Sonntag, 16. Oktober 2022

Lebenskunst in Zeiten der Katastrophe

 



Heute Morgen lese ich im Feuilleton der Süddeutschen einen Artikel über Albert Camus in dem sich der Autor fragt: Was hat der große Philosoph uns heute noch zu sagen? Und auch gleich die Antwort gibt: Viel, sehr viel.
Was denn das genau sein soll, erschließt sich mir aus dem Artikel nicht wirklich, aber es gibt diesen einen Satz von Camus, der zitiert wird, den ich absolut bejahen kann: „Man muss sich selbst eine Lebenskunst in Zeiten der Katastrophe schmieden, um den Todestrieb der Geschichte zu bekämpfen."
Lebenskunst, Lebenskünstler, das sind große Worte. Worte, die jeder von uns mit etwas anderem füllt. Für mich ist das Leben selbst eine Kunst, die Herausforderndste aller Künste.
Wir alle sind Lebenskünstler. Jeder von uns sucht und geht mit seinen Werkzeugen, seinen Fähigkeiten, Potenzialen und Gaben, seinen Traumata, Verletzungen und Wunden seinen ureigenen Weg - das ist LebensKunst. 
 
Die Kunst zu Leben gleicht dem, was der Künstler macht: Er ist schöpferisch, er bringt Inneres ins Außen, er kreiert etwas aus sich selbst heraus, ein Bild, eine Skulptur, ein Buch, ein Musikstück - er schafft ein Werk – so wie das Leben jedes Einzelnen von uns das Werk ist, das wir schaffen, aus uns selbst heraus, mit unseren Gedanken, Gefühlen und Taten ... und immer spielt auch der Zufall mit, wie in der Kunst.
Und immer spielen im Leben auch äußere Umstände mit, Verstrickungen, Schicksalsschläge, die Zeit, die sich ändert, die Menschen ändert und Lebensweisen, die verändert werden müssen um weiter machen zu können, wenn es so wie es war, nicht mehr weiter geht. Das erleben wir jetzt. 
 
Was ist dann Lebenskunst in Zeiten der Katastrophe?
Für mich gehrt Flexibilität dazu. Die Fähigkeit mich den Umständen anzupassen.
Die Fähigkeit loszulassen vom Bedürfnis nach Kontrolle.
Radikale Akzeptanz der Dinge, die wir nicht beienflussen und nicht ändern können.
Loslassen vom Gedanken, wie es zu sein hat und angemessen reagieren auf das, was ist. Das Beste daraus machen.
Lösungen suchen, die anders sind, als die alten Lösungsversuche, die nicht mehr greifen, weil das Alte sich verabschiedet hat.
Das was möglich tun, aktiv im eigenen Einfluss- und Gestaltungsbereich. Und egal was draußen tobt und droht: Ruhe bewahren, so gut es geht. Die kann ich selbst herstellen.
Ruhe bewahren ist essentiell wichtig in unruhigen Zeiten, denn nur aus der Ruhe heraus, finden wir zu Klarheit und sind weiter handlungsfähig. Schauen: Wo ist in all dem Chaos meine Insel? Und mir diese Insel schaffen. So klein sie auch sein mag. Einen Ort schaffen, an dem mitten im Sturm Ruhe zu finden ist. Ein kleines Universum gestalten, wie immer es auch aussehen mag, ruhig muss es sein, Raum geben für das, was ich liebe und was mich von Innen hält, aus diesem Gefühl von Liebe heraus. Und es tun, jeden Tag.
Und was, wenn die Katastrophe in diesen ruhigen Raum einbricht?
Wenn die große Katastrophe uns trifft, uns alle?
Dann ist das so.
Aber noch können wir „selbst eine Lebenskunst in Zeiten der Katastrophe schmieden, um den Todestrieb der Geschichte zu bekämpfen.“ Jeden Tag an dem wir lebendig sind, dem Todestrieb das Leben entgegensetzen.
Möge es uns gelingen.

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