Freitag, 7. August 2015

Aus der Praxis – Vom retten Wollen




Wenn wir als Kind versucht haben, die Schwäche des Vaters auszugleichen - ihn zu „retten“ versucht haben - geraten wir als Erwachsene in der Regel an Menschen, die wir zu retten versuchen. So geraten besonders Frauen, die einen schwachen Vater erlebt haben, oft an Partner, die an einer Depression, an einer Sucht oder einem schwachen Selbstwertgefühl leiden. Sie versuchen alles Mögliche, um den Partner, wie damals den Vater, zu retten. Es wird ebenso misslingen wie der kindliche Rettungsversuch der Vergangenheit, denn keiner kann den anderen vor sich selbst retten. Dieser Rettungsversuch ist eine „Wahnvorstellung“ des Inneren Kindes, das glaubt, die eigene Ohnmacht zu überwinden, wenn es den Vater stärken kann, denn was es von ihm brauchte war Halt.

In der Psychologie nennen wir das eine 'Eltern-Lektion' zu wiederholen, in der unbewussten Hoffnung es dieses Mal zu schaffen und der gefühlten Ohnmacht, dem Mitleid und der Enttäuschung über den schwachen Vater endlich zu entkommen. Wer sich für einen anderen vergeblich aufopfert, zahlt oft einen hohen Preis und endet in Gefühlen der Bitterkeit, der Enttäuschung, der inneren Einsamkeit und einer ohnmächtigen Wut. Seelische und körperliche Krankheiten sind nicht selten die Folge.

Erst wenn einer Retter-Persönlichkeit bewusst wird, dass sie innerlich, wie in einer Art Trance, in der erlebten und nicht gelösten Vergangenheit denkt, fühlt und handelt, kann sie erkennen, dass alle Rettungsversuche nur dazu dienen, die Schwäche des Partners aufrechtzuerhalten, und sie zudem zur Schwächung der eigenen Lebenskraft führen. 

Wer sich dessen bewusst wird, dass und warum er sich in der Retterrolle so vertraut und „zuhause“ fühlt, macht den ersten Schritt, sich aus der ungesunden Verstrickung zu lösen und sich zu befreien. 

Die Befreiung beginnt wenn wir das Fenster zur Vergangenheit öffnen und uns unsere innere Beziehung zum Vater der Kindheit anschauen und dann die emotionalen Verstrickungen der Kindheit lösen – aus Liebe zu uns selbst und dem Menschen, den wir retten wollen.



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