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„Ich hab es satt, trotz Therapie, trotz Coaching, es wird nicht besser. Mir kann keiner helfen! Es ändert sich einfach nichts Grundlegendes. Hört das denn nie auf?", klagte gestern ein Klient.
Mir kann keiner helfen! Das ist kein hilfreicher Gedanke.
Dieser Gedanke ist eine Hürde für meinen Klienten. Ein Schwellenhüter, der sich innerlich groß vor ihm aufbaut und dafür sorgt, dass er sich selbst machtlos fühlt und die Verantwortung für seine Genesung woanders hin delegiert.
Nun, der Inhalt des Gedankens ist dennoch wahr.
Es stimmt, uns kann keiner helfen, wenn wir uns nicht selbst helfen. Und das bedeutet: wir tragen das Unsere dazu bei.
Wir erwarten nicht, dass jemand anderer uns gesund macht. Das kann der beste Therapeut nicht. Genesung braucht die unbedingte Bereitschaft und Mithilfe des Betroffenen. Die Erwartung: man muss mir helfen oder einer soll mich gesund machen ist kontraproduktiv. Wir geben damit die Verantwortung für uns selbst ab. Wir folgen dem kindlichen Bedürfnis: Mama soll es für uns gut machen, Papa soll für uns richten, was wir nicht können oder nicht schaffen.
Wenn wir nicht aktiv mithelfen, können wir es nicht schaffen.
Wer wirklich eine nachhaltige Verbesserung seiner Symptome oder seiner Lebensumstände erreichen will, muss mitarbeiten. Da reicht eine Stunde Therapie in der Woche nicht. Auch ein Klinikaufenthalt über Wochen oder Monate reicht nicht.
Das sehen wir an den vielen Rückfällen, sobald Patienten entlassen wurden. Wieder zurück in der alten Welt, fallen die meisten innerhalb kurzer Zeit in alte Muster und schädliche Denk- und Verhaltensweisen zurück. Schätzungen zufolge liegt z.B. die Rückfallquote von Alkoholkranken nach einem Klinikaufenthalt bei 70 bis 90 %.
Genesung ist kein Wunderwerk. Einmal getan und für immer ist es gut.
Genesung ist ein langer, gewundener Weg . Sie ist ein täglicher Prozess, der sich lebenslang entfaltet.
Für das Gehen und das Gelingen ist jeder von uns selbst verantwortlich. Diesen Weg kann uns jemand zeigen, jemand kann uns begleiten, jemand kann uns unterstützen, uns Werzeuge an die Hand geben – gehen müssen wir diesen Weg selbst, unsere Werkzeuge benutzen müssen wir selbst - und zwar jeden Tag, für 24 Stunden, Schritt für Schritt, im Bewusstsein, dass wir genesen wollen und bereit sind das Unsere dafür zu tun, jeden einzelnen Tag.
Um wirklich zu genesen ist es von großer Bedeutung, diese Entscheidung jeden Tag neu zu treffen. Nur für diesen einen Tag. Mit anderen Worten: wir sind jeden Tag aktiver Teilnehmer unseres Genesungsprozesses.
Wir kümmern uns jeden Tag um die Verbesserung unser Symptome, wir setzen bewusst um, was wir gelernt haben, so gut wir können.
Wir praktizieren und machen unsere Übungen.
Wir beobachten unsere unheilsamen Gedanken und disfunktionalen Verhaltensmuster und tun unmittelbar was hilfeich ist, um Heilsames dagegen zu setzen und setzen es um.
Wir arbeiten an uns selbst, so wie wir es gelernt haben, geduldig, dizipliniert und beständig – zu unserem Besten.
Wir lassen das, was toxisch ist sein und fokusieren uns auf das, was für unser Genesung gesund ist.
Wir akzeptieren Rückschritte, machen kein Drama daraus, praktizeren Selbstmitgefühl und gehen weiter.
Wir verzeihen uns selbst unmittelbr, wenn wir wieder einmal in die alten selbstzerstörerischen Gedanken oder Gewohnheiten zurückgefallen sind und machen mit den hilfreichen Gedanken und Gewohnheiten weiter.
Wir haben die Bereitschaft gut für uns zu sorgen und tun es. Jeden Tag.
Wir wissen, dass Frust und Rückfall dazu gehört und lassen uns nicht unterkriegen.
Wenn wir ein Tief haben, das uns überfordert, suchen wir uns Hilfe.
Wir fangen niemals von vorne an, denn wir haben schon viel gelernt, wir wenden es einfach wieder an, wenn wir es vergessen oder ignoriert haben.
Wir sagen uns: Du schaffst das!
Genesung ist kein Kurstreckenlauf. Genesung ist ein Marathon. Und den laufen wir, trotz Trainer, alleine. Das bedeutet: Eigenverantwortung; Bereitschaft, Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Damit werden wir genesen und wachsen. Dann hört das irgendwann vielleicht nicht ganz auf, aber es wird irgendwann viel besser.
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