Donnerstag, 30. Juni 2016

Ich liebe Köpfe

und ich bin glücklich

Friedlich




foto: lucas


sie hörte die stimmen
all die stimmen die ihr einredeten

wer sie sei
wer sie sein sollte
wie sie leben sollte 
wie sie denken sollte 
wie sie fühlen sollte
was sie aus sich machen sollte 
was sie sein könnte wenn sie es sein wollte 
was sie erreichen könnte wenn sie es wollte
was sie glauben sollte und was sie nicht glauben sollte
was sie lassen sollte und nicht lassen sollte 
was sie glauben sollte und was sie nicht glauben sollte

sie atmete es ein 
lang und tief das einreden
und hielt es fest eine weile

und dann atmete sie es aus 
das eingeredete

und es ward still
so still
dass sie ihre eigene stimme hörte
 es ward still 
so still
wie frieden sein kann

Donnerstag, 23. Juni 2016

Go for it!



Foto: performance art depot, Mainz

ein kreatives leben leben, heißt nicht, ich mache ab jetzt nur noch kunst oder musik oder ich werde schriftsteller. ein kreatives leben leben heißt: neugierig sein und es bleiben, die dinge zu tun, die du liebst und sie so oft zu tun, wie es möglich ist. kreativ leben heißt, die kleinen träume zu leben, dein ding durchzuziehen, weil es das beste ist, was du tun kannst um deinem leben schönheit, sinn und freude zu verleihen. ein kreatives leben ist ein erweitertes leben, ein schöperisches, interessanteres und ein erfüllteres leben. go for it!

Dienstag, 21. Juni 2016

Über das Trösten



Foto AW

Ratschläge sind Schläge. Diesen Spruch haben wir alle schon einmal gehört. Und trotzdem, wie bei allem, was wir schon einmal gehört oder sogar verinnerlicht haben, es nützt nichts. Es nützt nichts im Sinne von - wir machen es trotzdem. Immer und überall werden Ratschläge gegeben. Eltern raten ihren Kindern, meistens von etwas ab, Bekannte raten Bekannten, Freunde raten Freunden, besser wissend, wie sie mit etwas umgehen sollen, müssen. Gute Ratschläge sind gut gemeint, aber sie helfen dem, der sie bekommt, gar wenig oder gar nicht.
Warum?
Weil jeder Mensch anders tickt. Weil keiner die Empfindungen des Anderen spüren kann. Verstehen ja, spüren nein. Verstehen aus seiner Sicht von Welt, aus seinem Erfahrungshorizont heraus, aus seiner Gefühlswelt heraus. Einander verstehen und einen anderen fühlen, ist ein himmelweiter Unterschied. Auch mit noch so viel Empathie gelingt es uns nicht, das Gefühl des Anderen in gleicher Feldstärke zu fühlen und uns in seinen seelischen Zustand oder uns in sein konkretes Problem einzufühlen.

Jeder von uns hat eine andere Empfindung der Dinge, bewertet Erfahrungen und Erlebnisse anders.  

Was für den Einen überhaupt kein Problem ist, ist für den Anderen eine schwere Belastung, die die Seele quält oder ihn verzweifeln lässt. Da hilft es nichts, zu sagen: Du musst nicht traurig sein, du musst keine Angst haben, du bist so ein starker, wunderbarer Mensch. Da hilft auch kein: Du musst das so und so machen, nur weil man selbst es so und so machen würde. Der Andere kann es nicht machen wie wir es machen würden, eben weil er ein Anderer ist. Und er muss es auch nicht, weil er sein eigener Mensch ist und weil kein Mensch müssen muss was andere meinen, was er müsste.  Letzlich nicht selten auch, damit sie sich besser fühlen, ob ihrer erfolgreichen Beratschlagung. Ich weiß aus Erfahrung, dass damit sogar bisweilen eine Gegenreaktion erzeugt wird. Der mit Rat Geschlagene wendet sich ab. Oder der Ratschlagende, weil sein guter Rat nicht befolgt wird, ist sauer und wendet sich ab.

Was braucht ein Mensch, der feststeckt, der Sorgen hat, oder verzweifelt ist?

Er braucht es ernst genommen werden und nicht, dass sein Problem, seine Angst, seine Verzweiflung beratschlagt werden. Was dieser Mensch sich wünscht ist Achtung vor seinem Gefühl, Verständnis für seine Lage, Annahme als der, der er ist und Trost. Und das Wichtigste: Er braucht unser Vertrauen, dass er auf seine Weise, in seinem Tempo und in seiner Gangart sein Problem lösen wird. Damit achten wir den Anderen und lassen ihm die Zeit und den Raum, die er braucht, um seinen Weg zu gehen und im Leben weiter zu bestehen. Wir lassen ihm das Seine und sind einfach da. Wir hören zu und stellen vielleicht Fragen, wenn er zustimmt, um ihm zu helfen seine eigenen Antworten und Lösungen zu finden.

Alle Antworten auf das, was mit uns zu tun hat, liegen in uns selbst. Sie offenbaren sich dann, wenn es an der Zeit ist.

Mit Ratschlägen wollen wir schnelle Lösungen für andere konstruieren, aus unserem persönlichen Erfahrungsschatz heraus. Die Erfahrung sagt: Es macht keinen Sinn. Es macht Sinn, anstatt zu ratschlagen, zuzuhören. Einfach da zu sein, auch wenn wir das Fühlen und Denken des Anderen für uns selbst nicht nachvollziehen können. Ohne beleidigt zu sein, dass der Andere nicht macht, was wir ihm sagen. Er kann es nicht. Er muss es auch nicht können. Er kann das, was er kann - mit den Informationen, die er zu genau diesem Zeitpunkt hat, als der Mensch, der er zu diesem Moment in der Zeit ist.

Einander achten, einander wohlwollend zuhören und einander trösten, das öffnet Herzen.

Das Trösten haben viele Menschen verlernt. Trösten bedeutet: Sich wirklich um ein Verstehen des anderen zu bemühen und das Eigene herauszulassen, sich dem Anderen aufmerksam zuzuwenden, ihn ernst zu nehmen und in seinem Leid anzunehmen. Das ist viel anstengender und zeitintensiver als ein guter Ratschlag oder ein: Du musst nicht ... Das dauert länger als einen Moment und es bedeutet wirkliches Interesse am Mitmenschen und es bedeutet, das Eigene nicht mit dem Fremden zu vermischen. Es bedeutet, dem Anderen sein Anderssein zu lassen, auch wenn wir es für uns nicht begreifen können und es gern anders hätten.


Samstag, 18. Juni 2016

Erinnerung



wenn wir alt sind, sagtest du, sitzen wir auf einer bank, friedlich zusammen am ententeich.
ich werde alt.
du bist lange schon fort.
ich meide ententeiche.

Authentisch sein – Risiken und Nebenwirkungen

 
Foto.AW

Authentizität ist ein Modewort unserer Zeit. Authentisch sein wollen viele und genauso viele nehmen es für sich in Anspruch, aber vor allem, viele fordern von Anderen, dass sich es doch bitteschön sein sollen.  Ich bin authentisch, das klingt nach menschlicher Größe, nach Souveränität und Reife. 

Aber was bedeutet es wirklich, authentisch sein?
Authentizität ist nicht etwa eine Erfindung der Moderne, sondern eine alte Tugend, die sich der Philosoph Jacques Rousseau (1712–1778 ), seinerzeit von den Menschen im sozialen Umgang miteinander wünschte. In seinen Schriften finden sich jene Bedenken gegen das Spielen einer Rolle und das Tragen einer Maske, die heute noch gelten. „Ich mache mir selbst und anderen nichts vor, ich stehe zu mir, ich bin wer ich bin und ich lebe danach.“ So etwa die Essenz des Denkens des Vertreters der Echtheit und Aufrichtigkeit Jean-Jacques Rousseau, in Kurzform. 

Was Rousseau jedoch vergaß ist, dass dem Menschen neben einer „Zeige- und Offenbarungstendenz“ auch die entgegengesetzten Tendenzen der „Scham und der Verhüllung des Intimsten“ eigen sind.

Rousseaus Ethos der absoluten Echtheit gegenüber steht das im Menschen angelegte Distanzverhalten, welches darauf ausgerichtet ist, den Mitmenschen nicht immer und überall mit den eigenen Befindlichkeiten, Gefühlen und intimsten Gedanken zu begegnen, sie so zu befremden, zu schockieren oder gar zu beleidigen. Man stelle sich einmal vor, wir zeigten uns immer und überall genauso so, wie wir im tiefsten Innersten sind. Also schonungslos echt, im Fühlen, Denken und Handeln übereinstimmend, denn das genau ist es, was Authentizität ausmacht, möglicherweise gäbe es dann noch mehr Hass, Neid, Mord und Totschlag.

Anders gefragt: Ist es wirklich sinnvoll immer „echt" und "wahrhaftig" zu sein? Wollen wir denn überhaupt mit den „echten“ Befindlichkeiten unserer Mitmenschen behelligt werden? Wollen wir denn, dass jeder alles von uns weiß? Haben wir nicht vielmehr ein genuines Interesse daran unser Innerstes zu schützen?

So manch Einer begreift sich selbst nur allzu gern als authentisch, ohne allerdings genau zu wissen, wovon er da redet. Dass die Existenz in der Vielfalt der sozialen Rollen, die wir tagtäglich performen, den Menschen unecht macht und von sich selbst entfremdet, darüber sind sich alle klugen Geister einig. Aber wir sind nun einmal an verschiedenen Orten, im unterschiedlichen Kontext, in unterschiedlichen sozialen und zwischenmenschlichen Kontakten, verschieden Handelnde und sogar verschieden Fühlende und Denkende. Ich kann nicht professionell sein, wenn ich anderen zu viel oder gar alles von meinem Eigenen präsentiere. Das wäre zwar ziemlich radikal, möglicherweise aber sogar grenzverletzend und irgendwie auch narzisstisch, aber vor allem bisweilen, je nach Gefühlslage, sogar verstörend für das Gegenüber.

Authentisch sein, immer und überall, jedem gegenüber? Was hätte das für Folgen für den Einzelnen und das Kollektiv? 

Man darf nicht vergessen, das hinter Rousseaus Plädoyer für Authentizität ein ausgeprägtes Interesse an Sicherheit, an einer zuverlässigen Verknüpfung von innerem und äußerem Sein gegenüber den Mitmenschen, steckt. Ich zitiere: „Wie angenehm lebte es sich unter uns, wenn die äußere Haltung stets das Abbild der Herzensneigung wäre?“ ( Rousseau).  Nur, was dann, wenn die Neigung des Herzens keine gute ist? Wo führt sie dann im Zweifel hin? 

Drop off the mask and let see! In manchen Fällen besser nicht!

Rousseau wandte sich gegen die kultivierte Form der Täuschung und gegen Maskenträger. Das Tragen der Maske, das Spielen einer Rolle bedeutete für ihn den Urgrund des Leidens dessen, der sich der Scheinheiligkeit der gesellschaftlichen Regeln unterwarf. Weiter glaubte Rousseau, jegliches Rollenspiel führe zur Fremdbestimmung und somit in der Folge zur Entfremdung von sich selbst und vom Mitmenschen. „Man wagt nicht mehr als das zu erscheinen, was man ist. Was er ist, ist nichts, was er scheint ist alles.“ (Rousseau) 

Insofern hatte Rousseau Recht, die Lust zu Gefallen und die Angst sich selbst zu sein und das auch zu zeigen, verhindert naturgemäß Authentizität. Wie weit diese jedoch gehen soll um nicht kontraproduktiv zu wirken, wie weit der Mensch sich bedecken muss, um nicht völlig transparent zu werden und damit antastbar und verwundbar, darüber machte er sich weniger Gedanken. 

