Resilienz, kurz: Die Fähigkeit, individuell oder kollektiv schwierige Lebenssituationen wie Krisen oder Katastrophen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen, oder - die Fähigkeit, seine psychische Gesundheit während Widrigkeiten aufrechtzuerhalten oder danach schnell wiederherzustellen - ist zur Zeit in aller Munde.
Kein Wunder bei all den Katastrophen der letzten Jahre und dem Zustand unserer Welt. Es ist ungut, sehr ungut, was da vor sich geht, auf allen Ebenen. Und wir alle spüren das.
Da müssen wir Resilienz beweisen, um heil durch die Stapelkrisen zu kommen, um durchzustehen, was da noch kommen kann, um nicht zu verzweifeln oder der Resignation anheim zu fallen.
Der Buchmarkt ist voll von Büchern über Resilienz.
„So meisterst du jede Krise!“, wird verkündet.
Na dann mal lesen. Nutzt leider nichts. So einfach ist das nämlich nicht mit der Resilienz. Man hat sie oder man hat sie nicht und ja, man kann sie lernen, aber das dauert und ich persönlich glaube nicht, dass das allen gelingt, so sie denn wollen. Das zeigt auch meine Erfahrung. Nicht alle Menschen sind gleich lernfähig und nicht alle Menschen sind gleichermaßen resilient. Die innere Widerstandskraft ist bei jedem von uns unterschiedlich stark ausgeprägt. Was den einen Menschen in Verzweiflung stürzt, ist für den anderen eine Herausforderung, die er meistert.
Woher Resilienz kommt, weiß die Wissenschaft nicht so genau.
Sie liege vornehmlich in den Genen, behauptet z.B. Der Neurowissenschaftler Raffael Kalisch, Mitbegründer des Deutschen Resilienz-Zentrums in Mainz. Er zählt drei erbliche Resilienzfaktoren auf: Intelligenz: Sie hilft, kreative Wege aus Krisen zu finden. Eine optimistische Lebenseinstellung: Das Vertrauen darauf, dass sich alles zum Guten wenden wird. Und Extraversion: Die Fähigkeit soziale Bindungen zu knüpfen.
Des Weiteren gibt es psychische Schutzfaktoren, die resiliente Menschen besitzen. Dazu zählt vor allem die Selbstwirksamkeitserwartung, die Überzeugung, dass man sein Leben aus eigener Kraft meistern kann, also die unerschütterliche innere Überzeugung: Egal was passiert, ich werde damit fertig. Menschen mit Selbstwirksamkeitserwartung zeichnet aus, dass sie sich nicht als Opfer der Umstände fühlen und keinen Schuldigen suchen, sondern nach einer Lösung, im Vertrauen, dass sie sie finden und dass sie funktioniert.
Nun kann man von sich behaupten, ich bin resilient.
Ist man auch, wenn man viele Krisen im Leben gemeistert hat und immer noch aufrecht dasteht. Frei nach Nietzsche: Was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Aber so einfach ist es nicht, ohne den ultimativen Härtetest weiß man eh nichts.
Es gibt Menschen, die viel überlebt haben, die immer stark und resilient waren. Plötzlich geschieht ein vergleichsweise kleines Ereignis und sie brechen komplett zusammen.
So berichtet der Resilienzexperte Boris Cyrulnik von einem Feuerwehrmann, der jahrelang unfassbar viel Leid gesehen hat, der unzählige Menschen das Leben gerettet hat und als er an einem Tag Kinder mit nackten Füßen über Eis gehen sieht, bricht der Mann zusammen.
Resilienz ist endlich.
Langanhaltender oder immer wiederkehrender starker Stress, immer wiederkehrende seelische Erschütterungen belasten die Psyche und den Organismus enorm, vor allem wenn der Stress chronisch wird. Irgendwann kann auch der resilienteste Mensch zusammenklappen. Die bisher gelungene Abwehr gelingt nicht mehr. Die Resilienz ist erschöpft. Der Mensch ist erschöpft.
Warum ich das schreibe?
Weil ich solche Sprüche wie: „Wenn du nicht mehr kannst, mach einfach weiter!“, für hochgefährlich halte. Weil ich Sätze wie: „Du bist stark, du schaffts das auch noch!“, nicht mehr hören kann. Weil ich weiß, dass auch der stärkste Mensch irgendwann nicht mehr kann und dann darf er nicht mehr können.
Wenn du nicht mehr kannst, hör auf, denn wenn du nicht aufhörst und dich weiter antreibst, war es das im Zweifel.
Wir dürfen, wenn wir am Rande der Belastbarkeit stehen, innehalten. Wir dürfen kürzer treten, wenn wir erschöpft sind und wir dürfen uns Hilfe suchen, wenn wir nicht mehr können.
Wir dürfen sagen: Genug ist genug!
Wir müssen niemand beweisen wie stark wir sind, auch uns selbst nicht.
Auch das ist für mich Selbstliebe.
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