Dienstag, 17. Juli 2012

fließen ...


sie saß da. still und in sich selbst versunken. sie saß oft so da. stundenlang konnte sie so da sitzen. untätig hätte man meinen können.

ab und zu nahm sie einen stift und kritzelte etwas in ihr buch, um wieder einfach nur da zu sitzen. sie dachte nach, dachte in bildern und in worten. gedanken ohne zielrichtung, dem strom des bewusstseins folgend wirbelten durcheinander, flatterten mal da hier mal dort hin, wie bunte schmetterlinge.

sie dachte möglichkeiten, träumte möglichkeiten. kreiste um möglichkeiten.
es gab so viele, zu viele. zu viel ist fülle, ist überfülle. von überfülle verwirrt und belastet fällt es schwer einzelnes herauszufischen, schwer eine entscheidung zu treffen. für das eine oder das andere.

entscheiden bedeutet trennen, ausschließen, das eine vom anderen, in folge dem entschiedenen entschieden aufmerksamkeit schenken. es gab so viel, das der aufmerksamkeit wert war. ihrer aufmerksamkeit. sie musste trennen, das wesentliche vom unwesentlichen.

was war wesentlich, was unwesentlich, für sie, der alles wesentlich erschien. das wesentliche finden, das einzige wahre finden. was war das wahre?
das einzige wahre gab es nicht. wahrheit wie möglichkeiten - zu viele.

du wirst verrückt, dachte sie dann und wurde es nicht. es beunruhigte sie nicht das mögliche verrücktwerden. auch das, eine möglichkeit. eine entscheidung, die sie nicht selbst treffen musste. verrücktwerden geschieht. aus dem unbewussten. dort wo ist, was wahr ist für mich, dachte sie. diese tiefe wahrheit, die sich versteckte unter all den wahrheiten des bewusstseins.

eine melange von wahrheiten, ein farbenmeer von möglichkeiten. wahrheit als möglichkeit. auch das ist wahr, dachte sie und wusste, auch das war nur eine möglichkeit. nichts war fassbar, nichts haltbar, nichts trennbar. alles ein unfassbares, unhaltbares, fließendes.
fließen, das ist leben, dachte sie und das lässt sich nicht anhalten.