Montag, 29. Oktober 2012

ich verspreche nichts


ich gehöre zu niemanden
wenn dann bin ich an der seite von jemanden
und ein jemand ist an meiner seite
weil wir das so wollen

ich verspreche nichts
weil ich gelernt habe, dass versprechen gebrochen werden
oder aus irgendeinem grund nicht gehalten werden können

ich bin mein mensch
und nur der meine
ich lasse mich in nichts einbinden, was mir nicht entspricht
weil ich gelernt habe, dass nur meine eigene wahrheit mich halten kann

ich mag keine liebesschwüre
und kein für immer
weil ich erfahren habe, dass liebe sich nicht beschwören lässt
und es ein immer nicht gibt




miteinander

miteinander
aneinander wachsen
aber nicht aneinander festwachsen.

halten

               halten, aber nicht festhalten.

Freitag, 26. Oktober 2012

Herbsttag




herr, es ist zeit, der sommer war sehr groß. so beginnt ein sehr schönes gedicht von rainer maria rilke, über den abschied vom sommer, der war, und den beginn des herbstes, der kommt, mit all seinen schönen seiten und - mit seinen tücken.

wohl dem, der jetzt nicht allein ist, so der dichter, der seinerseits zeit lebens höchst intim und privat, die damen der gesellschaft bedichtet hat um dem zustand des alleinseins zu entkommen und, nicht zu unterschätzen,  zwecks kost und logis, denn von der schönheit der worte und der holden liebe allein wird selbst der schönste geist nicht satt. ja der mann wusste wie es geht dem dichtertum, vom schnöden geldverdienen unbelästigt, zu frönen. chapeau, posthum, mein hochverehrter herr rilke!

weiter gehts im gedicht: wer jetzt kein haus hat, baut sich keines mehr. recht hat er! das häuserbauen wird im herbst nichts mehr. würde ich ehrlich gesagt auch nicht machen, abgesehen davon, dass ich mir das gar nicht leisten kann. aber ich glaube, so meint der rilke das nicht, der meint das symbolisch, der meint das haus im sinne von heim.

a house is not a home and a home is not a house, ach, welch ein schönes lied für alle, die so was haben, ein  homiges heim. ich krieg die sinnkrise, ich will das auch haben! tja, ich schaff das aber nicht. weder selbst eins zu beziehen, noch schaff ich es, mich irgendwo einzubeheimaten.

das ist jetzt mal die bittere wahrheit zur mitte meines lebens an diesem verregneten grauen herbsttag. das macht mich jetzt richtig melancholisch. mensch, hätte ich bloß dieses gedicht nicht gelesen!

pah! melancholisch ist noch untertrieben. ich bin voll bekümmernis. weniger poetisch ausgedrückt: ich habe kummer! hilfe! und was für kummer und keiner da mit dem ich drüber sprechen kann. ich will mich ausreden, ausweinen, es herausschreien in die ohren eines menschlichen wesens.

nicht, dass ich keine freunde habe, die ich sich um mich und meinen kummer kümmern täten, wenn ich es denn aussprechen könnte, dass dieser mich aufs schmerzvollste bekümmert - das problem ist: ich kann nicht sprechen. seit tagen kann ich nicht sprechen, ich bin stimmlos und laut diagnose des arztes wird das ohne logopädie erst mal nichts mehr mit dem sprechen. das mir, die ich die sprache nicht nur liebe, sondern mit dem sprechen einen teil meines lebensunterhaltes verdiene.  er hat mich doppelt getroffen - der herbst. so richtig herbstnovembertrostlosmäßig.

was mache ich jetzt bloß?
hin und her unruhig wandern! und das nicht in den alleen, sondern mit dickem schal um den hals zwischen pc und leinwand hin und her, und: die klappe halten, weil - sprechverbot. welch eine herausforderung an die fähigkeit zur stillen einkehr in mich selbst. da fällt mir ein - es soll ja schweigeseminare  geben. im ernst,  da zahlen manche leute einen haufen geld für, um endlich mal die klappe halten zu dürfen.  ich krieg das umsonst geliefert vom lieben universum. na, soll mal einer behaupten, ich sei kein glückskind.

so gesehen ist doch alles in bester ordnung.  ich werde dem herbst schweigsam und wach entgegen treten, lesen, lange briefe ( blogtexte)  schreiben und langsam aber sicher, ganz im stillen, abschied nehmen vom heimeligen haustraum.

aber, wenn ich wieder kann, ich bete inständigst, es sei höchst bald - dann werde ich es herausschreien: scheiss auf heim und haus, es gibt noch anderes im leben. ja und dann geh ich das andere suchen, in den alleen oder sonstwo draussen.

danke herr rilke!