In der Moderne ist Authentizität eine Besonderheit, eine charakterliche Größe, welche den Menschen über seine „unechten“ Zeitgenossen erhebt. „Dieser Mensch ist absolut authentisch“, wird als Kompliment empfunden. Ein Kompliment, dessen Bedeutung der Mehrzahl in seiner absoluten Tragweite fremd bleibt.

Was, wenn sich jemand plötzlich outed und sein intimstes Leben Preis gibt, und damit auch denen gegenüber, die das nicht als eine Offenbarung des Herzenswunsches absoluter Ehrlichkeit achten, sondern mangels eigener Herzensbildung über ihn herfallen weil das, was er auch ist, ihnen missfällt oder gar gegen ihre bigotte Moral verstößt? Was, wenn ich meinen Schatten anderen, die nur darauf warten mich anzugreifen, zum Drauftreten anbiete? Dann bin ich zwar authentisch, aber wem nützt das und vor allem, wem schadet es? Mir selbst. Die Anderen sind die Anderen und nicht mein Seelenheil und manche Andere sind geradezu gierig auf die Schattenaspekte ihrer Mitmenschen, damit sie das eigene Ungelebte und Verdrängte schamlos und unreflektiert darauf projizieren können.

Hand aufs Herz, Ihr Lieben, in welcher Welt leben wir denn? In einen Welt der Herzensbildung? 

Nein, wir leben zunehmend in einer Welt der einsamen Wölfe, von denen immer mehr für sich selbst reißen, was es zu reißen gibt, in einer Welt, deren Existenzkampf den Einzelnen überfordert und zwar jung und alt gleichermaßen.

Herzensbildung und Schöngeistigkeit, Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit wurden uns nicht gelehrt und unsere Kinder lernen auch nur, wie sie funktionieren müssen um Leistung zu bringen und zum dumpfen Konsumenten zu werden, anstatt zu einem mündigen Menschen, der für sich selbst steht und für sich einsteht. Wer authentisch ist muss sich warm anziehen um im kalten Klima des Zeitgeistes zu überleben. Er ist ein Sonderling. Er hat es schwer, denn er hat die Verpflichtung übernommen, sich selbst gegenüber wahrhaftig zu sein gegen alle Widerstände und Angriffe.

Die alles entscheidende Frage bezüglich Authentizität aber lautet für mich: Weiß ich wirklich wer ich wirklich bin, mit allem was mich ausmacht, dem Hell und dem Dunkel, kenne ich meine Schatten so genau, dass ich sagen kann wie sie aussehen und bin ich dazu fähig radikal und schonungslos ehrlich mir selbst gegenüber zu sein und das auch vor anderen genauso ehrlich auszudrücken? Kenne ich mich tatsächlich in meinem ganzen Sein? Wenn ja wäre das authentisch. Aber es wäre vermessen, das von mir selbst sagen zu wollen. Und wenn ich es doch wäre und es dann radikal lebe, ist es dann nicht auch authentisch mich da zu schützen, wo ich anderen einen Angriffspunkt bieten würde oder ihnen geradewegs ins gewetzte Messer liefe?
Darüber sollten so manche Zeitgenossen, die das Hohe Lied auf die Authentizität singen und sie von Anderen fordern, bevor sie sich um ihre eigene Wahrhaftigkeit Gedanken gemacht haben, einmal nachdenken.


Freitag, 17. Juni 2016

Entwicklung

Foto: AW
 


Entwicklung heißt einzigartig werden und dennoch ein Teil im Ganzen bleiben. Das ist eine Herausforderung, denn mit dem einzigartig werden, trennen wir uns vom Allgemeinen. Wir differenzieren, in uns selbst und im Außen. Wir trennen uns von Vielem, was groß und wichtig erschien und rücken ab von dem, was Mainstream ist. Wir werden wählerischer, wenn es darum geht, mit wem wir unsere Zeit verbringen. Wir werden uns bewusster, was die Kostbarkeit unserer Lebenszeit angeht. Wir zerstreuen uns weniger, bleiben konzentrierter bei dem, was uns wertvoll und wichtig ist. Entwicklung bedeutet, wir rücken hin zu uns selbst, kommen uns selbst nah, ohne vor der Herausforderung der eigenen Nähe zurückzuweichen.

Wir lassen uns nicht mehr ablenken vom Außen und seinen Reizen. Wir tauchen ab um ins eigene Innere einzutauchen. Wir zeigen unser Gesicht nicht mehr überall, wo man sich zeigt um des Zeigens willen oder um uns selbst und anderen zu versichern, dass es uns noch gibt. Wir brauchen die Fülle der Spiegel im Außen immer weniger, weil wir uns im eigenen Spiegel ehrlich zulächeln und uns sagen: Ja, das bin ich und so wie ich bin, bin ich ganz.

Wir machen unser Glück nicht mehr von Dingen, Komfort, Macht und Erfolg abhängig, weil wir wissen, dass wir das Glück darin nicht finden, wenn wir die Fähigkeit dazu nicht in uns selbst tragen.

Wir beschränken das Du, dem wir uns zuwenden, auf ein Du, das auf Augenhöhe ist.
Wir lernen die Kunst des Weglassens von Dingen und Menschen, die uns blockieren oder uns schaden. Wir gehen lieber allein, als in schlechter Begleitung unseren Weg. 
Wir wissen, dass jede gefühlsmäßige Bindung an Menschen vergänglich ist und klammern uns nicht an Beziehungen, die sich abgelebt haben. Wir wissen, dass Liebe und Vertrauen allein bei uns selbst beginnt und bei uns selbst endet. Wir akzeptieren, dass es keine Sicherheiten gibt, derer wir uns versichern können. 

