Donnerstag, 30. August 2018

Wer co-abhängig ist hat kein Selbstbewusstsein - ist das wahr?



Malerei: A Wende

„Wer Co-abhängig wird oder ist, hat kein Selbstbewusstsein“, oder „ein selbstbewusster Mensch wird nicht co-abhängig“. Diese These wird allgemein aufgestellt und geglaubt, wenn es um co-oder emotionale Abhängigkeit geht. Dies ist eine sehr eindimensionale und die Komplexität der Ursachen für Co-abhängigkeit vereinfachende These. Das Selbstbewusstsein ist ebenso wie das Selbst eines Menschen keine ein für alle mal gefestigte oder statische Größe, sondern ebenso wie unsere Identität und unser Selbst, ständigen Schwankungen und Veränderungen unterlegen. Ebenso wie das Leben verändert sich unsere Persönlichkeit durch viele äußere und innere Faktoren, Erlebnisse und Erfahrungen. 

Wir wachsen, wir erleben Erschütterungen, wir erleben Krisen und Erfolge. Alles in ständigem Wandel. Jede Veränderung verändert etwas in uns. Daher ist die Behauptung: Ein selbstbewusster Mensch wird nicht co-abhängig schlicht und einfach falsch. 

Ein selbstbewusster Mensch kann zugleich sehr empathisch und sensibel sein. Er kann traumatisiert sein, ein Helfersyndrom haben, eine schwache Stelle, die ihn durchlässig macht, eine alte Erfahrung, die ihn antastbar macht, eine Erschütterung erleben, die sein Weltbild in Frage stellt, einen Verlust erleben, der eine Welt zusammenbrechen lässt. All das sagt nichts über das Selbstbewusstsein eines Menschen aus, denn das kann in anderen Bereichen durchaus stabil sein und dauerhaft existent. Wir sind nicht eine (selbstbewusste) Persönlichkeit, sondern wir alle haben verschiedene Persönlichkeitsanteile, die sich bisweilen und sogar oft widerstreben. Der Verstand kann wissen, das Herz kann hinterherhinken. Das Gefühl kann spüren und der Verstand irren. 
 
Die Gründe und Ursachen für co-abhängiges Verhalten kann man nicht exakt definieren. Jeder Mensch, der in sie hineingerät hat andere innere Motive, steht an einem anderen Teil seines Weges oder seiner inneren Entwicklung und jeder Mensch zeigt ein anders geartetes co-abhängiges Verhalten. Um Co-abhängigkeit zu verstehen müssen wir den Einzelnen wirklich verstehen. Und er selbst muss sich verstehen lernen. Darum ist es so wichtig herauszufinden welcher innere Anteil eines Menschen die Co-abhängigkeit aufrecht erhält, was er dafür an Bedürfnisbefriedigung bekommt, also welches tiefe innere Bedürfnis befriedigt wird, und wie er sich dieses Bedürfnis auf gesunde Weise erfüllen kann, ohne sich dauerhaft in einer dysfunktionalen Beziehung emotional, seelisch, geistig und körperlich derart zu „vergiften“, dass am Ende das komplette Selbstwertgefühl und das daraus erwachsende Selbstbewusstsein mit drauf gehen.




Liebe ist oder sie ist nicht.


Aquarell: A.Wende


Du musst nichts leisten um geliebt zu werden. 
Du musst auch keine Zeit ableisten bis der andere weiß ob er dich liebt. 
Liebe ist oder sie ist nicht. 
So einfach ist das. 
Und wenn sie jemand an Bedingungen knüpft,
spricht er nicht von Liebe,
sondern von einem Deal.

Freitag, 24. August 2018

Was habe ich in die Welt zu geben, was über mich selbst hinausgeht?



An den Scheidewegen des Lebens stellt sich die Frage: Wie soll es weitergehen?
Und meist wissen wir das nicht so genau.
Jede Veränderung, egal welcher Art, fordert von uns eine Entscheidung. Um diese zu treffen ist es hilfreich zu wissen, was und wohin wir wollen. Wie wollen wir weitermachen nachdem Altes vergangen ist und Neues noch nicht sichtbar?

Solche Scheidewege in denen wir das Alte verabschieden und ziemlich ahnungslos und bisweilen auch leicht oder schwer angeschlagen in eine unbekannten Zukunft blicken sind für manche ein Problem, für manche eine Krise und für andere eine Herausforderung.
Wobei mir letztere Haltung am Besten gefällt. Ich bin ziemlich krisengeschüttelt und habe gelernt durch sie hindurch zu gehen und zwar indem ich an irgendeinem Punkt das Jammern und Klagen sein lasse, weil ich mir damit selbst auf die Nerven gehe, und mich frage: Was will das Leben jetzt in diesem Moment in der Zeit von mir? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn die Erfahrung zeigt, dass all die Teile in uns da meist keinen Konsenz finden, sich einander vielleicht sogar bekämpfen, weil der Eine das meint und der Andere dies und das Innere Kind völlig verwirrt in der hintersten Ecke unseres Seelenhauses sitzt und seine kindlichen Bedürfnisse weder mal glatt ignoriert werden. Sein zartes Stimmchen könnte dann zum Beispeil sagen: "Mir doch egal was das Leben von mir will, ich will spielen oder ich will lieb gehabt werden oder ich hab grad null Bock auf nix."

Lange Pause ...
Ach dieses Kind, wie es uns plagen und leiden machen kann, ich könnte noch hundert Jahre darüber bloggen und es würde nie Ruhe geben. Das sollte es aber an solchen Scheidewegen. Wir sollten es beruhigen und ihm die Angst nehmen vor dem, was ihm Angst macht, und dann die Entscheidungen für unseren weiteren Weg als Erwachsener treffen, klar und umsichtig und zum Besten für all unsere inneren Anteile.

