Freitag, 30. Januar 2015

Verstrickungen




Unglücklich machende Beziehungen sind das Resultat einer ungesunden Verstrickung, in der die klaren Grenzen zwischen Ich und Du verschwimmen und eine echte Verbindung zum anderen nicht zustande kommt. Sie sind wie ein schleichendes Gift, das die Entwicklung des Einen und des Anderen zersetzt. Wir können nicht der Retter eines anderen sein und er nicht der unsere. Jeder muss das für sich selbst tun, weil jeder auf seinem eigenen Weg unterwegs ist.

Eine gesunde Beziehung besteht niemals aus Opfer und Täter, noch aus Opfer und Opfer und auch nicht aus Retter und Opfer Konstellationen. Sobald wir spüren, dass wir in einer solchen Beziehung verhaftet sind, müssen wir uns voneinander lösen, um jeder für sich zu gesunden. Lösen wir uns also von dem Gedanken beim anderen etwas verändern zu wollen.

Jeder muss sein eigenes inneres Drama erkennen und es dann selbst "er"lösen.
Jeder Versuch das Leben eines anderen in Ordnung zu bringen, bringt das eigene Leben in Unordung. Jede ungesunde Verstrickung führt in eine Schattenwelt, deren Dunkel am Ende die Verstrickten verschluckt.

Viele Menschen die in einer solchen Beziehung verhaftet sind, wollen das nicht wahrhaben. Sie handeln gegen ihre innere Weisheit, im Glauben, wenn sie nur lange genug aushalten, wenn sie nur die Hoffnung nicht aufgeben, wird sich vielleicht doch noch alles zum Guten wenden. Es wird sich nicht zum Guten wenden. Der Zustand wird sich durch die Verstrickung selbst aufrecht erhalten. Ein Aushalten verändert nichts. Aushalten und hoffen bedeuten Starre -  und Starre ist niemals Veränderung.


Donnerstag, 29. Januar 2015

Aus der Praxis - Von der Macht unserer Identifikationen




Wir werden von dem beherrscht, mit dem wir uns identifizieren.

Wie ist das gemeint?

Der gewöhnliche Zustand für die meisten Menschen ist ein Identifiziertsein mit dem was ihnen das stärkste Gefühl von Lebendigkeit zu geben scheint, was ihnen am realsten oder am intensivsten erscheint, was ihnen scheinbaren Halt vermittelt, auch wenn es nicht unbedingt als befriedigend oder positiv empfunden wird. 

So viele Menschen es gibt, so viele verschiedene Arten von Identifkationen gibt es. Manche Menschen identifizieren sich mit ihrem Körper. Andere Menschen identifizieren sich stark mit ihren Gefühlen. Sie sind davon überzeugt, dass ihre Gefühle der zentrale Teil ihrer selbst sind, während sie ihre rationalen Gedanken als sekundär deuten und ihnen geringen Wert beimessen. Diese Menschen bezeichnen sich selbst oft als Bauchmenschen. Manche Menschen identifizieren sich stark mit ihrem Verstand. Sie leben im und aus dem Kopf, sie spüren sich wenig oder nicht, ihre Gefühle beschreiben sie mit rationalen Erklärungen. Selbst wenn man sie fragt, wie sie sich fühlen, antwortet der Kopf mit rationalen Deutungen.
Wieder andere sind mit der Rolle identifiziert, die sie irgendwann im Leben übernommen haben. Sie funktionieren und erfahren sich selbst fast ausschließlich in dieser Rolle. Sie sind was sie tun und können sich nicht vorstellen zu tun, was sie nicht sind, denn was sie über ihre Rolle hinaus auch sind, ist ihnen nicht bewusst.

All diese Identifikationen führen dazu, dass sie nur einen kleinen Teil der eigenen Persönlichkeit zur Entfaltung bringen und nicht das Ganze des eigenen Menschseins mit seiner Vielfalt an Lebens- und Ausdrucksmöglichkeiten lebenig werden lassen. 

Jede starke Identifikation mit nur einem Teil der ganzen Persönlichkeit gibt für eine Zeit das Gefühl der Befriedigung und der scheinbaren Sicherheit in einem begrenzten überschaubaren, lange erfahrenen und gewohntem Rahmen.  
Doch irgendwann im Leben melden sich die nicht beachteten, abgespaltenen oder unterdrückten, ungelebten Anteile. Sie suchen sich Ausdruck in Lebenskrisen, Unfällen, Schicksalsschlägen und in körperlichen und seelischen Erkrankungen. Jede starke Identifikation mit nur einem Teil der eigenen Persönlichkeit hindert uns an der Verwirklichung des Selbst, sie verwehrt den Zugang zu einem tiefen Gefühl des Selbstbewusstseins, des Wissens und Entfaltens dessen, wer wir im Ganzen sind. Jede Art der einseitigen Identifikation verhindert, dass wir uns mit allen Teilen unserer Persönlichkeit begreifen und sie in ihrer Vielfalt leben. 

Ein Mensch, der in der Identifikation mit nur einem Teil seines Ganzen haften bleibt, lebt im wahrsten Sinne des Wortes beschränkt. Er beschränkt sich nicht nur selbst, auch sein Selbstausdruck, also das, was er der Welt geben könnte, ist nur auf einen minimalen Teil, dessen, was er sein könnte, beschränkt. Er bleibt in seinem festgesteckten Rahmen stecken und somit bleibt er sich selbst ein Unbekannter. Manche Menschen leben sogar so unbewusst, dass ihnen nicht bewusst ist, dass sie ein Unterbewusstsein haben, das entdeckt werden will, um sie schließlich zu sich selbst zu führen und dem, was in ihnen nach Ausdruck verlangt um endlich ein  zufriedeneres und selbstbestimmteres Leben zu führen. 