Wir lernen, dass Vergeben und Loslassen das Wesentlichste und zugleich das Schwerste ist, aber notwendig um im Fluss des Lebens zu bleiben. Wir begreifen, dass alles, was wir verlieren, uns ebenso ausmacht, wie das Glück, das uns widerfährt. Wir haben erfahren, es gibt keinen Verlust und keine Trauer, die keinen Reifungsprozess nach sich ziehen.

Wir wissen, dass Akzeptanz bedeutet uns nicht länger gegen die Realität aufzulehnen, nur weil sie nicht so ist, wie wir sie gerne hätten. Wir erhoffen uns keine Wunder und wissen, dass die Zeit nicht alle Wunden heilt. Wir lernen damit zu leben.

Wir wissen, dass es nicht hilfreich ist Gefühle zu unterdrücken, um Stärke zu demonstrieren und lassen unsere Gefühle zu. Wir verlangen nicht mehr zu viel von uns selbst und respektieren unsere Grenzen. Wir wissen, dass wir nichts müssen, was andere meinen, was wir müssten und dass wir dafür keine Erklärungen abgeben müssen. Wir lernen Milde mit uns selbst, wenn wir länger brauchen, als wir es uns wünschen um den nächsten Schritt zu tun. Wir lernen Geduld zu üben und ungeduldiges Getriebensein als Fluchtversuch vor uns selbst zu erkennen.

Wir lernen um Hilfe zu bitten, weil wir wissen, es gibt Dinge, die schaffen wir nicht alleine.

Wir erkennen, dass auch ungute Erfahrungen, die wir machen mit Sinn zu füllen sind, wenn wir es zulassen. Wir wissen, dass Sinn allein in dem zu finden ist, was für uns selbst Bedeutung hat. 

Wir wissen, dass unser Leben und das Leben derer, die wir lieben, endlich ist und dass wir keine Kontrolle über Leben und Tod haben. Wir verschließen unser Herz nicht vor unserer Angst und unserem Schmerz über die Vergänglichkeit und kämpfen nicht dagegen an. Wir wissen, dass die Liebe nicht mit dem Tod endet, niemals. Wir lernen zu leben, von Tag zu Tag, und nutzen die Tage so gut wir es vermögen. Wir sagen immer öfter: Dein Wille geschehe.

Donnerstag, 16. Juni 2016

Vom einander weh tun


"rosenkrieg" AW


er tut weh.
immer nur weh.
macht wehes noch weher.
weidet sich an ihrem weh.
weidet sich an ihrem schmerz.
weidet sich an ihren verlusten.
sie tut weh.
wehrt sich mit wehtun.
sie tun sich weh, weil sie weidwunde menschen sind.


Dienstag, 14. Juni 2016

Medea – Eine psychologische Betrachtung


Medea: AW

zum Hören auf den Link klicken, wer mag  ...
 
https://soundcloud.com/frida-473688618/medea-eine-betrachtung

Vergeben heißt nicht ...


artwork: AW

Vergeben heißt nicht zu vergessen
heißt nicht, es gut zu heißen
heißt nicht, du hattest Recht
heißt nicht, du kannst nichts dafür
heißt nicht, wieder freundlich zu sein, als sei nichts geschehen
heißt nicht, ich bin schwach
Vergeben heißt: 
ich verzeihe dir, damit es mir besser geht und die Verletzung nicht mein Leben vergiftet.

Sonntag, 12. Juni 2016

Vorauseilender Gehorsam


Entwicklungen geschehen immer durch Menschen, die ihrer Zeit voraus sind. Menschen wie Christus zum Beispiel, Galileo Galilei bis hin zu Martin Luther, der seine Wahrheit, trotz der Androhung des Scheiterhaufens, nicht widerrufen hat. Menschen wie diese haben bewiesen, es ist nicht die Zeit, die die Menschen ändert, es sind Menschen, die die Zeiten verändern.Eine Kerneigenschaft dieser Menschen ist, dass sie wissen wollen, Dinge sehen, durchschauen und erfassen, die andere nicht sehen können, oder wollen. Sie haben eine Vision, sie haben eine Leidenschaft, sie brennen für eine Idee, sie haben ihre eigene Wahrheit, der sie folgen und für die sie stehen. Sie sind mutig. Sie folgen nichts und Niemanden außer sich selbst und sie haben den Drang Entwicklungen in Gang zu setzen, im Sinne des Fortschritts, gleich auf welchem Gebiet der menschlichen Kultur und vor allem – sie übernehmen die Verantwortung für das, was sie tun und was sie sind. Und - diesen Menschen fehlt, was in der Gesellschaft, damals und heute weit verbreitet ist: Ihnen fehlt der Impuls zum vorauseilenden Gehorsam.

Das hört sich auch nicht wirklich gut an, Gehorsam und dann auch noch vorauseilend, also gehorchen im Sinne der freiwilligen Vorwegnahme vermuteten erwünschten Verhaltens, besonders im Rahmen gruppendynamischer Prozesse. Genau das machen viele. Die Welt ist voll von diesen Vielen. Mir gefällt das gar nicht „vorauseilend gehorchen“, gehorchen übrigens auch nicht. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir etwas, wovon wir überzeugt sind, gar nicht erst aussprechen, ausprobieren oder gar leben, weil wir annehmen, den anderen passt es nicht in den Kram, woran wir glauben und was wir tun oder wer wir sind?

