Foto: A.Wende
Es gibt
Menschen, die Stress, Belastungen, schwierige Lebenssituationen, Krisen
und sogar Traumata nicht nur gut überstehen, sondern sogar daran
wachsen, während andere daran zerbrechen. Eine Erklärung dafür, warum
das so ist liegt in der psychischen Widerstandsfähigkeit eines Menschen,
die man in der Psychologie „Resilienz“ nennt. Wer Resilienz
besitzt ist widerstandsfähig, er erlebt Krisen und emotionale
Belastungen genau wie andere Menschen, lässt sich aber davon nicht
unterkriegen. Wie widerstandsfähig ein Mensch ist, ist von vielen
Faktoren abhängig, dennoch kann auch ein weniger resilienter Mensch
aktiv dazu beitragen, die eigenen Stärken und Fähigkeiten, sprich seine
Ressourcen, auszubauen um so an Widerstandskraft zu gewinnen.
Zu
unseren wichtigsten Kompetenzen gehört die Fähigkeit zur
"Selbstregulation". Wir erwerben diese Fähigkeit in der Kindheit durch
das Verhalten der Eltern, die uns bei der Erfüllung unserer Bedürfnisse
durch "Fremdregulation" unterstützen. Wenn dies geschieht,
verinnerlichen wir das uns Vorgelebte, so dass wir uns im Laufe unserer
Entwicklung "selbstregulieren" können. Aber auch wenn dies in unserer
Entwicklung nicht stattgefunden hat, gibt es auch im späteren Leben noch
die Möglichkeit unsere Resilienz und die dazugehörige Fähigkeit zur
Selbstregulation zu entwickeln – und zwar indem wir unsere Ressourcen
erkennen und sie stärken.
Was sind starke Ressourcen?
Über
starke Ressoucen verfügen Menschen, die fähig sind die Verantwortung für
das eigene Handeln übernehmen. Sie fühlen sich nicht als Opfer der
Umstände und schieben die Verantwortung für das, was sie erleben nicht
auf andere. Sie leben nicht im Gefühl fremdbestimmt zu sein, sondern
sind sich bewusst, dass sie ihr Leben gestalten können, auch in
Krisenzeiten. Sie sind fähig, dem was geschieht einen Sinn zu verleihen.
Wer über starke Ressourcen verfügt ist sich dessen bewusst, dass
Probleme lösbar sind und Krisen vorübergehen. Er nimmt seine Gefühle und
Gedanken ernst und verdrängt sie nicht. Er weiß aus Erfahrung, dass er
schon in der Vergangenheit Krisen gemeistert hat. Er weiß auch, dass
Krisen und Probleme zum Leben gehören und in jeder Krise die Chance zum
Wachstum liegt.
Studien haben gezeigt, dass Menschen, ganz
gleich ob Kinder oder Erwachsene, besser mit belastenden Situationen
umgehen können, wenn sie ein starkes soziales Netz haben und erleben,
dass Andere in der Not für sie da sind. Umgekehrt sind sie selbst für
andere da. Auch wer sich entspannen kann und gut für sich sorgen
kann verfügt über hilfreiche Ressourcen. Ein entspannter Körper und ein
ruhiger Geist sind die Basis dafür, dass ein Mensch gut mit Stress und
Belastung umgehen kann. Deshalb ist es hilfreich sich Möglichkeiten für
einen Ausgleich schaffen, indem man Dinge tut, die für Entspannung
sorgen und die Freude machen.
Jeder Mensch verfügt über seine
ganz persönlichen Ressourcen. Ressourcen sind in uns allen angelegt,
auch wenn manche Menschen keinen optimalen Zugriff auf sie haben. Unsere
Ressourcen ausfindig zu machen und sie zu kennen ist sinnvoll,
besonders in schweren Zeiten hilfreich, denn sie sind unsere
Kraftquellen.
Was sind Ressourcen?
Struktur ist eine
Ressource. Eine sich wiederholende Tagesstruktur im Alltag vermittelt
Sicherheit. Menschen die Rituale und tägliche Gewohnheiten haben und sie
pflegen erleben Halt. Dabei ist es wichtig, dass hierbei nicht die
Pflicht, also Job, Familie etc. dominiert, sondern auch Entspannung und
angenehme Aktivitäten in den Tag eingebaut werden. Nur die Balance
zwischen Spannung und Entspannung verbessert auf Dauer unsere
Stresstoleranz und unsere seelisch-emotionale Belastbarkeit.
Eine nicht zu unterschätzende Ressource ist die eigene Wohnung. Wer ein
Heim hat, in dem er gerne ist und sich wohl und sicher fühlt, erlebt
Geborgenheit, auch wenn er alleine lebt.
