Jedes Leben ist durch gewisse Umstände eingeengt, durch den Beruf, den Partner mit seinen Erwartungen, die Familie und ihre Belastungen, Finanzen und ähnliches mehr. Umstände beschneiden unsere Freiheit.
Was unsere Freiheit beschneidet verhindert unser inneres Wachstum.
Nun denken manche Menschen vor lauter Tun für das äußere Wachstum über das innere Wachsen nicht so viel nach. Sie haben keine Zeit, oder keine Ambitionen oder sind zu sehr beschäftigt mit dem Wollen des mehr als genug, das sie schon haben oder dem Suchen nach dem, was sie noch zu haben müssen, denken. Seltsam aber, dass Depressionen, Angst und Burnout Erkrankungen in unserer Gesellschaft boomen. Ich sage boomen, denn diese seelischen Krankheiten sind seit einiger Zeit auf vielen Hochglanzmagazinen die verkaufsfördernden Headlines.
Was ist das denn?
Aus Krankheiten machen wir Modewörter? Es lebt der ungesunde Trend, den wir setten. Das hat doch was. Wir lesen darüber und fühlen uns nicht mehr so falsch und so allein mit unserer wachsenden individuellen und kollektiven Pathologie und weil das jetzt öffentlich ist, denken wir, alles nicht so schlimm, haben ja viele und scheint "normal" zu sein und damit lebt es sich eine Weile wieder besser mit den Depris, den Ängsten und der Erschöpfung.
Bei manchen geht das gut. Bei anderen nicht. Die verdrängen so lange was weh tut, bis es richtig weh tut, bis sie zusammenbrechen um dann endlich die Auszeit nehmen zu dürfen, die ihre Seele "verdient" hat.
Es muss zusammenbrechen, es muss so weit kommen bis nichts mehr geht. Und dann kriecht er nach oben, nach dem Zusammenbruch, der Gedanke an das innere Wachstum. Seltsames Wesen der Mensch, ein Wesen, das dem Krug gleicht, den man zum Brunnen trägt, bis er bricht. Sind wir so hohl?
Wenn der Krug zerbrochen ist, ist guter Rat teuer. Dann beginnt die Suche nach Heilmittelchen, die den zerbrochenen Krug Seele wieder kitten sollen, anstatt die Suche nach uns selbst zu beginnen, denn das könnte unter Umständen doch genau das sein, was uns der Zusammenbruch fühlen lassen will. Da meldet sich unsere Seele, die heil sein will, werden will. Keine Zeit! Gott sei Dank gibt es doch wunderbare Pillen, die uns ganz schnell wieder befreien von unseren Seelenschmerzen und Ausfällen und die werden fleißig geschluckt, damit wir wieder fleißig sein können, dürfen - wollen? Übrigens, Gott hat die nicht erfunden, dem fiele etwas Besseres ein, wenn wir ihn lassen würden, aber wir lassen ihn nicht, denn wir haben ihn ausgeschlossen aus unserem Leben, weil er altmodisch geworden ist und eben kein Trendsetter.
Pillen einwerfen, der Seele suggerieren, es geht wieder, denn wir wollen, dass es weiter geht. Alle wollen wir das.
Aber wollen wir wirklich oder glauben wir wollen zu müssen wegen der Umstände, dem Partner, der Arbeit, der Familie? Wahr ist - wir haben uns unser Leben so eingerichtet, dass ein Loslassen einen Kraftakt bedeuten würde, der unser Lebensgerüst zerschmettern würde. Wir haben uns ein Gefängnis gebaut, das so ausbruchsicher ist wie einst Alcatraz.
Das ist eine Wahrheit an der alle Selbstbefreiung scheitert.
Aber was ist die andere Wahrheit?
Sie ist einfach und doch schwer zu leben. Sehr schwer, denn das eigene Leben lebt sich nicht allein, auch wenn manche Esoteriker oder Life Coaches uns das als leichte Übung verkaufen wollen. Es ist schwer, weil das Eigene immer ein Teil des Ganzen ist und damit ist es verbunden und determiniert vom Ganzen.
Die eigene Freiheit in ihrer Totalität zu leben ist eine Illusion. Die Freiheit beginnt zwar im Kopf, manifestiert sich aber im Zusammenspiel mit dem, was ausserhalb unserer Köpfe ist. Das nennt man Realität, also das, worauf sich das Kollektiv seit Menschengedenken geeinigt hat und das Kollektiv scheisst erst mal auf die individuelle Freiheit des Einzelnen, denn der ist in dieses Kollektiv untrennbar eingebunden und damit von ihm abhängig und umgekehrt. Er wird viel verlieren, wenn er die eigene Freiheit über die Grenzen des Ganzen erhebt, weil sie nämlich genau da aufhört - und da beginnt - bei der Freiheit der anderen. Ein Lösungsansatz ist - er wird Eremit und Selbstversorger im tiefen Wald oder in der Einöde irgendwo im Nirgendwo. Dann geht das mit der Freiheit. Aber wer macht das schon und wer mag das schon machen.
Also wie kommen wir aus aus dem Hamsterrad und zur Selbstbefreiung und Selbstwerdung?
