Warum schaffen es manche Menschen nicht das Glashaus der Einsamkeit zu verlassen?
Unter anderem aus folgenden Gründen …
Selbstschutz
Manche Betroffene finden eine paradoxe Befriedigung in der Einsamkeit. Die Einsamkeit erlaubt ihnen, trotz des Schmerzes, den sie mit sich bringt, eine selbstschützende Isolation fortzusetzen. Oft hat die Erfahrung von Verrat, Zurückweisung, Demütigung und Enttäuschung in diesen Zustand geführt – einen Zustand, in dem sich der Einsame in seinem selbstgewählten Glashaus vor neuen Verletzungen schützt. Das Glashaus, so einsam es drinnen ist, bietet Schutz.
Scham
Einsamkeit ist noch immer für viele Menschen ein Tabuthema. Wer einsam ist, mit dem muss etwas nicht stimmen, ist die landläufige Annahme. Für Betroffene ist Einsamkeit nicht zuletzt deshalb eine schambesetzte Erfahrung. Einsam zu sein ist so entgegengesetzt zu dem Leben, das wir als soziale Wesen leben sollten. Sich selbst einzugestehen zu niemanden, zu keiner Gruppe zu gehören, führt zu Schamgefühlen. Diese wiederum führen dazu, dass man am liebsten „im Erdboden versinken“ würde, heißt: nicht mehr gesehen werden will. Der Einsame verbirgt sich um die Scham zu verbergen vor sich selbst und anderen, wodurch er sich zunehmend isoliert und zunehmend entfremdet wird. Je länger die Einsamkeit dauert, desto schwerer fällt es aus sich herauszugehen und über diesen Tabustatus zu sprechen, aus Angst, das Bekenntnis könnte andere in die Flucht schlagen.
Sicherheitszone
Tatsächlich ist das Verlassen der Einsamkeit etwas, das nicht durch pure Willenskraft oder einfach dadurch erreicht werden kann, dass man mehr rausgeht und sich unter Menschen mischt. Rausgehen ohne ein Ziel, ohne in zwischenmenschlichen Kontakt gehen zu können, weil da ja niemand ist, kann das Gefühl des einsam seins sogar noch verstärken. Man ist einsam unter Fremden. Man gehört nicht dazu. Man ist ein Solitär mitten unter all denen, die eine Gemeinschaft bilden. Verloren. Man ist anders als die anderen. Da wir alle dazugehören wollen ist dieses Empfinden ein sehr schmerzhaftes Gefühl, das abgewehrt werden muss. Drinnen lässt sich die Einsamkeit besser ertragen als im Außen, wo man direkt und unmittelbar, im Spiegel der Gemeinschaft, als Einzelwesen gesehen und konfrontiert wird. Drinnen ist es sicherer.
Kontrolle
Einsamkeit wird nur durch die Entwicklung intimer Beziehungen überwunden, die uns das Gefühl der Verbundenheit geben. Verbundenheit herstellen gelingt aber nicht durchs bloße Rausgehen.
Verbundenheit herstellen ist viel leichter gesagt als getan, besonders für Menschen deren Einsamkeit aus dem Zustand eines schmerzhaften Verlustes oder einer schmerzhaften zwischenmenschlichen Erfahrung resultiert. Jene Auslöser für den Rückzug in die Einsamkeit geben Grund zur Angst vor Nähe und/oder zum Misstrauen gegenüber der Nähe anderer.
Das Vertrauen ist verloren. Da ist mehr Angst erneut verletzt zu werden als sich durch die Einsamkeit selbst zu verletzen. Denn das hat man wenigstens, so paradox es klingt, selbst unter Kontrolle.
“You are born alone. You die alone. The value of the space in between is trust and love.”
Wenn Du einsam bist und reden willst, ich bin da.
Kontakt: aw@wende-praxis.de
Dein Beitrag war eine wertvolle Bereicherung der Diskussion. Danke!
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