Donnerstag, 25. Oktober 2012

Aufgang oder Untergang ?




wenn ein mensch plötzlich sein verhalten total ändert, sind alle, die mit ihm zu tun haben, aufs tiefste verunsichert. da kommen sätze wie: die oder der, je nachdem, ob männlich oder weiblich, spinnt doch, die oder der, tickt ja vollkommen aus, man muss sich sorgen machen. sie haben angst, nicht um das subjekt, sondern um sich selbst, angst das zu verlieren, was sie zu brauchen glauben in ihrer komfortzone.

wenn sie gar nicht mehr weiter wissen, drohen sie dem sich verändernden subjekt mit dem untergang. das kann nicht gut gehen, werd endlich wieder vernünftig! wenn du so ausflippst, wird das ein böses ende nehmen. 

wird es das, oder sind das düstere phrophezeiungen, geboren aus der hilflosigkeit derer, die den vertrauten menschen genau wieder da haben wollen, wo er war - funktionierend im sinne der eigenen erwartungen.

nun, das macht das sich verändernde subjekt unsicher. und diese unsicherheit legt sich zu allem unsicheren, was sich sowieso schon abspielt im innersten. da gehen die gedanken hin und her, wider das eigene ich, da streiten sich aufgang und untergang um die vorherrschaft und beide wollen gewinnen, da fährt die seele karussell und weiß nicht, wie anhalten oder ob es überhaupt noch ein anhalten gibt. das ist der supergau an sich widerstrebenden affekten und das macht schon genug angst. ja, es macht große angst, die gewohnte komfortzone zu verlassen, ohne netz und doppelten boden. da braucht es nicht noch die angstmacher von außen.

fakt ist, das subjekt macht es trotzdem, es bricht aus, trotz der angst und mit der festen überzeugung - egal, was kommt, ich werde damit fertig. 

da ist etwas, was größer und mächtiger ist als die angst, größer als die angst vor dem möglichen untergang. was größer ist, ist der ruf der freiheit, der drang zu sich selbst zu finden. und das macht eine scheiss angst. ist doch die unfreiheit mit all ihren fesseln ein wohl vertrautes, wenn auch unbefriedigendes terrain für einen lebendigen menschen. im vertrauten kennt sich das subjet aus. es wäre so einfach da zu bleiben, wo alles einigermaßen läuft. so einfach, einfach so weiter zu machen wie bisher.

aber der poit of no return ist da. alle vernunft nützt nichts - der ruf des instinktes ist mächtiger als die illusion einer vermeintlichen sicherheit, stärker als die fessel der gewohnheit.  

die innere stimme spricht: egal, ob aufgang oder untergang - wer weiß denn schon, was sein wird, wenn du es nicht probierst?

manchmal muss man alles hinter sich lassen um endlich dort hin zu gehen, wo man sich ein leben lang nicht hin wagte - dorthin wo die träume hausen und seit einer gefühlten ewigkeit darauf warten gelebt zu werden. wie sie aussehen, geht keinen was an. ob sie wahr werden, auch nicht, aber es zu versuchen, dass sie es werden, macht sinn.

es gibt keine sicherheit, nicht im bleiben und nicht im gehen.

ob es dort, wo das subjekt noch nicht war -  nämlich bei sich selbst in seinen tiefsten gründen, im neptunischen reich der ungestillten sehnsucht -  besser ist, als da, wo es war? die zeit wird es zeigen. aufgang oder untergang, eben.

aber was auch geschehen mag - manche von uns wollen es irgendwann wissen. 


