben sinn. sie machen uns aus. machen uns zu dem menschen, der wir sind.

hildegard von bingen sagte einmal: unsere wunden werden zu perlen, wenn sie zur quelle des lebens werden. das klingt schön. das gefällt mir und ich weiß, dass sie recht hat mit diesen schönen worten.

ohne meine wunden würde ich all das, was mir wichtig ist, all das was ich tue und lebe nicht tun und leben können. meine wunde ist die quelle meiner inspiration. ich lebe lange genug um meine wunden zu kennen und zu verstehen. ich habe sie mir immer wieder angeschaut und ich habe irgendwann erkannt, dass es nicht nötig ist alle wunden zu heilen.

es gibt wunden, die niemals heilen.
sie vernarben und bei der kleinsten berührung brechen sie auf. dann bricht etwas heraus, was alt ist und doch anders, denn das alte hat sich verwandelt im lauf der jahre, es hat eine andere qualität bekommen.

weil ich meine wunden angeschaut habe, weiß ich, dass ich die verantwortung dafür übernommen habe. ich verstehe mich besser aus dieser verantwortungsnahme heraus.

die tiefsten wunden sind die, die wir als kind erfahren haben, die prägen sich ein.
alle verletzungen, die folgen, sind folgen dieser wunde. sie ist der urgrund auf dem sich unser leben aufbaut, der uns empfindlich macht und berührbar im guten wie im schlechten.

im guten ist diese wunde, wie hildegard von bingen sagt, die perle, die, wenn wir sie formen, unser leben zu dem macht, was es ist - wert voll.

manchmal begegnen mir menschen, die einer auster gleich verschlossen sind. sie verbergen ihre perle im dunkel der harten schale, weil sie sie schützen wollen, vor den anderen. aber sie ist dennoch da. und von da, wo sie ist, wirkt sie über die harte schale hinaus und bringt dinge hervor, die es ohne sie nicht geben würde. sie ist wie die sehnsucht, eine kraft die dazu da ist schöpferisches in die welt zu tragen. allein das zählt, denn im schöpfersichen ist der mensch, das was er sein könnte, im schöpfersichen spürt er sich selbst und im schöpferischen wirkt die wunde in ihrer anderen, positiven qualität über das eigene hinaus.

jedes kramphafte bemühen die wunde endlich los zu werden, führt nur dazu, dass sie weiter aufreisst und mehr schmerzt. jeder versuch die wunde wegzudenken führt zu irrwegen in unserer entwicklung. das anerkennen aber führt zur versöhnung mit unserer wunde. ob sie nun heilt oder nicht spielt eben keine rolle, sondern allein das, was wir mit und aus ihr machen.

manchmal begegnen mir menschen, die sagen, heile deine wunde, hör auf an sie zu denken, vergiss sie.

dann weiß ich, das ist ein mensch, der mich nicht annehmen kann wie ich bin. ich bin auch diese wunde, sage ich dann, ich versuche es zu sagen, aber bei manchen menschen führt dieser versuch zu immer weiteren versuchen mir genau das auszureden. von diesen menschen wende ich mich ab. menschen, die einen teil von uns ablehnen oder uns nach ihrem bilde, nach ihren erwartungen verändern wollen sind nicht gut für uns.

wer einen teil von uns ablehnt, lehnt unser ganzsein ab, weil alle teile uns ausmachen als ganzes, als der mensch, der wir eben nun mal sind. so wie wir selbst unser ganzsein ablehnen, wenn wir teile von uns ablehnen. das ist selbstverurteilung.

wer sich selbst verurteilt hat es schwer mit sich selbst und schwer mit seinen wunden. das leben ist schwer genug.

ich habe irgendwann aufgegeben mich zu rechtfertigen für das, was ich auch bin. und ich gebe es mehr und mehr auf zu glauben, dass irgendein anderer mir das gibt, was ich mir nur selbst geben kann: verständnis für meine wunden oder heilung.

ja, manchmal machen meine wunden mich noch immer traurig und manchmal lähmen sie mich, zwingen mich zum rückzug von der welt da draussen.

ich habe erfahren, auch das ist in ordnung, denn in jedem starken gefühl liegt eine wahrheit. und in jedem rückzug liegt die chance ganz mit mir zu sein, mit dem menschen, der mir der nächste ist, den kennen zu lernen ein abenteuer ist.

abenteuer sind keine spaziergänge, sie sind voller herausforderungen, voller gefahren.
manchmal sind sie schmerzhaft, und manchmal sind sie risikoreich, aber ist nicht das auch das leben?

wenn ich genug vom abenteuer habe, komme ich wieder nach hause zu dem menschen, der mich annimmt wie ich bin - ich selbst, mit meiner wunde. sie ist mein motor, mein antrieb immer weiter zu machen, solange bis ich die perle in ihrer ganzen schönheit geformt habe.





Sonntag, 15. Mai 2011

verzeihen ...

verzeihen, wie geht das? ich frage mich das schon lange und immer wieder. ich selbst bin jemand, der schwer verzeihen kann. das beginnt da, wo ich mir selbst nicht verzeihe für all die dinge, die ich anderen angetan habe oder mir selbst. nicht, dass ich es nicht versucht habe. ich habe es versucht, immer wieder und ich versuche es noch immer. geholfen hat es nichts. bis ich begriffen habe, warum diese versuche untaugliche versuche waren. ich habe begriffen, dass vergebung nicht zu erzwingen ist, auch wenn man vergeben will oder vorgibt, man tut es oder habe es getan.

verzeihen wollen nutzt definitiv nichts.

wenn ich etwas will, muss ich verstehen, was ich will. bei diesem gedanken wird mir bewusst, dass ich gar nicht genau weiß, was verzeihen ist. wie also soll ich etwas tun, wenn ich nicht weiß, was ich da tun will?

was ist verzeihen?
was bedeutet verzeihen? und was ist, wenn ich in den zustand des nicht verzeihen könnens gelange? wodurch entsteht er, was war bevor das verzeihen als thema im raum steht, im raum der seele, denn da ist der platz, wo man es findet. der kopf kann denken: ich verzeihe, aber wenn die seele nicht bereit ist, hilft das gedachte nichts.

vor dem verzeihen gibt es etwas, was wir einem anderen oder uns selbst übel nehmen.
wir nehmen ein übel an. man beachte den wortklang: ein "übel annehmen". ein übel, das aus uns kommt, ein übel, das wir einem anderen getan haben oder ein übel, das ein anderer uns angetan hat. das übel sind verletzungen, ist etwas, das unsere grenzen verletzt durch übergriffiges verhalten oder handeln, es ist eine zurückweisung oder eine echte gemeinheit. etwas übel nehmen bedeutet etwas übles übernehmen, das von einem anderen kommt. dieses üble macht etwas mit uns, etwas, was uns weh tut. jemanden übles verzeihen ist schwer. denn das bedeutet: wir dürfen dem anderen das üble nicht weiter übel nehmen. aber wahr ist: es gab ein übel und dieses übel ist nicht wegzudenken und schon gar nicht weg zu fühlen.

wir fühlen uns verletzt, wir denken es nicht.
was wir fühlen ist wahr. und was wir fühlen hat seine berechtigung, was wir fühlen darf sein. erst gedanken verändern gefühle. manche gefühle aber lassen sich durch gedanken nicht verändern. unser gefühl mag den anderen nicht interessieren. er fühlt nicht, was wir fühlen. er kann es nur zu verstehen versuchen und das ist nicht das gleiche. der andere, der uns verletzt hat, hat es in den meisten fällen nicht gewollt. auch nur dieser andere, der uns nicht mit absicht verletzt hat, wird uns um verzeihung bitten, die absichtsvolle üble tat will kein verzeihen.

angenommen, da steht ein mensch vor uns und bittet um vergebung. aber wir können nicht vergeben, weil wir uns tief verletzt fühlen. wir könnten um des lieben frieden willens sagen: gut, vergessen wir es. aber das sind kopfgedanken, und ist es damit wirklich gut? vergessen heißt noch lange nicht, dass wir verzeihen, wenn die wahrheit ist: ich kann nicht verzeihen, jetzt nicht, später vielleicht, irgendwann oder niemals. auch das ist möglich.

in allen spirituellen büchern, bei der bibel angefangen, gilt das verzeihen als großmut, als eine menschliche tugend. das hört sich groß an, so groß, dass es zu groß ist um es einfach zu tun.

