Dienstag, 30. Juni 2015

Aus der Praxis – Ressourcen helfen, wenn es uns seelisch nicht gut geht



                                                                      Foto: A.Wende

Es gibt Menschen, die Stress, Belastungen, schwierige Lebenssituationen, Krisen und sogar Traumata nicht nur gut überstehen, sondern sogar daran wachsen, während andere daran zerbrechen. Eine Erklärung dafür, warum das so ist liegt in der psychischen Widerstandsfähigkeit eines Menschen, die man in der Psychologie „Resilienz“ nennt. Wer Resilienz besitzt ist widerstandsfähig, er erlebt Krisen und emotionale Belastungen genau wie andere Menschen, lässt sich aber davon nicht unterkriegen. Wie widerstandsfähig ein Mensch ist, ist von vielen Faktoren abhängig, dennoch kann auch ein weniger resilienter Mensch aktiv dazu beitragen, die eigenen Stärken und Fähigkeiten, sprich seine Ressourcen, auszubauen um so an Widerstandskraft zu gewinnen.
Zu unseren wichtigsten Kompetenzen gehört die Fähigkeit zur "Selbstregulation". Wir erwerben diese Fähigkeit in der Kindheit durch das Verhalten der Eltern, die uns bei der Erfüllung unserer Bedürfnisse durch "Fremdregulation" unterstützen. Wenn dies geschieht, verinnerlichen wir das uns Vorgelebte, so dass wir uns im Laufe unserer Entwicklung "selbstregulieren" können. Aber auch wenn dies in unserer Entwicklung nicht stattgefunden hat, gibt es auch im späteren Leben noch die Möglichkeit unsere Resilienz und die dazugehörige Fähigkeit zur Selbstregulation zu entwickeln – und zwar indem wir unsere Ressourcen erkennen und sie stärken.

Was sind starke Ressourcen?
Über starke Ressoucen verfügen Menschen, die fähig sind die Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen. Sie fühlen sich nicht als Opfer der Umstände und schieben die Verantwortung für das, was sie erleben nicht auf andere. Sie leben nicht im Gefühl fremdbestimmt zu sein, sondern sind sich bewusst, dass sie ihr Leben gestalten können, auch in Krisenzeiten. Sie sind fähig, dem was geschieht einen Sinn zu verleihen.

Wer über starke Ressourcen verfügt ist sich dessen bewusst, dass Probleme lösbar sind und Krisen vorübergehen. Er nimmt seine Gefühle und Gedanken ernst und verdrängt sie nicht. Er weiß aus Erfahrung, dass er schon in der Vergangenheit Krisen gemeistert hat. Er weiß auch, dass Krisen und Probleme zum Leben gehören und in jeder Krise die Chance zum Wachstum liegt.
Studien haben gezeigt, dass Menschen, ganz gleich ob Kinder oder Erwachsene, besser mit belastenden Situationen umgehen können, wenn sie ein starkes soziales Netz haben und erleben, dass Andere in der Not für sie da sind. Umgekehrt sind sie selbst für andere da. Auch wer sich entspannen kann und gut für sich sorgen kann verfügt über hilfreiche Ressourcen. Ein entspannter Körper und ein ruhiger Geist sind die Basis dafür, dass ein Mensch gut mit Stress und Belastung umgehen kann. Deshalb ist es hilfreich sich Möglichkeiten für einen Ausgleich schaffen, indem man Dinge tut, die für Entspannung sorgen und die Freude machen.

Jeder Mensch verfügt über seine ganz persönlichen Ressourcen. Ressourcen sind in uns allen angelegt, auch wenn manche Menschen keinen optimalen Zugriff auf sie haben. Unsere Ressourcen ausfindig zu machen und sie zu kennen ist sinnvoll, besonders in schweren Zeiten hilfreich, denn sie sind unsere Kraftquellen.
Was sind Ressourcen?
Struktur ist eine Ressource. Eine sich wiederholende Tagesstruktur im Alltag vermittelt Sicherheit. Menschen die Rituale und tägliche Gewohnheiten haben und sie pflegen erleben Halt. Dabei ist es wichtig, dass hierbei nicht die Pflicht, also Job, Familie etc. dominiert, sondern auch Entspannung und angenehme Aktivitäten in den Tag eingebaut werden. Nur die Balance zwischen Spannung und Entspannung verbessert auf Dauer unsere Stresstoleranz und unsere seelisch-emotionale Belastbarkeit.