Die Erkenntnis, dass wir zu vielem, was an Ungelebtem in uns ist, keinen Zugang haben, kann schmerzliche Gefühle der Unzulänglichkeit und des Versagens verursachen.  
Ein Versagen, das in Wahrheit allein ein Versagen uns selbst gegenüber ist, denn wir sind es, die uns etwas versagen. Deshalb führt jede andauernde Identifikation mit einer Rolle oder einer vorherrschenden Seelenfunktion unvermeidlich zu einer unsicheren Situation im Leben und zu einem Lebensgefühl des inneren Mangels. Aber - wo der Mangel sich auftut ist der Weg und dieser Weg geht nicht selten über die Angst - die Angst über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, sich dem Fremden in sich selbst zu stellen und es zu ergründen. Diese Angst vor dem Unbekannten ist der Grund warum viele Menschen das Aushalten des Mangels der Entfaltung ihrer Persönlichkeit vorziehen. Nur die Neugier und der Mut über das bekannt Vertraute eigene Teil-Ich hinauszugehen macht uns zu Helden des eigenen Lebens. Held sein bedeutet nicht immer zu siegen, es bedeutet, sich ohne das Wissen über Verlauf und Ausgang der Reise auf die Reise zu begeben. Wie heißt es so schön? Nur wer wagt, gewinnt.


Dienstag, 27. Januar 2015

Gedankensplitter




wenn du menschen deine wunde zeigst, riskierst du, dass sie darin herumbohren.
wenn du begreifst, dass sie in wahrheit damit nur ihre eigene wunde vor sich selbst verbergen wollen, schmerzt es weniger.

Vergangenheit





Unsere Gedanken über unsere Vergangenheit sind niemals neutrale Abbildungen der Wirklichkeit. Sie sind selektiv, sie sind bewertend und immer darauf ausgerichtet, sie so erscheinen zu lassen, dass sie in unser Bild von uns selbst passt. Die Beschäftigung mit unserer Biografie hat immer zwei Seiten: Sie hilft uns unser Selbstbild zu formen und einen Sinn im eigenen Leben zu erkennen. Andererseits ist sie eine Kostruktion aus dem Erleben im Jetzt und damit immer auch ein zweifelhaftes Bild voller Irtümer und Selbsttäuschungen. Selektive Erinnerungen an das was einmal war, können ein inneres Gefängnis sein, wenn sie uns immer wieder überwältigen und wir sie nicht in einem neuen Licht sehen können, das heißt: mit dem klaren Bewusstsein, dass sie unserer Interpretation entsprechen und eben nicht der Wirklichkeit. Darum ist der reflektierende Umgang mit unserer Biografie so wichtig - nur so können wir uns aus der Tyrannei einer belastenden Vergangenheit befreien.

Montag, 26. Januar 2015

Gedankensplitter




wenn man licht in die welt der eigenen gedanken bringen will, so bedeutet das, die gedanken daraufhin zu überprüfen, auf was sie begründet sind. die innere wahrnehmung zu schärfen reicht nicht aus, was es braucht ist eine begriffliche differenzierung, sprich - das benennen von gefühlen und ihre differenzierung. zum beispiel: ist meine beklommenheit enttäuschung oder wut. ist mein ärger wirklich ärger oder in wahrheit angst? ist meine wut in wahrheit ohnmacht?
in dem maße, wie das innere drama transparent wird, wächst das verstehen unserer selbst.

Sonntag, 25. Januar 2015

Gedankensplitter



Zeichnung (c) Angelika Wende 2015

Aus einem Apfel wird keine Birne,
so wie aus der Illusion keine Wirklichkeit wird,
egal wie lange du daran festhälst.

Samstag, 24. Januar 2015

ermüdend


picture of a picture from volker hildebrandt

flach

ermüdende langeweile
ob der phrasen
gedroschen
wie trockenes gras

ohne inhalt
ohne gehalt

es findet sich selten etwas kluges
heutzutage

wenn du was kluges findest
sag es mir
zeig es mir
lass es mich fühlen




escape the ordinary



Fingerübungen in Pastell (c) A. Wende


wie mich das ermüdet,
leute, die meinen zu wissen, was man beachten muss.

Gedankensplitter





Scheinbar grundlose Traurigkeit verweist auf den tiefen Schmerz 
über die Nichterfüllung unserer wahren Bedürfnisse.

Freitag, 23. Januar 2015

Sie sind wie sie sind

Menschen sind wie sie sind - du kannst sie nicht ändern.
Von Vielen wirst du nichts zurückbekommen, 

auch wenn du ihnen geholfen hast, 
und sei es auch nur ein “Danke.” 
Dankbarkeit erwarten, heißt - du bereitest dir nur selbst Kummer.

Foto: Menschen sind wie sie sind - du kannst sie nicht ändern. 
Von Vielen wirst du nichts zurückbekommen, auch wenn du ihnen geholfen hast, und sei es auch nur ein “Danke.” 
Dankbarkeit erwarten, heißt - du bereitest dir nur selbst Kummer.

Dienstag, 20. Januar 2015

AUS DER PRAXIS – Von schlechten Gedanken und ihrer Manifestation im Außen



Malerei:A. Wende

Seine Überzeugung war, dass er schlecht sei. "Weil ich ein schlechter Mensch bin passieren mir all die schlechten Dinge", meinte er. Der Glaube an diese Überzeugung zeigte sich in allem, was ihn im Außen umgab. "Alles ist schlecht", sagte er mit Nachdruck und die Wut auf das Schlechte lag in seinem bösen Blick hinter der lächelnden Maske, die er vor sich her trug wie ein Schutzschild gegen das Schlechte, das doch nutzlos blieb. Das Innerste lässt sich nicht schützen, weder vor dem Außen noch vor dem eigenen Inneren. Das Innerste lügt nicht, auch wenn die Lüge nicht die Wahrheit ist, die geglaubte Lüge wird immer wahr. "Eine wenig hilfreiche Überzeugung", sagte ich zu ihm, "wenn sie mögen, hinterfragen wir sie." Meine Worte halfen nichts, so wie Worte niemals helfen, wenn Überzeugungen so stark sind, dass sie ein Leben beherrschen und die Fähigkeit zur Veränderung nicht in einem Menschen angelegt ist. Auch das ist möglich.

Überzeugungen wie diese sind meist so alt wie wir selbst. Sie sind tief verwurzelt in der Erinnerung und beherrschen unser Jetzt. Die Manifestationen im Außen sind die Projektionen dessen, was wir im Inneren glauben. Aber was tun, mit all den Erinnerungen, wenn die meisten doch unbewusst sind? Wie weit gelingt es uns unter die Spitze des Eisberges unseres Bewusstseins vorzudringen und auf den Grund zu tauchen, jene dunkle Tiefe, die Angst macht - vor uns selbst und dem, was auf dem Grund des Unbewussten an Dämonen zu entdecken sein könnte, würden wir es wagen den Tauchgang zu unternehmen? Manche sind mutig und wagen es. 

