Mittwoch, 5. Juli 2023

Aus der Praxis: Erwartungen


 

Wir alle haben Erwartungen.
Man könnte sagen, wir sind sogar von unseren Erwartungen angetrieben. Manche von uns mehr, manche weniger.
Erwartungen beziehen sich auf die Annahme oder die Antizipation eines zukünftigen Ereignisses. Sie bilden sich aus Bedürfnissen, Vorstellungen und Wünschen in Bezug auf uns selbst, auf andere, auf Situationen, Entwicklungen und das Leben selbst. Dahinter stecken Idealvorstellungen oder im gegenteiligen Fall negative Annahmen.
Erwartungen haben viel mit unserer Vergangenheit zu tun, aus der sich eine Erwartungshaltung entwickelt. „Weil es immer so war, wird es immer so sein und so kommen“, ist z.B. so eine Erwartungshaltung, die sich aus der Erfahrung unserer Vergangenheit speist. 
 
Oft erwarten wir, dass die Dinge sich ändern, wenn es uns nicht gefällt, was wir erleben und erfahren. Wir wollen, dass es besser wird und erwarten es. Wir wollen endlich unseren Seelenpartner finden und erwarten, dass er uns begegnet. Wir wollen Anerkennung oder Erfolg haben für unser Bemühen und erwarten es. Wir wollen inneren Frieden finden oder Sinn und erwarten es.
Auf der anderen Seite erwarten wir, dass wir wieder zurückgewiesen werden, weil man uns schon als Kind zurückgewiesen hat, wir erwarten, dass wir wieder enttäuscht werden, weil wir so oft enttäuscht wurden, wir erwarten, dass wir wieder die falsche Entscheidung getroffen haben, weil wir ja so oft falsch entschieden haben. Wir erwarten, dass uns niemand hilft, weil uns nie jemand geholfen hat oder helfen konnte. Wir erwarten, dass wir wieder verlassen werden, weil man uns so oft schon verlassen hat.
Mit jeder Erwartung, egal ob sie auf ein „es geht gut“ oder „es geht nicht gut“ bezogen ist, sind wir fixiert auf etwas und - wir fällen ein Urteil über etwas, was noch gar nicht stattgefunden hat. Und manchmal werden unsere Urteile sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Wir fühlen uns bestätigt: „Ich wusste es, ich hatte Recht.“
 
Unser Verstand will immer Recht haben. Er sucht ständig Beweise dafür, dass er Recht hat. Damit verursachen wir unser eigenes Erleben. Wir gestalten unser emotionales Zentrum, um das herum sich unser Leben formiert. Und wir merken dabei gar nicht, dass wir immer die die selbe Platte abspielen. Es macht also durchaus Sinn uns einmal genau anzuschauen, was so unsere Erwartungen sind, im Guten und im Unguten. Und dann könnten wir schauen, welche von ihnen wir immer wiederholen und mit Rechtfertigungen festhalten, die dazu führen, dass wir glauben, dass die Dinge genauso eintreten werden wie unser Denkapparat meint. 
 
Wenn das, was wir glauben, wahr ist, brauchen wir es nicht zu glauben, wenn es wahr ist wird es sich am Ende zeigen, ob wir unsere Energie mit Rechtfertigungen verschwendet haben oder nicht. Was ich damit sagen will: Wir sollten uns öfter entspannen und von unseren Erwartungen Abstand nehmen, denn sie blockieren den Fluss den Denkens, der Erfahrungen und den Fluss des Lebens. Und sie führen, wie wir wissen, nicht selten zu Enttäuschungen. Das Geheimnis ist: Keine Erwartungen. 
 
„Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“
Wilhelm Busch

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