Ein neuer Lebensabschnitt könnte, unabhängig vom Alter, mit Visionen beginnen. Aber nicht alle von uns haben sie. Viele Menschen waren und sind so sehr im Hamsterrad des Alltags gefangen, dass sie überhaupt keine Zeit und keine Muße hatten oder haben um über ihre Vision nachzudenken und manche haben schlichtweg keine. Das ist okay. 

Aber auch ohne eine Vision zu haben macht es Sinn sich folgende Fragen zu stellen.
Was will ich weiterhin machen? Welche Fähigkeiten habe ich, die ich ausbauen könnte? Wohin will mein Herz? Was begeistert mich? Was habe ich bisher immer richtig gemacht? Was hat mich getragen, was nur mit mir selbst zu tun hat, völlig unabhängig von anderen Menschen? Was liebe ich und was macht mir Freude? Welches Verhalten lässt mich immer wieder scheitern? Wovon bin ich auf ungesunde Weise abhängig? Welche Beziehungen sind verlässlich und welche sind giftig für mich? Wer unterstützt mich auf meinem Weg? Welche inneren und äußeren Ressourcen habe ich und welche habe ich noch nicht ausgeschöpft. Was brauche ich wirklich und was meine ich nur zu brauchen? Was will ich Neues lernen und was will ich in meinem Leben noch gestalten? Was gibt meinem Leben Tiefe und Wert?

All das sind Fragen, die wenn wir sie uns ernsthaft stellen, äußerst interessante Antworten zu Tage bringen. Sie führen uns zur zentralen Frage, die lautet: Was verleiht meinem Leben Sinn?

Nun könnte man sagen, wozu Sinn? Brauche ich den überhaupt? Das Leben ist ja schon der Sinn an sich. Es muss nicht unbedingt alles tiefen Sinn machen, auch das ist ein Ansatz um zu leben. Auch das ist okay. Aber der Mensch ist nun mal ein Sinnsucher, wie es Albert Camus so schön formulierte. Und wenn ich nur dieses eine Leben habe, macht es für mich durchaus Sinn den meinen zu suchen und in ihm zu leben. Ich habe meinen Sinn gefunden und dafür bin ich dankbar. Ich liebe es Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und sie zu unterstützen. Ich liebe es diesen Blog zu schreiben und allein diese beiden Dinge geben mir das sinnvolle Gefühl etwas zu tun, was über mich selbst hinausgeht. Das ist die letzte Frage, die wir uns stellen können, nachdem alle Fragen beantwortet sind: Was habe ich in die Welt zu geben, was über mich selbst hinausgeht?

Donnerstag, 23. August 2018

Das Schlüssel-Schloß-Prinzip oder warum geraten Frauen an narzisstische Männer


Malerei: A. Wende


Das Netz ist voll von Texten über narzisstische Männer, die hungrigen Wölfen gleich in der Welt umherziehen, hilflose Rotkäppchen zum Opfer ihrer bösen Absichten machen, sie versteckt im Schafspelz bezirzen indem sie sie mit dem sogenannten "love bombing" einlullen (was für eine blöde Wortschöpfung) sie damit willenlos machen um sie dann zu dominieren, zu benutzen und auszubeuten, sie psychisch zu demontieren um sie langsam aber sicher emotional und seelisch zu zerstören um den eigenen Machthunger zu sättigen. Mir selbst sind schon einige dieser Wölfe im Schafspelz begegnet, daher weiß ich was eine solche Begegnung bewirken kann. 

Bei all dem Faszinierenden was ein Narziss an sich hat, eine Beziehung mit ihm ist eine Herausforderung an das eigene Selbstwertgefühl und an die Selbstliebe. 
Jedes Mal wenn mir ein narzisstischer Mann begegnete war ich bereit. Mein seelisches Schloss schrie: "Hier passt dein Schlüssel, Schätzelchen!" Und ja, ich habe mich nicht getäuscht, er passte perfekt. Ich war berauscht. Von Glückshomonen überflutet schrie mein Herz: Ja, er ist es! Nie hatte ich derart leidenschaftliche Gefühle, nie ein solches Hochgefühl, wie in den ersten Monaten mit einem Narzissten. Mein Unterbewusstes hatte sich nicht geirrt, sein Schlüssel passte perfekt in mein Schloss. Wie heißt es so schön? Unbewusstes erkennt Unbewusstes blind. 

Das Schlüssel-Schloß Prinzip bedeutet in der Psychologie das Zusammenpassen von Reaktionspartnern wie der Schlüssel in ein Schloß. Aber was heißt das?
Zwei Menschen geraten in eine Kollusion ( lat. colludere, gemeinsam spielen, zusammenspielen). 
Darunter  versteht man ein wenig reflektiertes, unbewusstes Arrangement in dem die Rollenverteilung von vorne herein klar ist und die Interaktionsmuster im gegenseitigen Einvernehmen unbewusst abgespult werden. Das dazu gehörende Drehbuch ist die Vorlage für ein Drama, in dem die Protagonisten einander perfekt ergänzen, allerdings nicht zu ihrem Besten. Wie gesagt: Ein Drama, keine Romanze. 
Jede Kollusion beruht auf fragwürdigen gegenseitigen Machtspielen und unbewussten inneren Motiven. Die äußerlich scheinbar übereinstimmenden Interessen, die die Protagonisten zusammenführen, erweisen sich in der Regel im weiteren Verlauf der Beziehung als dysfunktional, destruktiv und selbstlimitierend. 

Gegensätze ziehen sich an, wie man so schön sagt. Nach diesem Motto kommt es häufig zu Beziehungen zwischen einer Frau mit einer selbstunsicheren Persönlichkeit und einem narzisstischen Mann.  
Was dem Einen fehlt, hat der Andere zu bieten und beide suchen das Gleiche: Bewunderung, Anerkennung und Liebe. Der Narziss für sein schwaches Selbstwertgefühl, das sich hinter seiner scheinbaren Grandiosität und Eloquenz versteckt, die selbstunsichere Frau für ihre mangelnde Eigenliebe, die sich hinter Fürsorglichkeit, Empathie und hoher Liebesfähigkeit versteckt. Beide verbindet das unerfüllte Bedürfnis nach Wichtigkeit, welches ihnen in der Kindheit vorenthalten oder gar zerstört wurde. Beide leiden an einem unstillbaren Hunger nach Zuneigung, Bewunderung und Wertschätzung. 

Der Narziss fühlt sich magisch von Frauen angezogen, die von außerordentlicher Gefühlstiefe sind, weil er genau diese nicht hat.  
Er fühlt nichts, nicht einmal sich selbst. Er spielt Gefühle, er lebt von Inszenierungen in jedem Lebensbereich. In seinem Inneren ist eine großen Leere, die er unbedingt füllen muss um sich nicht emotional aufzulösen. Die selbstunsichere Frau hat ein fragiles Gefühl für die eigene Existenz und den eigenen Wert. Sie fühlt sich innerlich oft einsam und von ihren Gefühlen abgeschnitten, sobald kein Gegenüber da ist, dem sie ihre Zuneigung schenken kann und das ihr im Gegenzug unbedingte Aufmerksamkeit schenkt. Sie sucht die ideale Liebe die ihr in der Kindheit verwehrt blieb. Sie sucht einen Partner, der ihr den guten Vater ersetzen soll, den sie nie hatte. Stark, haltgebend, liebevoll, fürsorglich, verstehend, beschützend und selbstsicher.

Genauso wirkt der Narziss auf den ersten Blick. Er scheint der zu sein, der ihre schmerzhafte Sehnsucht erfüllen kann und sie aus ihrer inneren Einsamkeit befreit. Dafür ist sie bereit viel zu geben und im Laufe der Beziehung viel zu ertragen, immer in der Hoffnung, dass sie sich doch nicht getäuscht hat, weil damals am Anfang hat er ihr doch all das auf dem Silbertablett, garniert mit roten Rosen, serviert. Sie hält an ihm fest, egal was er ihr antut, im falschen Glauben, je mehr sie ihm gibt, je mehr sie erträgt, irgendwann wird sie sein kaltes Herz zum Schmelzen bringen und der wunderbare Mann, der sie am Anfang auf Händen getragen hat, kommt wieder zum Vorschein. 

Das tut er nicht, denn er ist nicht wunderbar.
Er ist allenfalls ein wunderbarer Schauspieler, der seine Rolle jedoch nicht durchhalten kann, weil ihm sein Machthunger in die Quere kommt. Der Machthunger der als Kompensation für die eigene innere Ohnmacht dient. Diese Ohmacht will der Narziss nicht spüren. Dieses Gefühl ist so alt wie er selbst und es zu fühlen würde sich genauso vernichtend anfühlen, wie es sich angefühlt hat als er ein kleiner Junge war. 
Im Grunde haben beide schon zu Beginn des Dramas verloren. Die unselige Kollusion bringt nur Leid, das der Narziss aber nicht spürt, die selbstunsichere Frau jedoch in eine tiefe Krise stürzen kann, die ihr sowieso schon mangelndes Selbstwertgefühl zerschmettert. 

Schlüssel und Schloß - Ein Drama, das beide Mitspieler braucht. 
Ein Drama in dem es keinen Sinn macht von Schuld zu sprechen oder den „bösen“ Narzissten zu verdammen. Ein Drama in dem es den Wolf gibt und das Rotkäppchen. Und beide sind Opfer einer Kindheit in der es keine bedingungslose Liebe gab oder sogar Missbrauch und endlose Demütigungen. 
Beide sind Opfer, die zu Tätern werden, an sich selbst und am anderen. 

Das Rotkäppchen allerdings hat, wenn es sein eigenes inneres Drama erkennt, die Chance es besser zu machen - für sich selbst. Nämlich indem es lernt sich sich selbst fürsorglich und liebevoll zuzuwenden. Genau das ist die Lektion, die es lernen darf.
Diese wird aber nicht gelernt indem der Narziss verdammt und als Monster stigmatisiert wird. Sie wird nicht gelernt indem er als Projektionsfläche für den unterdrückten Hass und die ohnmächtige Wut benutzt wird, die eigentlich wo ganz anders hingehören: Zu den Verursachern aus der eigenen Kindheit nämlich. Zu denen, die den Grundstein gelegt haben für einen Begriff von Liebe, die keine ist.

Das Netz ist voll von verletzten Frauen, die in unzähligen Videos ihre eigenen narzisstischen Beziehungen zur Schau stellen, den Täter öffentlich verteufeln und ihn zu etwas machen, was nichts Menschliches mehr hat. Frauen, die Ratschläge geben, wie man Narzissten erkennt, sie verlässt und sich selbst vor dem Schmerz der eigenen narzisstischen Kränkung rettet. Was sie allerdings selbst dazu beigetragen haben, wo ihre Neurose liegt, die dazu führt, dass sie in diesem Drama die zweite Hauptrolle spielen, erfährt man nicht. Wozu auch - das Böse ist der andere. Der Teuel ist der andere und der muss ausgetrieben werden aus dem eigenen verdrängten malignen System.

Nein, so einfach ist es nicht. Das ist Küchenpsychologie, die leider viele Claquere findet. Rotkäppchen sollte klüger sein. Denn nur dann wird es verstehen - sich selbst und seinen Co-Narzissmus, seine Hysterie und seine kindliche Bedürftigkeit, die der Fallstrick ist, der ihm solche Begegnungen immer wieder beschert. Es könnte sich anstatt mit seiner Verurteilung am anderen weiter anzuhaften, seiner Kindheitswunde stellen, die es in dieses destruktive Unliebespiel mit einem Narzsissten treibt. Einsicht satt Aus(sen) Sicht. Sich sich selbst zuwenden, anstatt am "bösen Täter" festzukleben und auf diese Weise das Drama wieder und wieder, mental und emotional zu reinszenieren. Wunden, an denen wir ständig kratzen heilen nun mal nicht. 
Das braucht Zeit, verwundete Seelen heilen nur langsam. Und nur dann, wenn die Wunde angeschaut wird und dann versorgt wird.

