Malerei: Angelika Wende
Das erste Liebesobjekt des Sohnes ist die
Mutter, zu der das Kind intensive körperliche und seelische Nähe sucht.
Durchläuft das männliche Kind eine gesunde Entwicklung ist es in der Lage, sich
im Laufe der Zeit über die Pubertät, bis hin zum Erwachsensein, aus dieser
symbiotischen Bindung zu lösen. In einer hinreichend guten
Mutter-Sohn-Beziehung hat der Mann die Fähigkeit entwickelt auch andere
Menschen zu lieben. Gelingt die Ablösung nicht, wird die nicht gelöste Bindung
zur Mutter zum sogenannten Mutterkomplex und damit zu einem seelischen Problem
für den Mann und alle Frauen, die diesem Mann im späteren Leben begegnen.
Man unterscheidet zwischen einem positiven und einem negativen
Mutterkomplex.
Männer mit einem positiven Mutterkomplex lieben ihre Mutter und das Mütterliche
in der Frau auf eine gesunde Weise. Männer mit einem negativen
Mutterkomplex bleiben in der Beziehung zu ihrer Mutter stecken. Sie hängen ein
Leben lang emotional an der Nabelschnur und sind nicht fähig sich in eine
gesunde Mann-Frau-Bindung zu begeben. Das Innere dieser Männer ist besetzt von
Misstrauen, Wut auf die Mutter und Verlustangst. Sie haben sich nicht
altersgemäß aus der Bindung an die Mutter gelöst, sondern sind in einer
früheren Entwicklungsstufe stecken geblieben. Auch als Erwachsene suchen sie
noch immer die gute Mutter, die es nie gab. Nur die gesunde Liebe zur Mutter legt die Grundlage
für männliche Reife, Liebesfähigkeit und die Wertschätzung des Weiblichen.
Viele dieser ewigen Jünglinge hatten keinen Vater, einen früh verstorbenen Vater, einen schwachen
Vater oder einen Vater, der zwar körperlich anwesend aber emotional abwesend war.
Der von seiner Mutter als Kind
emotional verlassene Mann sucht nach bedingungsloser Annahme und Fürsorge. Immer wieder muss er jedoch in der Beziehung
zu einer Frau entdecken, dass sie nur ein gewöhnliches menschliches Wesen ist.
Nach der ersten Verliebtheit verschwindet die Faszination weil sie seinem
inneren Ideal nicht genügt. Er wendet sich enttäuscht ab, um sein Idealbild auf
eine andere Frau zu projizieren. Er sehnt sich ständig nach der mütterlichen Frau,
die ihn in ihre Arme schließt, ihm Zuneigung schenkt, ihn beschützt, ihn
versorgt und seine kindlichen Bedürfnisse befriedigt.
Von der Mutter verstoßene Söhne – der ewige Jüngling, der Puer Aternus
Eine emotional abwesende Mutter, eine suchtkranke Mutter, eine Mutter, die
ihren Sohn nicht in seinen männlichen Anteilen annehmen kann und ihm das
bewusst oder unbewusst signalisiert, fügt ihrem Sohn damit emotionalen Schaden
zu. Das Kind empfindet sein Mannestum als unerwünscht, wild, aggressiv und schmutzig.
Aber diese männlichen Anteile und deren Wertschätzung braucht der
heranwachsende Mann in seinem Gefühl, lebendig zu sein. Fühlt er sich darin
abgelehnt, fühlt er sich von der Mutter verstoßen. Er entwickelt ein
Selbstbild, das von Wertlosigkeit, Schuld- und Schamgefühlen besetzt ist.
