"In den nächsten Tagen wird dein Profil aktualisiert. Mit dem neuen Profil hast du mehr Möglichkeiten, um deine Geschichte zu erzählen und darzustellen."Dieser Satz sprang mir in die noch müden Augen, als ich mich heute morgen in mein Social Network einloggte. Dass es in meinem Network ein neues, grafisch abgewandeltes Profil gibt, habe ich natürlich längst mitbekommen, bin dem Ruf es zu aktualisieren jedoch nicht gefolgt, weil ich ein Gewohnheitstier bin. Ich habe ausserdem genug anderes zu tun, als jeden neuen Trend mitzumachen, ob in meinem Network oder sonstwo, und noch dazu gefällt mir das alte Profil schlicht und einfach besser als das neue. Will ich also nicht!
Tja, ich kann in diesem Fall wollen was ich will, das nutzt mir rein gar nichts, denn - siehe oben: Mein Profil wird in den nächsten Tagen automatisch aktualisiert. Jetzt bin ich baff und entscheidungsfähig bin ich auch nicht mehr. Die machen wieder mal, was sie wollen, die, die Macht haben und sei es auch nur die Social Network Macht. Ich muss mich fügen oder ich habe nur noch die Wahl mich abzumelden, weil mir das nicht passt, dass da über mich entschieden wird.
Ja, ich weiß, ruhig Brauner, reg dich nicht über jede Kleinigkeit auf, würde ein von mir geschätzter Mensch jetzt sagen. Und ich würde antworten: Ich rege mich gar nicht auf, ich sehe nur hin und in den Kleinigkeiten sehe ich Strukturen, die mich im Großen Ganzen auch stören. Zugegeben, er hat Recht, ich rege mich auf. Wenn ich mich mal nicht mehr aufrege bin ich tot. Und das will der von mir geschätzte Mensch sicher nicht und ich auch nicht. Wenn es dann soweit ist, werde ich mich vielleicht auch darüber aufregen, weil ich nämlich gern selbst entscheiden möchte, wann mein Abgang stattfindet und weil ich Angst vorm Totsein habe. Apropos Tod. Das ist etwas, was wirklich absolute Macht hat und die akzeptiere ich besser, denn dagegen kann ich nun wirklich nichts machen, ob ich mich aufrege oder nicht.
Also rege ich mich jetzt mal weiter über die Macht im Besonderen und im Allgemeinen auf, was mir auch nichts bringt, aber ich muss es loswerden und vielleicht liest das ja der Mächtige und macht sich ein paar Gedanken darüber, dass man auf einem freien Portal dem Menschen nichts aufs Auge drücken sollte, was er vielleicht nicht will und dass die Idee der Gleichmacherei in unserer Gesellschaft sich schon zu sehr ausbreitet, beängstigend in die falsche Richtung ausbreitet und meinem Gefühl nach, zu nichts Gutem führt. Es lebe das Individuum und die Freiheit der Entscheidung! Vom freien Willen spreche ich gar nicht, denn der ist, auch wenn wir ihn zu glauben haben, wie die Hirnforschung bewiesen hat, beschränkt, und vom Aussen noch beschränkter, und das ist mir einfach zu viel Beschränkung. Ach, was kann ich mich so schön aufregen!
Darum blogge ich das jetzt und wenn der Mächtige das liest, kann ja sein, das Mögliche ist möglich, dann macht er sich vielleicht ein paar Gedanken über Gleichmachereiansätze. Wenn sich Leute Gedanken machen ist das ja schon mal ein Ansatz, meine ich.
Was mich aber noch mehr aufregt ist, der Satz: "Mit dem neuen Profil hast du noch mehr Möglichkeiten deine Geschichte zu erzählen und darzustellen." Subtil, sehr die Botschaft. Ich habe noch mehr Möglichkeiten meine Geschichte zu erzählen und darstellen. "Möglichkeiten". Ja, Gottes Geschenk an uns sind Möglichkeiten, ist sogar mein Leitsatz im Leben. Aber, mal im Ernst - ob ich meine Geschichte erzählen und darstellen will, das entscheide ich, dazu brauche ich keinen Animateur. Moment mal! Warum will der das eigentlich? Der liest sie ja doch nicht, oder ist er auf der Suche nach Geschichtenerzählern? Ein Verleger ist er doch nicht, der Social Network Mächtige, oder habe ich was verpasst?
Transparenz fällt mir da spontan ein. Ich spinne das jetzt mal weiter. Wenn alle ihre Geschichten erzählen, dann wissen alle über alle Bescheid und dann wissen auch alle, von denen wir nicht wollen, dass sie unsere Geschichte kennen, Bescheid. Der Chef zum Beispiel oder der Kollege, der uns sowieso schon mobbt, oder die Konkurrenz, die wir als Freunde verlinkt haben und als Konkurrenz gar nicht wahrnehmen - man denkt ja nichts Schlechtes. Wenn die unsere Geschichte kennen und das sind ja nicht ausschließlich Erfolgsgeschichten, die wir alle so haben, na dann aber Holla, dann kann der, oder können die, sie gegen uns benutzen. Ist doch möglich.
Ist nur so ein Beispiel für Transparenz, passt aber wieder zum Thema Macht. Macht hat immer der, der die Wunden des Anderen kennt. Und ja, es gibt leider auch Menschen, die ihre Macht nicht konstruktiv einsetzen, sondern destruktiv. Da mache ich nicht mit.
Aber was mache ich jetzt? Ich rege mich wieder ab, und passe auf, was ich transparent mache und wie viel von meiner Geschichte ich erzähle. Und was das neue Profil angeht? Tja, ich will mich nicht abmelden, weil ich mein Social Network mag und akzeptiere die Ohnmacht.
Aber nicht, ohne mich aufgeregt zu haben!
P.S. Sollte mein Profil demnächst gelöscht werden ... ich war es nicht.
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