ein verletzter mensch ist erst einmal alles andere als groß, gerade dann nicht, wenn er wirklich im tiefsten inneren getroffen wurde.
ein verletzter mensch fühlt sich klein, er fühlt sich gedemütigt und ohnmächtig. er muss zunächst mit sich selbst klarkommen und mit dem, was die verletzung mit ihm macht. sie demontiert im schlimmsten fall sein selbstkonzept. er wird innere gespräche führen, um das verletzende ereignis zu verarbeiten und zu bewältigen. wie lange diese bewältigung dauert hängt von jedem einzelnen ab, von seiner seelischen und psychischen struktur, seiner resilienz, seiner vulnerabilität, seinen biografischen erfahrungen, seinen glaubensmustern, seiner fähigkeit dem leben und den mitmenschen zu vertrauen und von seinen verarbeitungstrategien und ressourcen.

jeder mensch ist anders und jeder mensch verarbeitet die dinge auf seine weise.
keiner ist dem anderen gleich und nichts ist zu verallgemeinern. etwas anderes zu glauben ist ein phantasma, das an der realität des lebens zerbricht. so ist auch die fähigkeit des verzeihenkönnens individuell verschieden. und doch es gibt eine gemeinsamkeit bei aller verschiedenheit: ein verletzter mensch braucht den rückzug und er braucht zeit um seine wunden zu lecken wie ein verletztes tier, das sich in seine höhle zurückzieht. tiere haben diesen heilsamen instinkt, der uns menschen mehr und mehr verloren gegangen ist. ein verletzter mensch braucht seine höhle um sich mit der verletzung auseinanderzusetzen, um zu sehen, wie tief sie ihn erschüttert hat, um zu begreifen, was er daraus lernen kann, um herauszufinden, ob er die verletzung gebraucht hat um etwas über sich selbst oder den, der ihn verletzt hat zu erkennen, was er bisher nicht "gesehen" hat. derjenige, der um verzeihung bittet, vorausgesetzt er meint es ernst, wird ihm diese zeit geben. rückzug beinhaltet auch distanz einnehmen. distanz zu dem, was geschehen ist und distanz zu dem, der ihn verletzt hat.

ohne die möglichkeit des distanzeinnehmens rumort die verletzung weiter. 
sie quält nicht nur die eigene seele, sondern auch die beziehung zu dem, der uns verletzt hat. da ist nähe kontraproduktiv, denn der verletzte ist nicht nur gedemütigt, er ist auch, nach dem ersten schmerz, wütend. wütende menschen können erst einmal nichts fühlen, außer eben wut. im worst case wachsen aus dieser wut heraus sogar rachegedanken. nachvollziehbar, wenn auch ungut, denn rache schaufelt immer zwei gräber. warum? weil sie  uns an den täter bindet, der uns zwar zum opfer gemacht hat, aber durch die rache wiederrum auch zum täter. ein übler kreislauf und in hohem maße zerstörerisch. 

verzeihen braucht also zeit und distanz. und dann?
dann zeigt sich irgendwann ob man aus tiefstem herzen verzeihen kann. der, der verletzt hat, kommt in diesem prozess zunächst nicht vor. 

man kann einem anderen auch innerlich verzeihen, aber - auch wenn man dem anderen  innerlich verziehen hat bedeutet das nicht, dass man die nähe zu ihm wieder will. das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
auch wenn wir einem anderen verzeihen, ist es möglich, dass wir ihm nicht mehr vertrauen können, das vertrauen darauf, dass so etwas nicht mehr geschieht. und das ist ebenso schwer wie das verzeihen, denn da bleibt ein riss, da bleibt eine narbe, da bleibt ein bitterer nachgeschmack und da ist die angst - wer uns einmal tief verletzt, kann es immer wieder tun. die erfahrung lehrt - dem ist meist auch so, denn bevor die eine verletzung kommt, die wir nicht mehr verzeihen können, waren da zuvor viele andere kleine oder größere verletzungen, die wir zugelassen haben.

verzeihen ist also auch ein neuanfang mit dem anderen auf der basis von vertrauen.

ein langer prozess und sinnvoll für unseren inneren frieden. nicht verzeihen können, bedeutet dem "übeltäter", dem übel, verbunden zu bleiben, es bedeutet in der rolle des opfers stecken zu bleiben und das bedeutet, dem "täter" weiter macht über uns zu geben. es bedeutet ohnmacht und wo ohnmacht ist, ist auch immer wut. und die schadet immer vor allem uns selbst, sagt der verstand ... und das herz weint ...

und so dreht sich die spirale und dreht sich und dreht sich ... und so verletzen sich menschen und verletzen sich und verletzen sich ...






