Dienstag, 30. November 2010

Warten

Mit eigenartiger Häufigkeit begegnen mir Menschen, die vor mir monologisieren und nicht einmal so tun, als ob sie sich für mich interessieren. Gestern am Abend ruft mich dieser kleine Mann mit dem dauergewellten dünnen blonden Haar auf dem alternden Schädel an, ein Geschäftsmann, der seine menschliche Unsicherheit hinter einem großen Auto und einer goldenen Uhr versteckt. Eine halbe Stunde lang, via Handy mit durch Funklöcher partiell unterbrochener Verbindung, teilt er mir mit, wie beschissenen doch seine Exfrau ist, dass sie nur an sein Geld will und dass er an Heilig Abend seine Kinder nicht sehen kann und auch nicht an einem der Weihnachtsfeiertage mit zu seinen Eltern nehmen darf, weil nach Meinung seiner Ex, alte Leute nicht gut für kleine Kinder sind, dass er das alles nicht aushält, weil er zu emotional sei.

Ich denke, was jammert der, was wäre, wenn ich ihm sagen würde, dass ich Weihnachten allein bin und mein Sohn irgendwo ist, nur nicht bei mir ist und ich nicht weiß, wie ich das aushalten soll. Es würde nichts nützen, diesem Mann, der sich vom Leben ungerecht behandelt fühlt meinerseits mein Leid zu klagen, er macht keine Pausen zwischen den Sätzen, nicht einmal zum Luft holen, Ihm scheint es egal zu sein, was ich denke oder fühle, Hauptsache er hat jemanden der ihm zuhört, jetzt wo er es braucht. Ich weiß ein Reden meinerseits es würde nichts ändern, weil es noch unerträglicher ist, wenn Leid sich zu Leid legt und außerdem würde ich dann möglicherweise eine geschäftliche Beziehung aufs Spiel setzen und wem nützt das.

Am Ende des Gesprächs, das ich herbeiführe, mit der Ausrede ich müsse dann jetzt mal los, hält er kurz inne in seinem Redestrom und meint, ob ich wisse, dass er mich sehr schätze. Es ist mir egal, ich will meine Ruhe haben und ich würde ihm gern sagen, dass ich genug habe von denen, die mich mit ihrem Schmerz voll kotzen, weil sie glauben sie hätten ein Recht dazu, nur weil ich empathisch bin. Auch meine Geschichte ist eine Alltagsgeschichte, unspektakulär und lediglich ein Abfallprodukt von Leben wie es nun mal ist.

Einen Moment denke ich darüber nach, dass der kleine Geschäftmann jetzt nach Hause zu seiner Freundin fährt, dieser Frau, deren Alter er mich anhielt zu schätzen, warum weiß ich nicht, auch nicht, was das mit den Kindern, die er nicht sehen darf zu tun hat, und dann sitze ich wieder am PC und schreibe weiter was ich begonnen habe und vergesse ihn und seine Klage über den Worten, die die weiße Fläche des Dokumentes mit schwarzen Zeichen füllen und mir das Gefühl geben etwas zu tun, was einen Sinn macht, wo so wenig einen Sinn macht, weil das Leben an sich keinen hat und ein einziges Warten ist. Von einem Augenblick zum anderen warten auf etwas, das kommt und kaum, dass es da ist wieder vergeht und ein neues Warten einleitet. Die Hoffnung ist für die, die sonst nichts haben, an dem sie sich festhalten können um weiter zu machen.

Ich mache weiter, weil ich zu feige bin aufzuhören, weil ich meinen Sohn nicht enttäuschen will, denn er braucht mich, egal wo er ist. Er braucht mich, damit ich ihm zeige, dass ich aushalte und auf ihn warte, damit er ein Ziel hat, einen Platz an den er kommen kann, wenn er lange genug woanders war. Das ist meine größte Angst, dass er nicht durchhält und was dann ist, daran darf ich gar nicht denken.

Montag, 29. November 2010

Vom Jagen und Sammeln in der Moderne

Er ist so alt wie die Menschheit, der Jagd- und Sammeltrieb. In Zeiten des Cyperspace erlebt er eine grandiose Wiedergeburt. Plattformen des Social Networking bereiten ihm den Boden. Ein Faszinosum, das uns zeigt: der Mensch ist ein Wesen, das trotz jahrtausendelanger Evolution, in seiner Grundstruktur gleich geblieben ist.

Der Jäger und Sammler der Moderne unterscheidet sich vom Urmenschen in der Form, dass er beim Ausleben seines Jagd- und Sammeltriebes nicht mehr den Gefahren der Naturgewalten ausgesetzt ist. Im warmen Zimmer frönt er seiner im kollektiven Unterbewussten verankerten Bestimmung. Komfortabel und in anheimelnder Nähe zum PC, übrigens der beste Freund des modernen Menschen und zudem ein vergleichsweise harmloser Ersatz für die Jagdutensilien der Steinzeit, geht er dieser nach.

Online, gemütlich mit Latte Macciato, Espresso, Zigarette oder sonstigen Suchtmitteln ausgerüstet, frönt er, zwischen dem, was zu tun ist, nebenbei seiner Leidenschaft des Sammelns und Jagens. Das Objekt der Begierde: Der Mensch.

Ein Schelm, der Böses denkt, ob jener, die in Facebook beispielsweise, an die zweitausend Freunde haben, die sind eben besonders jagd-und sammelfreudig. Sie nehmen, was sie "schießen" können im world wide web, ob sie nun Liza aus San Fransico oder Sven aus Schweden kennen oder nicht. Die Masse machts, mutet es an, allein das ists, was zählt. Das schmeichelt nach befriedigtem Jagderfolg dem Ego, weil es anscheinend sonst nichts gibt, das diesen Job macht, vermute ich mal.

Zeig mir wie viele Freunde du hast und ich weiß, dass du ein erfolgreicher Mensch/Jäger bist und überaus beliebt bei der "Beute"! Ich behaupte mal, manche von uns wollen gesammelt werden, denn das erhöht die eigene Scala an Beliebtheit, ohne selbst dem doch etwas zeitintensiven Trieb folgen zu müssen, denn Zeit ist ja auch Geld. Alles gut! Oder nicht?

Ob gut oder schlecht, ich hüte mich vor Bewertungen, denn ich gehöre selbst dieser Community an und verscheissen will ich es mir nicht bei meinen einhundertneunzig Freunden und denen, die vielleicht noch dazukommen - ich gestehe, ich bin eine leidenschaftlicher Networkerin.

Ich bin in der Tat sehr froh, dass ich sie habe, meine Freunde. Wer sonst würde mit mir die einsamen Abende teilen, an denen ich keine Verabredung habe, nicht Theater spiele, nicht der Ablenkung dumpfer Fernsehberieselung anheim falle, nicht schreiben, lesen oder sonst etwas Kreatives machen will, sondern einfach Ansprache suche. Die finde ich da und ich bin dankbar dafür, mein Alleinsein nicht mehr zu spüren, weil es manchmal eben nicht angenehm ist, auch wenn ich es durchaus schätze, aber nur manchmal eben. Ausserdem und das liebe ich geradezu, sind unter meinen Freunden wunderbare, kluge und empathische Menschen, die mir Tag für Tag wertvolle und bereichernde Gedanken schenken und mich davor bewahren, mich mit dem Gedanken anzufreunden mich von der schnöden Welt zu verabschieden.

Das Schöne am Social Networking ist auch, dass man sich so manchem Fremden, vorausgesetzt man nimmt sich die Zeit und die Muße ihn auf schriftlichem Wege näher kennen zu lernen, vertraut macht. Es gibt da sogar Menschen, die ich in "echt" kennen lernen durfte und das ist dann eine besondere Bereicherung für das Leben draussen, denn das gibt es ja auch noch.

Dennoch, es gibt unter den modernen Jägern und Sammlern eine Spezies, die mir suspekt ist. Es ist diejenige, die ausschließlich jagt und sammelt und zwar nur um des Jagens und Sammelns willen. Es sind die mit den über tausend "Shareholdern". Und manchmal will mich so einer verlinken, in Facebook, bei Xing oder sonstwo.

