als tom beim rasieren in den spiegel sah wusste er es, so wie er es an jedem morgen wusste. er wusste, er würde anna nicht halten können. verdammt, er wollte es nicht wissen. mit jedem strich, den das rasiermesser über sein mit weißem schaum überzogenes kinn zog und die weißen stellen rot färbte, versuchte er es wegzuschaben dieses wissen, das nicht wegzuschaben war, das ihn in der dusche wieder überkommen würde, wie jeden morgen. wegzuwaschen war es auch nicht. er wusste es und es machte ihn wütend und wenn er lange genug wütend gewesen war, machte es ihn traurig. eigentlich gab es in seinem leben kaum noch andere gefühlszustände und dass es das nicht sein konnte, wusste er auch.
er schrubbte seinen körper mit dem handtuch trocken bis er rot war wie der schalenpanzer eines gekochten hummers. er mochte hummer, am liebsten aß er mit anna hummer, überhaupt liebte er es mit anna zu essen. sie konnte genießen, sie war nicht wie manche andere frauen, die die lust am essen eintauschten gegen die lust an einem mageren körper. die mageren reduzierten sich so lange auf ihren körper, bis er fast verschwand und mit ihm die lust ihn zu benutzen. tom hatte viele frauen gekannt. eine wie anna hatte er nie gekannt und nie würde er sie kennenlernen, wirklich kennen lernen, das kennen lernen, was sie vor ihm verbarg und vielleicht auch vor sich selbst.
jedes mal, wenn er glaubte ihr ein stück näher gekommen zu sein, zog sich sich wieder in sich zurück. mit jedem rückzug hatte er das gefühl, dass sie ihm entglitt und alles gewesene mit ihr. es war als müsse er immer wieder von vorne anfangen, als zerbröckle das vertraut gewordene an der zeit die zwischen begegnen und wiedersehen lag. die zeit ohne anna breitete sich aus in seinem raum, zog sich zäh hin. es kam ihm vor als würde sie stillstehen in einer tönung schmerzhafter endlichkeit.
er schlang sich das feuchte handtuch um die hüfte und ging in die küche. er brauchte einen espresso, schwarz und stark. stark wollte sie ihn, hatte sie gesagt, an diesem abend als sie sich hatte überreden lassen bei ihm zu übernachten, was immer seltener wurde in der letzten zeit. sie hatte ihn angesehen mit ihren traurigen grauen augen und gesagt, dass sie seine schwäche nicht ertrug, die sich zu der ihren legte. die ihre sei schon schwer genug auszuhalten. an diesem abend hatte er sich vorgenommen keine schwäche mehr zu zeigen.
angewidert von seiner schwäche, die er vor sich selbst noch weniger als vor ihr verbergen konnte, sah er aus dem fenster. die wärme des sommers hatte sich in einen nasse schwüle verwandelt. seit tagen regnete es in strömen. der himmel stülpte sich wie eine graue decke über die stadt. wasser rann in kleinen bächen über die dächer der häuser. depremiert öffnete er das fenster und sah den schweren tropfen beim fließen zu. bevor anna da war, war er oft depressiv gewesen. er kannte diese stimmung, die ihn in aus heiterem himmel, scheinbar ohne jeden grund, in ein dunkles loch zog aus dem er dann tagelang nicht mehr herauskam.
mit annas kommen waren die löcher seltener geworden. dieses unbestimmte gefühl von leere, das er so oft gefühlt hatte war verschwunden. auch der druck, den er immer auf der brust gespürt hatte, hatte sich aufgelöst. aber sie kamen wieder, die löcher und auch der druck auf der brust. es machte ihm angst. er durfte sie nicht verlieren. mit anna, das war ein leben und es war gut wie es war. so soll es bleiben, hatte er sich gewünscht und den wunsch ausgesprochen. aber sie hatte geantwortet, mit den wünschen sei es wie mit guten gedanken, sie scheren sich nicht um uns, sie erfüllen sich nicht, nur weil wir es so haben wollen. er hasste diese momente in denen sie nur noch resignation kannte und nichts anderes zuließ, nicht einmal die hoffnung auf die möglichkeit eines besseren.
der espresso blubberte auf dem herd. er schenkte sich eine tasse ein und setzte sich an den schreibtisch. was sie wohl jetzt tat, fragte er sich. er fuhr den laptop hoch um seine e-mails zu checken. die buchstaben verschwammen vor seinen augen.nichts lenkte ihn ab. jeder gedanke war anna, was sie tat, was sie fühlte, was sie dachte. sie war in seinem kopf und mit ihr die angst. diese angst die ihn lähmte und langsam auffraß. es nutze ihm nichts, dass er wusste, dass sie ihn klein machte, dass sie es war, die zwischen ihm stand und ihr. aber sie war da, die angst, hartnäckig da und sie baute sich auf wie eine wand, die sich tag für tag, stein für stein, höher zog.
mit nervösen fingern zündete er sich eine zigarette an. er griff zum telefon. er musste sie anrufen, jetzt sofort. als er ihre nummer wählte spürte er den stein den er auf die mauer legte.
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