Sonntag, 3. Juli 2011

2011

die zeit in der sie lebten hatte die dauer aus ihrem bewusstsein gestrichen. alles war flüchtig geworden. die dinge, die begegnungen, die beziehungen. ein neues jagte das alte, schon bevor das neue als selbstverständlichkeit eine chance hatte war es schon alt.

man gab sich keine mühe mehr dinge zu halten, zu behalten oder zu pflegen um sie zu erhalten, an beziehungen zu arbeiten, etwas aufzubauen was dauertüchtigkeit hatte.

achtung ließ man achtlos fallen. achtung war ein wort dessen bedeutung niemand mehr kannte. widersinnig, wie sie von nachhaltigkeit sprachen, wo sie nur noch als begrifflichkeit exisitierte. aber gerade in ihr lag die sehnsucht des modernen menschen, der spürte welchen verlust die permanente erneuerungsmaschinerie in sich trug. der verlust vom bleiben, vom behalten dürfen, vom aufbauen auf dem alten, was gut war und wert hatte, auch das alter, das wert war geachtet zu werden. die alten hatten kein stimmrecht mehr, denn sie wurden ausrangiert, nicht gesehen als keim der wissen in sich trägt und es hätte weiter geben können, hätte man es gehört oder hören wollen.

aber das hören fiel ihnen schwer, denn die welt war laut geworden, so laut, dass sich alles laute vermischte zu einem zu lauten, das wahrnehmung taub machte für sich selbst und den anderen.

sie lebten wie gefangene im netz einer nie stillstehenden, sich überholenden kommunikationsmaschinerie, klebten wie fliegen an ihren handys, i-phones und i-pads, die sie verbanden mit dem, was sie real nicht mehr verbinden konnten. das leben lief online neben ihnen her und an ihnen vorbei.

sie waren der täuschung anheim gefallen, dies sei das leben und die gesichter blickten auf technische flächen, fixierten den blick auf apps und bunte bilder anstatt auf ein lebendiges gegenüber.

sie wunderten sich, dass sie immer einsamer wurden in sich selbst, wo sie doch ständig am sms schreiben, am e-mail versenden und posten waren, ihr leben auf internetseiten transparent machten, damit andere an ihnen verdienen konnten.

sie hielten die liebe hoch auf internetseiten und verbanden sich virtuell mit jenen, die diese sehnsucht mit ihnen teilten.

auf strassen sah man obdachlose, die ihre hände den vorrübergehenden entgegenhielten, ein almosen erbettelnd. im namen der liebe hätten es so viele almosen sein können, dass keiner hungern musste. aber die liebe war im word wide web eingesperrt.

sie hatte sich in ein wort verwandelt, das sie nicht mehr fühlen konnten, weil es inflationär benutzt wurde und sie glaubten in der tat, es immer wieder zu schreiben würde es zum leben erwecken.

die liebe aber wusste, dass sie gelebt werden musste und wurde flüchtig wie die zeit, so flüchtig, das sie bald niemand mehr greifen konnte ...

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