Dienstag, 10. Mai 2011

an einem tag ...

ich wollte mich
nur mich
immer nur mich

finden

und ich ging
und ich suchte mich
jeden einzelnen tag
ich fand mich nicht

mich fanden manche

und ich lief weiter
jeden einzelnen tag
und ich spürte wie es immer mehr wurde
ein kippen beim laufen
in die eine richtung
in die andere

und ich hatte mühe nicht umzukippen
zu viel mühe

ich ließ mich fallen
an einem tag
und
fand mich

Montag, 9. Mai 2011

nur die zeit ...

ich verstand kein wort. jedes sagen wollen ertrank im schluchzen. ein verzweifeltes schluchzen, das mit nichts zu beruhigen war. ich versuchte es. dann gab ich auf zu sagen: beruhige dich, atme ruhig ein und aus. welch ein kläglicher versuch ein leid zu stören, das nicht gestört werden will, dachte ich und fühlte mich hilflos gegenüber ihrem schmerz, den sie mir antrug. ein hilfeschrei eines siebzehnjährigen mädchens, das die welt nicht mehr verstand. ich schwieg und wartete.

es dauerte lang bis es still wurde am anderen ende des telefons. dann, ich will sterben.

ich kenne das gefühl, dieses nicht mehr leben wollen, weil die verzweiflung größer ist als alles andere, die verzweiflung, die alles andere klein macht, auch das eigene leben, klein und unbedeutend. du willst nicht sterben, sagte ich, du willst nur so nicht leben. wieder das schluchzen, leiser werdend, mehr ein weinen, am ende ein kraftloses wimmern.

er ist mein leben, sagte sie. mein alles.

auch das kenne ich, dieses alles, das ein mensch sein kann, dieses universum in das sich das eigene ergießt, bis es verschluckt ist vom anderen.

wird es weggerissen ist da nichts mehr, ist da eine lücke, die so groß ist, dass sie mit nichts zu füllen ist. das ist schmerz. unteilbarer schmerz. ein schmerz, der den auf sich selbst zurückwirft, der sich verschenkt hat an einen anderen.

ich versuchte sie zu trösten wissend, dass es ein sinnloser versuch war. schrei es raus, sagte ich, weine bis du leer bist. es ist in ordnung. es ist in ordnung zu weinen, in ordnung zu schreien, in ordnung zu verzweifeln.

wie kann er so grausam sein, fragte sie unter den stillen tränen. ohne sie zu sehen sah ich wie sie über ihr schönes junges gesicht flossen. es wäre gut sie sie in den arm zu nehmen, sie zu wiegen wie ein kind, dieses kind, dass alles was ihm alles bedeutete verloren hatte. sie war zu weit weg.

wie sagen, dass alles vergeht, das nichts bleibt, alles veränderung ist, das menschen kommen, eine weile bei uns sind und nicht bleiben. sprüche, die nichts helfen, billige trostpflästerchen für einen teuren verlust.

meine ohnmacht fiel in die ihre und die wut kam auf, auf den, der sie stehen ließ am wegrand, weil er allein weiter gehen wollte. aber die wut nützte nichts, nützte so wenig wie der versuch zu trösten, machte nichts anders oder besser, besser schon gar nicht.

also verschwieg ich sie und versuchte weiter irgendetwas zu sagen, das irgendwie eine hilfe sein konnte, wissend, dass nur die zeit helfen würde.

Sonntag, 8. Mai 2011

Ein Mensch

Ein Mensch, der das Leben als einen Weg inneren Wachstums begreift, der Hingabe an ein Ideal, das vielleicht sogar bewusst als Utopie erkannt wird, aber trotzdem und unter großen Opfern, seine Utopie weiter verfolgt, wird nicht aufgeben.

In seinem Innersten ist er weitsichtig und optimistisch, er weiß, dass früher oder später ein Wandel eintreten wird, wenn auch nur in ihm selbst.

