Dienstag, 17. Februar 2015

Aus der Praxis – Wo der Widerstand ist beginnt die Veränderung




 
Jedes Leben hat das persönliche Wachstum zum Ziel. Doch Wachstum heißt auch: Bereitschaft zur Veränderung, so wie die Pflanze, die ihre Erscheinung im Wachsen verändert, gehört der Veränderungsprozess zum inneren Wachstum eines Menschen.
Viele Menschen, auch jene, die bewusst bereit sind zu wachsen, leisten diesen Veränderungsprozessen jedoch gewöhnlich zunächst Widerstand, auch wenn sie sich professionelle Hilfe suchen und die Bereitschaft zu wachsen betonen. Weil aber Veränderung auch eine Bedrohung der gewohnten Denk-und Handlungsmuster des in der Vergangenheit bewährten Überlebenssystems bedeutet, leisten viele ab einem gewissen Punkt Widerstand. Im Widerstand wird die Aufrechterhaltung des Gewohnten zum Prinzip, alles scheint erträglicher als Veränderung.
Im Grunde ist dieser Widerstand nichts anderes als eine Weisheit des Überlebenswillens. Schutzmaßnahmen haben ihre Geschichte. Im Widerstand wird diese fortgesetzt. Es wird aufrecht erhalten was an vertrauten Verteidigungsmustern gegenüber negativen Erfahrungen in der Vergangenheit zur Sicherung des seelischen Überlebens hilfreich war. Verzerrungen der Erinnerung oder Kompensationen entgehen so der bewussten Wahrnehmung. Aufgrund der langen Aufrechterhaltung haben sie aufgehört offensichtlich zu sein, wenn sie es überhaupt jemals gewesen sind. Sie sind längst das Selbstverständliche, das offensichtlich zum eigenen Sein Gehörige. Deshalb erscheint dem Unterbewusstsein der Widerstand als die beste Wahl unter den Möglichkeiten, die der Mensch zur Verfügung zu haben glaubt, auch wider besseres Wissen. Im Widerstand gegen Veränderung aber lässt er sich von seinen Schonhaltungen und von seinen vertrauten Abwehrmechansimen leiten, er folgt weiter den alten, vermeintlich hilfreichen Schutzmustern, die er entwickelt hat, um neue Verletzungen zu verhinden. Diese Verhinderungsmuster sind jedoch in den meisten Fällen Muster der Selbstsabotage, die, längst zu Lebensbehinderungen geworden sind und dann zu Hindernissen im Prozess des Wachstums werden.
Der Mensch leistet Widerstand, wenn er Angst hat. Diese Angst ist die Folge einer Alarmreaktion unseres lmbischen Systems. Im limbischen System wird die gedanklich angestrebte Veränderung und deren mögliche Folgen “angetriggert”. Die Amygdala signalisiert: Bis hierher und nicht weiter! Sie will sich vor Angst und Schmerz schützen, Gefühle, die in diese Richtung führen könnten, werden vermieden. Das löst enormen inneren Stress aus, der es ratsam erscheinen lässt, die Veränderung zu vermeiden. Immer wenn das limbische System angetriggert wird liegt eine alte seelische Verletzung zu Grunde, von der sich das limbische System noch nicht erholt hat. Daher hat der Widerstand eine Schutzfunktion. Dass diese aber alt ist, damals zwar hilfreich war, aber mit dem Geschehen im Jetzt nichts mehr zu tun hat, weiß aber der Erinnerungspeicher nicht. Daher ist es wichtig, die dem Widerstand zu Grunde liegenden Ängste wahrzunehmen, sie anzuschauen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, anstatt sie durch den drängende, eine schnelle Verhaltensänderung zu erreichen, zu übergehen.
Psychische Verletzungen und seelische Traumata sind wie ein Ball, den man unter Wasser drückt, sie wollen nach oben ins Bewusstsein steigen. Mehr oder weniger erfolgreich versucht unser Unterbewusstsein mit dem Widerstand diesen Ball mit viel Energie unten zu halten. Gelingt es aber diese Verletzungen an die Oberfläche, also ins Bewusstsein zu bringen, geschieht Erstaunliches: Die Energie, die bisher für das Unterdrücken gebraucht wurde, steht plötzlich zur Verfügung. Dafür lohnt es sich, den Widerstand zu verringern. Und dazu gehört: Sich trotz der Angst auf die eigenen Gefühle einzulassen.
An der Stelle, wo Widerstand auftritt, beginnt erst die Veränderung.


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