Ich habe sogar kürzlich erlebt, dass ein Freund, den ich über das Netz kennen gelernt habe und im richtigen Leben erleben durfte, was mir sehr gefallen hat, dass dieser, nach unserem Auseinandergehen, in Facebook kein Wort mehr mit mir geschrieben hat und mich später, ich fasse es nicht, über Xing eingeladen hat, mich mit ihm zu vernetzen.

Hallo? In welcher Welt leben wir denn, wo ich einen Menschen mit dem ich im richtigen Leben kein Wort mehr teile, quasi post mortum, als Freund im Netz verlinke?

Das tut weh, und wie das weh tut. So etwas wie Fremdschämen stellt sich da bei mir ein und das ist ein schmerzhaftes Gefühl, denn es zeigt mir, wie wenig manche Menschen andere Menschen als Mensch achten und keine Hemmungen haben sie zu funktionalisieren aus reinem Selbstzweck.

Ehrlich, da mache ich nicht mit. Ich bin für vieles offen, besonders für schräge Typen und subversive Persönlichkeiten, denn die sind meistens die spannendsten, aber Menschen, die Menschen nicht achten, nein von denen lasse ich mich weder jagen, noch sammeln. Basta!

Andererseits, ich versuche ja immer die Motive meiner Mitmenschen zu verstehen, auch wenn ich polarisiere und das gern und oft - vielleicht weiß der gar nicht, was er tut, vielleicht ist der emotional schon so abgestumpft vom wahllosen Jagen und Sammeln, (übrigens, was sammelt man eigentlich? - Fotos - das sind doch keine richtigen Menschen, sondern nur Abbilder, oder?), dass er gar nicht merkt, was er da tut. Na dann merkt er es spätestens jetzt, wenn er diesen Blog liest. Ja, ich bin manchmal ein Biest und ich stehe dazu.

Jedenfalls, aufgefallen ist mir, dass gerade die, die über tausend Freunde haben, jene sind, die mit diesen Freunden keinerlei Kommunikation pflegen die über einen minimalen Kommentar hinausgeht. Auf Nachrichten antworten die nach dem ersten Kontakt auch nicht mehr.

Warum machen die das dann? Ich meine der Steinzeitmensch hat sich nach dem Jagen und Sammeln doch auch mit seiner Beute, auf welche Weise auch immer, beschäftigt ... Hm, hat sich der Mensch in seiner Grundstruktur vielleicht doch verändert? Und wenn, auf welche Weise?

Nein, darüber denke ich jetzt nicht nach, sonst falle ich doch noch vom Glauben an das Gute im Menschen ab und werde ein Misanthrop. Misanthropen sind verbitterte Menschen mit herunterhängenden Mundwinkeln - nein, versprochen, so eine werde ich nicht, dafür bin ich einfach zu eitel.







Sonntag, 28. November 2010

Ein Platz

Er ist da, wieder ist er da, dieser Gedanke, ein Gedanke, der nicht vergeht, der sich hartnäckig in alle anderen Gedanken drängt: Ich will weg, weg aus dieser Stadt, besser aus diesem Land, das mein Heimatland ist, in dem ich mich heimatlos fühle, seit ich denken kann. Gefühltes Denken, ein Denken, das ich ernst nehmen sollte und es nicht tue. Immer noch nicht, nicht einmal jetzt, wo mein Leben sich einem Zukünftigen zuwendet, wo Vergänglichkeit eine Größe annimmt, die bei jedem Blick in den Spiegel eine nicht mehr zu leugnende Gewissheit ist, längst. Jetzt, wenn nicht jetzt, kann ich noch einmal etwas verändern, bevor die Zeit und eine müde Langeweile mich überholen.

Mir fehlt der Mut, das Vertraute wiegt in Sicherheit, eine fragwürdige Sicherheit, ein Konstrukt, das Macht hat, mich hindert, den Sprung zu wagen, in ein Neues, Ungewisses. Der Mut steht hinter der Angst, die Sehnsucht, mal ein klägliches Etwas, mal ein großes Brennen mischt sich ein, sie kämpfen gegeneinander. Ich dazwischen.

Habe ich ihn verloren, den Mut, habe ich ihn nie besessen? Ich weiß es nicht, weiß nicht, was ich will, wusste ich es in einer anderen Zeit? Bin ich die Gleiche geblieben oder eine Andere geworden? Wer bin ich und wer will ich sein und ist das das Gleiche und was ist, wenn ich die werde, die ich bin. Ich weiß nicht, wer ich bin, nur wer ich auch bin und wer ich auch sein will, das sind viele und die eine, die weiß, haust inmitten dieser scharfen Splitter meines Ichs, irgendwo. Ich habe mich zu oft geschnitten.

Der Mann sagt zu mir: "Du suchst etwas, von dem du nicht weißt, was es ist." Er macht mich nachdenklich, noch nachdenklicher, dieser Satz, den er zu mir herrüberschiebt, beiläufig, in einem Gespräch, in dem es um etwas ganz anderes geht, eigentlich. Wie kamen wir dahin, an diese Stelle, die weh tut.

Ist es möglich sein Leben am falschen Ort zu verbringen? Und wie weiß ich, ob es der falsche Ort ist, oder nur meine Einbildung, dass es so sei. Ist es der falsche Ort, wenn all die Straßen, die ich gehe nicht zum Ziel führen, das Ziel bin ich, was sonst soll es sein. "Verstehst du das?", frage ich den Mann, der einen Platz hat im Leben. Wie soll er mich verstehen? Der Mann lächelt milde aus einem schönen Gesicht, um das ich meine Hände legen will, sagen will: "Gib mir einen Platz."

Ich will mich häuslich einrichten, ein altmodisches Wortgespann, das auf etwas hinweist, das mir fremd ist. Eine Fremde im Leben, im eigenen, in dem der Anderen sowieso. Das macht mich suspekt. Das Subversive klebt an mir und findet kein anderes Subversives um anzudocken. Ich verbringe Zeit mit mir selbst. Vergangenheit, Gegenwart, Zukünftiges. Da ist doch ein Knacks in mir, irgend etwas hat mich zersplittert, wann das war habe ich vergessen. Der Knacks vergisst mich nicht, er verlässt mich nicht, ich verlasse andere bereits im Moment des Ankommes, weil sie den Knacks nicht kennen. Es fehlt ihnen etwas. Mir fehlt etwas.

Der Mann ist genauer betrachtet einer ohne den Knacks, auch ihn werde ich verlassen. Ich bin schon fort und er weiß es noch nicht. Es wird ihn nicht weiter stören, denn er hat seinen Platz, den er behaupten wird.

Samstag, 27. November 2010

Die Magie der Gedanken

Ich traf die Frau in einem Laden, der teure Wäsche für Frauen verkauft, die sie sich leisten können, oder einen Mann haben, der sie ihnen schenkt. Ich war in diesem Laden um mich mit dem Anblick von etwas Schönen und zugleich Banalen abzulenken, von den Gedanken in meinem Kopf, die wenig schön und nicht banal waren an diesem Vormittag.

Die Frau saß auf einem Barhocker hinter der Ladentheke und war ungefähr in meinem Alter. Auf der Theke lag ein Buch. Auf rosa Grund stand in weißen Buchstaben: "Die Magie der Gedanken", darunter - "Fünf Regeln für ein glückliches Leben".

Schmale Lippen, mit einem auberginefarbenen Lippenstift nachlässig gefärbt, lächelten mich in Verkäuferinnenmanier an: "Kann ich Ihnen helfen?" Ich verneinte mit einem Lächeln, das mir an diesem Vormittag schwer fiel. Die Wäsche interessierte mich nicht mehr. Meine Aufmerksamkeit galt dem Buch. "Darf ich sie fragen, was Sie da lesen?" Das Lächeln der Frau breitete sich aus, verwandelte sich in ein glücklichseliges Strahlen. "Dieses Buch ist meine Rettung", sagte sie und, dass ihr das Buch die Augen geöffnet habe, dass sie nun endlich wisse, wie man im Leben alles bekommt, was man sich wünscht, wenn man die Macht der Gedanken einsetzt.