Mittwoch, 24. Oktober 2012

Aus der Praxis - Eine trostlose Wut

  

sie saß vor mir, blass, mit einer haut dünn wie pergamentpapier. ich will es loswerden, es endlich aussprechen, ich muss es aussprechen, sonst ersticke ich daran, sagte sie.

sprich, antwortete ich, ich höre dir zu.

ich habe als kind viel aggressionen erlebt. ich habe mich nicht wehren können gegen die verbale gewalt in meiner familie. ich habe nicht gelernt, wie man sich wehrt, ich habe nicht gelernt, wie man sich abgrenzt. wie man überlebt, das habe ich gelernt. wenn du als kind misshandelt oder missbraucht wirst, sei es körperlich oder emotional, oder beides, hast du keine waffen, die dir helfen könnten. du bist wehrlos. du bist fassungslos, du hast nur diesen gedanken: ich verstehe das einfach nicht!

wie soll ein kind verstehen, dass menschen, die es liebt und von denen seinen überleben abhängt, fähig sind, es zu verletzen, es zu demütigen, es zu verachten. das versteht ein kind von vier oder fünf jahren nicht. es beginnt zu glauben, dass es schlecht ist, dass es böse ist, dass es verdient hat, was ihm geschieht. um eine rechtfertigung für den oder die täter zu suchen, macht es sich selbst für das, was ihm geschieht verantwortlich. es spaltet das böse von den tätern ab und verinnerlicht es als sein als eigenes. auf diese weise wird das fremde böse zum eigenen bösen. hier beginnt die spaltung des eigenen inneren. das kind muss das tun, um die eltern weiter als gut empfinden zu können. indem es selbst die ursache des bösen ist,  gelingt es ihm die lebensnotwendige beziehung zu den eltern am leben zu halten. es sagt sich, sie haben mich lieb, aber ich bin böse, darum haben sie grund mich schlecht behandeln. wenn sie mir wehtun, habe ich es verdient. ich bin schlecht. sie weisen die schuld ja auch von sich und sagen – du bist ein böses kind.

die tragik des kindes liegt darin, dass es sich zum einen partiell selbst aufgibt um seelisch zu überleben und zum anderen das böse als eigenschaft in sich selbst aufnimmt. und dort bleibt es, lebenslang -  wie ein dämon, der in ihm haust, der  ihm sagt, was es tun muss, um sich selbst zu schaden.

mein vater hasste sich selbst, er hasste sein leben. er hasste uns kinder und er hasste sich wohl selbst für seinen hass. er war immer aggressiv. er sagte, ich sei schlecht, ich sei an seinem unglück schuld, ich sei die nachgeburt, die er großgezogen habe. das kind hätten sie bei der geburt aus versehen weggeworfen. er sagte ständig solche dinge zu mir. das hat mir angst gemacht. es hat mir meinen seelenfrieden geraubt, mein gefühl für mich selbst, die freude am leben. im grunde hat er seine wut, seinen hass wie ein gift in seine tochter injiziert, um sich selbst zu entlasten. ich blieb verwirrt, verängstigt und mit einem schlechten gefühl zurück – bis heute ist das so.

ich habe meine mutter gefragt, was ist mein fehler, was habe ich dir getan?
da sagte sie zu mir, dass du überhaupt da bist ist das unglück.
sie sagte, ohne dich hätte ich deinen vater niemals geheiratet, wegen dir habe ich meine träume begraben müssen, wegen dir habe ich ein ungelebtes leben. und du, bist nur undankbar! ich hatte immer eine bringschuld – ich musste ihnen und mir selbst beweisen, dass ich es doch in irgendeiner weise wert war zu leben, um zu überleben. mein vater ließ mich meine bloße existenz als schuld erleben. ich war schuld an seinem beschissenen leben. die grundschuld – überhaupt am leben zu sein. das heißt, du darfst nicht leben, aber wenn du schon lebst, dann fühle dich wenigstens schlecht und schuldig! irgendwie denkst du immer es wäre besser nicht da zu sein und entwickelst selbstzerstörungstriebe. mein vater war ambivalent. einerseits hatte ich das gefühl, er mag mich, weil er mich manchmal auf seinen schoß nahm und mir viele dinge erklärte, andererseits war da dieses vernichtende in seinen worten und seinem blick.

