Donnerstag, 11. August 2011

Die Wut der jungen Menschen in England ... ein Erklärungsversuch

Sigmund Freud behauptete, dass das ganze menschliche Triebleben eingespannt sei zwischen zwei Polen: dem Lusttrieb und dem Todestrieb, sprich der Lust an der Destruktion als Teilaspekt des Aggressionstriebs.

Der Mensch befindet sich, folgt man Freud weiter, in ewiger Konfliktspannung zwischen einen „aufbauenden“ und einem „abbauenden“ Prinzip. Der Lust und der Unlust, bis hin zur Lust am Zerstörerischen.

Was das menschliche Eingespanntsein zwischen zwei Triebwelten angeht, stellt sich die Frage, ob der Mensch von Grund auf, also von Geburt an, von seinem Wesen her beides in sich trägt.

Ich frage mich, ist Aggression und die Lust am Destruktiven im Wesen des Menschen angelegt oder ist sie konditioniert, heißt durch eine Re - Aktion auf frustrierende Erfahrungen herausgebildet?

Das Neugeborene strebt nach atmen, Nahrung, Nähe und Geborgenheit und Schmerzvermeidung. Aggression, die schon beim Neugeborenen entsteht, ist immer die Folge von Frustration, hervorgerufen durch die subjektive Empfindung nicht erfüllter Bedürfnisse. Das innerste menschliche Bedürfnis ist „überleben“ - was Freud als den Lebenstrieb bezeichnet.

Aggression wächst durch wiederholte Frustration, die sich mehr und mehr aufbaut, wenn Bedürfnisse, Wille und Anlagen nicht zur Entfaltung kommen.

So gesehen ist es möglich, dass die Interaktion des Menschen mit einer ihn immer wieder „enttäuschenden“ Aussenwelt zu Aggression führt (Reaktionsbildung auf Äusseres). Somit ist es für mich eindeutig, dass der Todestrieb, also die "Lust" am Zerstören ein reakiver ist und nicht ein im Menschen biologisch angelegter.

Ein sattes Tier reißt nicht. Ein Tier reißt nicht aus Aggression, es reißt weil es Hunger hat.

Ein Tier kämpft nicht aus Lust, es kämpft „um“ etwas oder „für“ etwas.

Was also sind die Motive für Aggression, Wut und zerstörerisches Handeln?

Ein Mensch reagiert mit Aggression und Wut , wenn er einen Mangel spürt, gleich welcher Art. Wenn er sich ohnmächtig fühlt.

Die vermeintliche Lust an der Destruktion, die blinde nicht zielgerichtete Zerstörungswut ist immer eine Folge von „etwas existentiell Unerfülltem“ und nicht von Natur aus gegeben.

Der oberste Trieb beim Tier und beim Menschen ist das Überleben, nicht die Todessehnsucht, nicht der Todestrieb. Wenn er übermächtig wird, wird er das in Folge - quasi als Reaktionsbildung.

Der Todestrieb ist somit sicher kein vorkultureller Zustand von Natur, sondern wird geboren aus einer menschenverachtenden Kultur.

Erst durch die Unterdrückung und Entfremdung des Menschen von libidinösen, seelischen und existentiellen Grundbedürfnissen durch das gesellschaftlichen Umfeld und nicht durch biologische Disposition formt sich der Todestrieb. Somit ist der Todestrieb m.E. nicht als polar zum Lebenstrieb zu sehen, sondern aus ihm heraus geboren.

Die Zerstörungswut, die die Welt angesichts der Jugendrevolten in England erlebt, gründet auf einem Gefühl: „Was nicht sein darf, was ich nicht haben kann, wovon ich kein Teil bin, was mich nicht achtet, muss zerstört werden.“ Extremer ausgedrückt: „Ich zerstöre was ich nicht sein darf - am Ende das eigene Sein.“ Diese Jugend ist so verzweifelt, dass sie glaubt, sie hat nichts mehr zu verlieren. Also zerstören diese jungen Menschen, was sie zerstört. Sie sind dabei blind ) vor Wut).

Und ja - sie reagieren vollkommen normal.

(c) angelikawende


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