C. Felder unterm Maulbeerbaum
Baum und Axt - Von Natur und über
Gesellschaft
Christian Felder ist Maler. Ein Maler, der Bilder malt,
die von ihm selbst sprechen, über ihn selbst, den Menschen, ehrlich und
ungeschönt und über Welt. Weil sie das tun, sind es Bilder, die etwas in uns
berühren. Diese Bilder sind Kunstwerke, weil sie etwas mit uns machen, mit
uns, die wir sie betrachten und mit jedem von uns machen sie etwas anderes. Ein Kunstwerk
ist dann gelungen, wenn es die Trennung zwischen Künstler und Rezipient
überwindet.
Der Maler könnte beim Malen bleiben. Aber über das Malen
hinaus ist da etwas in ihm, nein, durch das Malen ist da etwas in ihn hinein
gefahren, was raus muss. Etwas, das über das Malen und den Maler selbst hinaus
muss. Das muss den Rahmen der Leinwände sprengen. Das muss sich ausweiten über das, was es ist. Dem Maler genügt das Malen nicht und den Bildern genügt
nicht, dass sie gemalt wurden. Der Maler und seine Bilder fordern über sich
selbst hinaus Raum.
Bilder und Raum bedingen einander, sind mittlerweile
Konzept geworden und untrennbar miteinander verbunden. Ein Konzept, das jetzt in der Galerie unterm Maulbeerbaum einen Raum gefunden hat,
nach all den anderen Räumen die Christian Felder „bespielt“ hat.
Historisch wurden Zeit und Ort als unabhängige Begriffe
verstanden. Dies ist aber für physikalische Systeme bei großen Energien nicht
sinnvoll, es zeigt sich dort, dass Zeit und Ort eines Ereignisses sich gegenseitig
bedingen, unabhängig vom betrachteten physikalischen System.
So etwa können wir dieses künstlerische Konzept
verstehen Zuerst einmal. Und dann weiter begreifen.
Im Raum ordnet Christian Felder seine malerischen Denkräume. Das Ganze
wird sortiert, sichtbar, komplex, begreifbar.
Künstlerische Denkräume manifestieren sich in
Lebens räumen.
Scheinbar unzusammenhängende Themen und Techniken
beziehen sich aufeinander, bedingen einander, formen aus Einzelteilen ein
komplexes Ganzes. Ein Muster: Staunen durch Merkwürdigkeiten erzeugen.
Was hat das denn alles miteinander zu tun?
Gehen wir die Räume ab.
Was sehen wir?
Im ersten Raum: Portraits.
Persönlichkeiten aus der Welt der Kunst und des
Kulturbetriebs. Im zweiten Raum: Der menschliche Akt. Im Dritten: Politische
Plastiken aus Pappmasché, Ikonographische Arbeiten. In der Scheune: Gemälde,
die sich mit dem ICH auseinandersetzen. Dann: Landschaften Im sechsten Raum: Projektionen,
Lichtspiele in Leuchtkästen und Plastiken aus Beton.
Scheinbar Verschiedenes, das durch die räumliche
Gestaltung in Verbindung gebracht wird – die Verbindung ist von entscheidender
Bedeutung für die Magie des Ganzen. Ein Zeichenmosaik in bildnerischer
Erzählform und damit bekommt es SINN.
Immer wenn es Bestrebung zum Gesamtkunstwerk gab, war
Inszenierung das Mittel.Der Versuch die Komplexität des Lebens abzubilden führt
zur Inszenierung. Könnte man das so sagen?
Man kann.
Der Regisseur – der Künstler.
De Bühne – der Raum.
Das Stück – Welt.
Was ist Welt? Herunter gebrochen auf die einfachste
Formel?
Die Antwort steckt bereits im Titel:
Baum und Axt - Von Natur UND über
Gesellschaft.
Betrachten wir das Symbol Baum wirft es uns zurück
auf den Schöpfungsmythos.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war
wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe. Und Gott sprach: Es werde
Licht! Und es ward Licht. Oder für die Ungläubigen - das Festhalten an der
Urknalltheorie.
Es ward Licht und es ward Natur und dann?
Und Gott sah, dass es gut war. Und sprach: Lasset uns
Menschen machen, die da herrschen über alle Tiere des Feldes und über alles
Gewürm, das auf Erden kriecht. Und schuf den Menschen. Und sprach zu ihnen:
Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan
...
Und dann?
Betrachten wir die Axt – Symbol der menschlichen
Kultur.
Stellvertretend für die kulturell entwickelten Werkzeuge, die sich der Mensch
zu Eigen macht um die Natur nach seinem Gutdünken zu gestalten und zu
zerstören. Auch das - denn alles
hat zwei Seiten. Und in diesen zwei Seiten sind unendlich viele Seiten,
Facetten und Ausformungen enthalten. Und alles ist eins.
Das organische, gewachsene naturale Chaos versus der kultivierten
Ordnung und die
sich bedingende und ergänzende Wechselwirkung. „In der Synthese entsteht das
Interressante“, sagt Christian Felder.
In der Synthese entstand und wird Welt wie sie ist. Die
Synthese ist unsere Realität.
Dazwischen das UND
Das Ich – der Mensch, der in die Welt geworfen, seinen
Platz sucht, sich zu behaupten sucht in seinem Lebensraum, der Mensch zwischen
Innen und Aussen. Der Mensch als Schöpfer seiner Welt und als Zerstörer.
Appolinisch und
Dionysisch. Der Mensch in seiner Zerrissenheit und seinem Streben nach Sinnsuche.
Dieses Gesamtkunstwerk, das sich in diesen Räumen entfaltet, erinnert mich an diese Worte von
Gerhard Richter: „Sich ein Bild machen, eine Anschauung haben, macht uns
zu Menschen – Kunst ist Sinngebung, Sinngestaltung, gleich Gottsuche und
Religion. Nachdem es keine Priester und Philosophen mehr gibt, sind die
Künstler die wichtigsten Leute auf der Welt.“
Einer dieser „Leute“: Christian Felder, ein Sucher, ein
gestaltender Philosoph, dessen künstlerisches Gesamtkonzept, Werk für Werk, mit hoher
handwerklicher Präzision und meisterlichem Können Sinn gestaltet.
Wer als bildender Künstler Sinn sucht muss
experimentieren. Der nutzt Techniken und Möglichkeiten, der malt und
bildhauert, der installiert, der schöpft aus seinem Innersten und strebt nach einer Wahrheit, die über das Eigene hinausgeht ins Kollektiv wirkt. Der klebt nicht am einmal
Gefundenen, denn Wahrheit ist niemals starr. Sie ist veränderbar, muss
veränderbar sein, sich immer wieder neu formieren. Nur so funktioniert Entwicklung – durch immer wieder
neues Fragen und Antworten finden. Antworten, die wieder Impulse geben für
wieder neue Fragen und neue Antworten, die sich manifestieren auf Leinwänden,
in der Zeichnung, als Plastik oder in Leuchtkästen.
Die Suche – die Untersuchung - als Kunstform, als universelle Methode der
Weltbetrachtung.
In diesen Räumen, in Folge der Utopia Ausstellung in
Mainz, geht die Suche wieder einen Schritt weiter. „Hier“, so Christian
Felder, „findet eine Vertiefung
und Wachstum statt. Der Portraitraum ist gewachsen, auch der Raum mit den
Plastiken und der Raum und die Form der Flüssigkeitsexperimente.
Der weitere Weg des Künstlers? „Ich werde
mir das Einzelne näher anschauen.“
© angelikawende, 9. juni 2011
foto: alexander szugger