Die Ablehnung der Mutter hat Folgen in der Persönlichkeitsentwicklung. Man findet bei diesem Sohn, gewöhnlich diesen dunklen Schatten, der die als Kind abgespaltene Männlichkeit repräsentiert. Er ist nicht fähig später "seinen Mann zu stehen". Er ist nicht fähig Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Er ist unreif, dein ewiger Jüngling. Er wird nicht erwachsen. Erwachsen ist ein Mensch, der emotional, mental und materiell autonom ist. Er kann für sich selbst sorgen, hat frühkindliche emotionale Abhängigkeitsmuster abgelegt, zu innerer Stabilität und einem gesunden Selbstwertgefühl gefunden: Er kann gesunde Beziehungen führen.
Dem Puer Aeternus gelingt das nicht. Der ewige Jüngling ist nicht fähig
Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, geschweige denn für das Leben
anderer. Ewige Jünglinge sind oft sehr charismatische,
faszinierende und verführerische Männer.
Sie betonen stets ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Sie sind eher gefühlskalt,
zu echter Nähe nicht fähig und daher meist bindungsunfähig. Sie sind in
allen Bereichen des Lebens niemals angekommen. Jede Form von Verbindlichkeit
ist ihnen zuwider. Eigenverantwortung und Verantwortung fürchten sie
ebenso wie Regeln. Diese Männer sind nicht selten suchtartig entglitten. Sie
trinken Alkohol, nehmen Drogen, rauchen. Sie sind süchtig nach Anerkennung,
Bewunderung und Sex. Es fällt ihnen schwer ihre Gaben zu nutzen und im Leben
und im Beruf einen Platz zu finden. Sie sehen sich zwar einerseits nach Erfolg
und Anerkennung, sind aber nicht bereit, etwas dafür zu tun. Jede Art von
Pflichten oder das Akzeptieren von Einschränkungen empfinden sie als unzumutbar.
Im Grunde geht es immer nur um eins: Bedingungslos geliebt und versorgt sein, ohne
selbst etwas dafür tun zu müssen. Der ewige Jüngling will sich weder
einschränken, noch will er ich irgendwem oder irgendetwas anpassen. Er ist
egozentrisch, selbstverliebt und ausbeuterisch. Er wehrt sich, wenn
Reifung droht. Er benimmt sich in vielem wie ein Kind. Ordnung ist dem Ewigen
Jüngling zuwider, genau da, wo sie für ihn wichtig ist: im Aufbau eines
moralischen Gerüstes.
Der Mutterkomplex - Männer, die auch in der Mitte
ihres Lebens seelisch nicht über den
Reifungsstatus eines Jungen hinausgekommen sind.
Das Konzept der Komplexe ist eines der Konzepte der Jungschen Psychologie. Dazu
gehört auch der Begriff „Mutterkomplex“. Nach C. G. Jung wird ein Mann, der ein
problematisches Verhältnis zu seiner Mutter hat, sie verachtet, entwertet oder
sogar hasst, Probleme mit dem Weiblichen haben. Ein Mann, der unter einem negativen
Mutterkomplex leidet, kann u.U. seinen Groll auf die Mutter unbewusst auf andere Frauen übertragen, indem
er sie emotional missbraucht, benutzt und entwertet, weil er sie unbewusst
fürchtet. Er fühlt sich durch das Weibliche in seiner Männlichkeit verachtet
und bedroht.
Negative Beziehungserfahrungen mit der Mutter sind kindliche Bedürfnisse
nach Aufmerksamkeit, Nähe, Umsorgtsein und Liebe, die nicht erfüllt worden
sind.
Eine narzisstische, wenig beschützende Mutter beispielsweise oder eine
ambivalente, unberechenbare, suchtkranke Mutter, die für ihren Sohn emotional
nicht erreichbar bzw. begreifbar ist, ist für ein gelungenes Selbstkonzept
des männlichen Kindes keine gute Basis. Durch den frühen
Objektverlust kommt es in vielen Fällen zu Selbstentfremdung, Hilflosigkeit,
Aggressionsansammlung oder einer allgemeinen Aggressionsschwäche. Männliche Aggression
im gesunden Maße aber wird gebraucht, um sich aus der Symbiose mit der Mutter
abzulösen und entschlossen eine Partnerin zu erobern. Nicht selten leiden diese
Männer unter einem geringen Selbstwert, einer narzisstischen
Persönlichkeitsstörung, Depressionen und/oder Suchtkrankheiten.
