Freitag, 8. November 2013

Sein





das leben ist das sein zum tode, beschreibt der philosoph heidegger den unausweichlichen gang des menschen zum tode hin. das ist logisch, so logisch, dass es fast schon banal klingt. aber was bringt mir diese logik? ich weiß, dass mein leben begrenzt ist, dass ich sterblich bin, endlich bin, am ende mit meinem bewussten sein, irgendwann. dazwischen ist mein sein im leben, mein sein in der welt, in der ich mich bewege. wir bewegen uns, mein körper und ich, ich mich, in dieser körperhülle, die mich umschließt und deren aussehen und gestaltung ich nicht frei wählen konnte. wir bewegen uns in der kleinen welt, die unser kontext ist. wir sind ein teil in diesem kontext, ein teil dessen, womit wir uns umgeben und teil dessen, was uns umgibt. das ist sein - das einander bedingende konstrukt zwischen innen und außen, das nicht immer unserer wahl entspricht, weder innen noch außen. aber weil mein leben endlich ist, will ich wählen, ich will wählen, was ich will und was ich nicht will und nach der wahl das übrig lassen, was mir gut tut. und hier stehe ich an einer grenze und blicke dem schwellenhüter wirklichkeit ins strenge auge, denn das leben hat mir gezeigt - ich, du, er, sie, es, wir haben nicht immer die wahl, auch wenn wir das gerne glauben mögen. zumindest haben wir nicht die freie wahl, denn es gibt stets tausend dinge, die uns an der freien wahl hindern.

sicher, wir können immer wählen wie wir womit umgehen, also auch mit den dingen, die wir nicht frei für uns gewählt haben und das ist schon viel. darauf basieren auch so ziemlich alle therapieformen - mit dem sinnhaften umgang dessen, was unveränderbar ist und dem verändern dessen, was in unserer macht liegt.

vom unveränderbaren gibt es viel, viel zu viel in unser aller leben. zu viel um mich an die freiheit der wahl glauben zu lassen, auch wenn dies mein tiefster wunsch ist - freiheit. ich bin nicht frei, wir alle sind es nicht. nicht einmal gedanklich sind wir es, denn unsere gedanken werden vom ersten moment an, in dem unser bewusstsein erwacht, gefüttert mit den gedanken derer, die uns erziehen, die uns leben vorleben, die unseren kontext bestimmen. diese gedanken prägen uns, sie formen uns und unser fühlen, sie beeinflussen mich und alle die, die so gern frei wählen möchten und immer wieder an sich selbst scheitern, und wenn nicht an sich selbst, dann am kontext, der ihren rahmen bildet. sicher rahmen lassen sich sprengen, aber letzlich nur, um wieder in neuen rahmen zu enden. ein endloses suchen und sprengen und rahmen erweitern und doch am ende wieder rahmen - bedingungen. rahmen, die unser sein bedingen, denen wir nicht entkommen, es sei denn wir verziehen uns auf eine einsam insel, eingerahmt vom großen ozean.

lasst mir meine ruhe ihr wunschdenker mit der absoluten wahl und dem hehren wort freiheit! sie ist eine illusion des menschlichen seins, das seine gebundenheit an das große und kleine ganze in seinem hochmut nicht akzeptieren will.

trotzdem, es macht sinn nicht kampflos aufzugeben. wo ein wille ist ist auch ein weg! auch wenn der wille unfreier ist als manche meinen, er hat energie und - er bisweilen braucht er das bewusstsein der eigenen endlichkeit um endlich zu erwachen und aus dem kontexthamsterrad auszusteigen, mit dem wir uns drehen oder in dem wir uns drehen lassen bis hin zur verwirrung.

was wir zulassen ohne es wirklich zu wollen nimmt uns die wahl, nimmt uns die freiheit. was unsere grenzen überschreitet nimmt uns die freiheit, was uns von außen den rahmen steckt nimmt uns die wahl, wenn wir es zulassen. freiheit der wahl beginnt da wo ich all das, was meine freiheit beschränkt nicht mehr zulasse, beim kontext, der meinem rahmen bedingt und bei der macht, die ich ihm gebe oder eben nicht mehr. die sogenannten verantwortlichkeiten und verpflichtungen machen unser sein eng, weil wir ihnen hörig sind. anerzogenes und eingeredetes von kindesbeinen an, vom ersten atemzug an in abhängigkeitsdenken gepresstes sein, ist die kollektive wurzel des unfreien im menschen. davon muss sich der zu befreien wagen, der wählen will. er muss radikal sein, um seine wahl durchzusetzen, gegen alle widerstände von innen und von außen.

wer schafft das schon? wer hat die kraft sich loszusagen von dem, was in ihm ist, stein für stein zementiert und als eigenes haus geglaubt und jahrzehnte darin gehaust. ich kenne wenige. lossagen ist schwerstarbeit. befreiung wovon auch immer, fordert ihren tribut, sie wird uns nicht geschenkt, sie ist mit schmerzen verbunden, mit zweifeln und mit angst. aber sie ist der einzige weg dieses endliche sein im eigenen sinne sinnhaft werden zu lassen. eine existentielle herausforderung an der nicht wenige philosphen und kluge geister schon zerbrochen sind.
egal, es ist den versuch wert.



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