Angefüllt mit Gefühlen, Erfahrungen und Überzeugungen aus der Vergangenheit verbringen wir ein Leben in dem sich diese Überzeugungen, werden sie niemals hinterfragt, manifestieren. Viele dieser unbewussten Gedanken, besonder jene, die sehr stark sind, erzeugen unsere Realität. So ist die Überzeugung "ich bin schlecht" einer davon. Aber ein gutes Beispiel dafür, dass, wer von sich selbst schlecht denkt, auch schlecht handeln muss. Dieser Mensch folgt dieser Überzeugung, denn er denkt und fühlt sie und was wir denken und fühlen wirkt auf unser Handeln. Dem schlechten Denken folgen schlechte Gefühle und diesen folgt schlechtes Tun. 

Wenn wir erkennen wollen, was wir selbst kreieren, was wir selbst erschaffen, können wir ins Außen blicken. Jede Situation, die uns begegent ist ein Lehrstück, ein Hinweis darauf, was in unserem Inneren wirklich die Macht hat. Auf diese Weise wird alles zu einer Chance uns zu entwickeln. Wir können die Manifestationen im Außen nutzen, wenn wir wissen, dass sie Projektionen unserer erinnerten Überzeugungen sind. Und dann können wir die Verantwortung übernehmen und die Ursachen in uns selbst suchen. Dann, wenn wir zu hundert Prozent die Verantwortung für das übernehmen, was uns im Leben widerfährt, treten wir aus der Opferhaltung heraus, wir sehen uns nicht mehr als Spielball der Ereignisse, wir sind nicht mehr Opfer unserer Erinnerungen, sondern erkennen den Teil in uns, der die äußeren Ereignisse Tag für Tag erschafft. Verantwortung übernehmen hat nichts mit Schuld zu tun, Verantwortung übernehmen heißt -  sich selbst als Gestalter dessen zu erkennen, was sich im Leben ereignet, das Schicksal außen vor gelassen. 

Wenn wir begreifen, wir selbst, wie wir die Dinge denken, fühlen und wahrnehmen, wie wir sie beurteilen und welche Meinung wir über die Dinge haben, sind es, die unsere kleine Welt beinflussen, dann ändert sich unsere Realität. Wenn wir beginnen das Bewusstsein zu entwickeln, dass wir allein für unsere Gedanken und ihre Korrektur verantwortlich sind, dann wissen wir, dass wir die Fähigkeit besitzen, unsere Welt im Außen neu zu gestalten, dann wissen wir auch, dass schlechtes Denken Schlechtes schafft und gutes Denken Gutes.

Niemals sind die Ursachen unserer Probleme im Außen zu finden. Doch oft genug vergessen wir das, weil man es uns anders beigebracht hat, weil man versäumt hat, uns die Neugier und den Mut mitzugeben in uns selbst zu blicken, unter die Spitze des Eisberges zu tauchen um das zu finden, was uns wirklich beherrscht. Hätte man das getan, anstatt uns mit destruktiven Überzeugungen zu füttern, würden wir nicht sinnlos versuchen die Umstände oder die Anderen ändern zu wollen, um uns besser zu fühlen, wir würden wissen, dass der Einzige, der es besser machen kann, wir selbst sind.


Montag, 19. Januar 2015

Erfahrungen




Der Raum unseres Selbst wächst mit neuen Erfahrungen. Dazu gehören auch unangenehme und beunruhigende Erfahrungen. Auch sie wirken auf unser Selbst. Besonders Ereignisse, für die wir noch keine Werkzeuge haben um mit ihnen umzugehen, können uns aus der Bahn werfen. Aber das Selbst ist lernfähig, es ist keine starre Größe – mit jeder neuen Erfahrung haben wir eine Lektion vor uns, die uns, haben wir sie gelernt, wachsen lässt.

Samstag, 17. Januar 2015

gibt es das böse wirklich?



Malerei: Ich

gibt es das böse in einem menschen wirklich, frage ich mich und hüte mich ein klares ja oder ein klares nein zu denken. wie könnte ich urteilen über das böse im anderen, auch wenn es mir entgegenschlägt wie eine keule?

ich könnte es, aber ich will es nicht können, will nicht urteilen, will mich nicht vorwagen in das innerste anderer, das böse dort sehen, ohne mein eigenes böse-sein-können betrachten zu müssen, das in mir lebt und das ich nicht füttere.

das böse ist mir ein ungeheuer, ein unantastbar schlechtes, ein fremd vertrautes. kann ich doch böse sein wie alle anderen es sein können und es nicht aushalten, wenn es mir entgegenschlägt, weil es nicht sein darf, weil das gute sein muss, um zu glauben an menschlichkeit, weiterhin, ohne zu verzweifeln am bösen. doch auch das böse ist menschlich, nur der mensch kann es sein - böse, das tier kann es nicht, denn es denkt nicht in solchen kategorien.

ich bin dem bösen begegnet wieder einmal und nicht zum ersten mal und es hat mich verletzt durch sein bloßes dasein. ohne sein handeln schon, habe ich es gespürt, bevor es sich aufgerichtet hat in seiner vollen größe um zu schlagen auf vermeintliches böses, was nur in ihm selbst lebt, zugeschlagen, den spiegel zerschlagen wollend, den ich bot, für eine wunde, die älter ist als das böse im jetzt und die es erschaffen hat.



Freitag, 16. Januar 2015

menschenmüde


ich empfinde die gegenwart anderer mehr und mehr als kräftezehrend, sagte sie. das ist beängstigend für mich. 

kann es sein, dass man menschenmüde wird?

ja, sagte ich, das kann sein, wenn man sich mit menschen umgibt, die immer "ich" sagen.