Gefühle wie innere Leere, Angst, Wut und Schuld dominieren das seelische
Empfinden. Die kindliche Erfahrung dieser Männerseelen ist das
Gefühl des "Niedergemachtseins zum Nichts".
Das hat fatale Auswirkungen auf das Selbsterleben und auf das
Beziehungsverhalten. So lassen sich Mutter und Geliebte für diese Männer nur
schwer trennen, besonders wenn die Mutter eine zweideutige Gestalt war.
Zwiegesichtig wie die Mutter schwankt der Sohn in seinem Verhältnis zum
Weiblichen. Er weiß nicht, was es bedeutet ein Mann zu sein und fühlt sich der
Frau unterlegen. Er braucht ständig Bestätigung als Mann, weil
er unbewusst spürt, dass er kein gereifter Mann ist. In der Beziehung zu einer Frau kommt es daher oft zu einer Objektfixierung, die
durch Abhängigkeit gekennzeichnet ist. Männer mit einer nicht eindeutig
erlebbaren Mutter suchen unbewusst immer eine Partnerin die zwei Pole hat –
einen in der sich Eigenschaften der Mutter wiederfinden und einen der von der
Mutter verschieden ist. Im Laufe der Beziehung aber erlebt der Mann die
Partnerin immer mehr als Mutter und umgekehrt die Frau sich selbst als
Mutterersatz, denn sie wird zum „Objekt des Lösungsversuchs“ der nicht gelösten
Mutter-Sohn-Bindung funktionalisiert. Der Mann will einerseits mit der
Frau verschmelzen, andererseits hält ihn sein Anklammern, sprich die kindliche
Verschmelzungssehnsucht, genau da wo er einst als Kind war – in der unerfüllten
Sehnsucht nach sich selbst. In diesem Konstrukt wird die Partnerin
gleichzeitig begehrt und gefürchtet und daher unbewusst abgelehnt.
Auch Donjuanismus kann eine Folge des Mutterkomplexes sein. Wie das
literarische Vorbild jagen diese Männer bindungsunfähig von Frau zu Frau, immer
auf der unbewussten Suche nach der "guten Mutter", die es nicht
gab, die unerreichbar bleibt und die insgeheim verachtet wird. Diese
Verachtung wiederum führt zu Schuld-und Schamgefühlen, denn die Mutter
darf nicht verachtet werden, sie ist ja die Mutter. Und die muss man
lieben. Tut Mann das nicht, ist er ein schlechter Sohn.
Männer mit einem Mutterkomplex sind im Tiefsten allein und verunsichert.
Die meisten von ihnen sind sich ihrer Mutterwunde nicht einmal bewusst oder sie
winken ab, wenn man sie damit konfrontiert. Aber auch wenn sie es
ahnen, sind nur wenige Männer bereit sich ihrer verdrängten Wut
auf die Mutter zu stellen. Sie bleiben ohne eine Aufarbeitung ihrer
Problematik, ein Leben lang sich selbst ein unbekanntes Wesen, heimatlos, zerrissen von der Sehnsucht nach Selbstliebe und Liebe. Sie leiden
und lassen fatalerweise die Frauen, denen sie begegnen, mitleiden.
Wer will schon einen ewigen Jüngling zum Manne?