Ich behaupte - es bringt uns nicht weit und mit Sicherheit nicht zu uns selbst und unserer wahren Größe. Die hat übrigens etwas mit Würde zu tun. Ein altmodisches Wort, aber ein wesentliches Wort, wie ich finde. Es macht uns klein dieses Gehorchen, dieses Folgen, dieses Tun, was man tun soll um nicht aus dem Rahmen zu fallen. Es macht uns zu freiwilligen Knechten derer, die Macht haben und sie ausüben. Die Welt ist voll von Menschen, die alles tun um zu gefallen, um nicht aufzufallen, um bloß nicht anders zu sein, als die Anderen. Denn - wer anders ist läuft Gefahr nicht mehr dazuzugehören. Das macht Angst. Angst vorm Ausgestoßen werden aus der Gruppe. Und Angst lähmt den Mut. Aber das ist ja nichts Neues. Wie sonst könnte auf dieser Welt alles sein wie es ist, ungut wie es ist. Es wird gesehen, es wird bejammert, es wird gewütet – aber getan wird nichts. Weil – jammern und wütend sein ist ja schon was. Nichts ist das, also zumindest nichts, was irgendetwas am Status quo verändert. Es verändert höchstens die Frustrationstoleranz, die wird nämlich immer niedriger. Darum ist unser Alltag so gespickt mit aggressiven Mitmenschen. Meine Meinung. Teilen muss sie niemand. 

Also warum wird so vorrauseilend getan, was erwartet wird? Warum machen Menschen das? Sie machen es, weil sie Angst vor Sanktionen haben. Anpassung ist eben vermeintlich sicherer als das Wagnis gegen den Strom zu schwimmen und für Veränderung zum Guten hin einzutreten. Die Angst eilt dem Wagnis voraus und erstickt es im Keim. Also gehorchen - am Besten schon mal im Voraus. Gehorchen ist uns nicht angeboren. Es muss gelernt sein, am Sinnvollsten von Kindesbeinen an. Das funktioniert auch, bei den Meisten jedenfalls. Ist ja auch kein Wunder, wenn man einem Kind schon im Kindergarten vermittelt, der Elefant hat grau zu sein und nicht rosa, weil: Rosa Elefanten gibt es nicht! Die Fantasie? Scheiß drauf! Ein Elefant ist definitiv grau. So gehört sich das. Vielleicht kommt es ja daher, dass die Franzosen die Deutschen die "Gents Gris" nennen, die Leute mit den grauen Gesichtern. Vorauseilender Gehorsam ist übrigens recht deutsch. Sozusagen fast schon deutsches Sozialverhalten. Nebenbei bemerkt, mir gefallen rosa Elefanten besser.

Vorauseilend gehorchen, das heißt auch, es erst gar nicht versuchen, obwohl wir keine Ahnung haben, ob es nicht vielleicht gelingen könnte, was wir versuchen wollen. Aber auch das machen die Meisten nicht. Es wird weiter geklagt, jammert, still gewütet und in der Komfortzone hocken geblieben, denn da kennen sie sich aus, das kann ihnen nichts passieren, das ist gewohnt vertraut. Das Nichtvertraute trägt die Option der Gefahr in sich. Vorsicht! Veränderung ist gefährlich. Also lieber beim Alten bleiben, schlucken, was schwer verdaulich ist und nichts tun, das ist sicherer und die Komfortzone ist ja auch meist sehr gemütlich, wenn auch unbefriedigend und auf Dauer ungesund für die Seele. Aber egal,   besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, denn da Oben hin gelangen ist ja auch ein schweres Unterfangen. Lassen wir es wie es ist und richten uns ein, in dem was ist, auch wenn es sich nicht gut anfühlt. Besser als ein Risiko eingehen und am Ende vielleicht allein dastehen mit dem, was wir sind und denken und wollen vom Leben – etwas Besseres nämlich. 

Wisst Ihr was das Groteske an der ganzen Sache ist? Das Groteske am vorauseilenden Gehorsam ist, dass die, die das tun, sich selbst die Illusion bewahren können, freiwillig zu handeln. Ja, die menschliche Psyche ist unter Anderem ein Meister in Sachen Selbstbetrug. Wer vorrauseilend gehorcht vermeidet die demütigende Erfahrung, zu etwas gezwungen zu werden. Da mach ich das doch lieber gleich selbst, suggeriert sich Mensch, das verhindert das Gefühl mit der eigenen Ohnmacht konfrontiert werde. Diese ist ja auch ziemlich unerträglich. Ergo behumst sich das Unterbewusstsein: dann identifiziere ich mich doch lieber mit dem ganzen lahmen Rest und den Regeln denen alle folgen, den Jas, die alle sagen und dem Leben, das man mir als Kind schon als erstrebenswert beigebracht hat. So habe ich meine (scheinbare) Macht nicht in Gefahr gebracht und vor allem ich habe meine Ruhe. Der Frust wird runtergeschluckt und füllt die Praxen von Therapeuten und Ärzten.

Ziemlich ungesund und ziemlich schwach. Aber gesellschaftsfähig. Eier in der Hose haben heutzutage die Wenigsten und manche Männer verfügen über diese auch nur rein organisch, fällt mir als Frau so auf. Wie dem auch sei. Vorauseilender Gehorsam führt dazu, das eigene eigentlich gewünschte Denken, Verhalten und Handeln an den vermuteten, unausgesprochenen Erwartungen anderer Personen auszurichten, um befürchtete Konfliktsituationen zu vermeiden oder um sich Wohlwollen zu verschaffen. Tja, wir wollen eben alle gemocht werden.Ich übrigens auch, aber nicht um jeden Preis und nicht über den Preis der Anpassung und der Selbstverleugnung. Der ist mir zu hoch. Anpassung, Selbstverleugnung? Gehorsam? Ob wir uns dabei selber noch mögen? Ich bin mir da nicht sicher. Übrigens, Galileio soll bei Verlassen des Gerichtssaals gesagt haben: Und die Erde bewegt sich doch!