es fühlt sich an als sei mein empfinden für mich selbst in zwei teile gespalten – der eine, der sich selbst zerstören will, weil er glaubt schlecht zu sein und kein recht auf ein leben zu haben, der andere, der rebelliert, weil er leben will. aber wie? wie geht leben? wie fühlt sich das an? es gibt keine lösung und immer bist du wütend, depremiert und schuldbeladen.es war vollkommen egal, was ich machte, alle versuche anerkennung zu gewinnen, alle anpassungsversuche bewirkten nichts. nichts konnte diese ablehnung ändern.

ich führe ständig krieg in meinem inneren – die eine kämpft gegen die andere. ich will eine identität finden, ein klares umrissenes ich, bis heute ist das so. mein grundgefühl ist eine trostlose wut.

es ist die rebellion einer frau, die in dieser welt nie einen sicheren ort gefunden hat, die nicht weiß, wohin sie gehört, weil sie nicht weiß, wer sie ist.  das eine hat mit dem anderen zu tun. wenn du keine heimat in dir drin hast, dann bist du überall wo du bist heimatlos, du bist immer auf besuch, niemals angekommen. wie auch? du suchst ja dich, das ist ein ewiges getrieben sein.

das sind identitätszweifel, die manchmal verzeifelt machen, ein ewiges schwanken, ein hin und her kippen, ein gefühl von unvollständig sein, ein gefühl der spaltung. wer gelernt hat, dass kein recht auf leben hat, hat auch kein gefühl für autonomie.

sie lächelte resigniert.
ich sah sie an:  es ist gut, dass du es endlich aussprichst.

Dienstag, 23. Oktober 2012

nicht richtig sein ...


meine mutter wurde ungewollt schwanger. da war sie neunzehn. sie wollte mich nicht.
sie hat nicht aufgepasst. anstatt die verantwortung zu übernehmen, hat sie mich für ihren fehler schuldig gesprochen. sie hat die schuld an mich delegiert.

es ist schwer zu sich selbst zu finden, man selbst zu sein, wenn man nicht sein durfte, nicht da sein sollte, überhaupt nicht am leben sein sollte. verstehst du? 

sie sah ihn an.
er schwieg.

du bist schuld! diesen stempel hat meine mutter mir von geburt an aufgedrückt, einfach, weil ich da war. wie konstituiert sich ein selbst, dass nicht sein darf?

aus dem gefühl nicht existieren zu dürfen entsteht ein selbstbild aus falsch sein, nicht richtig zu sein und ein sich darauf aufbauendes schuldgefühl, das leben der mutter zerstört zu haben. du versuchst alles um deiner mutter zu beweisen, dass du eine existenzberechtigung hast. und wie geht das besser, als wenn du dich um die mutter sorgst. wenn sie das aber nicht zulässt - was dann?
dann fällst du in eine bodenlose einsamkeit. du ziehst dich zurück, verkriechst dich in dein zimmer, damit sie dich nicht sieht, du machst dich unsichtbar und du hast ständig angst gesehen zu werden.

sie weinte.
er schwieg.


Stroh zu Gold spinnen ...



 
ich reiße die form auf und reduziere die figur.
das aufgerissene ist symbol meiner eigenen zerrissenheit.
ich spachtle, ich kratze.
ich wische und verwische, ich zerstöre und baue auf.
ich hinterlasse narben auf der leinwand. 
es ist ein immer wieder neues zerstören des bildes.
es hat etwas unheiliges und etwas unheimliches. 
es hat etwas verletzendes und etwas schöpfendes.

ich mache das solange bis auf der leinwand eine fragile schönheit zum vorschein kommt. es ist wie stroh zu gold spinnen.

Dienstag, 9. Oktober 2012

DISSOZIATION

  




Dissoziation – nicht von ungefähr entstammt der Ausstellungstitel zu Angelika Wendes Malerei dem Reich der Psychologie. Was hier formal und vordergründig als Porträts erscheint, bildet nicht Personen oder Persönlichkeit ab, sondern nutzt die Chiffren menschlicher Erscheinung als Vokabular einer Beschreibung seelischer Zustände. 

