Montag, 29. August 2022

Aus der Praxis: Der innere Beobachter

 



In jedem sinnvoll angegangenen Veränderungsprozess geht es immer darum Unbewusstes bewusst zu machen. Eine mühsame Arbeit, wenn wir wissen, dass das Bewusste nur zehn Prozent der Spitze des Eisberges ausmacht und neunzig Prozent dieses Berges unter dem Wasser, im Meer des Unbewussten liegen. Auch wenn wir uns bewusst vornehmen unsere destruktiven Denkmuster und die wenig hilfreichen Überzeugungen über uns selbst in hilfreiche und unterstützende zu wandeln, schießt automatisch die alte verinnerlichte Überzeugung dazwischen. Die im Meer des Unbewussten gespeicherten Überzeugungen über uns selbst und insbesondere die entsprechend negativen Gefühle zum Gespeicherten überschreiben sofort das bewusste Denken mit den verinnerlichten Erfahrungen und strafen sie der Lüge. 
 
Jedes seit Kindesbeinen an verinnerlichte negative Denkmuster führt zu einer Dämpfung positiver Emotionen. Damit ist auch zwangsläufig die Motivation gedämpft, die notwendig ist um persönliche Ziele, die im Veränderungsprozess formuliert werden, zu erreichen. 
Entsprechend zielgerichtete neue Denkmuster und hilfreiche Verhaltensweisen werden daher mit einer nur geringen Wahrscheinlichkeit gleich oder mühelos in die Tat umgesetzt. Mit anderen Worten: Nur weil uns etwas bewusst ist, heißt das nicht, dass wir es verändern können.
Während sich das explizite Gedächtnis, auch Wissensgedächtnis oder deklaratives Gedächtnis genannt, Tatsachen und Ereignisse merkt, die dann bewusst wiedergegeben werden können, erreicht man das implizite Gedächtnis auf diese Weise nicht. Es hat die negativen Denkmuster automatisiert und diese Automatisierung ist äußerst resistent gegenüber einer Motivierung in eine andere, als die ihm vertraute Denkweise. Der wahre Herrscher unseres Gehirns ist, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht, ein riesiges gegen uns arbeitendes Erfahrungsnetzwerk.
Nun möchte ich nicht behaupten, dass Veränderung zum Positiven hin nicht möglich ist, sonst könnte ich meinen Job aufgeben. Es ist möglich, aber ich weiß um die Grenzen, die uns Menschen gesetzt sind. Und ich weiß auch, wo ein Wille ist, ist nicht immer ein Weg. Unser Wille geht nicht so weit, dass wir alles verändern oder wandeln können, was uns als Mensch geprägt hat. Das ist auch nicht Sinn der Sache. Es geht darum uns unserer selbst und unserer Automatismen im Denken und Verhalten bewusst zu werden, unsere Erfahrungen zu integrieren und nicht mehr gegen uns selbst zu kämpfen. Es geht darum zu lernen mit dem was ist, angemessen umzugehen auf das es uns im Leben nicht mehr behindert. 
 
Bewusstwerdung ist ein Prozess. Ein paar Affirmationen und positive Gedanken denken helfen nicht um unseren Denkapparat zu verändern. Wer das glaubt ist auf dem Holzweg und vor allem: Er hat sich mit dem, was in unserem Hirn so alles passiert, nicht auseinandergesetzt.
Alles was wir von Außen aufsetzen ohne tief genug ins eigene Innere geblickt zu haben, bleibt wirkungslos.
Was wirkt?
Wir können das implizite Gedächtnis nicht löschen. Das ist Fakt. Aber wir können es so gut kennen lernen wie es uns möglich ist. Dazu dürfen wir wachsam werden, wir dürfen beobachten lernen, uns selbst und was wir denken. Hier kommt der innere Beobachter ins Spiel. Mit Hilfe des Beobachters lernen wir zwischen uns und den Produkten unseres Denkapparates zu unterscheiden. Der innere Beobachter hat die Funktion inneren Abstand von belastenden Gefühlen und Gedanken zu finden.
Wenn wir mit unliebsamen Emotionen zu kämpfen haben, wenn wir emotional verwickelt oder verstrickt sind, können wir uns auf die Position des Beobachters zurückziehen und von außen auf uns schauen, mit dem Ziel innere Distanz zu bekommen. Der Innere Beobachter ist der Teil in uns, der beobachten kann, was wir fühlen und denken, in dem Moment wo Gefühle und Gedanken in uns auftauchen. Er ist der wahrnehmende Teil unseres Bewusstseins. Er wertet nicht und greift nicht ein. Er hat keine Meinung, sondern nimmt ohne zu urteilen einfach wahr, was jetzt ist.
 
Diesen Teil in uns, der beobachtet, dass wir beobachten, können wir auch den neutralen inneren Zeugen nennen. Wir können uns jederzeit mit dieser Instanz in uns selbst verbinden, die immer da ist: Unser Höheres Bewusstsein, dieser ruhige, kraftvolle und stabile Kern in uns, der sich vom Affengeschnatter in unserem Kopf nicht beeinflussen lässt. Sobald wir uns bewusst darüber sind, dass Geist und Bewusstsein zwei unterschiedliche Teile unseres Seins ausmachen, können wir innerlich Distanz zu unseren Gedanken und Gefühlen einnehmen. Und das ändert vieles. 
 
 
Wenn Du Dir Begleitung in diesem Prozess wünschst, schreib mir unter: aw@wende-praxis.de

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