Mittwoch, 26. Juni 2013

Aus der Praxis - Wenn Kinder getrennter Paare zur gegenseitigen Waffe werden


Wenn ein Paar sich trennt besteht besteht nicht selten die Gefahr, dass die Kinder auf den Kampfplatz elterlicher Machtkämpfe geraten. 


Sicher, nach einer Trennung bleiben Verletzung, Wut und Ohnmacht zurück, manchmal aber auch blanker Hass eines Partners auf den anderen. Meist ist es der Verlassene, der sich mit dem Tod der Liebe nicht abfinden kann. Das ist natürlich und diese Gefühle sind verständlich und sie dürfen sein.


Eine gespaltene Familie hinterlässt immer Opfer. Die Kinder aber sind es, die das größte Leid tragen, denn sie lieben beide Elternteile und sind vom Tag der Trennung an zerrissene Seelen.  Was bleibt ist ein Scherbenhaufen voller zersplitterter Wünsche und Lebensträume. Da wo die Geborgenheit in der Familie war ist ein Niemandsland  - besonders für die Kinder. 


Gelingt in dieser Situation kein "Loslassen" für Kinder und Eltern wird das Niemandsland zur Hölle auf Erden für alle Beteiligten. Nun sind Erwachsene aber für sich selbst verantwortlich – Kinder sind es nicht. Sie obliegen der elterlichen Verantwortung, egal ob diese noch ein Paar sind oder nicht.


Das sehen viele Getrennte allerdings nicht, oder der Hass und die Rachegefühle sind so groß, dass sie die Sicht auf das Wesentliche – das ihnen überantwortete Kind – vollkommen verlieren.


Ein über viele Jahre derart sich erhaltender Zustand der Nichtakzeptanz eines gescheiterten Familienprojektes führt zur inneren Erstarrung und wechselseitigen emotionalen Verstrickungen. Dieser Zustand verhindert, sich aktiv auf eine neue Lebensphase einzustellen. Je früher beide Elternteile sich dessen bewusst werden, umso mehr erleichtern sie auch ihren gemeinsamen Kindern die Neuorientierung. 


Die Art und Weise wie Eltern sich trennen, beeinflusst die emotionale Erfahrungswelt der Kinder maßgeblich. Sie stellt die Weichen für das Scheitern sozialer Integrationsversuche und das Scheitern eigener zukünftiger Beziehungen. Eltern, die sich nach der Trennung und der Trauer über die gescheitere Beziehung nicht achten lernen, verachten das Leben ihrer Kinder. 


Die Kinder spüren den Groll und die Missachtung. Sie versuchen nach Kräften, es beiden Elternteilen recht zu machen und sie emotional zu entlasten. Sie sind gefangen in der Liebe zu beiden und sie versuchen, wenn sich die Eltern gar anfeinden, den Schlichter auf dem Schlachtfeld des Nachtragens und der Machtkämpfe zu spielen. Sie sind damit heillos überfordert und in ihrer kindlichen und nachfolgenden adoleszenten Entwicklung stark gefährdet. Diese Kindheit hat ein frühes Ende. Nachzuholen ist sie nie mehr.


Besonders dramatisch und zerstörerisch für Kinderseelen ist es, wenn ein Elternteil beginnt das Kind zu funktionalisieren, es mit seinem eigenen Leid überschüttet und es wie eine Waffe benutzt um den anderen, der für das Leid verantwortlich gemacht wird, zu manipulieren oder versucht ihn durch Machtspiele und Druck in emotionaler Abhängigkeit zu halten – nach dem Motto: „Wenn du mich nicht liebst, dann sollst du mich gefälligst hassen.“


Nicht selten werden Kinder als "Spione" für das "feindliche Lager" eingesetzt und ausgehorcht, sie werden mit Geld geködert oder mit indirekten Schuldzuweisungen instrumentalisiert. Wie: "Wenn du bei deinem Vater bist, dann ist Mama traurig!" oder „Deine Mutter sagt mir nie, was los ist.“ Kinder, die mit solchen Spielen und Erwartungen konfrontiert werden, erleiden gravierende seelische Schäden. 


Bei all diesen Machtkämpfen und Manipulationsspielen geht es niemals um das Wohl der Kinder, sondern einzig um die eigene Bedürftigkeit und um die Weigerung, sich dem Verlust und dem Alleinsein zu stellen. Das eigene Leid und der Rachedurst narzisstisch gekränkter Eltern steht so über dem seelischen Wohl des Kindes und zerstört im Zweifel, über die zerbrochene Familie hinaus, das Leben des eigenen Kindes. 


Elterliche Machtkämpfe nehmen den Kindern nicht nur die sichere Orientierung und Vertrautheit, sie werden benutzt und sind eine „Waffe“ um den anderen zu verletzen und zu bestrafen. So kann es passieren, dass ein Kind im Chaos der elterlichen Schlammschlachten vollkommen den Halt verliert und psychisch auffällig wird. 


Der Verlust des Partners und der mangelnde Ersatz durch einen neuen Partner, führt nicht selten dazu, dass das gemeinsame Kind, das ebenso traurig und verwirrt ist, als Ersatzpartner benutzt wird. Damit ist es elterlicher Manipulation schutzlos ausgeliefert und übernimmt eine Rolle, der es weder gewachsen ist, noch ihm zusteht.


Viele Kinder werden nach der Trennung hin – und her geschoben, sie müssen sich ständig auf den jeweiligen Haushalt der Elternteile einstellen und das, ob sie wollen oder nicht. Sie werden wochenweise aus ihrem Rhythmus herausgerissen und sind gezwungen sich jeweils auf den Einen und den Anderen einzustellen. 


Manche Eltern nehmen ihr Kind sogar nachts zu sich ins Bett. Wenn allerdings ein acht- oder zwölfjähriges Kind den Platz im Elternbett einnimmt ist das für seine Entwicklung schädlich. Besonders Jungen, die die Nächte im Bett der Mutter verbringen, neigen dann dazu sich mit der schwachen, klagenden Mutter zu solidarisieren und den Vater als „bösen“ Verursacher des mütterlichen Leides wahrzunehmen und in Folge abzuspalten, zu entwerten oder gar zu verachten. Das führt dazu, dass der Junge seine eigenen männlichen Anteile als schlecht wahrnimmt. Es kommt zur Bildung eines „bösen“ Vaterintrojekts und in diesem Zusammenhang zur Dissoziation der eigenen männlichen Anteile als etwas Schlechtes, eine Abspaltung, die ihn ein Leben lang beherrschen kann. Kein Kind möchte sich auch noch von der Mutter abgrenzen, wenn es schon den Verlust des Vaters zu verarbeiten hat. 


In all diesen Fällen geraten Kinder in eine emotionale Notlage von existenziellem Ausmaß. Egal wie sie sich auch verhalten, aus kindlicher Sicht wird der andere Elternteil immer enttäuscht sein. Die Folge: die Kinder fühlen sich schuldig. Eine Schuld, die sie das ganze Leben verfolgen kann.

Die Liebe, die das Paar einst verband, würde das für das Kind, dem sie das Leben geschenkt haben, nicht wollen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen