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Die Annahme, dass nur einsam ist, wer allein ist, ist ein Trugschluss. Wer allein ist, muss nicht zwingend einsam sein. Und wer unter Menschen ist, kann sich trotzdem einsam fühlen. Beziehungen und Freundschaften schützen nicht automatisch vor Einsamkeit. „Einsamkeit kommt nicht davon, keine Menschen um sich herum zu haben, sondern davon, unfähig zu sein, die Dinge zu äußern, die einem wichtig sind oder seine eigenen Standpunkte zu vertreten, die andere als unzulässig finden“, schreibt Carl Gustav Jung.
In der Psychologie unterscheidet man zwei Grundformen der Einsamkeit.
Die „Emotionale Einsamkeit“: Betroffene haben zwar soziale Kontakte, fühlen sich aber mit ihren Mitmenschen nicht verbunden oder verstanden und fühlen sich dadurch einsam. Ein emotional einsamer Mensch kann selbst einem Menschen, den er liebt, nicht nah sein. Der Fokus liegt hier auf dem subjektiven Gefühl.
Die „Soziale Einsamkeit“: Betroffene haben keine Freunde, kaum oder keine sozialen Kontakte und keinen Anschluss an die Gesellschaft. Soziale Einsamkeit ist das schmerzliche Gefühl, nicht dazu zu gehören, als stünde man hinter einer gläsernen Wand, die von allem trennt. Bei dieser Form der Einsamkeit ist man aufgrund des Alleinseins einsam.
Alleinsein kann angenehm sein, wir können es sogar bewusst wählen. Im Alleinsein tanken wir Kraft und finden im besten Falle zu uns selbst. Im Alleinsein entsteht alles Schöpferische.
Schopenhauer, der sein Leben als Einzelgänger verbrachte, war der Meinung, dass nur geistreiche Menschen das Alleinsein genießen können. Die großen Philosophen Nietzsche und Kierkegaard verlegten sich auf das Alleinsein, Emily Dickinson und Hermann Hesse, Van Gogh und Leonardo da Vinci ebenfalls. Letzterer war sogar davon überzeugt, dass man nur sich ganz gehöre, wenn man allein ist.
Wenn das Alleinsein jedoch quält, dann wird es zu Einsamkeit. Wer sich Einsamkeit nicht selbst aussucht, leidet darunter.
Für den Psychologen John Cacioppo von der University of Chicago ist das Gefühl von Einsamkeit ein Schmerz, den wir ernst nehmen sollten, denn er ist ein Warnsignal der Psyche. Dieser Schmerz erinnert uns daran, dass wir soziale Wesen sind, die Kontakt zu anderen Menschen brauchen.
Wer in der Einsamkeit gefangen ist, kommt nur schwer wieder heraus. Einsamkeit führt dazu eine starke Selbstbezogenheit zu entwickeln. Wir beginnen uns um uns selbst zu drehen und bleiben im eigenen Universum hängen.
Das führt, je länger der Zustand andauert, zur Entfremdung von Welt und hält andere Menschen auf Abstand. Wen seine Einsamkeit schmerzt und wer sich in seiner Einsamkeit nicht verlieren will, muss sich an die Verbindung mit der Welt und anderen Menschen erinnern, heißt: sich immer wieder zu sozialen Kontakten zwingen, auch wenn es Überwindung kostet.
Man kann sich nur selbst helfen, die Einsamkeit hinter sich zu lassen, kein anderer kann das für uns tun.
Um der Einsamkeit zu entrinnen entwicklete Cacioppo vier Schritte.
Er bezeichnet diese mit dem englischen Verb „ease“, was so viel bedeutet wie „lindern“.
Das sind die Schritte:
Schritt 1: E = Erweitern des Aktionsradius.
Wer sich einsam fühlt, läuft Gefahr, sich passiv zu verhalten. Deshalb ist es wichtig, aus eigenem Antrieb immer wieder nach Begegnungen zu suchen, so klein sie auch sein mögen, z.B. ein Wortwechsel mit der Bäckereiverkäuferin. Der Besuch von Veranstaltungen, Gruppenführungen im Museum, ein Kurs in der VHS – all das sind Möglichkeiten den Aktionsradius nach und nach zu erweitern.
Schritt 2: A = Aktionsplan.
Mut fassen, einen Plan machen. Raus gehen, sich in eine Gemeinschaft einbringen, Aktionen in der Nachbarschaft besuchen, in eine Theatergruppe, einen Chor gehen oder ein Freiwilligenamt übernehmen.
Schritt 3: S = Selektieren.
Einsamkeit schärft die Wahrnehmung für Signale der Mitmenschen. Doch um ihre Worte oder Gesten richtig zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren, ist es wichtig zu erkennen, welche Beziehung bereichernd und inspirierend ist und welche bestenfalls als Zerstreuung und Ablenkung dient. Man sollte darauf achten, dass man nicht immer nur als Zuhörer für Monologe benutzt wird, sondern dass ein Dialog entsteht. Reines Zuhören verstärkt das Gefühl von Einsamkeit, denn so entsteht keine Verbundenheit. Einsame Menschen sollten sich genau überlegen, mit welchen Menschen sie Umgang haben möchten – und sich dann darum bemühen und diese Kontakte pflegen.
Schritt 4: E = Erwartung des Besten
„Erwarte das Beste!“ Das ist ein Appell an einsame Menschen, Misstrauen fallen zu lassen. Je freundlicher man selbst auf andere zugeht, je offener man ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, in Kontakt zu kommen und ähnliche Reaktionen zu wecken. Dabei ist es wichtig möglichst wenig vom Gegenüber zu erwarten – vor allem aber Gutes.
Das ist gar nicht so leicht, denn wer viele ungute Erfahrungen gesammelt hat, hat hier ein Problem. Es macht allein durch den Willen zum Mut nicht einfach „Klick“ und das Misstrauen verschwindet. Ungute Erfahrungen und Enttäuschungen dürfen verarbeitet werden um wieder Vertrauen und die Zuversicht zu erlangen, dass das was war, nicht immer so sein muss.
E A S E ist nicht easy, aber es ist einen Versuch wert, wenn die Einsamkeit unaushaltbar geworden ist.