Dienstag, 13. Januar 2015

Aus der Praxis – It takes two for Tango: Von der Passung in Beziehungen

 


Der Mensch will glücklich sein und weil ihm das allein nicht gelingt, den meisten jedenfalls nicht, sucht er einen anderen, der ihn glücklich machen soll. Nun ist es hinreichend bekannt, dass keiner den anderen glücklich machen kann, wenn er das für sich selbst nicht kann. Und es ist auch bekannt - je weniger ein Mensch sich selbst glücklich machen kann, desto mehr sucht er nach einer erfüllenden Beziehung. 
Auch aus psychologischer Sicht hat eine Beziehung eine enorme Funktion für das subjektive Wohlbefinden wie auch für die Lebensstabilität zweier Menschen. Das Streben des Menschen ist darauf gerichtet, Angenehmes, Erfreuliches und Lustvolles zu erleben und andererseits Angst, Schmerz und Gefühle von Hilflosigkeit zu vermeiden. Nicht zuletzt deshalb ist eine erfüllende Partnerschaft für viele eine äußerst wirkungsvolle Strategie, um dieses Ziel zu erreichen und die eigene Lebenszufriedenheit verbessern oder zu verstärken.

Psychologisch ausgedrückt ist das Gegenüber in einer Liebesbeziehung ein sogenannter generalisierter Verstärker – sowohl positiv als negativ. Ein positiver Verstärker ist alles, was als angenehm erlebt wird und dadurch Anziehung und Wohlgefühl auslöst. Ein negativer Verstärker hingegen ist alles, was als unangenehm und abstoßend erlebt wird. In den meisten Beziehungen fungiert der Partner oder die Partnerin ebenso als positiver Verstärker wie auch als negativer Verstärker. Je höher die positiven Verstärker desto stabiler und glücklicher ist die Beziehung. So weit, so gut.

Grundsätzlich ist also jeder für den Anderen ein generalisierter Verstärker und damit verstärkt er auch das, was im anderen an frühen Beziehungs- und Bindungserfahrungen angelegt ist. Menschen neigen dazu besonders in Paarbeziehungen, genau das zu wiederholen was sie als Kind im Elternhaus an Erfahrungen, Überzeugungen, Programmierungen und Bindungsmustern verinnerlicht haben – an guten und an weniger Guten. Im Grunde wird in jeder Liebesbeziehung die ganze Klaviatur negativer und positiver Erfahrungen durchgespielt und reinszeniert. Der Partner wirkt wie ein generalisierter Verstärker, weil sein Verhalten oder sein Wesen unbewusst mit den verschiedensten positiven Erlebnissen und Gefühlen verbunden wird, ebenso wie er oder sie durch sein Verhalten und sein Wesen verschiedenste negative erlebte Gefühle und innere Überzeugungen aus der Kindheit verstärkt. Man könnte sagen, der Partner fungiert wie ein Trigger, ein Reizauslöser, für all das, was in uns lebt an Überzeugungen, Konditionierungen, Mängeln, Erfahrungen und Verletzungen aus der Kindheit.
Eine gelingende Beziehung erfüllt im besten Falle die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse nach Liebe, Wertschätzung, Anerkennung, Verbundenheit, Autonomie und emotionaler Sicherheit. Letztere ist der Kern subjektiven Wohlbefindens und ob dies gelingt hängt eng mit der Passung zwischen den individuellen subjektiven Bedürfnissen und dem tatsächlichen Beziehungserleben zusammen. 

Je mehr individuelle Bedürfnisse erfüllt werden, desto positiver wirkt sich das auf die jeweiligen Partner, auf die Beziehungsqualität und auf ihre Stabilität aus. Werden diese Bedürfnisse hinreichend erfüllt spricht man von einer positiven Passung. Zu Problemen wie Zerwürfnisse und Trennungen kommt es aus psychologischer Sicht immer dann ein, wenn eine Partnerschaft keine hinreichende positive Verstärkungswirksamkeit hat und es zu viel Negativpassung gibt.

Nach dem Prinzip „It takes two to tango“ führt jeder den anderen an seine problematischen Themen, die er bis dato nicht gelöst hat. Bleiben sie auch in der Beziehung weiterhin ungelöst führt das zu verstärkt negativen Gefühlen aufgrund von gegenseitigen Übertragungen, Projektionen oder Überidentifikationen. Anders formuliert: Löst ein Partner zu viel an alten Verletzungen und kindlichen Progammierungen im anderen aus oder spiegelt er ihm negative Eigenschaften eines oder beider Elternteile, ist die Beziehung auf Dauer unbefriedigend und seelisch belastend, besonders dann, wenn in der Beziehung nicht genug Angenehmes erlebt wird, um dies auszugleichen.
Ein Beispiel: Ein Mensch hat als Kind erfahren: „Ich genüge nicht.“ Ist dieses Programm im Erwachsenenalter nicht bearbeitet und durch ein heilsames: „Ich genüge mir selbst“, ersetzt, wird dieser Mensch mit ziemlicher Sicherheit immer wieder auf einen Menschen treffen, der genau dieses Gefühl in ihm auslöst und damit seine negative Programmierung bedient. Weil Unbewusstes, Unbewusstes instinktiv erkennt, trifft dieser Mensch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Partner, der das Programm hat: „Ich werde nicht satt“, weil dieser als Kind nicht genug Liebe, Wertschätzung und Anerkennung bekommen hat. 

Was passiert?
Das Programm: „Ich genüge nicht“, wird vom Programm: „Ich werde nicht satt“, getriggert und tritt in Kraft. Der Partner mit der Überzeugung, nicht zu genügen, versucht nun genau das, was er als Kind schon versucht hat, er versucht zu genügen und das bedeutet in diesem Fall – er versucht den anderen satt zu machen, im unbewussten Glauben dann endlich zu genügen. Was ihm aber, trotz aller Versuche, nicht gelingt, denn wer immerzu hungrig ist, verbringt sein Leben in einem inneren Vakuum, das er ständig zu füllen versucht. Mit Dingen, mit Kaffee, mit Zucker, mit Arbeit, mit Drogen, mit Konsum jeder Art und mit eben auch mit Menschen. Dieser Mensch wird auch in einer Beziehung niemals satt, denn der andere wird ihm das, wonach er wirklich hungert, nämlich die Liebe und Anerkennung der Eltern, niemals geben können. Die Zufriedenheit, die ihm fehlt ist einzig und allein in ihm selbst zu finden. Sucht er sie dort nicht wird er den anderen permanent seine Unzufriedenheit spüren lassen.