Ohne Unterlass setzte sie ihren Monolog fort, erklärte mir, dass jeder Mensch selbst für das verantwortlich sei, was in seinem Leben geschieht, ganz gleich ob im Guten oder im Schlechten, dass es kein Schicksal gebe und dass wir alles steuern können, wenn wir nur die richtigen Gedanken denken. Ich hörte zu, schwieg, wissend, eine Zwischenbemerkung oder eine Frage zu stellen wäre ein sinnloses Unterfangen. Endlich endete sie mit dem Satz: "Sie müssen wissen, wir sind der Herr unsers eigenen Lebens."

Ob sie eine Antwort erwartete weiß ich nicht, ehrlich gesagt, es interessierte mich auch nicht. Es gibt Worte auf die es keine Antworten und auch keine Fragen geben kann. Mir blieb ihr zuzulächeln. Das tat ich und verließ den Laden.

In meinen Kopf formten sich Antworten, die mich nach Hause begleiteten.
Welch eine Anmaßung, zu glauben Herr des eigenen Lebens zu sein. Wie vermessen ist die Überzeugung mit dem Verstand und der Macht der Gedanken alles im Griff zu haben und alles erreichen zu können. Solche Gedanken sind eine Allmachtsfantasie unserer Zeit. Sie sind falsch, denn das Unterbewusste ist stärker als der bewusste Verstand und - ja, es gibt etwas, das größer ist als wir.










Montag, 22. November 2010

Was ist Kultur? Eine subjektive Reflexion

Anthropologisch verstanden deckt das Wort „Kultur“ alles ab, vom Ackerbau, über die Kleidung, das Fußballspiel, bis hin zum Besuch eines Theaterstückes. Nach der anthropologischen Definiton hat der Begriff Kultur eine Bandbreite grenzenloser Möglichkeiten. Daher besteht auch die Schwierigkeit einer allgemeinverständlichen, allgemeingültigen und allgemein akzeptierten Definition des Begriffs Kultur. Der Begriff Kultur hat in der Moderne die Schwammigkeit eines Ausdrucks, der alles umfasst, was von Menschen geschaffen ist und menschliches Handeln angeht. Nach der anthropologischen Definition ist der Begriff Kultur die Angelegenheit einer Massenkultur, die eine Fülle von Subkulturen lebt und praktiziert.

Kultur, im klassischen Sinne, verstanden als Geist, Schöpfungs, Bildungs- und Werteprinzip, dient ihrem Denkansatz und ihrer Ausübung nach dem, was menschliche Seinsverwirklichung und Entwicklung ausmacht. Ihrem Wesen nach ist Kultur im klassischen Sinne die komplexeste Form menschlicher Veredelung mit dem Ziel einer bewussten, kultivierten (gepflegten), menschlichen Lebensweise im Sinne von: Was der Mensch sein könnte, in seinem Denken und Handeln, individuell und kollektiv, im Umgang mit sich selbst und anderen.

Die Fülle der Subkulturen, wo Fast Food, wie der Hamburger zum Kulturgut, im Sinne von Esskultur, mutiert ist führt nicht zu menschlicher „Veredelung“ – sie führt mehr und mehr zur Verfettung eines Volkes. Diese Art von Kultur wendet sich gegen das Prinzip „mens sana in corpero sano“, ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.

Medialer Subkultur, die heute allgemein als Kultur empfunden wird, haftet oft Ungesundes und Destruktives an. Ungesundes und Destruktives zeigt sich auch in TV- Formaten, in welchen freiwillige Protagonisten „vorgeführt“ und im schlimmsten Fall der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Auf diese Weise werden sukzessiv menschliche, ethische und moralische Werte wie Respekt, Achutung, Würde und Toleranz im Rahmen eines Medienspektakels zerstört und letztlich zerschlagen. Interessant dabei, am Rande bemerkt, ist der Aspekt des Opfer-Täter Themas, das sich hier relativiert und verkehrt. Mittels dieses, durch permante Wiederholung nachhaltig sich verfestigenden Wahrnehmungsstimulus wird suggeriert: Wer freiwillig handelt ist kein Opfer. Der in der Tat „handelnde“ Protagonist wird aber vom Publikum dennoch als solches wahrgenommen, verachtet, bemitleidet oder verurteilt. Die „Täter“ (die Moderatoren) werden bewundert. Wer ist hier Täter und wer ist Opfer, oder sind beide Beides und wer sind die wahren Täter?

Kausal sind diese Auswüchse einer verdrehten Scheinwelt von jenen inszeniert, die derartige Sendungen kreieren. Nachdenkenswert ist die Frage: Aus welcher Motivation heraus und mit welcher Absicht werden solche Formate entwickelt und von den verantwortlichen Entscheidern abgesegnet? Die degenerative Beeinflussung der Gedanken- und Gefühlswelt eines Volkes als kulturelles Massenprogramm? Ist das Kultur?

Die subkulturelle Macht der Medien wird unterschätzt: Aufgrund ihrer Verbreitung in Millionen Haushalte sind Fernsehen und Internet nahezu allmächtig und nur durch konsequentes Selektieren des Einzelnen (was will ich sehen, was nicht?) kontrollierbar. Aber, wie bewusst ist der Einzelne? In den Spaßgesellschafts- Formaten der medialen Unterhaltungsindustrie, wie etwa „Deutschland sucht den Superstar“, wird ein Menschenbild inszeniert, das mit Wertschätzung und Toleranz, Achtung und Respekt vor dem Gegenüber wenig zu tun hat. Der Mensch wird hier vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit durch Bewertung Einzelner in seiner Individualität und Integrität verletzt und damit vor dem Kollektiv, in diesem Fall der Masse der Fernsehzuschauer, „entwertet“. Ob freiwillig oder nicht.

Die durch das Fernsehen unterstützte und propagierte Entwertung des Menschen, betrieben durch fragwürdige Vorbildfiguren, wird als Normalität in zwischenmenschlicher Kommunikationsform verinnerlicht und somit zur gesellschaftlichen akzeptierten und adaptierten Norm. Die kognitive Erfahrung, die so konditioniert wird, ist eine durch das Fernsehen gestützte und legalisierte Missachtung des Menschen in seinem Menschsein. Darin liegt die Gefahr einer kulturellen Verrohung des Subjekts. Man stelle sich das in etwa so vor: „Der Bohlen beleidigt doch auch die Leute …also darf ich das auch“.

Wie ist es möglich, dass ein Staat sich über eine schleichende Verrohung wundert, die ihre Auswüchse in einer Zunahme von Gewaltdelikten, besonders unter Jugendlichen und Familien hat, wenn er dem tabu- und ethiklosen Treiben der Medien kritiklos zuschaut? Und wie gefährlich ist der Gegensatz zwischen Alltagsrealität, wo das ökonomische Überleben im Focus steht und dem, was die Medien uns an schöner Konsumwelt vorgaukeln?

Er zeigt sich an den Randgebieten als Ausdruck einer Subkultur, welche sich auf einer allgemeinen Verrohung durch die Medien, auf dem Bodensatz einer Gesellschaft in der Krise, einer Vermehrung sozialer Randgruppen (Migranten, Arbeitslose, arbeitslose Jugendliche) und einer wachsenden Orientierungslosigkeit gründet. Diese Menschen ziehen ihre ungesunde Nahrung aus Perspektivlosigkeit und diffuser Angst, welche durch das Kippen des bröckelnden Sozialstaates Deutschland wächst, dessen Auffangsysteme mehr und mehr in sich zusammenfallen. Mit dem Effekt, dass Frustration, Ohnmacht und Wut wachsen, die sich mehr und mehr in der Öffentlichkeit, inmitten der Strassen, entlädt.

Hohe Arbeitslosigkeit, breite Verarmung, die immer weiter zunehmende Polarisierung zwischen Arm und Reich, die Perspektivlosigkeit der Jungen und die Hoffnungslosigkeit derer, die doppelt gedemütigt wurden, weil ihre Leistungen nichts mehr gelten und weil sie im System keine Chance mehr haben - das ist der Nährboden für den Verlust aller Regeln, Empathie und Humanität.

