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Eine Studie aus dem British Journal of Psychology zeigte
vor einigen Jahren, Hochintelligente Menschen, the extremely intelligent,
genannt, erfahren weniger Zufriedenheit in sozialen Kontakten. Damit stehen sie
im Gegensatz zur Mehrzahl der Menschen, bei der Sozialisation mit anderen Menschen
einer höheren Lebenszufriedenheit gleichkommt.
Wir Menschen sind soziale Wesen, wir brauchen einander, das haben zahlreiche Wissenschaftszweige belegt. Der Reiligionsphilosoph Martin
Buber brachte es auf den Punkt: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Der
Mensch wird am Du zum Ich“, denn nur in
Beziehung zu einem Du kann sich unser Ich entwickeln. Mit "Du" meinte Buber dabei unsere
Mitmenschen als auch Gott, im Sinne von: Das „ewige Du“.
Wie aber steht es um die intelligenten Einzelgänger,
brauchen sie kein Du, keine Begegnungen, und wenn, warum ist das so?
Laut obengenannter Studie sind viele
intelligente Menschen Einzelgänger. Sie vermeiden weitgehend soziale Kontakte. Die
Autoren der Studie, Norman Li, ein Evolutionspsychologe an der Singapore
Management University und Satoshi Kanazawa von der London School of Economics,
haben sich mit der Frage beschäftigt, wie sich Intelligenz, Freundschaft und
Bevölkerungsdichte auf das Glücksgefühl der Menschen auswirken. Ihr Fazit: Intelligente
Menschen fühlen sich glücklicher, wenn sie ihre Zeit nicht mit anderen verbringen
müssen.
Der Grund: Sie können Aufgaben besser alleine lösen und ziehen es vor
selbstständig die Herausforderungen des Lebens zu meistern. Ihr Fokus liegt auf
Autonomie im Gegensatz zu Fremdgesetzlichkeit, Fremdbestimmtheit
und Bindung, also der Abhängigkeit von fremden Einflüssen bzw. vom Willen und
den Erwartungen anderer. Aufgrund ihres starken Autonomiebedürfnissen
sind ihnen Beziehungen weniger wichtig. Manche von ihnen, so eine Aussage der
Studie, empfinden Beziehungen sogar oft als Klotz am Bein.
Unser Maß an Intelligenz beeinflusst die Art, wie wir die
Welt sehen.
Ein Mensch mit einem hohen IQ und ein Mensch einem niedrigen
IQ sehen nicht dieselbe Welt. Die Person mit dem höheren IQ erkennt und
versteht komplexe Informationen, Zusammenhänge und Muster, die die Person mit dem
niedrigen IQ nicht sieht. Er ist fähig abstrakt zu denken, Dinge schnell zu erfassen,
zu verarbeiten und daraus angemessene Schlussfolgerungen zu ziehen. Diese
Fähigkeit umfasst kognitive Prozesse wie Wahrnehmung, Lernen, Erinnern, kritisches
Denken und eine hohe geistige
Leistungsfähigkeit bei Entscheidungsfindungen und im kreativen Lösen von
Problemen.
Von diesen Menschen, die diese Fähigkeiten besitzen, gibt es nicht allzu viele. Was dazu führt, dass jene, die sie besitzen, oft Einzelgänger sind.
Ann Clarkson von der Mensa International, der weltweit größten und bekanntesten Hochbegabtenvereinigung, sagte
dazu einmal Folgendes: „Es ist belegt, dass sich sehr intelligente Menschen
manchmal von den Menschen um sich herum isoliert fühlen, weil sie die Welt
anders sehen und wahrnehmen. Es ist schwer, jemanden zu finden, der
Informationen genauso verarbeitet wie du, wenn dein Gehirn so funktioniert, wie
das von nur zwei Prozent vom Rest der Weltbevölkerung.“
Mit anderen Worten: Wer besonders intelligent ist, ist
allein, ein Einzelgänger.
Da aber alles mehrere
Seiten hat, gilt auch hier: Das Thema ist komplex.
Der postulierte Zusammenhang
zwischen sozialer Isolation und Intelligenz stimmt so pauschal nicht. Das würde
im Umkehrschluss heißen: wer sozial integriert ist, gesunde Beziehungen führt und
Freunde hat, ist nicht sonderlich intelligent. Auch unter Hochintelligenten gibt
es sozial integrierte Menschen, die erfüllende Beziehungen haben. Man hüte sich
wie immer vor Verallgemeinerungen. Wahr allerdings ist, es ist schwer, mit
jemandem zu kommunizieren, der nicht dieselbe Welt sieht, die wir sehen.
Eine Ursache dafür, dass
intelligentere Menschen oft Einzelgänger sind, liegt u.a. am Kommunikationsspektrum. Jeder Mensch kann am besten mit einem Gegenüber kommunizieren,
das einen ähnlich hohen IQ und ein ähnliches Kommunikationsspektrum hat.