Der Narziss wird sein Drama nicht erkennen wollen, denn das würde ihm den Boden seiner ganzen Scheinexistenz unter den Füßen wegreißen. Wahr ist: Er kann nicht lieben, er ist dazu nicht fähig, denn dazu müsste auch er lernen sich selbst zu lieben – und genau diese fehlende Selbstliebe ist der tiefe Kern der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. 

Böse? Ein böser Wolf? Nein, ein bedauernswertes nicht erwachsen gewordenes wütendes Kind, das ein Leben lang nach Liebe schreit und sie nicht erfahren kann. Es sei denn, der erwachsene Teil dieses Menschen ist bereit erst einmal in die Bodenlosigkeit zu fallen und sich dort selbst zu begegnen.
Aber das ist seins. 

„Contempt is the weapon of the weak and a defense against one's own despised and unwanted feelings.“ — Alice Miller

Referenz: https://beruhmte-zitate.de/zitate/1411872-alice-miller-contempt-is-the-weapon-of-the-weak-and-a-defense-a/

Contempt is the weapon of the weak and a defense against one's own despised and unwanted feelings.
Alice Miller

Mittwoch, 22. August 2018

Das Ja zu uns selbst




Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, setzen wir Grenzen, weil wir wissen wo wir aufhören und wo der andere anfängt.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, hören wir auf andere verändern zu wollen. Wir wissen, dass es nicht unsere Aufgabe ist, auch wenn der andere sich selbst schadet.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, hören wir auf uns selbst zu schädigen mit Handlungen oder Worten, denn dann achten wir gut auf uns selbst.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, treiben wir uns nicht mehr an, wiel wir lernen mit unseren Kräften zu haushalten und weil wir wissen, dass sie nicht unendlich sind.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, lassen wir von den Erwartungen, die andere uns erfüllen sollen ab, weil wir wissen, dass nur wir selbst verantwortlich sind für das, was wir uns wünschen und dass kein anderer das für uns erledigen kann.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, begegnen wir uns selbst mit dem Mitgefühl, das wir für andere aufbringen, weil wir wissen, dass wir zuerst Mitgefühl für uns selbst haben müssen, bevor wir es anderen geben können.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben vertrauen wir uns selbst und unserer Wahrnehmung, weil wir wissen wir sind ebenso einzigartig wie unsere Erfahrungen, die uns das Leben schenkt.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben verzichten wir auf unbedingte Forderungen uns selbst und anderen gegenüber, weil wir wissen, dass diese zu unnötigen Enttäuschungen führen.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben schenken wir uns Fürsorge, Achtung, Anerkennung und Achtsamkeit, weil wir wissen, wenn wir uns das selbst geben, brauchen wir es nicht mehr von anderen - wir sind frei von Abhängigkeiten.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, hören wir auf gierig nach Substanzen, Dingen oder Menschen zu sein, weil wir wissen, dass Gier und Sucht unseren Geist, unseren Körper und unser Fühlen zerstört.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, beruhen unsere Entscheidungen sowohl auf unserem eigenen Wohl, als auch auf dem Wohl unserer Nächsten.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, lieben wir den anderen ohne Anhaftung, denn dann ist Liebe kein Mangel mehr.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, sagen wir ja zu unseren Schatten ebenso wie zu unserem Licht, weil wir wissen nur so sind wir ganz.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, üben wir Geduld mit uns selbst, unserem Nächsten und dem Leben.
Wenn wir lernen uns selbst zu lieben werden wir immer geliebt - von uns selbst.

Dienstag, 21. August 2018

Vorsicht Liebe!



Die Angst ist so komplex wie die Liebe und manchmal ist sie so groß, dass sie der Liebe im Weg steht, zu uns selbst und damit zu anderen. Wer sich selbst nicht lieben kann hat viel Angst. Er ist im Tiefsten allein, sein Leben ist ein stetes Bemühen sich selbst zu schützen. Die Wunde im Eigenen, die Erfahrung von Verletzung und Schmerz macht klein, sie macht eng und sie macht einsam. Wer sich nicht liebt, nicht lieben gelernt hat, fürchtet sich vor der Liebe, denn wie soll er an sie glauben, sie fühlen, wenn er sie in sich selbst doch nicht fühlen kann, wenn das Herz wund ist und die Seele ein zersplittertes Etwas, das seine Essenz sucht und sie in all den Einzelteilen, die im Raum schweben, nicht zu finden vermag? Dann gesellt sich die Traurigkeit zur Angst und die Vorsicht waltet im ganzen Sein.

Vorsicht, lass dich nicht verletzen, Vorsicht, du kannst nicht vertrauen, Vorsicht, du kannst dich nicht binden, also winde dich heraus aus allem, was die Möglichkeit in sich trägt deine Angst zu bestätigen und deinen Schmerz zu erneuern. Ein Vermeiden, das schützen soll und vorgaukelt es zu tun. Ein Irrglaube, eine vermeintliche Sicherheit im engen Schutzraum der Einsamkeit, der das Herz umklammert und es eng macht und hart.

Angst lässt die Seele sie nicht wachsen, sich verhindert Erfahrung, lässt sie verkümmern. Angst brennt wie ein loderndes Feuer, das die Seele in glühende und schließlich in kalte Asche verwandelt. Angst treibt den Ängstlichen um, sie treibt ihn zur Flucht, wenn die Liebe erscheint und ihm die Hände reicht. Wie gern will er sie fassen, sie auf sein wundes Herz legen und vertrauen, endlich vertrauen. Und manchmal für einen Moment in der Zeit gelingt es. Aber halten? Wie halten, was Angst macht, was Verletzung bedeuten kann? Niemals ist da das sichere Wissen, ob sie auch eintreten wird. Aber die Angst glaubt es zu wissen. Die alte Angst weiß, was geschehen ist, so oft und wieder geschehen kann und sie warnt das Herz. Und das Herz verschließt sich der Möglichkeit es anders zu erfahren. Es fürchtet sich doch so sehr. Es fürchtet sich weil es in der Vergangenheit zu hause ist und zugleich aus der Erinnerung heraus in der Zukunft, mit all den schmerzhaften Konstruktionen, die es macht und die doch eintreten müssen, weil die gefühlte Erfahrung ihm das sagt. Die Gegenwart kann es nicht sehen, blind vor Angst, das arme Herz.

Aber wo die Angst ist, ist kein Raum für die Liebe, sagt der Teil der Seele, der größte aller Teile, der weiß, der so viel mehr weiß, als die Angst. Aber wenn dieser Teil den Mut dazuruft, dann sind da Zwei, um sich über die Angst zu erheben, behutsam, ohne sie zu verurteilen, ihr Mitgefühl schenken und ihr zuflüstern: Liebe Angst, du darfst sein, denn du bist ja und ich weiß dich zu schätzen, aber jetzt kannst du dich ausruhen, bis ich dich wirklich brauche um mich zu warnen, denn das ist deine wahre Qualität.  Es ist nicht deine Aufgabe mich von der Liebe zu entfernen, denn ohne sie wirst immer nur du sein und du wirst wachsen, meine Seele überwachsen bis sie versinkt in ihrer tiefen Einsamkeit, unberührbar und taub. 

Samstag, 18. August 2018

Dankbarkeit





Seit einigen Tagen schreibe ich jeden Morgen auf wofür ich am letzten Tag dankbar war und was ich gut gemacht habe. Eine Anregung eines Freundes, der ich folge. Eine gar nicht so leichte Aufgabe, weil ich noch immer im Liebeskummer festhänge. Der Kummer, der mich von der Dankbarkeit wegschiebt, weil er weh tut. Der Kummer, der nur dann geht, wenn ich mich meiner Arbeit zuwende und mich auf andere Menschen konzentriere. Dann ist es gut. Dann bin ich ganz weit weg von der Selbstfokusierung, in der Verbundenheit mit meinem Gegenüber. In der Zuwendung zum anderen hin spüre ich wie sich das leidende Ego auflöst, als würde es instinktiv spüren, dass es da keinen Platz hat. Dafür bin ich dankbar an diesem Morgen. Ja, das mache ich gut. Du könntest das besser machen, sagt eine Stimme in mir. Gut wäre wenn du deinem Ego sagen könntest, dass es sich nicht zwischen dich und dich stellen soll, dass es dir die Verbundenheit mit dir selbst nicht blockieren soll, weil sie heilsam wäre für dich selbst. Ich selbst ohne meinen Kummer. Wer bin ich mit mir selbst verbunden?, frage ich mich. Ich bin die, die bleibt, immer, auch wenn Menschen aus meinem Leben gehen. Ich bin da. Ich bin viel mehr als dieser Kummer. Ja, das könnte ich besser machen, antworte ich der Stimme. Ich bin da, noch da, auch wenn ich gerade in einem gefühlten Niemandsland zwischen Abschied und Neubeginn herumirre, auch wenn ich traurig bin und mutlos und enttäuscht. Ich bin noch da und mitten drin im Leben, das mehr ist als mein Kummer, so viel mehr. Dafür bin ich dankbar. 

Nmaste Ihr Lieben.

Freitag, 17. August 2018

Es gibt nicht auf alles Antworten





Es gibt nicht auf alles Antworten. Diese Erkenntnis ist so alt wie wir Menschen. Es nicht anerkennen zu wollen, dass es so ist, dass wir oft antwortlos zurückbleiben, ist ebenso alt. Neulich sagte eine Klientin zu mir, wenn ich wüsste, dass es auf alle meine Fragen eine Antwort gibt, wenn ich wüsste, dass alles, was mir geschieht, auch wenn ich es nicht verstehe, einen Grund hat, einen Sinn macht, dann wäre das Leben rund. Wäre es das wirklich?  

Es ist schwer zu akzeptieren, dass wir bisweilen antwortlos bleiben, dass alles Fragen nach dem Warum kein Licht ins Dunkel unserer Gedanken bringt. Wir können nicht verstehen warum ein geliebter Mensch uns nicht mehr liebt, wir können nicht begreifen warum ein Mensch viel zu früh von uns geht, wir suchen eine Antwort, die uns die Trauer erleichtern soll und dem Schmerz einen Sinn gibt. Aber würde eine Antwort das wirklich tun, würde das Verstehen unsere Trauer und unseren  Schmerz kleiner machen? Wäre es leichter den Verlust zu verschmerzen? Würde es uns leichter fallen eine Trennung vom Geliebten zu verkraften, wenn er uns sagt, warum er uns verlässt? Wäre die Diagnose einer schweren Krankheit leichter anzunehmen, wenn wir wüssten, warum wir sie haben? Würden Demütigungen und Verletzungen weniger schmerzen, wenn wir um das Warum wüssten? Tut es weniger weh, als Kind nicht geliebt worden zu sein, wenn wir wissen, warum man uns nicht lieben konnte? Ich glaube nicht. Ja, unser Ego wäre zufriedener, denn es würde sich nicht mehr so ohnmächtig fühlen. Es wäre zufriedener, weil es sich die Illusion der Macht des Wissens um die Dinge vorgaukeln könnte. Es könnte sich weiter vorgaukeln die Kontrolle zu haben, denn Kontrollverlust macht Angst und die will es vermeiden. Weil Angst hilflos macht und klein und uns weil sie uns daran erinnert, dass wir nicht die Allmacht über die Dinge, das Leben und uns selbst haben. Das Gefühl aber würde sich ob des Wissens um ein Warum nicht verändern.