Samstag, 11. Juni 2016

Halt



Zeichnung:AW

mit der zeit lernst du, dass du nichts halten kannst.
mit der zeit lernst du, dass alles vergänglich ist.
mit der zeit lernst du mit dem schmerz zu leben.
mit der zeit lernst du, dass es an dir selbst liegt, wie du mit deinem schmerz umgehst.
mit der zeit lernst du, dass jeder schmerz, den du annimmst, kleiner wird. 
mit der zeit lernst du, dass du dich nur an einen menschen halten kannst - an dich selbst.

wenn du das gelernt hast, suchst du keinen halt mehr in anderen.
 
das schließt nicht aus, dass du nicht nach einer hand greifst, die dir in liebe gereicht wird.
aber du hast gelernt sie zu halten - nicht sie fest zu halten.

Freitag, 10. Juni 2016

Worte?




Geradlinigkeit

Wahrhaftigkeit

Herzenswärme

Respekt

Achtung

Mitgefühl

Liebesfähigkeit

Unterstützende Liebe

Geistige Liebe

Liebevolle Inspiration

Hilfsbereitschaft

Rücksicht

Verantwortung

Vertrauen

Intuition

Lust

Leidenschaft

Freude

Dankbarkeit

Glaube

Demut

Würde

Gelassenheit

Achtsamkeit

Akzeptanz

Zuversicht

Heilung.

Donnerstag, 9. Juni 2016

Notiz an mich selbst




Autoportrait AW
Was du bist

Was du bist, zeigt sich in dem, was du fühlst, nicht in dem, was du über dich denkst. Denn viel von dem, was du über dich denkst, wurde dir über dich zu denken beigebracht. Jedes Gefühl übermittelt dir, wenn du bereit bist, es ganz zu fühlen, eine Information aus deiner Seele.

Innere Freiheit ist in erster Linie die Freiheit, alle Gefühle zuzulassen. Oft führt der Weg in die Freiheit in die Angst hinein. Es ist die Angst, die dich daran hindert, offen und durchlässig zu sein. Je mehr du aber mit deinen Ängsten Freundschaft schließt, desto mehr wirst du dich entspannen.

Mit jedem Nichteinlassen auf deine Gefühle, versuchst du deine Angst zu verdrängen. Doch genau in diesem Schatten, den du dir nicht anschauen willst, liegt deine wahre Größe.

Es macht keinen Sinn, dich ständig von dir selbst abzulenken, indem du nach Rettung im Außen suchst. Kein spirituelles Konzept, kein Partner, kein Wissen bringt die Erlösung von dem, was du an dir selbst nicht annehmen kannst. Erlösung kommt nicht von Außen. Sie kommt, wenn du beginnst dich dir selbst hinzugeben, deine Angst auszuhalten, deinen Schmerz auszuhalten, deine Zweifel auszuhalten, deine Einsamkeit auszuhalten - dich als der auszuhalten, der du bist -  mit all deinen Macken. Dich erlösen bedeutet: durch deine Prozesse hindurchzugehen, dich dir selbst zuzumuten und dich als der anzunehmen, der du bist. Das ist Selbstliebe. Diese Liebe schließt alles ein, dein Hell und dein Dunkel. Selbstliebe ist das Ja zu deiner Unvollkommenheit.


Wurzeln




Oft erwarten wir, dass eine gefasste Absicht, eine Veränderung oder eine Trennung, auch wenn man sie selbst herbeigeführt hat, genügt und das gewünschte Ergebnis stellt sich wie durch Zauberhand ein. Aber so ist das nicht: Alles braucht seine Zeit und damit auch jede Veränderung. Jeder Baum braucht Jahre bis seine Wurzeln so fest verankert sind, dass er starke Äste bilden kann. Es braucht Zeit, bis er erblüht. Genauso ist das mit Veränderungen - wir müssen erst einmal die Wurzeln des Neuen verankern.

Gib acht



Zeichnung: AW

Wenn du nicht acht gibst, wirst du dich eines Tages wiederfinden als ein alt gewordenes, verwelktes kleines Kind, das noch immer um die Liebe der Eltern kämpft und unablässig alles tut, um sie doch noch endlich zu bekommen.

Mittwoch, 8. Juni 2016

Die Lüge



Zeichnung: AW
die lüge
sie stand ihm ins gesicht geschrieben
ich habe sie gesehen
nicht sehen wollen
die lüge bleischwer auf meinem herzen liegend
in das ich sie sie hineingelassen hatte
nahm mir die leichtigkeit
nahm mir vertrauen
selbstvertrauen
ich unfähig sie von mir zu weisen
habe sie gelebt
mich täuschen lassen wollen
all die zeit
enttäuscht schon vor der zeit der ent - täuschung
jetzt steht sie vor mir die wahrheit
groß und ehrlich und schmerzt
und was nützt es mir zu sagen: ja, ich hatte recht...



Dienstag, 7. Juni 2016

Der Knacks





Er ist da, wieder ist er da, dieser Gedanke, ein Gedanke, der nicht vergeht, der sich hartnäckig in alle anderen Gedanken drängt: Ich will weg, weg aus dieser Stadt, noch besser aus diesem Land, das mein Heimatland ist, in dem ich mich heimatlos fühle, seit ich denken kann. Gefühltes Denken, ein Denken, das ich ernst nehmen sollte und es nicht tue. Immer noch nicht, nicht einmal jetzt, wo mein Leben sich einem Zukünftigen zuwendet, in dem die Vergänglichkeit eine Größe annimmt, die bei jedem Blick in den Spiegel eine nicht mehr zu leugnende Gewissheit ist, längst. Jetzt, wenn nicht jetzt, kann ich noch einmal etwas verändern, bevor die Zeit mich überholt.

