Sonntag, 28. Juni 2015
Die Mauer der Angst
Er hatte Angst. Sein Leben lang war da Angst. Greifen konnte er sie nicht, er schob sie weg, nach Innen, ins Außen. Er sagte sich, ich sehe sie dann nicht, dachte, sie lasse sich so vertreiben oder zumindest in Schach halten. Immer wieder sagte er sich das und die Angst grinste hämisch und blieb, sich in subtile Formen gestaltend, um ihr Dasein nicht zu verlieren.
Sie zeigte sich immer dann, wenn er den Willen spürte zu tun, was er immer schon tun wollte oder neu tun wollte. Dann baute sie sich auf wie eine dicke Wand zwischen ihm und dem Willen. Er analyiserte sie dann. Beruhigt von den Erkenntnissen der rationalen Selbstanalyse schob er sie von sich. Eine Weile versteckte sie sich und sah ihm dabei zu, wie sein Wille trotz der Erkenntnis nicht wirkte. Manchmal sprach er es aus: Ich habe Angst. Aber das half nichts. Er versenkte sich ins meditieren, fand Ruhe in diesen Momenten, nicht wissend, dass die Angst sich niemals beruhigen lässt. Ich bin kein ruhiges Gefühl, ich bin eine erdrückende, drückende Kraft, hätte sie ihm sagen können, hätte er ihr Fragen gestellt. Er stellte ihr keine Fragen.
Die Angst, immer größer werdend suchte sich Plätze der Wut und der Aggression, fand Zielscheiben und warf mit spitzen Pfeilen aus ihm heraus, traf die, die er zu lieben glaubte. Nicht gefragt gebärdete sich die Angst in immer neuen Formen und Gestalten, wehrte sich gegen die Angst anderer, die er spürte und die ihm noch mehr Angst machte. Abwehrend entschied er, das ist nicht meine Angst, nicht wissend, dass sich Angst immer zu Angst legt. Er wollte angstlos leben, zertrat die Spiegel im Außen.
Als sie, die die Angst kannte, sagte, die Angst ist auch ein Motor, erwiderte er, er wisse es nicht.
Er könne es sehen, würde er über die dicke Wand seiner Angst hinausschauen wollen, dorthin wo die Angst sein durfte, sich formen durfte in Ausdruck, sich wandeln durfte, meinte sie und wie ignorant er doch sei.
Er wählte Wut, schrie "fick dich" und mauerte einen weiteren Stein in die Wand.
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