Es sind die Gefühle, die uns mehr als alles andere ausmachen. Ein Mensch, der irgendwann weiß warum er wie tickt, wo seine wenig hilfreichen Gedanken und Handlungen herkommen, versteht sich selbst zwar zunächst einmal besser, seine Gefühle ändern sich durch das Wissen seines Warum nicht wesentlich. Veränderung gelingt nur über das Gefühl. Sicher beeinflussen unsere Gedanken unsere Gefühle, aber wer einmal versucht hat seine Gedanke zu kontrollieren um bessere Gefühle zu haben, weiß wie unendlich schwer das ist. Da können wir jahrelang „The Work“ machen und uns in die eigene Tasche lügen, dass wir allein die Macht über unsere Gedanken haben und für alles was uns im Leben widerfährt selbst verantwortlich sind, und dann geschieht etwas Schlimmes und aus ist es mit der Gedankenkontrolle, wir fühlen Schmerz und Wut und Trauer. Und dann spüren wir wieder einmal, wir haben nichts unter Kontrolle. 

Wir sind Gefühlswesen. Wir werden mit Gefühlen geboren und nicht mit Gedanken. Wir schreien als Baby wenn wir Hunger haben und denken uns den Hunger nicht. Wir schreien nach Zuwendung und denken uns nicht: ich will Zuwendung. Sicher ist es hilfreich zu wissen warum die Dinge sind wie sie sind, aber es ist ebenso wichtig zu wissen, dass das Warum erst einmal nichts nützt. Also kommt die nächste Frage: Warum kann ich nicht ändern was ich nicht haben will und was nicht sein soll? Warum kann ich mich nicht verändern, weil ich jetzt weiß warum ich so bin? Nun, auch das könnte man mit Hilfe der Hirnforschung dann noch weitgehend erklären und begründen, aber nützt das etwas?
Das Wissen um das Warum tut nur eins, es scheint zu entlasten. Bis die Last wieder spürbar wird. 

„Insofern, als wir auf die Tatsachen des Lebens erst zu antworten haben, stehen wir stets vor unvollendeten Tatsachen“, schreibt der Psychiater Viktor Frankl, der viele Jahre seines Lebens im Konzentrationslager in Auschwitz verbringen musste. Er selbst hat es überlebt, seine Familie nicht. Er hat sich nach dem Warum gefragt, er hat sogar ein Buch geschrieben in dem er sich fragt, was genau es ist, was die Einen überleben ließ und andere nicht. Er suchte Antworten, er suchte Trost in seinem Schmerz über die Verluste, er wollte verstehen. Hat er verstanden, warum er und nicht seine Liebsten überlebten? Nein. Seine Gedanken haben Konstruktionen gemacht um Antworten zu finden. Konstruktionen aber sind keine Antworten, es sind Vermutungen warum etwas wie sein könnte.
Wir Menschen machen Konstruktionen um uns an etwas halten zu können, das ist zutiefst menschlich und es macht Sinn, denn wo kämen wir hin, wenn wir uns an nichts halten könnten? Wir kämen dahin wo Frankl schließlich hinkam: „Wir stehen vor unvollendeten Tatsachen ...“
 
Und dann kämen wir endlich dahin wo wir sagen könnten: Ja, so ist es. Es ist wie es ist.
Es gibt nicht auf alles Antworten, denn es gibt Tatsachen, die unvollendet sind, die nicht erklärbar sind und nicht verstehbar für uns. Das meine ich, wenn ich sage: „Ich erkenne an, dass es nicht auf alles eine Antwort gibt.“ Das hat mit Demut zu tun. Eine der schwersten Übungen für uns, die wir auf alles Antworten wollen.


Mittwoch, 15. August 2018

Co-abhängig – Ein Leben im Käfig des Mangels


Malerei: A. Wende

Wer es erlebt hat oder gerade erlebt weiß es: Co-Abhängigkeit ist ein Leben im Käfig des Mangels, der Angst und der Selbstverleugnung. Wenn wir in eine Co-abhängigkeit geraten sind oder tief drin stecken, sind unsere Gedanken immer bei der anderen Person. Alles, was sie tut oder nicht tut, alles was sie sagt oder nicht sagt, bekommt eine übermäßig große Bedeutung und beeinflusst unsere Gefühle, unsere Gedanken und unser Handeln. Die Folge: Wir geben die Macht über uns selbst an den anderen ab. Wir verlieren Selbstkontrolle, Selbstwertgefühl und Selbstbestimmung. Wir sind gefangen in einem Käfig der Fremdbestimmung und drehen uns nur noch um den anderen. Wir verleugnen unsere Bedürfnisse, unsere Wünsche, unsere Träume und werden klein und kleiner. Je kleiner wir werden, desto hilfloser und ohnmächtiger fühlen wir uns. Wr kleben am anderen. Die Beziehung zu lösen scheint unmöglich - das destruktive Gefühlschaos hält und pappt am anderen wie zäher Leim. Und das eigene Leben fühlt sich genauso an: zäh und starr.

Wir kommt man da wieder raus?
Es ist ein langer, schmerzhafter Weg und er beginnt mit einem ersten Schritt, wie alle Wege.
Er beginnt mit Bewusstwerdung.
Wenn wir uns darüber bewusst werden, was wir da machen, indem wir uns selbst dabei zu beobachten beginnen, kann das der erste Schritt hin zu einer Veränderung sein. Erst wenn wir uns zutiefst klar darüber sind, dass wir die Macht über uns selbst einem anderen Menschen in die Hände geben, haben wir die Chance sie uns zurückzuholen.
Werden wir uns also unserer Gefühle, Gedanken und Handlungen in Bezug auf den anderen bewusst.

Werden wir uns bewusst was das mit uns macht. Und zu welchem Menschen uns das macht.