Mir fehlt der Mut, das Vertraute wiegt in Sicherheit, eine fragwürdige Sicherheit, ein Konstrukt, das Macht hat, mich hindert, den Sprung zu wagen, in ein Neues, Ungewisses. Der Mut steht hinter der Angst, die Sehnsucht, mal ein klägliches Etwas, mal ein großes Brennen, mischt sich ein, sie kämpfen gegeneinander. Ich dazwischen. Habe ich ihn verloren, den Mut, habe ich ihn nie besessen? Nein, ich war immer mutig. Und jetzt dieses: Ich weiß es nicht, weiß nicht, was ich will. Wusste ich es in einer anderen Zeit besser? Bin ich die Gleiche geblieben oder eine Andere geworden? Wer will ich noch sein und was ist noch in mir was sein will? Ich weiß wer ich bin,  wer ich auch bin und wer ich auch sein will, würde ich denn wirklich wollen, aber das mit dem Wollen ist abhängig vom Müssen, auch das. Immer das Müssen, das ich mal will und mal nicht. Da sind viele in mir und die eine, die weiß, haust inmitten dieser scharfen Splitter meines Ichs und weiß. Ich habe mich zu oft an ihr geschnitten.

Der Mann sagte einst zu mir: "Du suchst etwas, von dem du nicht weißt, was es ist." Er machte mich nachdenklich, dieser Satz, den er zu mir herüberschob vor langer Zeit, beiläufig, in einem Gespräch, in dem es um etwas ganz anderes ging. Wir gingen miteinander und kamen an die Stelle, wo es jetzt weh tut. Ist es möglich ein Leben am falschen Ort zu verbringen? Und wie weiß ich, ob es der falsche Ort ist, oder nur meine Einbildung, dass es so sein könnte? Ist jeder Ort der richtige oder ist er es nicht, nicht richtig für mich, die etwas sucht, von dem sie nicht weiß, was es ist, wie der Mann sagte. Sie weiß es, weiß es schon immer, hätte ich antworten sollen damals, dem Mann, aber es hätte ihn erschreckt und das wollte ich nicht, ihn erschrecken. Ist es der falsche Ort wenn all die Straßen, die ich gehe zum Ziel führen? Das Ziel bin ich, was sonst soll es sein. "Verstehst du mich jetzt?", möchte ich den Mann fragen, mit dem ich gegangen bin und von ihm gegangen dann. Wie soll er mich verstehen, wo er mich nie verstanden hat. Ganz einfach, weil er es nicht konnte. Ich erinnere mich an sein Gesicht, um das ich einst meine Hände legte und sagte: "Gib mir einen Platz." Ich wollte mich häuslich einrichten. Ein altmodisches Wortgespann, das auf etwas hinweist, das mir fremd war immer schon. Nie vertraut. Heimat gefühlt nur in mir selbst und doch diese Sehnsucht, immer wieder. Da stimmt etwas noch nicht. Eine Fremde im Leben der Anderen. Das Subversive klebt an mir und findet kein anderes Subversives um anzudocken. So verbringe ich die Zeit mit mir selbst,  jetzt und in Wahrheit schon immer. Vergangenheit, Gegenwart, Zukünftiges. Da ist doch ein Knacks in mir. Etwas hat mich zersplittert, wann das war habe ich vergessen. Der Knacks vergisst mich nicht, er verlässt mich nicht.  Ich verlasse andere schon im Moment des Ankommens, weil sie den Knacks nicht kennen. Der Mann war genau betrachtet auch einer mit einem Knacks. Ein fremder Knacks und nicht Heimat.

Sonntag, 5. Juni 2016

Ganz sein

Heilung braucht Vertrauen, Glaube, Zuversicht, Empathie, Akzeptanz und Liebe für uns selbst. Unheil und Leiden entsteht, wenn wir uns selbst ablehnen oder uns verurteilen. Es entsteht wenn wir etwas in uns selbst ablehnen, was wir nicht mögen oder nicht haben wollen. Es entsteht wenn wir hadern mit dem, was ist und es schnell wegmachen wollen.

Manchmal kommen wie an einen Punkt, an dem wir das Gefühl haben: Ich kenne mich selbst nicht mehr ich, ich fühle mich so zerrissen, ich fühle mich so leer. Ich weiß nicht mehr weiter. Das bin nicht mehr ich.

Und wir beginnen zu suchen ... unser Heil zu suchen, uns zu suchen, irgendwo da draußen ... da draußen, da muss die (Er)lösung sein ...

Aber da draußen ist sie nicht. Wie auch?

Das wahre Ich muss nicht gefunden werden, denn es ist immer da.

Immer sind wir ganz, nicht nur wenn wir glücklich, zufrieden und voller Lebensfreude sind. Auch wenn wir uns nicht gut fühlen, auch wenn wir uns leer fühlen verletzt sind, oder voller Trauer und voller Schmerz, sind wir ganz.
Auch wenn wir uns selbst ein Geheimnis sind – wir sind ganz.

Ganz sind wir dann nicht, wenn wir Teile von uns selbst abspalten. Wenn wir nicht mögen oder gar verachten oder hassen, was wir auch sind. Wenn wir ignorieren wie wir uns fühlen und was ist. Wenn wir Gedanken nicht haben wollen, die uns nicht gefallen oder die uns weh tun.

Wir bewegen uns hin zu unserem gefühlten Ganzsein, wenn wir uns selbst mögen, wenn wir zu uns selbst gut sind, auch wenn es uns nicht gut geht,  wenn wir Verständnis für uns haben und uns nicht vor uns selbst schlecht machen. 

Wenn wir alles sein lassen, lassen wir uns sein. 
Wir lassen uns sein wie wir in diesem Moment in der Zeit sind - ganz - wie wir sind. 