Je
intelligenter ein Mensch ist, desto weniger Menschen können ihn verstehen, was
dazu führt, dass man sozial isoliert ist, dann nämlich, wenn man absolut keine
Begabung für Small Talk hat und diesen als sinnlos, ermüdend und langweilig
empfindet. Während sich die meisten Menschen für banale Dinge interessieren und
darüber endlos reden, machen sich intelligentere Menschen über wichtigere und komplexere
Dinge Gedanken. Sie gehen in die Tiefe, haben einen hohen Anspruch an Details, nehmen
wahr, was anderen gar nicht auffällt und meiden alles, was nur die Oberfläche
kratzt. Pseudothemen ohne Nährwert sind für sie reine Zeitverschwendung.
Vielen intelligenten Menschen mangelt es an Menschen mit
ähnlicher Intelligenz.
Sie isolieren sich dann, auf Grund der Tatsache nicht
verstanden zu werden.
Sie wählen aufgrund dessen, dass sie keine Resonanz
finden, ihr Einzelgängertum selbst, nach dem Motto: „Besser allein, als schlecht
begleitet.“ Ihr unerfüllter Anspruch zwingt sie in die Isolation.
Intelligente Menschen machen zudem immer wieder die
Erfahrung, dass sie oft nicht verstanden oder sogar missverstanden werden, dass
man ihnen sagt, sie seien seltsam,
kompliziert, überempfindlich und anstrengend.
Wozu sollen sie sich dann austauschen?
In Folge ziehen sie sich, aufgrund wiederholter Zurückweisung,
in ihre eigene Welt zurück. Viele intelligente Menschen sind nicht einmal introvertiert,
sie finden einfach keine Verbundenheit, sprich Menschen, die ähnlich wahrnehmen,
denken und fühlen. Sie sind auch nicht unbedingt sozial inkompatibel, sie genießen
Gesellschaft, wenn inspirierende Gespräche stattfinden.
Fakt ist auch: Je höher die Intelligenz, umso höher sind in der
Regel die Selbstansprüche. Werden diese nicht erfüllt, wachsen Frust, Enttäuschung
und Selbstzweifel. Was wiederum auch zum inneren Rückzug führen kann. Je
intelligenter, desto mehr Gedanken sind im Kopf, und das heißt auch, desto mehr wird
gegrübelt. Was nicht immer heilsam ist.
Eine kanadischen Studie mit dem Titel: "Intelligence and emotional disorders:
Is the worrying and ruminating mind a more intelligent mind?", die den Zusammenhang
zwischen Intelligenz und emotionalen Störungen untersucht hat, kam zu dem Ergebnis,
dass das Grübeln tatsächlich ein Grund dafür ist, warum besonders intelligente Menschen
die Einsamkeit bevorzugen.
Zudem zeigte die Studie, dass es einen Zusammenhang zwischen Angst- und Depressionen
mit Intelligenzmessungen gibt. Laut der Studie machen sich Menschen mit hoher Intelligenz
mehr Sorgen. Infolgedessen haben sie ein höheres Angstniveau und entwickeln häufiger
Angststörungen wie z.B. die GAS (Generalisierte Angststörung).
Schließlich sind intelligente Menschen oft sensibler, heißt: Verwundbarer.
Da jeder Kontakt die Möglichkeit beinhaltet, verletzt zu werden, neigen sie zu sozialem
Rückzug, was zur Vereinsamung führen kann.
Intelligente Menschen, die noch dazu hochsensibel sind, fühlen
sich zudem häufig missverstanden und damit nicht anerkennt und ausgegrenzt.
Daher meiden Sie Gespräche und Kontakte, die negative Gefühle
auslösen.
Das Klischee vom intelligenten, glücklichen
Einzelgänger kommt bei genauerer Betrachtung ins Wanken.
Ich kenne, auch durch
meine Arbeit, einige intelligente
Menschen, die oft einsam und traurig sind. Sie leiden unter einer inneren
Einsamkeit, die C.G. Jung einmal so definierte: „Einsamkeit kommt nicht davon,
keine Menschen um sich herum zu haben, sondern davon, unfähig zu sein, die
Dinge zu äußern, die einem wichtig sind oder seine eigenen Standpunkte zu
vertreten, die andere als unzulässig finden.“
Es ist also nicht so, dass hohe Intelligenz
uns per se zum glücklichen Einzelgänger macht, und dass sie generell zu einem
gelingenden Leben führt, es macht auch nicht unbedingt Spaß allein zu sein. Das
Klischee vom intelligenten Einzelgänger ist eine hochkomplexe Sache, es ist u.a.
die Reaktion auf die Umwelt, verbunden mit vielen Parametern der Persönlichkeit
und der Psyche, wozu übrigens auch die Bindungsangst und Bindungsstörungen gehören,
welche dann als „Splendid Isolation des einsamen Genies “ stilisiert und romantisiert
werden.
Manchmal ist es auch einfach bequemer intelligenter Einzelgänger
zu sein, nach dem Motto: Am Gipfel bleibt die Lage überschaubar.
Mein Fazit: Intelligenz ist leider nicht genug für ein
gelingendes Leben.