Warum ein Käfig?
In der Co-abhängigkeit leben wir in einem Käfig von unguten, dysfunktionalen Gefühlen, aus denen wir uns nicht befreien können. Eine angemessene Emotionsregualtion funktioniert nicht mehr oder nur begrenzt. Angst, ständige innere Unruhe, Wut, Verzweiflung, sinnlose Erwartungen und ständige Enttäuschungen haben uns im fest Griff. Alle positiven Gefühle werden kaum mehr gespürt. Wir stecken in einer Negativschleife destruktiver Gefühle aus der wir nicht nicht mehr herauskommen.

Durch das ständige Klagen und Beklagen über unsere Lage verstärken wir diese Gefühle. Dadurch verengt sich unser Focus und wir sehen keine Lösung. Wir fühlen uns als hilfloses Opfer und glauben nicht mehr an ein besseres Leben. Manche Co-abhängige glauben sogar ohne den anderen nicht mehr leben zu können. Sie geben sich selbst auf.

Wohin führt das?
Die Angst wächst, die Verzweiflung wächst. Ausweglosigkeit macht sich breit. Wir verlieren den letzten Rest unseres Selbstwertgefühls und bleiben gefangen in einer Situation, die jeder normale Mensch längst verlassen hätte um seinen Arsch zu retten.
"Aber ich schaffe es nicht zu gehen, kommt dann. Ich liebe diesen Menschen doch".

Nein, das ist keine Liebe, weil Liebe nicht weh tut, weil Liebe nicht eng macht, sondern weit, weil Liebe uns beflügelt und nicht am Boden kleben lässt, weil Liebe Kraft gibt und sie nicht raubt. Das was ist, ist Abhängigkeit. Also Schluss mit der Selbstlüge.

Warum bleiben Co-abhängige?
Aus dem inneren Mangel an Eigenliebe und fehlendem Selbstwertgefühl werden mit der Zeit Selbstzerstörung und Selbsterniedrigung. Wenn wir co-abhängig sind haben wir den Glauben aufgegeben, unser Leben allein meistern zu können. Selbstbestimmt zu leben macht uns Angst.
Wir haben mehr Angst zu gehen als zu bleiben.
Und das ist der Käfig.
Den Schlüssel haben wir selbst.
Wir müssen ihn irgendwann benutzen, sonst gehen wir in diesem Käfig zugrunde.
Wenn wir das alleine nicht schaffen, es gibt Hilfe.

Namaste 

Sonntag, 12. August 2018

Loslassen versus Kontrolle





Die meisten von uns assoziieren Loslassen mit Verlust, sodass das Loslassen möglichst vermieden wird, zumal Loslassen mit Kontrollverlust zu tun hat. Also halten wir fest und behalten so scheinbar die Kontrolle.

Wir strengen uns an festzuhalten, was wir zu brauchen glauben.
Wir denken darüber nach, wie wir es festhalten können. Wir machen Pläne wie wir es festhalten können, wir wollen ein Commitment, wir wollen Verbindlichkeit, wir wollen Sicherheit, wir wollen Zuverlässigkeit. All das fordern wir ein um das festzuhalten von dem wir glauben, dass wir es unbedingt brauchen. Manche Menschen halten sogar an ihrer Angst, an ihrer Wut, an ihrem Leiden, an unglücklichen Beziehungen, an krankmachenden Jobs fest, weil sie glauben es zu brauchen. Je mehr wir uns auf unser Brauchen focusieren, desto weniger gelingt es uns loszulassen, es sein zu lassen, die Dinge fließen und sich entwickeln zu lassen, sie dem Prozess zu überlassen, der geschieht, egal ob und wie sehr wir uns bemühen den Status quo festzuhalten.

Nun, die Erfahrung sagt: Du kannst nichts festhalten, egal wie sehr du kontrollierst. Die Erfahrung sagt auch: Du musst dich nicht immer so furchtbar anstrengen, manchmal reicht es auch dich weniger anzustrengen. Weniger anstrengen gelingt dann, wenn wir eine loslassende und betrachtende Haltung einnehmen. Das entspannt ungemein. Zufriedenheit entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch das Loslassen von Kontrolle.

Namaste

Samstag, 11. August 2018

Gedankensplitter




Wir alle mühen uns ständig ab, das Ungute zu vermeiden und das Glück anzustreben. Mit viel Mühe, viel Bemühen und einer Portion Glück gelingt es uns eine Weile das Gute zu halten. Aber es ist nicht von Dauer. Nichts ist von Dauer, alles ist nur von kurzer Dauer. Aber das wollen wir nicht akzeptieren. Wir wollen das es gut ist, immer. Wir glauben wir haben das Glück doch verdient. Aber das Glück ist keine Sache des Verdienens.

Das Leben schert sich nicht ums verdienen. Das Leben geschieht.
Und auch das wollen wir nicht akzeptieren. Wir kontrollieren. Wir haften an, an dem was uns wertvoll und wichtig erscheint. So strampeln wir uns ab für etwas, das immer nur von kurzer Dauer ist. Es ist schon ein großer Schritt getan, wenn wie erkennen, dass dieses Abstrampeln nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Es ist ein Riesenschritt getan, wenn wir aufhören zu kontrollieren. Es ist ein weiterer Riesenschritt getan, wenn wir akzeptieren was unveränderbar ist.

Donnerstag, 9. August 2018

Selbstabwertung ist ungut


Malerei: A. Wende


Selbstabwertung ist ungut.
Leider aber ist Selbstabwertung tief in uns verankert und das Fatale ist - sie geschieht meist unbewusst. Da sind diese Sätze, mit denen wir uns innerlich selbst klein machen. Da sind diese destruktiven Gedanken, die uns Wert nehmen, statt uns Wert zu geben. Da sind diese inneren Stimmen, die Ungutes oder sogar Vernichtendes über und zu uns sagen. Da ist dieses nicht enden wollende Affengeschnatter in deinem Kopf, wenn dir etwas nicht so gelungen ist, wie du es dir erhofft hast. Da sind diese elenden Überzeugungen, die man dir über dich selbst beigebracht hat und denen du noch immer Glauben schenkst. Wenn du all dem ein Mal ganz bewusst zuhörst, zeigt es dir, welche innere Haltung du dir selbst gegenüber hast. 

