Freitag, 1. Juni 2012

kleine arschlöcher








er trug diese art hemden wie deutsche touristen sie tragen, wenn sie auf mallorca urlaub machen. aus dem bis zu den brusthaaren geöffneten kragen wuchs halslos sein feister kopf. die augen zu engen schlitzen zusammengezogen fuhr er sie an, das sind kleine arschlöcher deine söhne! was haben die in ihrem leben jemals gemacht, was gut war?

sie überlegte, suchte nach etwas, das sie gut gemacht hatten. es dauerte eine weile. ich weiß nicht, sagte sie, oder doch, moment, der große hat seine mittlere reife gemacht. sie lächelte, eine spur zaghaften stolz im aufgedunsenen gesicht.

pah, fuhr er sie an, und das nennst du was gut machen, der hängt seitdem nur rum und zieht dir die kohle aus der tasche, der versager. und der kleine, im knast wird der landen bei seinem strafregister. nichtsnutzige arschlöcher sind das.

sie sah mich hilfesuchend an. ich suchte nach worten, um die worte zurückzuhalten, die ich ihm gerne entgegengesetzt hätte. es gibt gründe, sagte ich zu ihm hin, keiner wird so ohne grund.

gründe, lachte er verächtlich, die gründe sind mir scheiss egal. die machen sie kaputt, die kleinen arschlöcher, guck sie dir doch mal an.

ich guckte sie mir an, sah ihre schlechte haut im müden gesicht und den aufgeblähten bauch vom bier, das sie trank um nicht zu ertrinken, in dem was war.

ich hätte ihn anzeigen sollen, damals als er mir das viele geld geklaut hat aus der brieftasche, dann hätte er vielleicht aufgehört damit.

nix, dem hättest du eine ordentliche tracht prügel geben sollen, dann hätte der das kapiert. ich durfte ja nicht, schnauzte er sie an.

er hätte mich angezeigt, erwiderte sie leise, man darf seine kinder nicht schlagen. die wissen das heute. ausserdem ist es unrecht.

unrecht, blaffte er sie an. die haben lauter rechte, aber von pflichten wollen die nix wissen. ne, so geht das nicht, die kleinen arschlöcher machen was sie wollen und wir haben nix zu melden. also ich hab meine jungs in der werkstatt im griff. ich sag denen gleich am anfang, wenn ihr was mitgehen lasst, dann wars das. er nahm einen kräftigen schluck bier aus der flasche und sah mich provozierend an. und die gründe, warum einer so was macht, sind mir scheiss egal. neulich, da hab ich einen erwischt wie er eine radkappe mitgehen lassen wollte, da hab ich sofort entlassen. glaub nicht, das mir das leicht gefallen ist. dem hab ich schließlich sein leben versaut. das war echt hart für mich, hab mir am abend einen hinter die binde gegossen. hilft nix, die müssen funktionieren, die jungs und basta.

funktionieren, wiederholte sie. funktioniert haben meine nie. dabei hab ich doch alles getan, was ich konnte, alles aus dem weg geräumt hab ich ihnen. es ging ihnen doch gut.

du hast dich verarschen lassen, dumme kuh. und jetzt sitzt der kleine im heim und der große wohnt im hotel mama und säuft sich blöd. aber ich durfte ja nicht. er verzog verächtlich die schmalen lippen.

sie sah ihn an. du hast gut reden, du hast dich doch immer rausgezogen, wenn es um die jungs ging, ihnen deine tochter als leuchtendes beispiel vorgehalten.

die funktioniert ja auch, sagte er und grinste breit in meine richtung.

mädchen sind anders, warf sie ein. ihr vater hat sich rausgezogen, er hat sie nie gekümmert. ich war überfordert.

überfordert, das bist du doch immer, selbst schuld. ne du, keine grenzen hatten die, alles durften die und dann hast du sie ständig kontrolliert, weil du immer angst um sie hattest. weißte, wandte er sich mir zu, der kleine hat mir mal gesagt, warum er das macht. weil die alte mich fast erstickt hat mit ihrer ewigen kontrolle, hat er gesagt. er blaffte sie an: der is ausgebrochen aus deinem goldenen käfig.

ich fragte mich, wann sie ihn endlich zum schweigen auffordern würde, wann sie endlich aufstehen würde vom tisch, wann sie endlich gehen würde. sie blieb sitzen, suchte weiter nach rechtfertigungen für ihr unvermögen und das leben ihrer söhne, die ihr entglitten waren, suchte nach entschuldigungen für ihre schuld, die sie zentnerschwer machte. sie seufzte und zündete sich mit zittrigen fingern eine zigarette an. na ja, ich war halt allein, sagte sie leise.

sag mal, seit wann lebt ihr denn zusammen?, fragte ich ihn.

na, seit der kleine acht ist, antwortete er.

aha, sagte ich.

was heißtn hier aha, fuhr er mich an,  ich bin ja schließlich nicht der vater von den kleinen arschlöchern.