Wendes Arbeiten sind Psychogramme, künstlerische Auslotungen innerer Zustände. Das Wesentliche befindet sich dabei im Nicht-Dargestellten, im Nicht-Sichtbaren – im Abgespaltenen. Die aufs Archetypische verweisenden Figuren und Beziehungskonstrukte definieren sich durch das Abgetrennte, Verlorene, durch Verletzungen und Wunden. 

„Es gibt kein größeres Verlangen, als das eines Verwundeten nach einer anderen Wunde“, schrieb Georges Bataille. In diesem Sinne verweisen die Protagonisten in den Bildern Angelika Wendes auf den Erfahrungsraum außerhalb der eigenen verwundeten Welt. In diesem Sinne öffnen sie den Bild- und Interpretationsraum in das Unendliche. 

Platons berühmtes Gleichnis von den „Kugelmenschen“ drängt sich auf. Menschen, die sich als Fragmentierte, als Halbwesen erfahren und getrieben werden von der Suche nach dem Ergänzenden. In Wendes Bildern wird deutlich, wo dieses ergänzende Andere nicht zu finden ist – im Außen, im Anderern. 

Die Dargestellten bleiben sich auch in Beziehung gestellt fremd, ihre Unvollständigkeit steht nebeneinander, spiegelt sich, potenziert sich, doch eine Verschmelzung, eine Ergänzung und somit eine Heilung gibt es nicht. 

Keine Hoffnung also? 
Durchaus. Sie liegt in dem, was jenseits des Fehlenden auch ist. Ein oft trotziger, kraftvoller Blick aus der Verletzung heraus. Oft scheint dieser Blick wie hinter einer Maske zu wirken. Doch er ist da. Und verweist auf das Innere – auf den Bereich der Möglichkeit. Auch der Möglichkeit zur Ganzwerdung. Denn nur dort sieht Wende den Weg, als Halbmensch zur Ganzheit zu gelangen – im eigenen Inneren, im Selbst. Das Selbst ist das größte Rätsel, schrieb Max Beckmann. Angelika Wende weiß das. Sie stellt sich diesem Rätsel. Mit allen Mitteln. Vor allem aber mit dem Mittel, das auch ihren Figuren offenbar als letzter Lösungsweg erscheint – mit dem Blick, der das Innen mit dem Außen verbindet.

Als langjährige Ansagerin und Moderatorin beim ZDF und anderen Fernsehsendern entwickelte Angelika Wende ein besonderes Verhältnis zur vordergründigen Abbildbarkeit des (eigenen) Gesichts. In ihren psychologischen Studien und ihrer Arbeit als psychologische Beraterin bewegt sie sich in den Bereich weit hinter diesen Fassaden. Ihre künstlerische Entwicklung – unter anderem begleitet durch Studien bei Matthias Rüppel und Christian Felder – entwickelte sie eine eigene Bildsprache, jenseits künstlerischer Konvention. In diesem Sinne sind Wendes Arbeiten im besten Wortsinn „naiv“ – sie wenden sich dem Ursprünglichen zu, gehen zurück zur Geburtsstunde von Eindruck und Ausdruck. Dorthin, wo das Neue entsteht. Jenes Neue, das getrieben von der Sehnsucht nach Ganzheit Welten erschafft – und Möglichkeiten.

(c) Alexander Szugger, Oktober 2012









beauty


beauty is skin deep only
hinter der vordergründigkeit
hinter den masken 
im wesen des menschen und der dinge
nur da finden wir wahre schönheit

Donnerstag, 4. Oktober 2012

bisulcis



in der mitte
schmerz
in der mitte
öffnet der schmerz
die empfindsamste stelle
durch den riss in der mitte
dringt wort
dringt bild
aus der mitte
dringt innerstes nach aussen

Dienstag, 2. Oktober 2012

Aus der Praxis - Radikale Akzeptanz





Es gibt Momente im Leben, wo nichts mehr so ist, wie wir uns das wünschen. Momente in denen Vertrautes und Gewohntes zusammenbricht - wir verlieren, was uns selbstverständlich oder wichtig erscheint. Wir sind am absoluten Tiefpunkt angelangt.

Das sind Momente, die wir nicht erleben möchten. Aber das Leben fragt uns nicht immer was wir wollen. Wenn das Leben sprechen könnte, würde es sagen: Diese Momente gehören dazu. Und wenn wir ganz still sind und in uns hineinhören, hören wir das Leben wie es aus uns heraus zu uns spricht, denn, was da spricht ist unsere eigenes Innenleben.

Unser Innenleben weiß sehr gut: Diese Momente, die das Vertraute ins Wanken bringen oder sogar auflösen sind normal, so wie es normal ist Probleme zu haben. Auch wenn wir Ruhe, Sicherheit, Zufriedenheit oder gar Glück für normal halten, sind sie es nicht allein. Das Leben ist gut zu uns, wenn es uns diese "normalen" Dinge schenkt oder wenn wir sie uns erarbeiten. Aber das Leben ist auch normal und nicht schlecht zu uns, wenn es uns diese Dinge nimmt. 

Das Normale ist alles was uns geschieht. Das einzusehen ist nicht leicht. Aber wenn das Leben alles ist, was möglich ist, gehört auch alles dazu.

Momente, in denen unser Leben nicht mehr so ist, wie wir es gern hätten, läuten in den meisten Fällen den Beginn einer Krise ein. Manchmal sogar eine Lebenskrise. Wenn alles Gewohnte sich verändert, alles woran wir uns zu halten glauben konnten, weggbricht, wenn wir etwas, was uns wichtig erschien verlieren, bekommen wir es mit der Angst zu tun. Auch das ist normal. Angst ist absolut normal, sie ist menschlich. Wir haben Angst vor dem Unbekannten, Angst haltlos in der Luft zu hängen, Angst die Situation nicht meistern zu können, Angst allein zu sein und Angst zu klein zu sein um die Krise, die sich zeigt, zu bewältigen. 

Aber wir müssen sie bewältigen. Denn es nicht zu tun, heißt aufgeben. 
Wir Menschen geben so schnell nicht auf. Weil wir leben wollen. 

Wenn eine Krise in unser Leben tritt, bedeutet das, dass etwas in unserem Leben nicht stimmt, oder nicht mehr stimmt, oder wir noch immer nicht da angelangt sind, wo wir sein möchten.

Uns trifft keine Krise, wenn da nicht zuvor schon einiges im Argen lag. Die Krise ist die Folge einer Entwicklung, die ihren Höhepunkt erreicht hat. Im Grunde spüren wir das schon lange vorher, aber wir verdrängen es, weil wir Angst haben es zu spüren. Angst vor Veränderung. Eine kluge Frau sagte einmal zu mir: Eine Schlange, die sich nicht häutet, stirbt. Ein passendes Bild, finde ich.

Die Krise ist das Zeichen, dass wir etwas abwerfen müssen wie eine alte Haut, die uns zu eng geworden ist, oder einfach nicht mehr passt, eine Haut, in der wir uns schon lange nicht mehr wohl oder zuhause fühlen, die vielleicht sogar schmerzt.

Wie bei der Schlange, die sich häutet, läutet die Krise eine Veränderung ein, einen Akt der Transformation - ein Notwendiges  - um nicht in der alten Haut stecken zu bleiben und im Leben zu sterben. Krise bedeutet - das Alte, das Überkommene muss weichen, damit Platz für etwas Neues werden kann - für Entwicklung.

Die Krise tut nichts anderes als einen inneren oder einen äußeren Konflikt nach oben zu bringen, ins Bewusstsein, in unser Leben, damit wir endlich schauen und verändern, damit wir weiter gehen und weiter wachsen. Bis es zur Krise kommt, hatten wir meist schon lange vorher die Chance etwas, was nicht in Ordnung ist oder uns nicht gut tut, zu verändern, aber wir haben es nicht getan - deshalb "brauchen" wir die Krise, damit das, was in unserem Leben ungut geworden ist endlich nach Oben kommt, damit wir nicht mehr wegschauen können. 

Das innere Wissen findet den Weg ins Aussen. 

Das Unbewusste wird bewusst und nimmt im Außen Gestalt an. Die Krise schleudert die Schatten aus dem Unbewussten und bringt sie ins Licht.Die Krise zeigt sich immer dann, wenn wir uns einer längst überfälligen Veränderung, einer dringend notwendigen Häutung, beharrlich verweigern. Sie hat einen Sinn.

Sicher wollen wir das nicht. Wir hassen Erschütterungen, wir wollen Gefühle wie Wut, Trauer, Schmerz und Angst vermeiden, die diese Erschütterungen mit sich bringen. Wir fühlen uns ohnmächtig in der Krise und all unsere Werkzeuge um mit dieser Herausforderung umzugehen, versagen. Wir sind gelähmt und sitzen da wie das geblendete Kaninchen im Licht. Und da ist immer nur dieser eine Gedanke: Ich will das nicht. Aber das interessiert das (Innen)Leben nicht, ob wir das Wollen.

Fakt ist aber: wir können nichts tun gegen das Nichtwollen. 
Aber ist das wirklich so? Können wir wirklich nichts tun?

In der Psychologie gibt es den Ausdruck der Radikalen Akzeptanz.
Die Radikale Akzeptanz ist das Gegenteil von Wollen.
Radikale Akzeptanz ist die Bereitschaft, sich nicht mehr gegen ungewollte Ereignisse und den damit verbundenen Schmerz aufzulehnen, sie zu bekämpfen oder verändern zu wollen. Radikale Akzeptanz gibt den Widerstand gegen das, was ist, auf -  radikal, ohne wenn und aber, ohne real oder in Gedanken etwas zu tun, was sich gegen den Ist-Zustand zur Wehr setzt.

Das Verständnis der radikalen Akzeptanz basiert auf einem aus dem Zen-Buddhismus inspirierten therapeutischen Ansatz, der dialektisch-behavioralen Therapie nach Marsha Linehan. Radikale Akzeptanz ermöglicht das Erleben und Erfahren dessen, was gerade ist, so wie es ist. Sie entspricht der inneren Haltung - es ist, wie es ist - inklusive unsere emotionalen Reaktionen darauf. Sie verdrängt nicht, auch nicht den Schmerz und nicht die Angst. Sie nimmt an, bedingunglos, im Bewusstsein nichts ändern zu wollen. Radikale Akzeptanz ist die Haltung, die uns rettet, wenn wir vor einem Problem stehen, das nicht gelöst werden kann, einer Situation, die unveränderbar ist. 

Der einzige Weg aus der Sackgasse führt über die Ergebung in die Dinge, wie sie nun einmal sind und dem Eingeständnis, dass wie keinerlei Vorstellung davon haben, was als Nächstes zu tun ist. Weise ist, wer annimmt, was nicht mehr zu ändern ist und bereit ist, den Veränderungsprozess mitsamt dem Schmerz, der Wut, der Trauer und der Angst zu durchleben, auch wenn er dauert.

Radikale Akzeptanz nimmt uns die Energie die wir aufwenden und verschwenden, wenn wir Widerstand leisten und setzt dann Energie für das Neue frei.Das ist eine schwere Übung, die, wenn sie gelingt, Zeiten der Krise leichter macht.

Radikale Akzeptanz bleibt nicht im WARUM hängen - sie fragt: WOZU ist das gut? 
Die Frage nach dem Warum ist destruktiv - die Frage nach dem Wozu ist konstruktiv. Denn mit der Frage Wozu? beginnen wir das Unveränderbare loszulassen um dann, wenn wir wieder zu Kräften gekommen sind, neue Wege zu suchen und das Leben wieder zu gestalten, anders zu gestalten. Und genau darum geht es, um das Herauslösen aus der alten Haut, damit wir nicht "sterben" in der alten Haut, die uns in die Krise geführt hat.
Wenn wir etwas vollends loslassen, zeigt sich auf magische Weise ein Aufgang, sagt die Erfahrung.