So macht der Partner mit dem Programm: „Ich genüge nicht in der Beziehung immer wieder die gleiche negative alte Erfahrung neu. Er strengt sich immer mehr an, erfährt wieder, dass er, egal was er tut oder nicht tut, dem anderen nicht genügt und so leidet er letztlich wieder an der kindlichen Überzeugung als Mensch anderen nicht zu genügen – was er auch nicht kann, denn seine Lernaufgabe ist, zu erkennen, dass er sich selbst genügen darf, so wie er ist.
Erkennen beide Partner diese gegenseitig sich bedingende Dynamik nicht, bleibt jeder in seinem Programm hängen. Mehr noch, die Dynamik wirkt als negativer Verstärker. Hier spricht man von Negativpassung in einer Beziehung.

Was ist die Lösung?
Die Lösung ist nicht, wie so mancher jetzt denken könnte, wenn sich einer ändert, ändert sich die Beziehung. Es genügt nicht, wenn sich einer ändert, denn das löscht das Programm des anderen nicht.  Beide müssen ihre Programme erkennen und zum Positiven verändern, damit sich die Spirale der Negativanpassung nicht nach unten dreht und letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Oft ist es dann der Partner, der sich ändert, der die Beziehung verlässt. Der andere bliebt zurück, verständnislos und enttäuscht, weil er wieder nicht bekommen hat, was er sich so sehnlich wünscht – nämlich das, was er als Kind schon nicht bekommen hat. Ohne zu begreifen, dass es nicht die Aufgabe des Partners war, ihm das zu geben. Erkennt er die Lernaufgabe auch dann nicht, wird sein Programm weiter abspulen und sich sein vermeintliches Glück wieder bei einem Partner suchen, der sein neurotisches Programm bedient.

Immer wenn sich Beziehungen nicht schützend gegenüber Negativem auswirken und ihr negativer Verstärkerwert sowie die Negativanpassung hoch ist, treten Konflikte, Streit, Langeweile und Unzufriedenheit auf. 

Eine dauerhaft glückliche und stabile Beziehung lässt sich nur dann aufbauen und aufrechterhalten, wenn ähnliche positive Programme gegenseitig verstärkend wirken. Wenn eine solche Ähnlichkeit gegeben ist, können Menschen in einer Partnerschaft viel Angenehmes erleben, wodurch die Beziehung gefestigt und die Lebenszufriedenheit gesteigert wird. Erleben Menschen jedoch zu viel negative oder unterschiedliche Dinge als verstärkend, gibt es wenig Raum für gemeinsame positive Erlebnisse und die Beziehungszufriedenheit, wie auch die Beziehungsstabilität sinken. Wobei Stabilität direkt abhängig von der Beziehungsqualität ist. Zudem liefert die Bindungstheorie noch eine interessante Erklärung für der Stabilität von unbefriedigenden Partnerschaften: Studien haben gezeigt, dass Menschen mit großer Bindungsangst auch unbefriedigende Beziehungen in Kauf nehmen. Demgegenüber reagieren Menschen mit geringer Bindungsangst sensibler darauf, wenn ihre Bedürfnisse nach Verbundenheit und Autonomie in der Beziehung nicht erfüllt werden. Sie trennen sich leichter.

Sonntag, 11. Januar 2015

Wahre deinen Raum ...

 




"Wahre deine Grenzen. Hüte sie wie einen Schatz, nimm dir deinen Raum für dich und für die kostbare Zeit vom Rest deines Lebens!" So flüstert es in mir, immer öfter. Und es wird immer lauter, so laut, dass ich es nicht mehr überhören kann.

Oh, ich vergesse das oft. Ich gebe zu viel nach, wenn es um die Erwartungen anderer geht und lasse mich zuquatschen von meinen eigenen Erwartungen an mich selbst, die man mir beigebracht hat, wie man zu sein hat, und die ich an mich stelle, wenn ich nicht gut aufpasse. Diese Gebote, die so alt sind wir ich selbst, die mir vorbeten, was ich darf und nicht darf. Die Einsager geben niemals auf. Aber ich habe sie mittlerweile alle identifiziert und oft sogar schon gut im Griff. Und wenn sie loslegen, sage ich zu ihnen: Ihr seid nicht hilfreich mir eurem Geplapper, und ich sage mir selbst: Wer zu viel nachgibt, zu beanspruchbar ist, verliert den Anspruch auf sich selbst. Das geht schleichend. Ich kenne viele Menschen, die zu viel nachgeben, zu viel zur Verfügung stehen, auch wenn sie es eigentlich überhaupt nicht wollen.

Besonders in Beziehungen vergessen wir, dass wir auch noch unser eigener Mensch sind. In der Partnerschaft wird häufiger nachgeben als es gut ist, und das ist nicht gut für die Liebe. Jeder Mensch braucht seinen eigenen Raum, seine Grenzen. Manche mehr, manche weniger. Ich brauche diesen unantastbaren Raum - in mir selbst, in meiner Wohnung und in der Partnerschaft wie den Atem zum Leben. Nicht immer fällt es mir leicht diesen Raum für mich in Anspruch zu nehmen, den Respekt einzufordern, für dieses tiefe Bedürfnis.

Ich weiß, dass ich viel eigenen Raum brauche und ich weiß auch, dass nicht jeder so viel Raum für sich selbst braucht wie ich. Aber ich bin ich und nicht jeder. Und ich bin auch nicht Charlie, nebenbei bemerkt. Ich bin mein eigener Mensch und mache mich nicht gemein, mit dem was andere meinen. Ich weiß längst, wenn mein innerer Raum, ebenso wie mein äußerer Raum, zu lange offen sind, verliere ich Energie. Und ich verliere wertvolle Lebenszeit, die ich mit niemanden teilen will. Zeit, die mir allein gehört, in der keiner mich anspricht und niemand die Augen auf mich legt. Ich brauche Zeit und Raum, in dem ich einfach sein kann, was ich gerade bin oder was ich gerade sein will. Raum, in dem ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen kann, so wie sie gerade kommen und gehen, ohne sie einem anderen erklären oder sie verstecken zu müssen und vor allem, ohne sie zu bewerten. Ich brauche meine Geheimnisse, meine tiefen Gedanken, die ich nicht belauscht, nicht beobachtet haben will und nicht teilen will. Sie sind nicht einmal spektakulär. Ich will einfach alleine fühlen, was gerade ist, in der Zeit, in der ich nur mit mir bin.