Weitere Ressourcen sind
unsere Gaben und Fähigkeiten, unsere Talente und unsere Leidenschaften,
also die Dinge, die wir gut können und die wir leidenschaftlich gerne
tun. Dazu gehört alles, was unsere Kreativität fördert und be-lebt. Aber
auch Neugier, Wissen, Bildung, anderen helfen und der Beruf, wenn wir
ihn gerne ausüben, gehören zu unseren Ressourcen. Und natürlich unser
Glaube.
Grundsätzlich gilt: Alles was uns gut tut, kann uns stabilisieren.
Ressourcen sind umso besser verfügbar, je häufiger man sie lebt. Je
besser wir unsere Ressourcen kennen und je mehr wir davon haben, umso
besser sind sie abrufbar und umso größer ist unsere Fähigkeit zur
Selbstregulation.
Viele meiner Klienten antworten auf die Frage:
"Was tut Ihnen gut?", mit einem: "Ich weiß es nicht." Sie glauben,
besonders in Krisenzeiten nichts mehr zu haben, was ihnen gut tun
könnte. Ich weiß, es kostet Kraft, in schweren Zeiten Ressourcen zu
finden, von denen man glaubt, sie existieren nicht – aber gemeinsam
schaffen wir es immer sie zu entdecken oder sie wiederzuentdecken und
sie als wichtiges und äußerst hilfreiches Mittel zu nutzen, um die Krise
zu überstehen. Nicht selten sind persönliche Ressourcen einfach nur
verschüttet. Darum ist es sinnvoll sich auf die Suche nach ihnen zu
machen.
Wie geht das?
Ressourcen erkennen, sie annehmen, sie
wichtig nehmen, sie testen, gerade wenn es uns nicht gut geht, um sie
in der Krise und auch danach anwenden zu können.
Ressourcen können sein:
• Musik
• schöne Erinnerungen
• Kreativität (z.B. malen, kochen, backen, basteln, fotografieren, zeichnen etc)
• Sport
• Bewegung
• Tanzen
• Spaziergänge in der Natur
• Kunst anschauen: Eine Ausstellung besuchen oder ins Museum gehen
• Tagebuch schreiben (z.B. daneben noch ein Freudetagebuch führen,
indem wir schöne und positive Erfahrungen und Erlebnisse aufschreiben)
• Lesen (besonders Biografien von Menschen, die wir bewundern oder die uns ein Vorbild sein können)
• Bücher über Menschen lesen, die Krisen gemeistert haben
• Achtsamkeitsübungen
• Imaginationsübungen
• Fantasiereisen
• Meditation
• Progressive Muskelentspannung
• Mit Freunden zusammen sein und mal nicht über das „Problem“ sprechen
• Sich schöne Filme anschauen
Um sich in Krisenzeiten nicht vollkommen zu verlieren, können wir
lernen uns selbst zu helfen - und zwar auch mit Hilfe unserer Sinne.
Unsere Sinne sind große Ressourcen, sie haben nämlich die Fähigkeit uns
aus dem Gedankenkarussell ins Hier und Jetzt zurückholen. Alles was wir
uns bewusst anschauen, anhören, fühlen, riechen und schmecken holt uns
in den Moment zurück und stoppt für diese Zeit destruktive Gedanken und
Grübeleien – eine Zeit in der wir Kräfte sammeln können.
Indem
wir uns auf etwas Sinnliches ganz und bewusst einlassen und
konzentrieren sind wir im Jetzt und nicht mehr der Gefangene unserer
Ängste, Befürchtungen, Probleme und Sorgen. Das ist natürlich keine
Dauerlösung aber eine hilfreiche und kraftgebende Entlastung für Momente
in der Zeit.
Etwas Angenehmes oder etwas Schönes bewusst
anschauen, etwas Schönes bewusst hören, etwas Angenehmes bewusst
riechen, etwas Leckeres in den Mund nehmen und achtsam den Geschmack
wahrnehmen, etwas mit den Händen oder den Füßen bewusst berühren oder
körperlichen Reizen aussetzen – all das sind sinnliche Erfahrungen, die
uns das Gefühl geben: Da ist auch noch etwas anderes, etwas das schön
und angenehm ist, bei allem Unschönen und Leidvollen, das wir gerade
erleben. Jeder findet, wenn er lange genug nachdenkt und
nachspürt, etwas was er gerne tut, oder etwas was er als Kind gerne
getan hat. Jeder von uns hat Ressourcen, es ist nur wichtig, sich
wirklich die Zeit zu nehmen, sich ihrer bewusst zu werden und sie dann
auch zu nutzen. In meinen schwersten Krisen hat mir die Kunst geholfen –
sie anzuschauen und sie zu machen. Sie hat mir immer wieder das Leben gerettet.