Wer in der Werbung täglich vorgegaukelt bekommt, was für ein "gutes Leben" nötig ist, aber keine Chance hat dieses durch ehrliche Arbeit zu erreichen, wer gleichzeitig erlebt wie die der Staat für Eigenwerbung Geld verpulvert, wie sich durch Spekulation riesige Einkünfte ansammeln, wie arbeitslose Menschen stigmatisiert und von Politkern via Fernsehen über einen Kamm geschert werden, wie subtile Feindbilder geschaffen werden - wie wird der reagieren? Ein Staat, der die soziale Polarisierung immer weiter vorantreibt wird in ihrem Gefolge Korruption und Kriminalität, Extremismus, Rassismus und Gewalt finden.

Viele Menschen leiden daran, dass ihre reale Lebenssituation, die von Angst geprägt ist und vom lähmenden Gefühl der Ausweglosigkeit beherrscht wird, permanent von den Erlebensmöglichkeiten einer Reizkultur überdeckt wird, die ihnen vorgaukelt, dass alles möglich ist. Sie spüren die Lüge und den Verrat.

Ist das Kultur? Und in wieweit ist der Staat mitverantwortlich für das, was Kultur sein soll und als solche kommuniziert und gelebt wird?

Um zu einer Sinn machenden Definition des Begriffs KULTUR zu gelangen müssen wir uns dem Begriff der Kulturkritik zuwenden. Weiter wenden wir uns damit folgerichtig einer Differenzierung des Begriffs Kultur zu: einem Kulturbegriff, der darauf basiert, dass Kultur einst ein geistiger Begriff war. Dieser definiert Kultur als ein ausdifferenziertes Teilsystem der modernen Gesellschaft, dass sich auf intellektuelle und ästhetische Weltdeutungen spezialisiert und von der Massenkultur abgrenzbar scheint. Mit dieser Option soll Kultur aus diesem Teilsystem heraus nach außen, in die Massenkultur wirken und zwar kritisierend, konstruktiv und mit Vorbildfunktion.

„Erst dem Tun entspringt das Sein. Tun ist gestalten, formen, bilden“, schreibt der Kulturphilosoph Ernst Cassirer.

Wenn das Tun aber sinnentleert ist und zu affektiver Verrohung und Verdummung führt – welche Gestalt formt es dann und was bildet es heraus?

Massenkultur versus Kultur?

Hier befinden wir uns zwischen einem entmutigenden und quälend engen Kulturbegriff, den jede der „kulturellen“ Gruppen für sich vehement verteidigt, besonders deshalb, weil die Identitätsbildung einer Gruppe stark mit ihrer gelebten Kultur verbunden ist. Wenn Kultur alles bedeuten soll, was von Menschen gemacht ist und nicht von Natur aus gegeben ist, dann gehören die Medienkultur, die emotionale Verrohung, die Gewalt und die Angst dazu. Die Massenkultur weicht die Ästhetik eines sinnhaften Kulturbegriffs auf. Ist die Idee der Kultur damit heute in der Krise? Oder gehen Kultur und Krise seit jeher Hand in Hand? Nie zuvor war Kultur weniger ein geistiger Begriff als im Zeitalter der Medien und der Reizüberflutung. Kulturkritiker sprechen von Reizkultur. Kultur heute ist ein Schlagwort für alles und jedes. Ein Begriff den sich jedermann gefügig machen kann, weil er nicht geschützt ist und aufgrund seiner anthropologischen Definition unendlich ausweitbar.

Wir stecken in einem Dilemma, zumindest die, denen die Kultur als Nahrung für Seele, Geist und Körper, in ihrem Ethos, den sie meiner Ansicht nach bedingt, wertvoll ist. Wie etwas verfolgen, wie etwas umsetzen, von dem keiner mehr weiß was es bedeutet? Wie damit umgehen, wenn einer behauptet, Skateboarden und Komasaufen sei für ihn mehr Kultur als Literatur, Kunst, Musik oder philosophisches Denken.

Die Feinde der Kultur sind die Dummheit, die Ignoranz, die Unfähigkeit zur Selbstreflexion, das Bedürfnis nach endloser Betäubung durch äußere Reize, die Gier nach Genuss und Befriedigung und das Streben nach Haben in einer Welt in der sich das Sein ausschließlich über das Haben definiert.

Wer für die Kultur und im Sinne der Kultur arbeit will sicher nicht ein Wiederaufleben der bürgerlichen Hochkultur, die ausschließlich einer Elite zugänglich ist. So wird sie zu einer Minderheitsangelegenheit und verfehlt ihren Zweck, nämlich das Herausbilden von Funktionalem und das Erhalten von Werten. Kultur heißt immer auch Tradition und Entwicklung - und dies zum Besseren hin. Aber wer entscheidet was das Bessere ist? Die Medien sicher nicht. Die Wirtschaft sicher nicht. Der Staat? Überlassen wir die Kultur dem Staat, so wird die Kultur politisch und damit unfrei und im Zweifel, wie die Geschichte zeigt, zum Machtmittel mit verheerenden Folgen.

Kulturelle Entwicklung und Veränderung bedeuten: jenes, was vom Alten, Erprobten, Traditionellen, Sinnvollen, Menschlichem, Wertigem und Sinngebenden funktioniert und sich bewährt hat mit hinüber zu nehmen in das Neue. Es geht nicht um Innovation um jeden Preis, es geht um Integration, auch mit dem Ziel einer Individuation des Einzelnen im Kollektiv, denn dieses besteht letztlich aus Einzelnen, um das Beste für das Ganze durch den Einzelnen zu bewirken.

Die Verfassung der Menschenrechte fordert in Art. 15 das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben. Entscheidend für ein sinnvolles und sich zur Humanität hin entwickelndes kulturelles Leben ist, zu erkennen, was zu prosaisch ist, was zu destruktiv ist, zu zersetzend um als Kultur empfunden und verbreitet zu werden.

Der Kulturphilosoph Ernst Cassirer befand, dass der Mensch nicht in einem physikalischen, sondern in einem symbolischen Universum lebt, dessen Bestandteile Sprache, Mythos, Kunst; Religion, Wissenschaft und Politik sind. Dieses von den Menschen selbst geschaffene Netz verfeinert sich nach Cassirer mit jedem Fortschritt in Erfahrung und Denken. Massenkultur aber, die dem Menschen sichtlich und fühlbar schadet ist kein Fortschritt in Erfahrung und Denken und damit keine Kultur. Wäre dies so, stellt sich die Frage: ist der Vernunft in einer Welt der Sinnentleerung Sehen und Hören vergangen?

Donnerstag, 18. November 2010

Neue Daten in die Schachtel der Erfahrungen

Wir alle sind geprägt von unseren Erfahrungen, besser, davon, wie wir all diese Erfahrungen wahrgenommen haben. Nicht das Erfahrene gibt den Dingen und Erlebnissen ihre Bedeutung, sondern das Gefühlte dieser Erfahrungen. Das prägt uns.

Es ist wie ein Subtext, der bei allem was wir tun mitläuft. Wie die Untertitel im Fernsehen, der Crawl bei den Nachrichtensendungen laufen diese "gefühlten" Erfahrungen mit. Unten eben, im Unterbewussten. Wir merken es nicht mal.

Wenn wir es merken, nehmen wir uns vor etwas daran zu ändern, besonders dann, wenn diese alten Erfahrungen uns im Leben blockieren. Also versuchen wir sie zu löschen. Geht aber nicht. Was in der Schachtel der Erfahrungen drin ist, bleibt hartnäckig wo es ist, es ist sozusagen auf der Festplatte gespeichert. Ab in den Papierkorb? Ein sinnloses Unterfangen, denn die Erinnerungen auf unserer Festplatte lassen sich nicht wegschmeissen.

Neue Erfahrungen machen und so neue Daten speichern? Eine Möglichkeit. Jedoch muss man dabei auf der Hut sein, denn ich habe den leisen Verdacht, dass unser hinterhältiges Unterbewusstsein genau auf das anspringt, was es schon kennt. Mit anderen Worten: Wir springen, ohne es zu wollen, immer wieder auf ähnliche Dinge, Situationen und Menschen an, die zu unseren Erfahrungen irgendwie passen - und tappen immer wieder in die Falle ähnlicher Erfahrungen.