Etymologie: heil = ganz








Einsicht ist Weitsicht





Fehler machen gehört zum Leben.
Wir alle machen Fehler.
Wir alle machen auch große Fehler.
Das Wort Fehler weißt darauf hin, dass etwas fehlt.
Man könnte also sagen, ein Fehler unterläuft uns dann, wenn etwas fehlt, um anders handeln zu können. Uns fehlt Wissen, Achtsamkeit, Einsicht, Gewahrsein, Mut, Milde, Liebe, Achtung, usw. Wir sind unwissend, oder ungeduldig, oder unsicher, oder wir sind das Opfer unserer eigenen überwältigenden, nicht regulierbaren Gefühle, meist sind das ungute, wenn wir einen großen Fehler machen.
Manche Fehler sind so groß, dass sie Beziehungen zerstören können. Aber auch das ist menschlich.  

Wir sind Menschen und machen nun mal Fehler.
Aber es dabei belassen? So tun, als wäre es nicht geschehen? Ist das gut?

Es ist nicht gut.
Ein Fehler hat immer Auswirkungen auf uns selbst und auf andere. Ein Fehler kann viel zerstören, innen und außen. Es ist also gut, wenn wir uns die großen Fehler, die wir in unserem bisherigen Leben gemacht haben, einmal in Ruhe anschauen. Sie anzuschauen hilft zu verstehen, hilft unsere Entwicklung nachzuvollziehen und mit dem heutigen Wissen eine Erkenntnis zu erlangen, die uns hilft solche großen Fehler nicht mehr machen zu müssen. Dabei geht es nicht darum uns zu verurteilen, es geht um Reflexion und um Einsicht. Einsicht schafft Weitsicht, eine weite Sicht auf das, was im weiteren Leben anders laufen soll. Wenn wir hinsehen können wir aus unseren Fehlern viel über uns erfahren und lernen, was wir im weiteren Leben anders machen können.
Wenn wir uns unsere Fehler anschauen ist es wichtig, gütig zu uns selbst sein, mitfühlend mit uns selbst zu sein und unseren Fehlern aus der Vergangenheit, auch wenn sie große Auswirkungen hatten, die wir uns so nicht gewünscht haben und auch nicht vorhersehen konnten, mit Milde gegenüberzutreten.

Wir lernen nur dann aus Fehlern, wenn wir die Bereitschaft haben zu reflektieren.
Reflektieren bedeutet in den Spiegel zu sehen – in den Eigenen und in das, was uns die Spiegel im Außen zurückspiegeln. Reflektieren bedeutet weiter – das Eigene zu erkennen und gegenüber anderen, die von unseren Fehlern betroffen sind, auszusprechen, was da falsch gelaufen ist.
Fehler machen ist kein Übel, ein Übel aber ist, sich selbst und anderen gravierende Fehler nicht einzugestehen.

Jeder Fehler, den wir nicht sehen wollen, den wir uns selbst und anderen nicht eingestehen, blockiert Entwicklung auf der geistigen und der seelischen Ebene.
Fehler vor sich selbst und anderen einzugestehen zeugt von Größe. Es ist ein Zeichen von innerer Reife. Wenn ein Mensch aber so tut, als sei nicht passiert und ein anderer sehr wohl unter dem was angeblich nicht passiert ist leidet, dann wird dieser Fehler immer größer, er wird so groß, bis er nicht mehr zu übersehen ist, bis er sich einbrennt in die unbewusste oder die bewusste Erinnerung, vielleicht ein Leben lang. So kann ein tiefer Groll entstehen, der an der Seele frisst, bis er sie auffrisst. Verleugnen vor sich selbst und anderen hat eine ähnliche Wirkung. Verleugnen führt zu Abwehr oder ins Verdrängen. Was wir verdrängen, drängt irgendwo hin – nämlich entweder ins Außen oder ins eigene Innere. Das ist wie ein Klumpen, der sich im Organismus bildet und der wächst. Im Zweifel wird er zu einer Geschwulst, die dann mit dem chirurgischen Messer herausgeschnitten werden muss.

Fehler korrigieren sich nicht von selbst, wenn man so tut, als seien sie nicht gewesen.
Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, sagt man.
Aber Erkenntnis allein verbessert erst einmal nichts. Verbessern bedeutet handeln, etwas besser machen, machen - im Sinne von es besser tun. Das bedeutet, dass wir etwas tun, um den Fehler zu wandeln und zwar indem wir unser Verhalten künftig wandeln und es dem gegenüber, dem wir "gefehlt" haben, auch wenn wir es selbst sind, besser machen als vorher.

Es besser machen heißt: Wir ergreifen Maßnahmen, die die Gefahr der Wiederholung des gleichen oder ähnlicher Fehler verhindern. Wenn wir wissen was in uns uns dazu getrieben hat den Fehler zu begehen, können wir uns genau darum kümmern. Wir können den Urgrund, den Auslöser herausfinden, der uns fehlerhaft hat handeln lassen und daran arbeiten. Das heißt – wir arbeiten an uns selbst. Ehrlich und mit dem festen Willen, zu wandeln, was uns dazu veranlasst hat, den Fehler zu begehen. Ohne dieses Bewusstsein bleiben wir an einer Stelle unsere Entwicklung stecken und damit ist Weitermachen auf einer höheren Ebene nicht möglich. Im Gegenteil: wir machen weiter mit der Produktion von Fehlern.

Jeder Fehler, dem Einsicht und der Wille zur Korrektur folgen, ist so auch ein Segen.
Einsicht und Korrektur bringen uns weiter. Weiter in unserer Entwicklung, näher zum Verstehen unserer selbst und näher zum Verstehen anderer. Fehler, denen Einsicht und Wille zur Korrektur nicht folgen, trennen uns weiter, von uns selbst und anderen.