Freitag, 26. Oktober 2012

Herbsttag




herr, es ist zeit, der sommer war sehr groß. so beginnt ein sehr schönes gedicht von rainer maria rilke, über den abschied vom sommer, der war, und den beginn des herbstes, der kommt, mit all seinen schönen seiten und - mit seinen tücken.

wohl dem, der jetzt nicht allein ist, so der dichter, der seinerseits zeit lebens höchst intim und privat, die damen der gesellschaft bedichtet hat um dem zustand des alleinseins zu entkommen und, nicht zu unterschätzen,  zwecks kost und logis, denn von der schönheit der worte und der holden liebe allein wird selbst der schönste geist nicht satt. ja der mann wusste wie es geht dem dichtertum, vom schnöden geldverdienen unbelästigt, zu frönen. chapeau, posthum, mein hochverehrter herr rilke!

weiter gehts im gedicht: wer jetzt kein haus hat, baut sich keines mehr. recht hat er! das häuserbauen wird im herbst nichts mehr. würde ich ehrlich gesagt auch nicht machen, abgesehen davon, dass ich mir das gar nicht leisten kann. aber ich glaube, so meint der rilke das nicht, der meint das symbolisch, der meint das haus im sinne von heim.

a house is not a home and a home is not a house, ach, welch ein schönes lied für alle, die so was haben, ein  homiges heim. ich krieg die sinnkrise, ich will das auch haben! tja, ich schaff das aber nicht. weder selbst eins zu beziehen, noch schaff ich es, mich irgendwo einzubeheimaten.

das ist jetzt mal die bittere wahrheit zur mitte meines lebens an diesem verregneten grauen herbsttag. das macht mich jetzt richtig melancholisch. mensch, hätte ich bloß dieses gedicht nicht gelesen!

pah! melancholisch ist noch untertrieben. ich bin voll bekümmernis. weniger poetisch ausgedrückt: ich habe kummer! hilfe! und was für kummer und keiner da mit dem ich drüber sprechen kann. ich will mich ausreden, ausweinen, es herausschreien in die ohren eines menschlichen wesens.

nicht, dass ich keine freunde habe, die ich sich um mich und meinen kummer kümmern täten, wenn ich es denn aussprechen könnte, dass dieser mich aufs schmerzvollste bekümmert - das problem ist: ich kann nicht sprechen. seit tagen kann ich nicht sprechen, ich bin stimmlos und laut diagnose des arztes wird das ohne logopädie erst mal nichts mehr mit dem sprechen. das mir, die ich die sprache nicht nur liebe, sondern mit dem sprechen einen teil meines lebensunterhaltes verdiene.  er hat mich doppelt getroffen - der herbst. so richtig herbstnovembertrostlosmäßig.

was mache ich jetzt bloß?
hin und her unruhig wandern! und das nicht in den alleen, sondern mit dickem schal um den hals zwischen pc und leinwand hin und her, und: die klappe halten, weil - sprechverbot. welch eine herausforderung an die fähigkeit zur stillen einkehr in mich selbst. da fällt mir ein - es soll ja schweigeseminare  geben. im ernst,  da zahlen manche leute einen haufen geld für, um endlich mal die klappe halten zu dürfen.  ich krieg das umsonst geliefert vom lieben universum. na, soll mal einer behaupten, ich sei kein glückskind.

so gesehen ist doch alles in bester ordnung.  ich werde dem herbst schweigsam und wach entgegen treten, lesen, lange briefe ( blogtexte)  schreiben und langsam aber sicher, ganz im stillen, abschied nehmen vom heimeligen haustraum.

aber, wenn ich wieder kann, ich bete inständigst, es sei höchst bald - dann werde ich es herausschreien: scheiss auf heim und haus, es gibt noch anderes im leben. ja und dann geh ich das andere suchen, in den alleen oder sonstwo draussen.

danke herr rilke!





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen