Samstag, 9. Juli 2011

der rote faden

mit nervösen fingern nahm sie eine zigarette aus der schachtel, die auf dem nachtisch lag und zündete sie an. in ihrem kopf schwamm der restalkohol, verband sich mit dem nikotin, das sie inhalierte zu einem schwall von übelkeit. sie drückte die zigarette aus und zog sich die decke über den kopf. im dunkelrot der laken fand sie die andere in sich, die, die immer geflüchtet war. die flucht zog sich wie ein roter faden durch ihr leben, wie ein seil, das man spannt, wenn man eine höhle mit unbekannten gängen betritt, um den weg heraus wieder zu finden.

sich auf einen anderen einzulassen bedeutete, gefährliches terrain zu betreten. zu schnell verlor sie sich im watteweichen wohlgefühl des nicht-mehr -allein-seins.

jedes mal wenn sie es gefühlt hatte war sie geflohen. jede bekanntschaft war nur eine kurze unterbrechung auf dem weg zu sich selbst gewesen. sie selbst, die die sie kennenlernen wollte wie nichts anderes, die sie verstehen wollte, weil es das einzige war an das sie sich halten konnte. wozu wusste sie nicht. es war so und das wozu würde sich ergeben, irgendwann. also wandte sie sich ab von dem fremden, das sie ihr vertraut gemacht hatte, legte ihre hand auf das seil und ging zurück aus der höhle in ihr leben, getrieben von der angst, dass das fremde, das sich so gut anfühlte, sie verschlingen könnte, um sie am ende doch nur wieder auszuspucken, ein weiteres verletzen, das sie nicht aushalten wollte. sie entschied, die zu sein, die verlässt. es machte nichts besser und sie wusste es.


copyright angelika wende

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