Was tun?
Das Muster erkennen? Das könnte bedeuten: Da hin gucken, wo es im Zweifel weh tun könnte. Das könnte bedeuten: Fragen stellen. Solche vielleicht: Warum passiert mir das immer wieder? Warum falle ich immer wieder auf den gleichen Typ Mann rein, warum sage ich ja, wo ich eigentlich nein meine, warum lasse ich mich immer wieder von anderen einspannen, wo ich doch mein eigenes Ding machen will? Warum versuche ich freundlich zu bleiben, wo ich eigentlich eine Stinkwut habe? Das sind gute Fragen, finde ich.

Jeder, der so im Leben rumwurschtelt und nie oder nur mühsam erreicht was er gern erreichen würde, es ob seiner Fähigkeiten auch durchaus ganz leicht erreichen könnte, hat eine Wunde, einen Knacks, ein Selbstkonzept, das alles andere als gut für ihn ist. Er hat ein fest einprogrammiertes Glaubensmuster über sich und über seine Wirkung in der Aussenwelt. Ein Muster, das geprägt ist von Selbstkritik, von zu viel Selbstreflexion, Selbstzweifeln und dem Gefühl, aus dem all das geboren wird - das Gefühl heißt: "Ich bin nicht wertvoll genug." Wofür nicht? Um es mir gut gehen zu lassen, um mich durchzusetzen, um mich zuerst um mein Leben zu kümmern und dann vielleicht, wenn ich wirklich will, um das der anderen?

Man kann sich dieses Glaubensmuster vorstellen wie eine Energie, die nach Aussen abstrahlt. Hätte sie eine Farbe wäre sie Grau. Und dieses Grau wird wahrgenommen und zwar von denen, die ähnliche Gefühle haben, die eine Resonanz zu unserer Energie haben, weil sie ähnliche Glaubensmuster und vergleichbare Selbstkonzepte haben. Wie heißt es doch so schön: "Gleich und gleich gesellt sich gern. Oder wie Rilke schreibt: "Wir lieben was uns gleich ist..."
Bäng! ist man wieder um eine ähnlich Begegnung, um eine ähnliche Erfahrung reicher, die man nie mehr machen wollte. Also, auch wenn es einfacher wäre zu glauben, "schnöde Welt, du bist schuld", ich denke es liegt an uns, wenn uns zum hundertsten Mal das Gleiche in anderer Gestalt und abgewandelter Form begegnet. Nix mit - aus Erfahrung wird man klug. Weit gefehlt!

Gleichwohl, und das ist das doppelt Vertrackte, merken auch die, die nicht in unserer Energie schwingen, was da so rüberschwingt. Wodurch? Also, meine liebe Oma hatte da so einen Spruch, der heißt: "Wer den Rücken beugt, dem wird reingetreten." Übrigens, meine Oma gehörte zu denen, die ihn immer schön gebeugt haben. Sie wusste wovon sie sprach. Nebenbei gesagt, die Oma ist nicht alt geworden.

Wenn andere merken, dass wir uns klein fühlen (wer sich klein fühlt, verhält sich auch so) und dass wir uns selbst nicht wirklich gut finden, dann behandeln sie uns nicht gut. Haben wir ja auch nicht verdient. Am Ende wird man krumm vom Beugen. Wissen tun wir das irgendwie alle und doch begegnen mir immer wieder Menschen, die, trotzdem sie es wissen, immer schön in die alte Schachtel greifen und das mit der Ausrede: So bin ich halt! So bin ich auch, würde mir besser gefallen.

Also ich sag mal so. Erfahrungen kann man verändern. Veränderung ist ein Prozess. Neue Daten in die Schachtel packen bedeutet Arbeit an uns selbst. Wunder und Wünsche, na ja, das hatte ich schon an anderer Stelle.

Aber es gibt eine gute Übung um neue Daten zu sammeln und neue Erfahrungen zu machen. Die Übung heißt: "Ich bin der wertvollste Mensch in meinem Leben!" Besonders dann anzuwenden, wenn wir uns mal wieder beim Rückenbeugen erwischen. Das bedeutet auf uns selbst Acht zu geben. Das ist genau das, was eine gute Mutter für uns tun würde. Ich übe es gerade.







Dienstag, 16. November 2010

Gott hat mit Wunschkonzerten nichts zu tun ...

"Gott ist kein Würfelspieler, und mit Wunschkonzerten hat er auch nichts zu tun", sagte ein Freund zu mir. Es war seine Antwort auf die Enttäuschung meines Sohnes, der traurig ist, weil er seine Wünsche von Gott nicht erfüllt bekommt. Es sind keine großen Wünsche, aber wesentliche Wünsche, Wünsche für sein Leben, das anders ist, als er es sich gewünscht hat. Und ich mir für ihn.

Der Freund hat Recht. Nein, Gott ist sicher kein Würfelspieler und für Wunschkonzerte hat er sicher auch keine Zeit. Die Ohren müssen im klingen von all den Wünschen, die zu ihm dringen - ein lautes Wunschkonzert. Sicher hat er längst den Ton ganz leise gedreht. Ich nehme es ihm nicht übel. Das ist gesunder Selbstschutz.

Immer weniger Menschen glauben an Gott. Gott ist altmodisch geworden. Er wohnt in den Kirchen und in den Schriften der Bibel, dieser Gott von dem man uns von Kindesbeinen an, erzählt hat. Wir haben ihn in Erinnerung wie die Märchen der Gebrüder Grimm. Doch immer dann, wenn das Unerwartbare in unser Leben einbricht, dann, wenn ein einziger Augenblick alles ändert was war, immer dann, wenn die Krise sich zeigt, dann erinnern wir uns, dann glauben wir wieder, dann beten wir, dann verlegen wir uns auf das Wünschen. In der Verzweiflung ist Gott oft der letzte Halt. Nun, vielleicht stinkt ihm das, dass wir ihn nur dann ansprechen, wenn wir nicht mehr weiter wissen. Mal ehrlich, ich wäre ziemlich sauer, wenn die, die ich liebe, nur dann anklopfen, wenn sie nicht mehr weiter wissen.

Trotzdem. Ich bin für das Wünschen. Oder besser: Ich bin für das Bitten. Ich bin für jeden Versuch, für jede Möglichkeit, die uns hilft weiter zu machen. Ich weiß, das Mögliche ist immer möglich. Auch wenn der Versuch misslingt - es war ein Versuch. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass er gelingt, dass mir meine Wünsche und Bitten erfüllt werden. Dann habe ich das Gefühl, dass ich ein Geschenk bekommen habe. Es sieht nur anders aus, als ich es mir gewünscht habe. Die Geschenke von Gott sind in der Regel auch nicht so schön verpackt, wie wir wir uns das wünschen. Aber wenn wir genau hingucken, dann sind es wertvolle Geschenke. Unser Begabungen zum Beispiel, die Potentiale, die in uns angelegt sind, die Kraft weiter zu machen. Das sind Geschenke, die wir allzu oft nicht erkennen, nicht schätzen und nicht nutzen. Dann liegen sie da, unbeachtet - und dafür kann Gott dann gar nichts. Dafür können wir etwas. Mein Gott, was soll er denn da machen?

Wenn ich an Gott denke, dann denke ich an ihn wie an einen guten Vater, der seinen Kindern Werkzeuge in die Hand gibt, um das zu erschaffen, was ihnen mit genau diesen Werkzeugen möglich ist. Machen eben, nicht machen lassen. Probieren, was geht. Ausprobieren, immer wieder, bis es klappt. Üben, solange wir leben. Ich denke, die Kunst ist zu sehen, was möglich ist, mit diesen Werkzeugen. Und wie alle Kunst bedeutet das, ein beständiges Arbeiten, Entwickeln und Vervollkommnen. Ja, Arbeit! Und zwar an uns selbst, am Leben.

Nein, Gott hat mit Wunschkonzerten nichts zu tun.
Wir bekommen nicht immer das, was wir uns wünschen, aber ich glaube fest daran, dass wir bekommen, was wir brauchen, um der zu werden, der wir sind.









