Ist doch alles gar nicht so schlimm.
Steigere dich nicht so hinein.
Mach kein Drama draus.
Du musst keine Angst haben.
Denk einfach positiv!
Diese Sätze hat jeder von uns schon einmal gehört.
Sie sind meist gut gemeint, in den meisten Fällen aber einfach so dahin gesagt. Hilfreich sind sie in den meisten Fällen nicht.
Wenn ich etwas als schlimm empfinde, empfinde ich es so.
Wenn ich mich hineinsteigere, passiert das.
Wenn ich ein Drama draus mache, empfinde ich es als Drama.
Wenn ich Angst habe, hat das einen Grund.
Mit diesen Gefühlen wünsche ich mir ernst genommen zu werden.
Positive Kleinreden- und Wegwischsätze führen nur dazu, dass sich der, der sich gerade nicht gut fühlt, noch mieser fühlt.Positivität vermittelt dem, der gerade nicht positiv drauf ist, den Eindruck, dass seine Gefühle nicht berechtigt sind. Positivität kommt meist von Leuten, die sich mit dem, was der andere fühlt, nicht befassen wollen. Der andere fühlt sich danach noch schlechter als vorher, weil er es nicht auf die Reihe bekommt, positiv zu denken.
Man kann es mit allem übertreiben, auch mit dem positiven Denken. Bei manchen Menschen geht das so weit, dass Positivität wie ein Zwang verfolgt wird. Bloß keine negativen Gefühle zulassen. Und falls sie doch einmal hochkriechen wird positiv affimiert und verdrängt, Hauptsache es kommt nichts in den Denkapparat, was einen runter ziehen könnte. Das Leben ist schön und miese Gefühle dürfen darin keinen Platz haben.
Nichts gegen eine positive Einstellung zum Leben. Wer eine positive Lebenseinstellung hat, lebt gesünder, meistert Krisen besser und wird seltener depressiv. Wenn aber unangenehme Gefühle keinen Platz im Leben haben dürfen, kann Positivität ein Gift werden. Man nennt diese Abwehrreaktion „toxische Positivität“. Ihr Merkmal ist der ausschließliche Fokus auf das Positive, während unangenehme Gefühle bei sich selbst und bei anderen ausgeblendet werden.
Das hat Folgen.
Wer alles was negativ ist, verdrängt wird gefühlstaub, seinen eigenen Emotionen und den Emotionen anderen gegenüber. Er spaltet sich von seiner Gefühlswelt ab und entfernt er sich von seinem tatsächlichen Erleben. Er lebt in einer Blase, die ihn von sich selbst entfremdet und damit emotional auch von seinen Mitmenschen. Sein Gefühlsspektrum wird einseitig. Wer die Emotionen des anderen wegwischt und ausblendet, nimmt seinen Nächsten nicht mehr als ganzen Menschen wahr. Er kann ihn in seiner Gefühlsskala nicht mehr begreifen und nicht verstehen.
Echte Verbundenheit mit uns selbst und anderen aber bedeutet: Die vollständiger Annahme, so wie es jetzt gerade ist, mit dem was emotional gerade ist. Gefühle haben ihre Berechtigung, denn sie sind der Seismograph unserer Seele. Und sie dürfen sein, alle, auch die unangenehmen. Sätze wie die Oben im Text, helfen nicht, wenn es jemand nicht gut geht. Was hilft ist, den anderen ernst zu nehmen, ihm zuzuhören und einfach da zu sein. Das gilt auch für uns selbst, wenn es uns emotional nicht gut geht. Es entlastet die Seele, wenn wir uns erlauben negative Emotionen zu fühlen und wenn sie ausgesprochen werden dürfen.
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