Frauen, die sich von diesen Männern angezogen
fühlen sind oft nach Außen hin starke Persönlichkeiten, die ihr Leben im Griff
haben. Innerlich aber haben sie kein Gefühl für ihren Wert als Frau und ein
fragiles Selbstwertgefühl. Sie sind nicht selten als Kind emotional vernachlässigt, missbruacht und abgewertet worden. Sie haben ein Selbstkonzept, das darauf beruht: "Wenn ich nur genug tue, werde ich
geliebt". Oder: "Schau her was ich für dich tue, du musst mich doch lieben." Sie
haben gelernt zu helfen und zu versorgen und ihren Wert darüber zu definieren,
wie „gut“ sie anderen tun. Sie sind emotional stark ausbeutbar und haben ein
sehr hohes Verantwortungsgefühl. Sie sind sensible, empathische und fürsorgliche
Persönlichkeiten, die gerne geben, aber sich nicht erlauben auch zu bekommen,
weil sie glauben, es nicht wert zu sein, bzw. es verdient zu haben. Viele von
ihnen haben ein Helfersyndrom und wollen Schwächere retten. Nicht selten haben sie
ein Problem mit starken, reifen Männern. Sie misstrauen ihnen oder haben Angst
vor ihnen und so fühlen sie sich von diesem scheinbar zarten Mann angezogen,
der keine Bedrohung darstellt. In der Beziehung mit einem ewigen
Jüngling müssen sie dann jedoch erleben, dass sie in eine Falle geraten sind. Denn
schon bald lernen sie die verantwortungslose, ängstliche, lebensunfähige,
ausbeuterische, depressive, frustrierte und narzisstische Seite des Partners
kennen. In der ungesunden Beziehungsdynamik mutieren sie zur versorgenden
Mutter und bleiben als Frau auf der Strecke.
Wie wird der Jüngling erwachsen?
Die Erfahrung sagt: Die meisten von ihnen niemals. Was in jungen Jahren noch funktionierte wird ab der Lebensmitte nicht mehr gelingen oder zumindest nur schwer. Lässt die jugendliche Attraktivität nach, verliert der Jüngling seine Trumpfkarte mit der er das Spiel des Lebens meist gewonnen hat. Die meisten Frauen empfinden anstatt Anziehung nur noch Mitleid und sind als Versorgungsquelle schwer zu finden. Da sich diese Männer selbst kein autonomes Leben aufgebaut haben, beginnt mit dem Erkennen des eigenen Verfalls das Erkennen der eigenen Unfähigkeit und der Abhängigkeit von anderen. Das Gefühl von Verlorenheit und Heimatlosigkeit wächst. Frustration, Angst, Enttäuschung und das neiderschmetternde Gefühl im Leben versagt zu haben, machen sich breit. Es kommt zu einer existentiellen Krise, die nicht selten in Sucht oder Depression endet. Nach jedem Strohhalm, der den Untergang aufhalten kann, wird gegriffen. Sich selbst aus dem Sumpf ziehen wurde nicht gelernt. Der ewige Jüngling wird mit dem Altern von der Realität eingeholt und erlebt ein böses Erwachen.
Wie können diese Männer doch noch nachreifen?
Es geht darum erwachsen zu werden.
Dazu muss die unheilsame Kindheit aufgearbeitet werden. Um sich endlich von der
Mutter abzulösen müssen diese Männer sich die Beziehung zur Mutter genau
anschauen, auch wenn der Blick zurück kein angenehmer ist.
Es ist ein psychologisches Gesetz: Nur die Bereitschaft zur Selbsterkenntnis
führt zu einer konstruktiven Veränderung. Es schmerzt sich einer Vergangenheit
zu stellen, die nicht reparabel ist, aber dies ist der einzige Weg um emotional
nachzureifen und um eine gesunde Identität als Mann zu entwickeln. Ds ist mitunter dein langer Prozess, aber - besser spät als nie. Zu diesem Prozess gehört auch sich die verdrängte Wut auf die
Mutter einzugestehen und sie dahin zu geben, wo sie hingehört. Bewusst anerkannte Wut
kann hilfreich sein um sich von den mütterlichen Introjekten abzulösen und frei
zu werden – für sich selbst, um ein eigenständiger Mann zu werden und frei für das
Erleben erwachsener, mit dem Schatten der Kindheit nicht belasteter, gesunder
Beziehungen – zu sich selbst und anderen.
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