Sonntag, 14. November 2010

Nachtrag zum brotlosen Künstlertum


Nein, das kleine Theater war nicht brechend voll. Nein, es gab keine Riesenschlange, die unseren Mann am Einlass ins Schwitzen brachte, weil er mit dem Ticketverkauf nicht nachkam. Nein, die Premiere war nicht ausverkauft. All das war nicht.

Sicher, wir haben es uns gewünscht. Die Regisseure, das Schauspielerteam, die Nebendarsteller - wir alle hatten Hoffnung auf ein ausverkauftes Haus. Wir haben gute Pressearbeit gemacht, es gab Vorberichte in den Zeitungen, wir haben per Mail und per Post Einladungen verschickt und fünftausend Flyer verteilt. Wir haben getan, was richtig, wichtig und sinnvoll war. Und trotzdem: ein volles Haus gab es nicht. Aber es war auch nicht niemand da, der das Stück sehen wollte. Die Zuschauer, die da waren, denen hat es gefallen. Sie haben uns drei Stunden lang ihre Aufmerksamkeit geschenkt, sie haben mit uns interagiert und kommuniziert. Am Ende haben sie uns applaudiert. Das war der Lohn für drei Wochen intensive Probenarbeit, der Lohn für die Anstrengung beim Proben im kalten Theaterraum, der Lohn für die Konzentration auf ein fantastisches Stück Theater und die Entwicklung aller Figuren. Wir haben uns gefreut. Wir haben diesen Moment des Applaudierens genossen.

Und genau darauf kommt es an. Auf den Moment, wo da dieses Gefühl ist, etwas Gutes und Sinnvolles gemacht zu haben, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere. Ein schöner Moment. Es kommt auf all die Momente an, in denen die brotlosen Künstler am Werk sind. Momente, in denen sie ihr ganzes Sein in die Arbeit geben und sich in ihr verwirklichen. In diesen Momenten geht es nicht um das Verfolgen egozentrischer persönlicher Ziele, da wird nicht wegen eines Endergebnisses gemacht und getan, da wird Kunst gemacht und zwar mit der ganzen Aufmerksamkeit im Moment. Da zählt der Akt an sich, das Tun selbst. All das sind Momente der Erfüllung, der Hingabe an etwas, das erschaffen werden will, das in Kostüm und Maske leben will. Das sind erfüllende Momente eines kreativen Prozesses.

Nein - es geht nicht um den sturen Blick auf den Erfolg. Wäre das so, hätten viele brotlose Künstler ihre Arbeit längst hingeschmissen. Ihre Spezies wäre ausgestorben.

Der Lohn den so manche übersehen, den auch der brotlose Künstler bisweilen übersieht, wenn die Resonanz auf das Geschaffene nicht überwältigend ist, ist mehr wert als Geld. Der Lohn ist dieses tiefe innere Wissen, dass Zufriedenheit nicht von Erfolg und Mißerfolg abhängt. Und genau darin liegt Freiheit.


Es lebe die brotlose Kunst!

Brotlose Künstler gelten als Künstler im klassischen Wortsinn. Sie schaffen um des Schaffens willen, sie schauen nicht auf Wohlstand, oder eine funktionierende Zentralheizung. Ihnen genügen Begriffe wie Lob und Anerkennung. Wann immer sie ein Werk vollendet haben, drängt es sie nach neuen Taten.


Sie wissen, wichtiger für den Erfolg als Können und Qualität sind gute Beziehungen zu bestimmten Menschen, die Macht und Einfluss haben, zu Kommissionen und Redaktionen.

Sie wissen, dass sich die große Mehrheit der sozialen Norm fügt und die Zahl der Abweichler, die Kunst für eine lebensnotwendige Sache halten, gering ist.

Sie wissen, dass es der Mehrheit nicht um Inhalte, sondern um eine attraktive Verpackung und leicht verdauliche Unterhaltung geht.

Sie wissen, dass die Mehrzahl der Besucher von Vernissagen nicht um der Werke willen, sondern zum Prossecco Trinken, Häppchen essen und Smalltalken erscheint.

Sie wissen, dass der Erfolg aller Kunst vom richtigen Marketing abhängt und nicht von der Qualität des Werkes.

Sie wissen, dass gutes Marketing viel mit Imagepflge zu tun hat.

Sie wissen, dass erfolgreiches Marketing viel Geld kostet.

Sie wissen, dass Glück ein entscheidender Faktor ist, um nachhaltig Erfolg zu haben.

Sie wissen, wie anstrengend es ist von Pontius zu Pilatus zu laufen, um Geld für ihre Projekt zusammenzubetteln.

Sie wissen, dass Kreativität ein soziales Problem ist, sowohl was ihre Definition, ihr Zustandekommen, als auch ihre Anerkennung betrifft.

Sie wissen, dass nicht die Kreativität das Problem ist, sondern ihre Durchsetzung.

Sie wissen, dass das Allgemeine das Besondere schlägt.

Sie wissen um die Sinnkrisen, die ins Bodenlose ziehen und um die immer wieder kehrende Frage: Warum mache ich das eigentlich?

Sie wissen, dass es nur eine Antwort auf diese Frage gibt: Ich kann nicht anders.

Sie wissen, dass sie weitgehend auf immer wieder neue Selbstmotivation angewiesen sind.

Sie wissen, dass sie trotz aller Niederlagen, aller Irrtümer und Zweifel, der Mensch sind, der sie sind und kein anderer werden.

Sie wissen, dass sie dennoch ihrem Innern immer wieder Glauben schenken müssen.

Sie wissen jenseits von Sieg und Niederlagen liegt ihr Ruhm.

Sie wissen, dass der Glaube an sich selbst, das Elexier ist, dass sie leben lässt.

Sie wissen: die Geschichte hat bewiesen, dass viele der heute anerkannten Künstler der Hochkultur zu Lebzeiten verfemt waren. Sie wissen um die vielen Maler, die zu Lebzeiten keine Anerkennung fanden. Sie wissen um die Denker, die im Kerker landeten, oder ihre Ideen mit dem Tod bezahlen mussten.


Sie wissen: Der Erfolg stellte sich eben erst nach dem Tod des Künstlers ein.

Sie wissen: Brotlose Kunst ist niemals tot!



Samstag, 13. November 2010

Ratlos

Ich bin manchmal ratlos. An einem Punkt, wo ich die Welt nicht mehr verstehe. Unsinn, man kann Welt nicht verstehen, die Formulierung ist, bar jeder Grundlage gesunden Menschenverstandes, ein Dahingesagtes, nichts weiter. Dann schon lieber ein "Ich weiß, dass ich nichts weiß", nach Sokrates.

Je mehr ich zu verstehen versuche, desto mehr überfällt mich das Gefühl, dass es absolut sinnlos ist, ein untauglicher Versuch an einem untauglichen Objekt - Welt. Ich, du, er, sie, es, wir - verstehen wen? Mich selbst? Nicht immer. Den anderen? Immer weniger. Missverständnisse sind an der Tagesordnung. Nein, wir sprechen nicht die selbe Sprache.

Ich verlegte mich irgendwann darauf mit mir selbst zu sprechen. Laut mit mir selbst. Ich führe Selbstgespräche, ohne verrückt geworden zu sein. Ver - rückt bin ich schon lange. Ich führe Dialoge mit den Worten. Sie geben mir dann Antworten. Manchmal sind sie klug, manchmal banal, manchmal sind auch die Antworten wieder Fragen. Das ist in Ordnung, wenn ich es in Ordnung sein lasse. Man kann Welt nicht verstehen. Niemals. Und vielleicht ist das auch in Ordnung.

Ich führe Dialoge mit anderen, die auch nicht verstehen. Sich selbst nicht. Mich nicht. Das ist ein Monologisieren, aneinander vorbei. Das ist, Positionen halten wollen. Darum geht es letztendlich meistens. Ein Standing muss der Mensch doch haben, sonst ist er ein Fähnchen im Wind.