Eine nicht zu unterschätzende Ressource ist die eigene Wohnung. Wer ein Heim hat, in dem er gerne ist und sich wohl und sicher fühlt, erlebt Geborgenheit, auch wenn er alleine lebt.
Weitere Ressourcen sind unsere Gaben und Fähigkeiten, unsere Talente und unsere Leidenschaften, also die Dinge, die wir gut können und die wir leidenschaftlich gerne tun. Dazu gehört alles, was unsere Kreativität fördert und be-lebt. Aber auch Neugier, Wissen, Bildung, anderen helfen und der Beruf, wenn wir ihn gerne ausüben, gehören zu unseren Ressourcen. Und natürlich unser Glaube.
Grundsätzlich gilt: Alles was uns gut tut, kann uns stabilisieren.

Ressourcen sind umso besser verfügbar, je häufiger man sie lebt. Je besser wir unsere Ressourcen kennen und je mehr wir davon haben, umso besser sind sie abrufbar und umso größer ist unsere Fähigkeit zur Selbstregulation.
Viele meiner Klienten antworten auf die Frage: "Was tut Ihnen gut?", mit einem: "Ich weiß es nicht." Sie glauben, besonders in Krisenzeiten nichts mehr zu haben, was ihnen gut tun könnte. Ich weiß, es kostet Kraft, in schweren Zeiten Ressourcen zu finden, von denen man glaubt, sie existieren nicht – aber gemeinsam schaffen wir es immer sie zu entdecken oder sie wiederzuentdecken und sie als wichtiges und äußerst hilfreiches Mittel zu nutzen, um die Krise zu überstehen. Nicht selten sind persönliche Ressourcen einfach nur verschüttet. Darum ist es sinnvoll sich auf die Suche nach ihnen zu machen.
Wie geht das?
Ressourcen erkennen, sie annehmen, sie wichtig nehmen, sie testen, gerade wenn es uns nicht gut geht, um sie in der Krise und auch danach anwenden zu können.
Ressourcen können sein:
• Musik
• schöne Erinnerungen
• Kreativität (z.B. malen, kochen, backen, basteln, fotografieren, zeichnen etc)
• Sport
• Bewegung
• Tanzen
• Spaziergänge in der Natur
• Kunst anschauen: Eine Ausstellung besuchen oder ins Museum gehen
• Tagebuch schreiben (z.B. daneben noch ein Freudetagebuch führen, indem wir schöne und positive Erfahrungen und Erlebnisse aufschreiben)
• Lesen (besonders Biografien von Menschen, die wir bewundern oder die uns ein Vorbild sein können)
• Bücher über Menschen lesen, die Krisen gemeistert haben
• Achtsamkeitsübungen
• Imaginationsübungen
• Fantasiereisen
• Meditation
• Progressive Muskelentspannung
• Mit Freunden zusammen sein und mal nicht über das „Problem“ sprechen
• Sich schöne Filme anschauen

Um sich in Krisenzeiten nicht vollkommen zu verlieren, können wir lernen uns selbst zu helfen - und zwar auch mit Hilfe unserer Sinne.
Unsere Sinne sind große Ressourcen, sie haben nämlich die Fähigkeit uns aus dem Gedankenkarussell ins Hier und Jetzt zurückholen. Alles was wir uns bewusst anschauen, anhören, fühlen, riechen und schmecken holt uns in den Moment zurück und stoppt für diese Zeit destruktive Gedanken und Grübeleien – eine Zeit in der wir Kräfte sammeln können.
Indem wir uns auf etwas Sinnliches ganz und bewusst einlassen und konzentrieren sind wir im Jetzt und nicht mehr der Gefangene unserer Ängste, Befürchtungen, Probleme und Sorgen. Das ist natürlich keine Dauerlösung aber eine hilfreiche und kraftgebende Entlastung für Momente in der Zeit.
Etwas Angenehmes oder etwas Schönes bewusst anschauen, etwas Schönes bewusst hören, etwas Angenehmes bewusst riechen, etwas Leckeres in den Mund nehmen und achtsam den Geschmack wahrnehmen, etwas mit den Händen oder den Füßen bewusst berühren oder körperlichen Reizen aussetzen – all das sind sinnliche Erfahrungen, die uns das Gefühl geben: Da ist auch noch etwas anderes, etwas das schön und angenehm ist, bei allem Unschönen und Leidvollen, das wir gerade erleben. Jeder findet, wenn er lange genug nachdenkt und nachspürt, etwas was er gerne tut, oder etwas was er als Kind gerne getan hat. Jeder von uns hat Ressourcen, es ist nur wichtig, sich wirklich die Zeit zu nehmen, sich ihrer bewusst zu werden und sie dann auch zu nutzen. In meinen schwersten Krisen hat mir die Kunst geholfen – sie anzuschauen und sie zu machen. Sie hat mir immer wieder das Leben gerettet.

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