Ich sage meinen Klienten oft: Alles hat einen Sinn. Das klingt banal
und ist schwer anzunehmen, wenn es einem gerade so richtig mies geht. Aber es ist
für mich kein Geschwafel, es entspringt meiner
Lebenserfahrung und meiner Haltung dem Leben gegenüber. Ich bin oft durch meine persönliche Hölle gegangen und fühlte
mich dabei innerlich so einsam und verlassen, dass ich das Gefühl hatte, ich bin der
einzige Mensch auf dem Planeten. Da war niemand, der mir Halt gab,
niemand, der mir zuhörte und sagte: Du schaffst das! Die, auf die ich
glaubte zählen zu können, waren in jenen Zeiten nicht da. Heute weiß ich,
die Einsamkeit hat mich zu mir selbst geführt. Durch die Gefühle die sie mit
sich brachte und die ich aushalten lernte, bin ich innerlich gewachsen.
Alleinsein, von allen verlassen sein,
ist bitter. Da kommt es dann hoch, das Gefühl der Einsamkeit, das sich anfühlt,
als würde es einen innerlich zerreißen.
Wer es kennt, weiß, wie viel Angst es
machen kann, und am größten ist die Angst, dass es immer so bleiben könnte. Ich
habe diesen Zustand einmal als große Ungerechtigkeit empfunden, aber ich weiß
heute, und zwar genau deshalb weil ich allein war und es immer wieder bin, ich
bin mehr als meine gefühlte Einsamkeit. Ich bin mehr als meine gedachten oder
gefühlten Grenzen und vor allem, ich bin mehr als das Bild, das ich in jungen
Jahren von mir selbst hatte. Dieses Bild ist Vergangenheit. Ich hadere nicht
mehr damit, dass manche meiner Träume sich nicht erfüllt haben, ich weiß heute, dass das Leben etwas anderes mit mir vor hatte als mein Ego. Dieses
Ego brauchte genau diese unguten Zustände und Erfahrungen um das zu lernen und zu begreifen.
Es brauchte die Verluste, die Angst, die Ohnmacht, die Hilflosigkeit, die Wut
und die Enttäuschung und es brauchte dafür die Zeiten der Einsamkeit.
In der
Einsamkeit kommen alle Gefühle nach Oben, die wir sonst nicht so spüren.
Das
sind zutiefst menschliche Gefühle. Jeder kennt sie in mehr oder weniger großer
Feldstärke. Bei mir war diese Feldstärke oft gewaltig, aber genau diese
Intensität hat mich geformt und mir beigebracht, dass das auch das Leben ist und
nicht etwas, das es um jeden Preis zu vermeiden gilt. Es geht sowieso nicht. Es
gibt kein dauerhaftes Glücklichsein. Es ist wie es ist und es kommt wie es
kommt. Wir können nicht alles kontrollieren, auch wenn wir das noch so gerne täten. Wir können nicht immer wählen wie
es kommt, aber wir können wählen wie wir damit umgehen wie es ist. Wir können
uns dagegen wehren und Widerstand leisten wie ein Kind, das sich auf den Boden
legt und schreit: Ich will das aber nicht, oder wir können es annehmen und
sagen: So beschissen das auch gerade ist, jetzt ist das ein Teil meines
Lebens. Ich schaue was ich daraus machen und lernen kann.
Wenn wir fähig sind zu
akzeptieren was ist, wenn wir den inneren Widerstand aufgeben verändert sich
viel. Diese Veränderung hilft uns über die eigenen Grenzen zu gehen, auch wenn
es schwer ist und wir glauben, dass wir es nicht schaffen.
Ich habe es
geschafft mit einigen Blessuren und einigen verloren gegangenen Illusionen über
das Leben, die Liebe und die Menschen. Es verbittert mich nicht. Es macht
mich bisweilen traurig, weil ich mich selbst getäuscht habe und auch das ist
okay. Ich glaube an das Gute im Menschen ebenso wie an das Schlechte im Menschen. Da
ist immer beides. Ich trenne es nicht mehr. In jedem von uns liegen beide
Möglichkeiten nah beieinander, so wie in jedem von uns die Möglichkeit liegt,
das Gute und das Schlechte auszuleben, zur einen und zur anderen Seite hin. Wir
können wählen und zwar innerhalb der Möglichkeiten. Das ist nicht leicht, eben
weil das Leben nicht leicht ist. Manche Menschen werden bitter, weil sie ihr Leben
als ungerecht empfinden, manche beklagen sich ohne Unterlass, dass sie nicht
bekommen, was sie so sehr wollen, manche ertränken ihre Enttäuschung und
ihre Wut über ihr scheinbar verkorkstes Leben in Alkohol, manche
machen andere für ihr Schicksal verantwortlich und manche sagen ja zum Leben,
ganz gleich, was es ihnen vor die Füße legt. Sie heben es auf und machen das
Beste daraus. Sie gestalten im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Wir selbst wählen, wie sie mit dem Schweren
umgehen und zwar aus unseren Möglichkeiten heraus, den Möglichkeiten, die uns
ihnen angelegt sind und aus dem Bild heraus, das wir von sich selbst haben und
von dem Entwicklungsstadium aus, indem wir uns gerade befinden.
Probleme und Krisen
im Leben entstehen dadurch, dass wir etwas nicht gelernt haben oder etwas
Falsches gelernt haben. Das ist kein Drama und dafür können wir nichts. Wir
sind nicht unfähig oder kaputt, wir haben nur etwas nicht oder falsch gelernt.
Und das bedeutet: Wir müssen an manchen Punkten unseres Lebens dazulernen oder
umlernen oder wir müssen etwas vollkommen Neues lernen. Dazu sind Krisen auch da. Dazu ist
Einsamkeit da. Denn wenn wir einsam sind, auch wenn es nur gefühlt ist, dann
wirft uns das Leben auf uns selbst zurück. Es schenkt uns diesen sich so leer
anfühlenden Raum um ihn zu füllen: Mit neuen Erfahrungen die wir nur alleine
machen können. Lernen bedeutet nichts anderes als die Veränderung unseres
gewohnten Verhaltens durch neue Erfahrungen. Wenn ich aber das tue, was ich immer tue und immer getan habe, kommt
dabei heraus, was immer dabei heraus kam. Das müssen wir erst einmal begreifen.
Und das bedeutet das Gewohnte anzuschauen und es daraufhin zu überprüfen, ob es
für das, was gerade ist, hilfreich ist oder nicht.
Manchmal müssen wir neu
denken lernen und das bedeutet Neues in unser Leben zu lassen und das ist erst dann
möglich, wenn wir bereit sind das Alte zu verabschieden, auch wenn es schmerzt und es bedeutet
uns eine Zeit lang einsam zu fühlen.
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