Entwicklung kann sich ein Standing nicht leisten. Das Leben ist eine Kippfigur. Instabil. Es erfordert Beweglichkeit. Der zu stabil sein will fällt um, im Zweifel. Ich, instabil, kippe mal da hin, mal dort hin. Die Starre tritt ein, wenn ich verstehen will und das vermeintlich Verstandene zu sehr glaube. Ratlosigkeit hingegen ist der Impuls wieder neu zu beginnen, im Wissen, dass ich nichts weiß.




Mittwoch, 10. November 2010

Was heißt Leben auf die Reihe kriegen?

Ich schreibe, weil ich viel nachdenke und weil ich mich ausdrücken muss. Was sich nicht ausdrückt, drückt sich ein. Ich schreibe nicht nur für mich selbst, ich schreibe für die, die ähnlich denken und fühlen. Ich schreibe, weil ich an das Wort glaube und weil ich vieles nicht aushalte, was da draussen ist.

Und manchmal bekomme ich Antworten von Menschen, die meine Worte lesen. Diese Antwort hat mich berührt. Hier ist sie:

Liebe Angelika,
Ich weiß auch nicht, was das mit uns ist. es muss doch möglich sein, im mittleren Alter, seine Erfahrungen, seine Werkzeuge mit sozialer Kompetenz einzusetzen und normal dafür entlohnt zu werden. Ich finde es wichtiger denn je. Es gibt auch immer mehr Zeitungsartikel und Fernsehbeiträge darüber. Die Umsetzung findet allerdings nicht statt.

Ich verstehe nach wie vor nicht, dass, wenn man mal von dem Zug abspringt, aus den verschiedensten Gründen, sich entwickelt und mit dieser Weiterentwicklung, also anders, verändert, in neuer Form, wieder aufspringen möchte, es nicht geht, man zum Sonderling wird. Komischerweise finden es alle irgendwie toll aber so richtig wollen sie einen so nicht. Zumindest nicht dafür bezahlen. Tipps werden gerne genommen. Wir haben nicht mehr die Wahl, denn wir haben uns für diesen Weg entschieden, zurück geht nicht. Nur: wie gehts weiter? Verheddern wir uns?

Du schreibst dir die Finger wund, Angelika, deine Gedanken machen keinen Halt, kein Thema lässt du aus. Du setzt dich mit allem auseinander. Kritisch. Und das ist vielleicht der Punkt. Aber kritisch sein ist doch der Weg zum Ziel. Es muss doch eine Lobby für Querdenker geben. Ohne sie, entwickelt sich nichts. Hat sich doch auch mittlerweile rumgesprochen. Selbst in die oberen Vorstandsetagen, aber da laufen verkleidete Marionetten ihrer selbst herum, die sich winden und aus Angst ihren Posten, Macht und Geld und Statussymbole zu verlieren, arrogant herumlügen und wenns nötig ist, Kollegen in die pfanne hauen, um ihren Allerwertesten zu retten. Habe ich oft genug gesehen. Meine mir, damals einzig mögliche Antwort war Flucht. Verbal kam ich nicht gegen die an. Das ändert sich langsam aber stetig.

Was heißt "Leben auf die Reihe kriegen"? frage ich mich. Vielleicht ist unser Leben auf unsere Weise auf der Reihe.

Ich danke Anja Schultze dafür, dass ich ihre Gedanken veröffentlichen darf!


Sonntag, 7. November 2010

Aus aktuellem Anlass: Bushido und der Gangsta Rap

Wir hetzen Kinder schon in der Schule in Konkurrenz und Konsumwahn, statt Solidarität und Mitmenschlichkeit zu vermittlen. Damit machen wir die, die dem durch Werbung propagierten Standard nicht folgen können, zu Versagern. Sie wehren sich durch „abweichendes" Verhalten. Gewalt, Rassismus, Extremismus, Drogen, Kriminalität. Unterstützt und glorifiziert wird dieses destruktive Lebensgefühl von Figuren wie Bushido. Bushido ist einer jener Egomanen, die sich selbst stilisieren und inszenieren. Er macht sich zum Helden, dessen Heldentum darin besteht, Parolen der Gewalt, Aggression und Menschenverachtung in Beats zu packen, der vom Knast singt, den er ein einziges Mal für zwei Wochen U-Haft von Innen gefühlt hat, der sich in eine Welt des Ghettos hineindichtet, die er vom Designersofa aus beguckt wie einen Fantasyfilm und dann vermeldet, wenn die eigenen ungeborenen Kinder diese Texte mal hören würden, ein Problem zu kriegen, so zu lesen in Bushidos Biografie. Höchst authentisch, oder doch nicht?

Bushido ist ein Gaukler, einer der unzähligen Hofnarren einer zweifelhaften Reizkultur, die überreizt, ausreizt was geht, um des Geldes Willen, das in die eigene Tasche wandert und sonst nirgendwohin. Nicht zu vergessen die eigene Anerkennung. Dieses Bedürfnis ist hoch, geleitet vom intrinsischen Motiv der inneren Zerissenheit und Verletzheit eines vom Vater früh verlassenen Jungen mit Migrantionshintergrund. Bushido ist ein Spieler, der vielleicht nicht einmal weiß, mit wem er da eigentlich sein Spiel spielt. Mag sein, dass er der Gesellschaft den Spiegel vorhält - aber, wäre das in der Tat so - hätte diese Gesellschaft den ihr vorgehaltenen Spiegel längst zerschlagen. Nichts hassen wir mehr als jene, die uns das Böse, das Verdrängte, die eigene Schlechtigkeit,die eigene Fehlbarkeit, das eigene Versagen, die eigene Schwäche spiegeln.

Bushido erhält Akzeptanz auf dem Plüschsesselthron eines Johannes B. Kerner, wo der böse Junge auf einmal „guter Junge“ ist, der das, was er singt, ja eigentlich gar nicht so meint. Was jetzt? Was meint der denn jetzt, meint er es so, hat er überhaupt eine Meinung, oder eben keine und was meint er dann wirklich?

Bushido ist ein Phänomen, dem sich sogar reflektierte Menschen nicht zu entziehen vermögen. Er ist eine Kultfigur der Subkultur und wird als solche in die Musikgeschichte eingehen. Schön für Bushido. Gönnen wir es ihm, gönnen wir seinem Narzissmus das Erleben der Grandiosität - ist er allein, versinkt er in tiefe Depression, so zu lesen in seinem biografischen Werk.

Was aber ist mit denen, die er anspricht, denen er „aus der verwundeten, ohnmächtigen Seele“ spricht, deren Fürsprecher und Führer er sein will, und dann ja doch wieder nicht, weil er das ja gar nicht so meint, was er da veröffentlicht. Die, die er besingt, leben im Ghetto, sie leben am Rande der Konsumgesellschaft, sie stehlen, dealen, prügeln, verkaufen ihre jungen Körper für Drogen, haben ein Messer in der Tasche, weil es hart ist im Ghetto, und sie haben nicht das Geld sich Bushidos CDs leisten zu können. Aber sie wollen sie hören und ziehen sich die Songs aus dem Internet. Bushido hat mittlerweile eine ganze Armada von Anwälten angeheuert, die hohe Geldstrafen fordern, von denen, die sich den verbalen Frust illegal aus dem Internet herunterladen, um ihren Helden hören zu können. Nein, natürlich hat Bushido nie behauptet ein Robin Hood zu sein - er ist doch „böser Junge“. Das rapt er doch, oder ist er doch „guter Junge“? Wer eigentlich ist dieser Bushido nun wirklich? Außer jemand, der durch das Leid anderer kräftig absahnt?

Bushido ist eine Kultfigur. Seine Musik, ist sie Kultur ? Ja, dennoch. Egal wie man ihn empfindet, Bushido gibt denen eine Stimme, die am Rande der Gesellschaft leben. Er drückt sie aus - die Wut, derer, die Ohnmacht erleben, weil sie keine Chance haben. Er gibt ihnen eine Stimme. Und manche seiner Texte treffen das, was sich dort abspielt, wo der "normale" Bürger nicht hinschaut. Somit sind sie wahr.