Werde, der Du bist, das wusste schon Nietzsche und - er hat es auch nicht geschafft. Sein ganzes Leben war ein einziger Kampf gegen seine hämmernden Kopfschmerzen und seine schmerzenden, schlechten Augen. Es war eine Flucht und eine Suche, ein Wandern von einem Ort zum anderen, ein Kampf gegen seine innere Zerrissenheit, ein Leiden an seiner Einsamkeit in der Welt und ein Denken für die Welt, die er verändern wollte - für die Menschen und ihr Seelenheil, für die Liebe, die er selbst nicht leben konnte und all das andere Gute und das Glück, das er selbst nicht erreicht hat. Nietzsche war ein Mann der Worte, der erkennen musste, dass Worte zwar kraftvoll sind, denn ohne diese Kraft hätte er im eigenen Leben sicher nicht bestehen können, aber im Grunde sah er am Ende verbittert ein - dass Worte, ausser dass sie das Bewusstsein immens erweitern, am richtigen Leben nichts Wesentliches verändern wenn man nicht danch leben kann. Das Leben will nicht nur geschrieben, nicht nur gesprochen werden - es will gelebt werden. Auch Sigmund Freud, der sich in die Psyche des Menschen eingrub um die menschliche Struktur zu erklären und zu verstehen um so die Seele zu heilen, hat sich ein Leben lang den Mund fusselig geredet, Patient für Patient, Vorlesung für Vorlesung, um am Zungenkrebs zu verenden.
Tja, was also erwarten wir von uns, wir, die wir nicht so klug sind wie diese beiden klugen Geister und wir selbst sein wollen?
Wir erwarten zu viel. Wir fordern zu viel, wir fordern das Unmögliche von uns selbst.
Immer und immerzu. In guten und in schlechten Zeiten. In gesunden und in kranken Zeiten.
Und was ist es in uns, was das fordert?
Ein sich selbst als glücklich Bezeichnender, dem ich kürzlich zu fällig begegnete, sagte zu mir: das ist das Ego, das das fordert. Das Ich, das aufgeblasene überhöhte Selbst, das ist es, das will und er sagte zu mir, dass nur der glücklich wird, der sein Ego tötet. Und einen Moment lang, nein, ein paar Tage lang, dachte ich - da ist was dran. Ich habe nachgedacht wie ich mein Ego töten kann, damit ich endlich glücklich sein kann. Dazu musste ich mein Ego und das, was es will, erst einmal suchen gehen. Ich habe in mich hineingesehen, hinter meine Maske geschaut, die ich mit mir herumtrage, die ich mir als Schutz zugelegt habe um in dieser Welt nicht noch mehr verletzt zu werden als ich es schon bin. Und hinter der Maske habe ich die Teile in mir gesehen, die dieses Ego nähren. Ich habe meine Angst gesehen, die viele Namen hat, die meine innere Zerrissenheit füttert und mir das Leben schwer macht und mich klein. Ich habe meine Eitelkeit gesehen, die mich von den Menschen manchmal trennt, ich habe meine Wut gesehen, die ich nicht rauslasse, sondern in mich hineinfresse und bin erschrocken. Erst mal. Und dann kamen eine gefühlte kleine Depression und eine gefühlte große Erschöpfung zum Vorschein. Oh ja, ich bin voll im Trend der Zeit, habe ich gedacht und es über das Denken hinaus so richtig gefühlt. Und in diesem Moment wo ich fühlte und zu denken aufhörte, fiel etwas von mir ab und es fühlte sich auf einmal leichter an in mir.
Plötzlich hatte ich wieder Kraft. Ich begann an einem einzigen Tag so viel zu bewegen und zu verändern wie monatelang zuvor nicht. Und jetzt ist mir klar: Ja, das ist das Ego, das will, das mich von mir selbst trennt und von den anderen und mir meine Lebensenergie raubt.
Aber ich habe es nicht getötet, ich habe es angeschaut und langsam erkannt. Ich bin zu dem Schluss gekommen, ich will nicht töten was zu mir gehört, denn das bin auch ich, denn ich bin die Summe all meiner Teile, und wenn ich einen Teil von mir töte, töte ich das Ganze, also mich und nicht nur mein Ego. Und mein Gefühl sagt mir, das ist richtig so.
Jetzt bin ich an der Stelle meiner Wahrheit angelangt, die mich den Weg weiter gehen lässt mit dem tiefen inneren Wissen, dass ich nicht mehr von mir fordere als mir gut tut und was ich auch leisten kann für mich und andere und was ich nicht mehr leisten will und nicht mehr sein will, für mich und andere. Da beginnt er, der Weg zur inneren Freiheit und zum innerem Wachstum, der Weg hin zu dem, der ich bin. Der erste Schritt ist, mich selbst zu erkennen und mich anzunehmen mit meinem Ego, mit meinem Unvollkommensein, meiner Angst und meiner Zerissenheit. Der zweite Schritt ist - zu mir selbst zu stehen und es auszusprechen, vor mir selbst und den anderen, denn sie sind ein Teil meiner Realität. Das ist das Ende der Überforderung und ein neuer Anfang. Es ist gut, ich darf sein - mit allem was ich bin und noch werde.
Ach, eins noch: falls der Glückliche, der mich auf mein Ego aufmerksam machte, das liest: Danke!
Ich dachte ich gehe ganz allein auf diese Reise.. danke für deine Worte!
AntwortenLöschenwer zur wahrheit wandert, wandert allein, schrieb christian morgenstern.
Löschenirgendwie ist doch was dran :-) und es gibt all die, die alleine wandern und deshalb sind wir viele, die diese reise machen, und irgendwann kann es sein, dass wir uns begegnen :-)
vielen herzlichen dank für diese wundervollen und mich wieder einmal sehr leise werdende Erinnerungen und gedanken. vieles spricht mir tief aus der eigenen Seele, weil selbst erlebt. dankeschön.
AntwortenLöschen:-)
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