Das sind Momente und Stunden, in denen ich weiß, was ich wirklich will und nicht mehr will, in denen ich niemandem für nichts Erklärungen geben muss, in denen ich mich selbst beobachte und einfach nur spüre, dass ich der Mensch bin, der ich bin. Das sind Momente, in denen mich die Melancholie packt, einfach so, und ich sie genießen kann, ohne gefragt zu werden: Ist alles gut? Das sind Momente, in denen ich glücklich bin, weil ich meine Wohnung mit all den schönen Dingen, die ich so liebe, einfach genießen kann oder in denen ich die Fensterrahmen streiche, weil es mir gefällt wenn sie weiß glänzen. Das sind Momente, in denen ich die Musik so laut höre wie ich will, ohne mich fragen zu müssen, ob es jemanden stört. Das sind Momenten und Stunden, in denen ich weiß, dass es vieles gibt, was ich nicht mehr ändern kann und vielleicht nicht leben kann, wie meinen Traum von dem kleinen Haus in der Normandie, in dem ich alt werden will mit dem Rauschen des Meeres und dem Heulen des Windes in den Ohren und der kleinen weißen Katze, die mir von draußen zuschaut und mir beim Malen und Schreiben schweigend Gesellschaft leistet.

Und meistens, in diesem Raum mit mir allein, ist es still, endlich so still, dass ich nur das Meine höre – und es schweigt, weil es nicht sprechen will, weil es ausruht vom vielen Sprechen über so viel Unsinniges und Wiederholtes, das oft gesagt wird, wenn Menschen Räume teilen.

In diesem Raum gibt keine Entdeckung von niemandem, es gibt nur mich, die ich mich selbst entdecke, immer ein bisschen anders, immer ein bisschen mehr, mit allem, was in mir ist und was noch werden will. Das ist ein unglaubliches Gefühl von Glück. Es ist wie eine Rückkehr zu meinem Ursprung.

Ich werde immer mein unantastbares Terrain für mich behalten. Nicht um dem Anderen etwas vorzuenthalten, sondern um Kraft zu schöpfen, um mich auf mich selbst zu besinnen, um Unabhängigkeit zu wahren und um meine eigene Atmosphäre zu schaffen, in die ich mich zurückziehen und in der ich mich allem entziehen kann. Mein eigener Raum erfrischt mich, er bringt mich mir selbst zurück, er stärkt mich wie nichts anderes, hier bin ich frei. Welch ein Schatz. Ich werde ihn hüten.


Immer wieder



in einer art wiederholungszwang schaffen wir uns unbewusst situationen, die uns vertraut sind, weil sie uns zum ursprung unseres schmerzes zurückführen.
immer wenn wir uns in einer solchen situation wiederfinden, können wir uns fragen: was aus meiner vergangenheit habe ich noch nicht verarbeitet?
das ungelöste sucht sich wiederholung.
es geschieht zu unserem besten, es ist ein lerngeschenk, das uns dabei hilft, zu dem menschen zu finden, der wir sein wollen, ohne den alten schmerz.
alter schmerz blockiert unsere entfaltung immer wieder und so lange wie wir uns vor ihm verstecken und ihn nicht anschauen.

Samstag, 10. Januar 2015

DAS BÖSE





Vom Bösen sprechen bedeutet von der Gefährlichkeit des Menschen für den Menschen sprechen. Wenn wir verstehen wollen, warum Menschen anderen Menschen "Böses" antun, müssen wir uns mit dem auseinandersetzen, was wir in uns selbst verabscheuen. Diesen Teil von uns selbst wollen wir nicht sehen. Wir neigen dazu ihn zum Schweigen zu bringen, indem wir das Böse dem Fremden zuschreiben. Der Mensch will das Böse im Fremden "vernichten", weil es ihm unerträglich ähnlich ist.

Verbundenheit




Verbundenheit wird dann möglich, wenn wie gegenüber den Ängsten und Unsicherheiten anderer, sensibel und offen sind und zugleich die eigene Verletzlichkeit zum Ausdruck bringen.
Wenn wir es für uns selbst zulassen uns anderen gegenüber verletzlich zu zeigen, ist das auf dem Weg zur Selbstentdeckung ein großer Schritt. Nur in gegenseitiger Offenheit erkennen wir unser wahres Selbst hinter dem Bild, das wir nach Außen darstellen. Wir erfahren, dass wir mit anderen verbunden sind. Offenheit ist der Schlüssel um die Gefühle innerer Isolation aufzulösen.

Freitag, 9. Januar 2015

DAS UNGLÜCK



"Erschütterung", Acryl auf Leinwand, Angelika Wende
an einem tag ist das leben die ansammlung der dinge, die wir tun und plötzlich kommt das unerwartbare - ein unglück. das unglück, das ist der moment der das leben in zwei teile bricht, der moment in dem alles was es vorher gegeben hat zur erinnerung an eine blasse vergangenheit ohne konturen wird und den gedanken an "wie weiterleben? " zu einer unmöglichkeit macht.
in jedem leben ist immer auch die möglichkeit des unglücks, im leben jedes einzelnen von uns. menschen, die ein unglück trifft, gibt es jeden tag, immer und überall auf der welt. es gibt so viel unglück.

das unglück schafft schmerz, es macht fassungslos, es lähmt, es macht wütend und immer hat es die frage nach dem warum zur folge.

das unglück hat wieder viele menschen getroffen, es hat ein ganzes land getroffen, so hören und lesen wir in den medien. das unglück hat uns alle getroffen, uns, die ganze welt und die ganze welt trauert um das schreckliche unglück, weil es so unfassbar ist, so überraschend kam, so unvorstellbar grausam ist, so unvorstellbar unmenschlich, so unvorstellbar gewalttätig und so unvorstellbar groß. das unglück ist geschehen und die welt hält für einen kurzen moment den atem an.

und dann wird kommentiert, in der presse, im fernsehen. die bilder des unglücks gehen um die ganze welt und die ganze welt liest darüber, sieht sich die bilder an, gibt ihnen raum im alltag, ist fassungslos, schockiert und wütend und voller hass auf die, die das unglück erschaffen haben. das böse wird der welt wieder bewusst und sie ist in allem unglück doch irgendwie beruhigt, dass die täter identifiziert sind und man sie zur rechenschaft ziehen wird.

das böse hat wieder ein gesicht und die welteinwohnerschaft darf es benutzen für die wut, die ohnmacht, den schmerz, die trauer und den hass, den sie empfindet. ja, es ist gut dieses gesicht zu haben, das man am liebsten zerstören würde, auslöschen, weil es das unglück gebracht hat über so viele menschen und die angst hat so groß werden lassen vor dem bösen, die angst, die man sonst so gut verdrängt, wenn kein unglück geschieht. und alle stürzen sich auf das böse und suchen zeichen und spuren, wann es denn angefangen hat und fragen sich, warum es denn nicht gesehen wurde, beizeiten, das böse und das kommende unglück und antworten finden sich keine.

das unglück lässt uns antwortlos zurück, uns und die menschen, die es getroffen hat und anhalten hat lassen, mit einem schmerz, der uns unbegreiflich ist, uns, die wir das unglück nur in den bildern der medien sehen. menschen, die sterben mussten, weil einige andere menschen es so entschieden haben und ich denke an all die anghörigen dieser menschen, die unendlich leiden, die leiden werden ein leben lang.

über das leid dieser menschen erfahren wir nichts. wir wissen darum, aber thematisiert in den medien wird es nur am rande. es würde auch nichts nützen es zu thematisieren, wir spüren es doch alle und reden besser nicht drüber, denn irgendwo wissen wir, leid ist unteilbar und keiner von uns kann es diesen menschen abnehmen. auch unser mitleid ändert nichts. das mitleiden macht dieses leid nicht kleiner - es macht ohnmächtig, die, die es ertragen müssen und die, die wir darum wissen.

nach all der fassungslosigkeit, dem entsetzen und dem schock über das unglück bleibt der welt nur der blick das böse. das böse, dem wir die verantwortung geben können, gott sei dank!, denn wir sind die guten und das ist gut so, dass die guten das böse ausfindig gemacht haben, das böse, das uns so schreckliches antut, das böse in menschengestalt, das voller hass ist und aus diesem hass heraus das unfassbar grausame getan hat, das menschen leiden macht und eine ganze welt in schockzustand versetzt.

noch tagelang wird man den spuren des bösen folgen in den medien wird man sie verfolgen und irgendwann wird es aufhören, dann, wenn wir genau wissen, wie und was da alles vorging in den bösen tätern, dann, wenn wir genau wissen, warum sie es getan haben, warum sie dieses unglück über die welt gebracht haben und das leid über die familien, die ihr liebstes verloren haben und über das wir nichts hören. dann wird es aufhören.

was wir jetzt hören, laut hören, sind die stimmen der politiker, die den opfern und ihren angehörigen ihr beileid bekunden und wir hören in allen bekundungen: "das böse ist unser gemeinsamer feind."
ja, das böse ist unser gemeinsamer feind, denken wir.

aber das böse ist viel mehr - es ist der feind in uns selbst, den wir nach außen projizieren, den wir mit jeder projektion weiter pflegen, den wir füttern, so lange bis er auf uns zurückschlägt - der hass, den auch das böse in sich trägt. das böse ist unser gemeinsamer feind, den wir hassen, weil diese welt niemals lernen wird, dass der hass die liebe getötet hat, längst schon. machen wir weiter mit dem hassen und dem kampf gegen den hass, damit er weiter der urgrund des unglücks sein wird. irgendwo, irgendwann, jeden tag, jede minute in dieser welt, die nie begreifen wird, dass sie erntet, was sie säat.

Dienstag, 6. Januar 2015

AUS DER PRAXIS – Herr im eigenen Haus



Die Gefühle von Unzulänglichkeit, Schuld und Angst, die über Generationen in vielen Familien weiter gegeben werden, lasten auf unserer Seele, während wir wütend und traurig versuchen, sie von uns weg ins Außen zu projizieren. Wenn wir diese destruktiven, begrenzenden Glaubenssätze hinterfragen und auf ihre Wahrheit überprüfen, werden wir feststellen, dass sie zwar in uns gespeichert sind, aber nicht unsere eigenen sind.

Jeder destruktive Glaubenssatz ist ein vergiftender Gedanke, ein begrenzender Verteidigungsmechanismus, den wir als Kind geschluckt und verinnerlicht haben, als wir machtlos und ausgeliefert waren. Wenn wir uns das bewusst gemacht haben, was können wir dann tun?

Wir können uns auf die spannende Reise nach Innen begeben und herausfinden, was uns Generationen von Eltern und Erziehern an Überzeugungen und Glaubenssätzen überlassen haben, wir können abwägen, was gut für uns ist und was zerstörerisch wirkt. Dann erst, wenn wir dieses Wissen haben, können wir beginnen unserem Denken und Fühlen unsere persönliche Prägung zu geben um Herr im eigenen Haus zu werden. Erst dann wird unser ganzes verborgenes Potenzial freigesetzt. Das wütende innere Kind wird transformiert und bekommt endlich die Liebe und die Unterstützung, die es braucht -  von einem bewussten, klaren und mitfühlenden inneren Erwachsenen. Dann beginnt selbstbestimmtes Leben. 

