Samstag, 16. Mai 2020

Liebe in Zeiten von Corona - eine Reflexion



Malerei: Angelika Wende

Covid-19 verändert gerade unser Leben auf allen Ebenen. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Liebesbeziehungen. Wohl dem, der eine gute hat. Aber was ist mit denen, die jetzt in einer Fernbeziehung leben? Was ist mit denen, die alleine sind?
Wer jetzt allein ist wird es lange bleiben? 
 
Social Distancing und Dating passen nicht zusammen. Da sind die Corona-Verordnungen und Empfehlungen, da ist die Angst vor einer Infektion, da ist der Mindestabstand, da ist der Fremde, der eine potenzielle Gefahr ist für Leib und Leben.  
Singles können plötzlich sehr einsam sein. Keine Dates, keine sozialen Kontakte, keine Berührungen, kein Sex. Singles haben es in der Corona-Zeit schwer. Für Menschen, die schon vorher gerne alleine waren, ist das kein Problem. Für diejenigen aber, die sich nach ihrem weit weg lebenden Partner sehnen ist es ein schwerwiegendes Problem.  Eine erzwungene Trennung, wie sie manche Paare in der Corona-Krise erleben, schafft Zweifel, ob die Bindung sicher ist und schürt Verlustangst.
Andere wieder haben in der Isolation erst gespürt wie sehr ihnen ein Partner an ihrer Seite fehlt.  

Wir Menschen brauchen Nähe und Berührung, gerade und besonders in Krisen. Wir alle haben elementare Bedürfnisse nach sinnlichem In-Kontakt-Sein mit unseren Nächsten. Es ist so natürlich und notwendig, wie immer wieder Atem zu holen. Wir alle brauchen Liebe. Und die hat nicht eine emotionaler und eine geistige Ebene, sondern eben auch die des Eros.
Nur was ist mit Eros?
Was ist mit Kennenlernen, mit sich verlieben, was ist mit Liebe und Sex, wenn uns ein Virus dazu zwingt, körperliche Nähe zu vermeiden um nicht das Risiko einer im Zweifel tödlichen Erkrankung einzugehen?

Das Coronavirus ist bis in die letzte Nische unserer Leben vorgedrungen: Die Intimität.
Wir gehen auf Abstand, wo es nur geht.
Aber wie wollen wir leben ohne Berührung, ohne Zärtlichkeit, ohne Sex?  Küssen ist  gefährlich, denn beim direkten Tröpfchenaustausch überträgt sich das Virus ganz schnell. 

Askese ist angesagt. Pause einlegen. Und für wie lange?
Glaubt man der Corona-Hiobsbotschaft der WHO, die besagt das Virus könnte nie mehr verschwinden, die Welt müsse sich darauf einstellen, dass das Virus für immer bleibt,  fragt man sich: Was für ein Leben ist das?
Ein Leben ohne zu Berühren und ohne berührt zu werden?
Das ist ein einsames Leben. Der Blick in die nahe Zukunft geht einer sich selbst ausgesetzten Einsamkeit entgegen. Diese Einsamkeit ist für manche Menschen fundamental. Fundamental weil sie am Fundament zutiefst menschlicher Bedürfnisse rüttelt und sie je nach dem Grad individueller Angst vor Ansteckung, niederreißt. Wir sehen den anderen, wir sehnen uns nach dem Anderen und bleiben allein.
„Ich sehe dich, ich nehme dich wahr, aber auch den Abgrund, der uns trennt, ich akzeptiere den Schmerz, den diese Entfernung verursacht, aber ich halte stand und bleibe bestehen, bei mir, auf meiner Seite, nicht blind, nicht ignorant, aber standhaft. Auf diese Art zugewandt.“ Das schreibt Marguerite Duras, eine Einsame. 
Da ist sie, die Angst, die alles zutiefst Menschliche verwahrlosen lässt. Die Sehnsucht, die da ist, aber keinen Weg findet. Die Liebe, die nicht an ihre Heilkraft glaubt und vor dem Unheilsamen zurückweicht. Das Bedürfnis nach Nähe, das nicht die Kraft aufbringt, über die Angst hinaus zu berühren. 
 
Eros und Tanatos als unüberwindbare Antagonisten?

Der Unberührbare Mensch wird flach. Die Gefühle verflachen, es ist nur eine Frage der Zeit. Der unberührte Mensch findet sich ab und tut er das nicht, endet er in der Verzweiflung und das ist der schlimmste Affekt.
Man weiß, dass chronische Einsamkeit zu einem erhöhten Krankheits- und Sterberisiko führt. Einsamkeit wird im gleichen Areal des Gehirns verarbeitet wie körperlicher Schmerz. Das führt auf Dauer zu einer chronischen Stressreaktion, mit Folgen. Dazu gehören Bluthochdruck, ein erhöhter Blutzuckerspiegel und eine reduzierte Immunabwehr, die wiederum  zu allem möglichen Erkrankungen führt. Dazu gehören Depressionen und Ängste.
Es braucht keine Covid-19 Infektion um zu erkranken.
Einsamkeit macht krank.
Nicht berührt werden macht krank.
Alleinsein schützt.
Nähe macht im Zweifel krank.

Was also tun? Es fühlt sich an als wäre die Entscheidung die zwischen Pest und Cholera.

Ohne Berührung gehen wir ein, psychisch und physisch. Es ist nur eine Frage der Zeit.
Alles ist sterblich, wir sind sterblich.
Das macht das Leben so schrecklich. Und so schön.
Wenn wir beginnen das zu erkennen, es zuzulassen, kann das Leben beginnen sich zu zeigen.
Was bleibt denen, die ohne Berührung sind?
Was bleibt ist die eigene Entscheidung, das eigene Abwägen und die existentielle Frage: Wie gestalte ich mein Leben, damit es mich berührt?

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