Jedes Leben hat das persönliche Wachstum zum Ziel. Doch Wachstum
heißt auch: Bereitschaft zur Veränderung, so wie die Pflanze, die ihre
Erscheinung im Wachsen verändert, gehört der Veränderungsprozess zum inneren
Wachstum eines Menschen.
Viele Menschen, auch jene, die bewusst bereit sind zu wachsen,
leisten diesen Veränderungsprozessen jedoch gewöhnlich zunächst Widerstand,
auch wenn sie sich professionelle Hilfe suchen und die Bereitschaft zu wachsen
betonen. Weil aber Veränderung auch eine Bedrohung der gewohnten Denk-und
Handlungsmuster des in der Vergangenheit bewährten Überlebenssystems bedeutet,
leisten viele ab einem gewissen Punkt Widerstand. Im
Widerstand wird die Aufrechterhaltung des Gewohnten zum Prinzip, alles scheint
erträglicher als Veränderung.
Im Grunde ist dieser Widerstand nichts anderes als eine Weisheit
des Überlebenswillens. Schutzmaßnahmen haben ihre Geschichte. Im Widerstand
wird diese fortgesetzt. Es wird aufrecht erhalten was an vertrauten
Verteidigungsmustern gegenüber negativen Erfahrungen in der Vergangenheit zur
Sicherung des seelischen Überlebens hilfreich war. Verzerrungen
der Erinnerung oder Kompensationen entgehen so der bewussten Wahrnehmung. Aufgrund
der langen Aufrechterhaltung haben sie aufgehört offensichtlich zu sein, wenn
sie es überhaupt jemals gewesen sind. Sie sind längst das Selbstverständliche,
das offensichtlich zum eigenen Sein Gehörige. Deshalb
erscheint dem Unterbewusstsein der Widerstand als die beste Wahl unter den
Möglichkeiten, die der Mensch zur Verfügung zu haben glaubt, auch wider besseres
Wissen. Im Widerstand gegen Veränderung aber lässt er sich von seinen
Schonhaltungen und von seinen vertrauten Abwehrmechansimen leiten, er folgt
weiter den alten, vermeintlich hilfreichen Schutzmustern, die er entwickelt
hat, um neue Verletzungen zu verhinden. Diese Verhinderungsmuster sind jedoch
in den meisten Fällen Muster der Selbstsabotage, die, längst zu
Lebensbehinderungen geworden sind und dann zu Hindernissen im Prozess des
Wachstums werden.
Der Mensch leistet Widerstand, wenn er Angst hat. Diese Angst
ist die Folge einer Alarmreaktion unseres lmbischen Systems. Im limbischen
System wird die gedanklich angestrebte Veränderung und deren mögliche Folgen
“angetriggert”. Die Amygdala signalisiert: Bis hierher und nicht weiter! Sie
will sich vor Angst und Schmerz schützen, Gefühle, die in diese Richtung führen
könnten, werden vermieden. Das löst enormen inneren Stress aus, der es ratsam
erscheinen lässt, die Veränderung zu vermeiden. Immer wenn das limbische System angetriggert wird liegt
eine alte seelische Verletzung zu Grunde, von der sich das limbische System
noch nicht erholt hat. Daher hat der Widerstand eine Schutzfunktion. Dass diese
aber alt ist, damals zwar hilfreich war, aber mit dem Geschehen im Jetzt nichts
mehr zu tun hat, weiß aber der Erinnerungspeicher nicht. Daher ist es wichtig,
die dem Widerstand zu Grunde liegenden Ängste wahrzunehmen, sie anzuschauen und
sich mit ihnen auseinanderzusetzen, anstatt sie durch den drängende, eine
schnelle Verhaltensänderung zu erreichen, zu übergehen.
Psychische Verletzungen und seelische Traumata sind wie ein
Ball, den man unter Wasser drückt, sie wollen nach oben ins Bewusstsein
steigen. Mehr oder weniger erfolgreich versucht unser Unterbewusstsein mit dem
Widerstand diesen Ball mit viel Energie unten zu halten. Gelingt es aber diese
Verletzungen an die Oberfläche, also ins Bewusstsein zu bringen, geschieht
Erstaunliches: Die Energie, die bisher für das Unterdrücken gebraucht wurde,
steht plötzlich zur Verfügung. Dafür lohnt es sich, den Widerstand zu
verringern. Und dazu gehört: Sich trotz der Angst auf die eigenen Gefühle
einzulassen.
An der Stelle, wo Widerstand auftritt, beginnt erst die
Veränderung.
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