Samstag, 3. Januar 2015

AUS DER PRAXIS - Warum lesen heilen hilft






„Ich weiß nicht, warum ich das solange ausgehalten habe“, oder: „Ich verstehe mich selbst nicht, irgendetwas stimmt nicht mit mir, was ist das bloß?“ Diese und ähnliche Fragen stellen viele Menschen, die zum ersten Mal in die Psychologische Beratung oder in die Therapie kommen. Sie verstehen sich selbst nicht, aber sie wissen, dass es so wie es ist, nicht gut ist.
Ein wichtiger Schritt ist immer das Verstehen der Störung. Die Betroffenen sollten Experten ihrer Schwierigkeiten werden. Dazu trägt neben den Gesprächen wesentlich die Bibliotherapie bei. Unter Bibliotherapie versteht man den Einsatz von Büchern zu therapeutischen Zwecken in der Medizin und in der psycholpgischen Arbeit mit Menschen, gemeint ist damit der Einsatz von Literatur zur Unterstützung der Heilung. Bibliotherapeutische Materialien können Romane, Biografien, Schicksalsberichte und psychologische Ratgeber sein. Lesen bildet, aber es bildet auch ein Bild von etwas, das wir nicht verstehen, bis man es uns zeichnet. Aus diesem Grund helfen Bücher, die über die eigene Problematik berichten, unsere Probleme, unsere psychische Struktur sowie unsere kleinen und großen Neurosen besser, oder überhaupt erst zu verstehen. Darüber hinaus erfahren wir, dass wir mit unseren Themen nicht allein auf der Welt sind, dass wir sie mit anderen Menschen, die ähnliches erfahren haben oder durchleben, teilen.
Aus meiner Erfahrung in der psychologischen Arbeit mit Menschen weiß ich, dass dies eine sehr wertvolle Einsicht ist, denn manche Klienten dazu neigen zu glauben, nur sie allein hätten dieses spezielle Problem und schämen sich dafür. Beginnen sie jedoch sich mit ihrem Thema auch lesend zu beschäftigen, z. B. mit Hilfe von psychologischen Büchern oder Ratgebern, gelingt es ihnen mit der Zeit die Ursachen zu verstehen und in der Folge, ihre Probleme ale Herausforderung zur Entwicklung anzunehmen und bewusster damit umzugehen. Lesend können wir erlernen psychologische Strategien anzuwenden und uns damit bei der Bewältigung negativer Gefühle und Emotionen effektiver selbst zu helfen. Das ist auch das Ziel jeder psychologischen Intervention: Professionelle Hilfe zur Selbsthilfe und diese besteht im Wesentlichen darin, dem Betroffenen Werkzeuge an die Hand zu geben um sein Leben wieder selbst, im Vertrauen auf die eigene Kraft, und eigenverantwortlich zu meistern und zu gestalten. Es geht immer darum, in die eigene Macht zu kommen, sich von den „störenden Teilen“ der Persönlichkeit nicht überfluten oder beherrschen zu lassen und durch Selbstbeobachtung destruktive Gedanken und Muster zu erkennen, und sie durch positive, neu gelernte Gedanken und Muster, nach und nach zu ersetzen. Das bedeutet: Mit den besten Werkzeugen, die man besitzt, den Acker seines Lebens zu bestellen, auch dann, wenn es hagelt und stürmt und aussieht, als würde die Welt untergehen und zu wissen, ich schaffe das, egal was kommt.  Und es geht darum herauszufinden, was unsere Werkzeuge sind mit denen wir das Leben meistern, zu lernen sie zu benutzen und ihnen zu vertrauen.
Das zu erreichen, dafür ist natürlich in erster Linie die gemeinsame Arbeit in den Therapiestunden von entscheidender Bedeutung, aber die Erfahrung zeigt, es ist hilfreich in der Zeit zwischen den Stunden Bücher zu lesen, insbesondere wenn ihre Inhalte auf denselben Prinzipien beruhen, die auch in der Therapie angewendet werden. Es ist von hoher Bedeutung den Klienten zu informieren, ihn zum wissenden Spezialisten seiner eigenen Problematik zu machen, ihm theoretische Grundlagen an die Hand zu geben – mit anderen Worten ihn „mündig“ zu machen und dabei gilt es ihn mit allen Hilfsmitteln zu stärken, die ihn dabei unterstützen, sich praktische Bewältigungsstrategien anzueignen. Jede psychologische Arbeit mit Menschen braucht die Einsicht und Mitarbeit des Klienten sonst bleibt sie wirkungslos. Der Wandel zum Besseren stellt sich erst dann ein, wenn sich der Mensch mit seiner Erkrankung bewusst auseinandersetzt.
Die Ergebnisse einer klinischen Studie  an der Universität Glasgow, die sich mit der Wirkung  von Bibliotherapie befasst hat, konnten dies untermauern. An der Studie nahmen 281 Patienten mit Depressionen teil. Sie wurden auf zwei Gruppen randomisiert. Alle Patienten setzten die bisherige Therapie wie gewohnt fort. Die Hälfte der Gruppe erhielt zusätzlich einen Patientenratgeber. Dieser glich eher dem Skript einer Schulung als einem Hochglanz-Ratgeber und  fasste die Berufserfahrungen des früheren Präsidenten der British Association for Behavioural and Cognitive Psychotherapies zusammen, dem Fachverband für die kognitiven Verhaltenstherapeuten. Wichtig für den Erfolg der Bibliotherapie war, dass die  Skripte den Patienten nicht einfach nur ausgehändigt wurden. Die Therapeuten nahmen sich die Zeit in drei Einzelgespräche von jeweils einer Dreiviertelstunde, mit den Patienten die Skripte durchzugehen. Nach Abschluss der Studie hatte sich bei den Teilnehmern an der Bibliotherapie das Beck-Depressions-Inventar (BDI) von 29,8 auf 16,4 Punkte verbessert und damit um 5,26 Punkte mehr als unter der konventionelle Therapie, wo der BDI von 29,0 auf 22,1 zurückging. Der Unterschied von 5,26 Punkten war nicht nur statistisch signifikant, sondern auch klinisch relevant: Nach 4 Monaten hatten sich mit 42,6 Prozent mehr als doppelt so viele Patienten von ihrer Depressions-Episode erholt als in der Vergleichsgruppe, wo es nur 24,5 Prozent besser ging.
Natürlich kann die Bibliotherapie keine Therapie ersetzen. Aber sie kann Mut schenken und helfen, sich selbst besser zu verstehen und sich selbst mit allem anzunehmen was gerade ist, im Wissen, dass wir weitaus mehr für uns tun können als wir glauben, um unser Leben zu verbessern und gesünder zu werden. Mut, Hoffnung, Glaube und Zuversicht, aber vor allem das Wissen um die Vielfalt der Möglichkeiten zum Verstehen unserer Selbst, aktivieren unsere Selbstheilungskräfte. Und - ohne Selbstheilungskraft ist keine Heilung möglich.



Das eine Buch lehrt uns das Leben, das andere verschönt es.
Michael Genin