Er sucht Beziehungen aus denen er in irgendeiner Weise lernen kann, auch wenn dies mit Schmerz einhergeht. Er findet gerade in diesen Beziehungen einen Sinn für sein eigenes Leben und Anstöße für seine Entwicklung.

Er braucht weniger das Lernen aus Büchern.

Er lernt unendlich viel mehr aus den Beziehungen zu Menschen, in denen ihm der Abgleich mit seinen eigenen Überzeugungen möglich wird und die Konfrontation mit den eigenen Grenzen, die ihn zwingt, sich neu zu definieren um zu wachsen.

Er weiß, die Frage "wer bin ich wirklich" liegt all dem zugrunde.

Er ahnt, wenn er die Person ist, die er wirklich sind, ohne Anpassungs - und Anerkennungs Mechanismen, dann erst kommt er an den Punkt im Puzzle, wo er wirklich hin gehört.

Er ist sich bewusst: Das braucht Zeit, sehr viel Zeit und sehr viel Arbeit an sich selbst.

Er braucht: Geduld und Zuversicht.

Er hat Vertrauen in sich selbst.

Er hat die Demut anzuerkennen, dass es etwas gibt, das Größer ist als er.

Sonntag, 1. Mai 2011

WISSEN

ich kenne leute, die unheimlich viel lesen. gute bücher, bücher, die von welt erzählen in wunderbaren worten, literarische werke, philosophische schriften, bücher über die psycholgie und die wissenschaft.

oh ja, auch ich bin so ein jemand, der unheimlich viel liest. ich will wissen, wie die anderen leute, die viel lesen. immer mehr wissen. ich will wissen, weil ich verstehen will.

in letzter zeit aber frage ich mich immer häufiger: was ich denn eigentlich verstehen, oder wissen will und was dann ist, wenn ich viel verstanden habe und viel weiß?

nun, ich verstehe manches. und manches, und zwar das, was ich wirklich verstehen will, verstehe ich immer noch nicht. zum beispiel, warum ich so kompliziert bin und so gierig aufs wissen.

in wahrheit ist es aber so, je mehr ich lese, desto weniger verstehe ich, weil all das wissen in meine kopf so unendlich viel anhäuft an informationen, die alle irgendwie ähnlich und doch verschieden sind, dass ich manchmal das gefühl habe, mein armes hirn platzt gleich. kein gutes gefühl. gar kein gutes gefühl.

und weil ich dieses kein gutes gefühl gefühl überhaupt nicht mag, habe ich eine entscheidung getroffen.

ich habe entschieden: ich habe erst mal genug gelesen, genug informationen gesammelt, wie ein eichhörnchen samen und nüsse sammelt um den winter zu überleben, habe ich informationen gesammelt um zu überleben.

und jetzt will ich leben und nicht ständig und immerzu wissen ansammeln, denn das ist die beste art sich vom leben auszuschließen.

vielleicht war´s ja das, das ich genau das wollte. mich auschließen und selbst einsperren, weil ich nämlich angst habe vorm leben, oder besser vor dem, was die die da draussen mir als das leben verkaufen wollen. das fernsehen, die werbung, die ganze dicke soße an medialem einheitsbrei, der da irgendwo rausquillt und die herzen der menschen verstopft.

das ist auch eine art von wissen und das ist noch lebens verneinender als das andere. und davon will ich auch jetzt nichts wissen, wo ich mich entschlossen habe weniger wissen zu wollen.

ich will meine eigene wahrheit aufschreiben und meine eigene wahrheit leben. ich will meine eigenen bilder malen und sie lieben. ich will meine kompliziertheit leben und sie lieben und ich will auch nicht mehr wissen, warum ich so bin. ich will leben, wie ich bin.
und ich sehe und fühle, ich mache es jeden tag und jeden tag ein bisschen mehr.

es ist höchste zeit, denn ich bin jetzt, mitten im frühling, im herbst meines lebens angekommen. bis es winter ist, werde ich hoffentlich das wissen: dass ich das gelebt habe was ich bin und was mich ausmacht, dass ich gemacht habe, was mir entspricht und was ich liebe.

und wenn ich am ende sagen kann, ich weiß, dass es gut war, ich weiß, dass es ausser für mich noch für ein paar andere gut wahr, dann weiß ich wirklich was.