Die Art und Weise wie du über dich selbst denkst, trägt in erheblichem Maße dazu bei, ob du an dir leidest oder nicht.

Je öfter du dich gedanklich selbst abwertest, desto mehr verstärkt sich das ungute Gefühl, das du dazu im Körper verspürst. Du kommst in einen Teufelskreis, den man Konditionierung nennt.
Jedes ungute Gefühl wird zum Auslöser der Selbstabwertung.
Jede Selbstabwertung wird wiederum zum Auslöser für ein ungutes Gefühl.
Du willst dich ja gar nicht abwerten, sondern wertschätzen und dich selbst achten.
Vielleicht ist dir die verdeckte Selbstabwertung auch gar nicht bewusst. Oder, wenn du dir bewusst vornimmst dich wertzuschätzen, gelingt es dir nicht und gleichzeitig findest du es nicht gut, dass du so abschätzend mit dir selbst umgehst. Also wertest du dich wieder ab, weil du nicht kannst, was du willst.

Ein unguter, sich selbst verstärkender Automatismus.
Wie da raus kommen?
Werde achtsam mit dir selbst.

Der abgewertete Teil kann lernen, dass er sich dieser Abwertung nicht hilflos ergeben muss. Der abwertende Teil kann entdecken, welche inneren Motive ihn zu diesem Umgang mit dir veranlassen. Diese Entdeckungen lassen sich nur machen, wenn beide Seiten mit der Haltung der Akzeptanz: „Was ist, darf sein!“ erforscht werden.

Beide Teile brauchen dein Mitgefühl, dein Verstehen und dein Verständnis. Wenn du verstehst, warum du dich abwertest, welcher Teil in dir dich dazu antreibt und was er damit bezweckt entkommst du nach und nach dem inneren Drama der Selbstabwertung. Du wirst zum Beobachter deiner inneren Stimmen und kannst lernen, dich selbst bewusster und liebevoller zu behandeln.
Und nein, das funktioniert nicht auf Knopfdruck. Das ist wie jede Veränderung alter Denkmuster ein Prozess und der bedeutet: Stetige Arbeit an dir selbst!

Dienstag, 7. August 2018

Sei





Was dich einsam macht ist das nichtverstanden Werden.
Sogar die, die vorgeben dich zu lieben, sogar die, die dich lieben, sie verstehen dich nicht.
Du weißt es.
Du fühlst es.
Du wünschst es dir wieder und wieder und wieder.
Und immer bleibt es beim Wünschen
Und hoffen ...
Und du hoffst und bist im Widerstand.
Du kämpfst: Nein es kann nicht sein, es muss doch sein, irgendwann muss es sein.
Aber es ist nicht.
Es war nicht.
Es wird nicht sein.
Also verabschiede dich.
Wähle Frieden statt Kampf.
Und
Sei!

Innere Freiheit





Innere Freiheit ist für mich ein Zustand des Geistes, der sich von allem Groll über das Vergangene befreit hat. Ein Geist, frei von Anhaftung, frei von innerem Kampf und Widerstand gegen das, was nicht veränderbar ist. Ein Geist, der frei von Abhängigkeiten und alten Mustern lebt und liebt. Innere Freiheit, das ist für mich, mich vertrauensvoll dem Fluss des Lebens zu überlassen, neugierig zu sein und zu bleiben, dankbar und achtsam in jedem Moment in der Zeit.
Eine schöne Vorstellung.

Freitag, 3. August 2018

Ist leiden leichter als lösen?




Zeichnung: A. Wende

Es ist öde und frustrierend das Gleiche immer wieder durchzukauen. Und das Blöde ist: Es ist absolut sinnlos. Irgendwann kommt der Punkt, an dem es nichts mehr nützt verstehen zu wollen, warum der Andere ist wie er ist. Warum er dich schlecht behandelt, nicht wertschätzt, säuft, seinen Narzissmus an dir auslebt, dich benutzt, belügt oder betrügt. Du kannst tausend Gründe dafür finden, warum er ist wie er ist. Tausend Gründe um ihn zu verstehen – er ändert sich nicht, egal wie sehr du ihn und sein Problem verstehst. Egal wie sehr du ihn bittest etwas zu verändern.

Irgendwann kommt der Punkt, an dem du sagen musst: Ich bin rotzunglücklich. Ich will mehr als die paar Krümel an Aufmerksamkeit, die er mir hinwirft um mich bei der Stange zu halten. Meine Bedürfnisse gehen total unter. Ich bin am Ende meiner Kraft. Ich bin leer und ausgebrannt. Ich habe keine Freude mehr am Leben. Ich gehe in dieser Beziehung kaputt.

Wenn das so ist, hast du genau drei Möglichkeiten: Love it, leave it or change it.


1.   Du lebst damit und hörst auf zu jammern und denkst weiter: Ich habe nichts Besseres verdient. Ich bin es nicht wert liebevoll behandelt zu werden. Finde einen Weg wie du damit klar kommst und leb damit. Leide weiter und beklag dich nicht mehr. Es ist deine Entscheidung zu leiden anstatt dich zu lösen.

2.   Du sagst dir: Ich habe es probiert. Ich habe alles versucht, alles gegeben. Ich habe nichts verändern können. Ich habe genug gelitten. Du hörst auf dich auf seine Probleme zu fixieren und schaust auf dich, wie es dir geht. Du machst dir klar: Ich bin unglücklich und gehst.

3.   Wenn du keinen Weg findest: Tu das was du die ganze Zeit von ihm verlangst: Such dir Hilfe um dich zu ändern.



"Die abhängige Liebe sagt: Ich liebe dich, weil ich dich brauche. Die reife Liebe sagt: Ich brauche dich, weil ich dich liebe."

Heinz-Peter Röhr