Dienstag, 21. November 2023

Scheitern

 



Wir alle scheitern irgendwann, an irgendetwas. Scheitern gehört zum Leben. Egal woran und wie wir scheitern, aus welchen Gründen auch immer - wir haben die Wahl, wie wir das Scheitern erleben wollen und welche Bedeutung wir ihm geben.
Manchmal ist Scheitern sogar notwendig um die Verengungen unseres Horizonts und unsere Wahrnehmungsblockaden gegenüber uns selbst und dem Leben, das wir führen, aufzulösen. Manchmal brauchen wir Niederlagen um kontinuierlich sich aufdrängende Täuschungen zu entlarven. Manchmal brauchen wir Niederlagen um Lektionen zu lernen, denen wir uns lange beharrlich widersetzt haben. Manchmal brauchen wir Scheitern als Weckruf, der uns aus dem Tiefschlaf der Illusion reißt.
 
Die Enttäuschung, die sich nach dem Scheitern einstellt, ist nichts anderes als das Ende der Täuschung. Sie macht die Wahrheit sichtbar um die wir uns meist lange Zeit selbst betrogen haben.
In der Analyse des Scheiterns, dem Herausfinden von Ursachen, Bedingungen und Wechselwirkungen zeigt sich, dass Fehlschläge zum einen mit uns selbst, zum anderen aber auch mit anderem und mit anderen, zu tun haben. Wir scheitern niemals allein an uns selbst oder durch uns selbst, sondern immer sind Bedingungskonstellationen und der Kontext in dem wir leben, mitbeteiligt. Es ist alles miteinander verbunden, alles in Beziehung, auch wenn wir das so nicht sehen wollen. Wir sind keine Insel, auch wenn wir uns so fühlen mögen. Innen und Außen - zwischen Innen und Außen - sind wir. Eins beeinflusst das andere wechselseitig. 
 
Scheitern ist eine Zäsur, die uns zur Bestandsaufnahme aufruft und gleichzeitig die Chance für Wachstum.
Wachstum schmerzt. Wachstumsschmerzen mögen wir nicht, weil sie weh tun. Scheitern tut weh, daran wachsen tut weh. Das Weh vermeiden wollen tut mehr weh. Scheitern gelingt besser wenn wir akzeptieren was ist, den Widerstand aufgeben und uns verabschieden vom Gewesenen. Dazu gehört auch die Trauer um das Verlorene zulassen.
Warum ist das so schwer? Warum wollen wir nicht begreifen, dass das ganze Leben dem Wandel unterworfen ist?
Weil wir so viel wollen, behalten wollen, besitzen wollen, bewahren wollen, selbst wenn es längst nicht mehr zu uns gehört oder uns gar schadet.
Zu viel Wollen macht unfrei, verstrickt, lässt anhaften, ist Gefangensein statt Freisein.
Und wir bleiben hängen, trotz des Wissens um diese unumstößlichen Tatsachen, klammern wie Ertrinkende am Status Quo. Alles Wissen hilft uns nichts, gefühlt wollen wir Beständigkeit und Sicherheit. Wir wollen das Unmögliche, setzen unser Wollen gegen die Natur der Dinge, zu der Auflösung gehört und Wandel. Anfang und Ende, Werden und Vergehen, ein ewiger Kreislauf, im Großen wie im Kleinen. Scheitern anerkennen bedeutet den Wandel anerkennen und in der Folge Wandlungswille im Bewusstsein, dass jedes Scheitern ein potentielles Werden und Sein in sich birgt.

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