"Verwirrung" AW, 2016 |
Co-Abhängige glauben das. Sie sind überzeugt davon ohne den Anderen nicht leben zu können. Um eine Liebe, die nicht mehr ist, zu halten greifen sie zu unzähligen Methoden um ihre abhängige Beziehung aufrecht erhalten zu können.
Schon zu Beginn einer Beziehung versucht der Co-Abhängige ein Abhängigkeitsverhältnis herzustellen, indem er sich im Leben des Anderen unentbehrlich macht. Co-abhängige Persönlichkeiten tun alles für den anderen, sie versuchen ihm alles recht zu machen, sie machen den Anderen zum Mittelpunkt ihres ganzen Denkens und Handelns, mit dem Ziel gebraucht zu werden und unentbehrlich zu sein. Sie kontrollieren den Anderen, sind eifersüchtig darauf bedacht immer zu wissen, was der Andere tut und denkt, um die Kontrolle über das Objekt ihrer Anhaftung zu bekommen. Das gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Das Gefühl gebraucht zu werden ist der Ersatz für geliebt werden, etwas, das Co-Abhängige nicht können, weil sie sich selbst nicht lieben können.
Aber Brauchen ist kein Lieben, Geben um zu Bekommen ist kein Lieben und irgendwann ist es dann so weit: Der Co-Abhängige spürt, dass seine Art von "Liebe" weder Konflikte noch eine Trennung verhindern kann.
Was macht er dann?
Er setzt auf Mitleid. Er macht sich zum armen verkannten Opfer und den anderen zum schlechten Menschen.“ Ich liebe dich so sehr, ich tue alles für dich und du liebst mich nicht, wie kannst du mir das nur antun? Du bist es nicht wert. Du bist ein schlechter Mensch. Du hast mich nur benutzt und jetzt wo du mich nicht mehr brauchst, lässt du mich fallen." Das sind typische Sätze dieser Menschen, wenn sie verlassen werden und es sind ihre tiefsten inneren Überzeugungen, die sind nicht fähig sind zu hinterfragen. Sie sprechen den Anderen schuldig und sich selbst von aller Verantwortung für das Scheitern der Liebe frei.
In Wahrheit aber hat der Co-Abhängige den Andern benutzt. Er hat ihn benutzt um sich selbst im anderen zu spüren, um das Gefühl zu spüren: Ich werde gebraucht, was er für Liebe hält, weil er das aus seiner Kindheit so kennt und es nicht anders gelernt hat. In meiner Arbeit mit Co-Abhängigen stellt sich immer wieder heraus, dass sie meist emotional missbrauchte Kinder waren, die den Eltern oder einem Elternteilt als Ausdehnung des Selbst dienten und etwas für sie tun mussten, das sie für sich selbst brauchten und nicht getan haben oder in ihrem eigenen Leben nicht verwirklichen konnten. Viele spätere Co-abhängige sind nicht selten Kinder von Suchtkranken, deren gefühlte Daseinsberechtigung darin bestand für den süchtigen Elternteil als Krückstock für dessen Unfähigkeit das Leben zu meistern, herhalten mussten.
Spürt der Co-Abhängige, das die Beziehung zu scheitern droht, macht er dem Anderen Vorwürfe und überhäuft ihn mit Schuldzuweisungen, damit er bleibt. Dem Co-Abhängigen ist es egal, ob er um seiner selbst willen und freiwillig geliebt wird – es geht ihm darum den anderen zu halten, koste es, was es wolle. Das geht bis zu Selbstverleugnung. Aber was, wenn auch das nicht mehr gelingt? Was, wenn alles Geben, alles sich unentbehrlich machen, alle Liebesschwüre, alle Anklagen, alles Mitleiderregen nicht zum Ziel führt?
Dann kommt der Groll auf den Anderen, der sich partout nicht halten lässt. Der Andere wird abgewertet, er wird schlecht gemacht, er wird verteufelt, er wird als Täter stigmatisiert, der einen „Liebenden“ verletzt. Und das natürlich böswillig. Es wird kein gutes Haar mehr an ihm gelassen – er ist der Böse, der die Liebe mit Füßen tritt. Und dafür muss er büßen. Der Co-Abhängige kann nur noch eins: Den Anderen zerstören. Nach dem Motto: "Wer mich nicht liebt, den hasse ich und der soll mich hassen." Für den Co-Abhängigen ist es besser zu hassen und gehasst zu werden als zu ertragen, was er überhaupt nicht ertragen kann: Gleichgültigkeit. Er tut alles um dem anderen Angst zu machen. Angst vor dem, was er sich selbst antun könnte, Angst vor dem, was er dem Anderen antun könnte. Und er tut es. Er wird zum Aggressor, sich selbst (autoaggressiv) und dem Anderen gegenüber und allen gegenüber, die in seinem System leben.
Manche Co-Abhängige gehen soweit, dass sie sich selbst und alles um sich herum zerstören, nur damit der Andere endlich erkennt, was er ihm angetan hat. Er will, wird er schon nicht mehr gebraucht, zumindest beachtet werden, und jetzt ist es ihm egal, ob im Guten oder im Schlechten. Er will Aufmerksamkeit um jeden Preis, wenn er schon keine Liebe mehr bekommen kann. Die "Liebe" wird zum Machtkampf mit dem Ziel zu zerstören, was man mit aller Macht nicht am Leben halten konnte.
Das schafft unendliches Leid, aber der Co-Abhängige, auch wenn er seinem zerstörerischen Verhalten in klaren Momenten von Außen noch zusehen kann, kann nicht aufhören. Warum? Weil er ein Süchtiger ist. Weil seine Sehnsucht gebraucht zu werden zum Siechtum wird. Sucht ist Siechtum, nichts anderes. Und da endet die Sucht des zurückgewiesenen Co-Abhängigen, wie die Sucht aller Süchtigen – im Siechtum. Siechtum führt zum Tod. Erst zum Tod alles Lebendigen, dann zum seelischen Tod.
Wie ist einem Co-Abhängigen zu helfen?
Gar nicht. Er kann nur sich selbst helfen. Diese Selbsthilfe beginnt mit der Einsicht: Ich bin süchtig. Und der Entscheidung: Ich will diese Sucht überwinden. Und das bedeutet: Die Abhängigkeit zu überwinden. Dann erst, wenn er das wirklich aus tiefstem Herzen will, kann einem Co-Abhängigen geholfen werden.
Das heißt jetzt, das 3/4 der Bevölkerung Co-Abhängig ist? Solche Beziehungen gibt es an jeder Ecke! Fazit des Textes ist dann wohl: die meisten führen kranke Beziehungen u. sind dazu auch noch krank.
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