Sicher, da stellen sich Gefühle von höchster Ambivalenz ein, denn Kultur hat auch mit Solidarität und Mitmenschlichkeit zu tun. Sie hat aber auch, und das ist Zeitgeist, mit der möglichst geschickten Vermarktung des Ego zu tun. Dies beherrscht er. Sie hat auch mit einem Lebensgefühl zu tun, abseits bürgerlicher Hochkultur. Das macht er spürbar.

Dass Kultur auch Respekt verlangt, gerade da, wo der/die andere „schwächer“ ist, das ist Bushido vielleicht während einer depressiven Episode kurzzeitig in den Sinn gekommen. Schließlich ist er doch „guter Junge“.


Donnerstag, 4. November 2010

Warum nicht ...



Sicher, ich könnte es machen wie viele es machen. Mich gemütlich einrichten in meinem Leben. Schließlich - ich habe ja nur eins. Ich könnte doch mal postitiv denken, meinen die wenigen Freunde, die es noch mit mir aushalten und ich mit ihnen. Positiv denken? Würde ich es nicht tun, hätte ich mich schon erschossen, wie der alte Hemmingway als er die Schnauze endgültig voll hatte, oder die letzte Depression einfach nicht mehr aushalten wollte. Erschießen ist dann auch das Mittel der Wahl, wenn ich mich doch noch zum Freitod entscheiden werde - ich liebe den großen Auftritt zu Lebzeiten, das gilt also auch für den Abgang.

Vorerst lebe ich und, hey - ich denke positiv. Was ist eigentlich positiv denken?
Lalilu, nur der Mann im Mond schaut zu und oh, wie schön, der erste Krokus reckt seine kleine Blüte schon bald wieder hoffnungsvoll hinauf zum blauen Frühlingshimmel. Leute, der kann nicht anders, die Hoffnung ist unsere Interpretation. Den Winter müssen wir schließlich hinter uns bringen, irgendwie. Mit Kerzenschein, Tee oder Rotwein, Weihnachtsvorfreude und warmer Kuscheldecke am Abend, wenn denn kein warmer Körper da ist. Warm wirds auch wieder. Alles eine Frage der Zeit. Ach wie schön, dann können wir wieder im Cafe sitzen und in der Mittagspause eine Latte trinken, einen kalorienarmen Salat essen und Leute gucken, damit wir nur ja nicht bei uns selbst gucken müssen, oder den angucken mit dem wir da sitzen, im Zweifel schon Jahre, und nicht mehr wissen, was wir von ihm wollen, oder er von uns.

Wir können über den nächsten Urlaub reden, Sommer wirds dann ja auch bald, und darüber, was wir sonst noch so alles machen und vorhaben. Die neuen Vorhänge, ach spannend, und ein neues Sofa wär auch mal nett. Haben uns satt gesehen, längst, an dem was ist, was Neues muss her - vielleicht ein neuer Lover, das wär doch wenigstens was Lebendiges - oder?

Schön! Hoffnung im Herzen und sonstwo, bevor die Gefühle endgültig einfrieren.
Ne, nich so ganz mein Ding! Nicht, dass ich die Krokusse im Frühjahr nicht sehe und das Versprechen der Knospen an den winterdürren Ästen nicht liebe. Den Vorweihnachtskaufrauschrummel mag ich allerdings nicht. Ich sehe das alles. Ich nehme es wahr - das Schöne. Schließlich male ich Bilder und ohne ein gewisses Maß an Wahrnehmungsfähigkeit geht das nicht. 

Aber, ist das alles wirklich so schön? Oder ist es so schön, weil so viel anderes unschön ist? Da muss ich nicht mal die katholischen Doppelmoralisten in den Nachrichten angucken um zu sehen wie unschön so Manches ist. Ich brauche nur mit offenen Augen die Strasse entlang zu gehen, an den "mit allem was man nicht braucht" ausgestatteten Schaufenstern vorbei, um die nächste Ecke. Da sitzt dann einer auf dem Straßenplaster. Das wird kalt, am Hintern zuerst und dann Innen, überall im Körper, in der Seele sowieso. Er hält die Hände auf, weil er nichts zu essen hat und auch kein Sofa , weder alt noch neu. 

"Alles faule Schweine", meint da ein Graumelierter im dunkelblauen Managerdress und "die sollen was arbeiten", bevor er selbstgefällig weitertrabt in sein Büro, wo er höchstwahrscheinlich bis zum Ende seines arbeitsreichen Lebens dem idiotischen Glauben huldigt, was Sinnvolles zu tun oder dass er gebraucht wird, weil er unersetzbar ist. Alles ist ersetzbar, ob Sofa oder Manager, der Halbzeitwert ist ein einschätzbarer.

Wenn ich so etwas mitkriege könnte ich ausrasten oder zum Schläger werden, pardon - zur Schlägerin, und so einem sein selbstzufriedenes Antlitz ... Kann es sein, dass ich Aggressionen in mir trage oder über eine geringe Impulskontrolle verfüge? Es ist möglich, wie alles möglich ist und alles da ist. Ich habe die Wahl hinzugucken oder wegzuschauen. Dann könnten meine Freunde endlich sagen: „Jetzt hat sie es kapiert: wenn man nix ändern kann, ändert sichs auch nicht wenn man sich aufregt.“

Man kann was ändern! Nicht das große Ganze, aber was kleines, jeden Tag kann man das. Ich gehe also zu Mac Donalds und kaufe dem, der die Hand aufhält, einen Kaffee und ein Croissant und geb ihm zwei Euro und mir ist es egal, ob er sie versäuft. Die meisten meiner Freunde saufen auch. Aber das ist dann was anderes. Wirklich? Also wenn ich pessimistisch bin, dann sind die, die das nicht sind, ein Haufen Idioten.

Mittwoch, 3. November 2010

Social Responsibility fängt bei dem Mitarbeitern an

Social Responsibility wird in Zeiten der Krise zu einer relevanten Größe. Immer mehr deutsche Unternehmen engagieren sich in sozialen und ökologischen Projekten und machen dieses Engagement über die Medien publik. Der entscheidende Faktor einer bewussten CSR ist ein langfristiges, von Dauer und Beständigkeit geprägtes Handeln. Soziales Engagement, ob zum Selbstzweck instrumentalisiert oder als kurzer Impuls für Aufmerksamkeit gesetzt, der lediglich als „PR Gag“ dienen soll, ist für Unternehmen eher kontraproduktiv, denn die Stakeholder, von den eigenen Mitarbeitern bis zur hin Öffentlichkeit, sind kritischer geworden und spüren sehr genau, ob da unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit versucht wird schnöde Werbung zu machen.


Es geht um Vertrauen, es geht darum, das Vertrauen der Mitarbeiter, der Kunden und der Verbraucher zu gewinnen, ja sogar es neu zu gewinnen, denn das Vertrauen in die Wirtschaft und ihre Akteure bröckelt mehr und mehr. Bei allen Aktionen und Investitionen zum Thema Corporate Social Responsibilty CSR geht es um einen entscheidenden Punkt, nämlich um Authentizität, ein Schlagwort unserer Zeit, das in aller Munde ist und von dem nur wenige wissen, was damit eigentlich gemeint ist. Authentizität bedeutet mehr als Glaubwürdigkeit und Echtheit, authentisch zu sein heißt, dass Denken, Fühlen und Handeln übereinstimmen, im eigenen Inneren und im Dialog mit dem Außen.


Social Responsiblity fängt im Herzen des Unternehmens an, bei den Mitarbeitern, im Raum in dem sie arbeiten und dem sozialen Klima das in diesem Raum herrscht. Social Responsibilty betrifft maßgeblich auch die Verantwortung der Führungskräfte für die psychische und physische Gesundheit der Menschen, die die Man Power des Unternehmens ausmachen.


Die hohe Zeit der Konsumgesellschaft, die Ära des Überflusses, wo letztlich sogar der Mensch zum Konsumgut mutiert, das, ist es ineffektiv und nutzlos geworden, ausrangiert und ersetzt wird, neigt sich dem zu Ende zu. Haushalten ist das Gebot der Stunde und das bedeutet auch haushalten mit den humanen Kräften und vor allem Achtung vor denen, die den Betrieb am Leben halten.