Donnerstag, 31. Dezember 2020

FÜR DICH

 

                                                                          Foto: www

Feier das Leben
Feier den Tag
Feier was du hast
Feier deine Stärke und deine Kraft
Feier dein Durchhaltevermögen
Feier den Glauben, die Liebe und die Hoffnung, die du nicht aufgegeben hast
Feier was du getan hast für dich und für andere um stabil zu bleiben
Feier die Herausforderungen die du in diesem Jahr gemeistert hast, obwohl es dir schwergefallen ist
Feier deinen Mut mit dem du trotz deiner Ängste, Sorgen, Nöte und Zweifel weiter gegangen bist
Feier was du in all den Schwierigkeiten und Erfahrungen über dich selbst gelernt hast
Feier alles was du in diesem Jahr lernen durftest, auch wenn es nicht freiwillig war
Feier die Menschen, die dich dieses Jahr begleitet haben, die dir geholfen, dich inspiriert und dich ermutigt haben und sag ihnen wie dankbar du bist, dass es sie gibt
Feier deine Träume an denen du festgehalten hast
Feier was in diesem Jahr Gutes für dich passiert ist
Feier womit dich das Leben in diesem Jahr beschenkt, verzaubert oder berührt hat
Feier, dass du und deine Lieben das Jahr gesund überstanden haben
Feier alles was du loslassen konntest
Feier dich, auch wenn du heute Abend allein bist, obwohl du es dir nicht so ausgesucht hast
Feier dich, dass du dieses Wahnsinnsjahr überstanden hast!
Du bist wunderbar!
Du kannst verdammt stolz auf dich sein!

Mittwoch, 30. Dezember 2020

In diesem Moment

 

                                                                     Foto: A.Wende

 

Wer sich im Moment aufhält bekommt Boden unter den Füßen.


Und das lässt uns für diesen Moment erfahren, dass es eine Sicherheit gibt. 

Wir erfahren, dass es für diesen kurzen Augenblick möglich ist Bodenhaftung zu spüren.

Im Konzentrieren auf den Moment entkommen wir den düsteren Gedankenkreisen.

Wir befreien uns für diesen Moment.

Und das macht ruhiger.

Alles andere interessiert in diesem Moment nicht.

Montag, 28. Dezember 2020

Wut

                                                            Malerei: Angelika Wende
 

 

Kotz sie aus, lass sie raus, alles besser als deine Wut runterschlucken.
Gerade heutzutage gibt es immer mehr Menschen, die genau das machen. All die unausgekotzte Wut, die schon lange in ihnen gärt, wird hemmungslos ausgekotzt oder hemmungslos anderen übergekippt. Der Respekt lässt eklatant nach und die verbale Aggression wächst exponentiell nahezu parallel zu den die Infektionszahlen der Pandemie. Wut ist zur Zeit omnipräsent. Auch spirituelle Heiler und Bewusstseinscoaches fordern immer häufiger ihre Follower im Netz auf die Wut rauszulassen. Nach dem Motto: Wut muss frei und ungebremst raus, weil das angeblich heilsam sei. Soziale Netzwerker haben sogar ein Interesse an wütenden Nutzern, denn Emotionen bringen Klicks und Likes.

Wüten ist also gut?
Meint man.
Man irrt.
Wüten ist nicht gut.
Das ist ein fataler Mythos.

Im Gegenteil, wer lautstark wütet und hemmungslos seiner Wut freien Lauf lässt, liegt falsch, wenn er meint sich damit etwas Gutes zu tun. So zeigten sich Probanden, denen man im Laborexperiment die Gelegenheit gab ihre Wut auszuagieren und erst damit aufzuhören, wenn sie selbst meinten, sie hätten jetzt intensiv und genügend gewütet, noch lange nach dem Wutausbruch anderen Personen gegenüber signifikant aggressiver als Probanden, die im Labor keine Gelegenheit bekamen ihre Aggressionen auszuagieren.

Das hemmungslose Abreagieren von Wut füttert also die Wut, anstatt die Seele zu befrieden. Fast immer, wenn wir wütend werden, liegt es daran, dass etwas nicht so läuft wie wir es wollen oder erwarten. Das Ego ist angepisst und reagiert mit Wut.
Wut ist ein Brennstoff, der Leid, Trennung und Spaltung schafft.
Mich wundert das nicht, denn niemals ist meine Wut kleiner geworden, indem ich sie einem anderen übergegossen habe. Im Gegenteil. Man schadet sich damit nur selbst.
Wut auskotzen bringt nichts außer noch mehr Wutenergie.
Wut die kopflos ausagiert wird, ist keine Erlösung und schon gar keine Lösung für nichts. Von dieser Vorstellung dürfen wir uns lösen, wenn uns an unserem Seelenheil und dem Heil unserer Mitmenschen gelegen ist.

Aber wohin dann mit der Wut?
Sich mit der eigenen Wut auseinanderzusetzen und sie zu ergründen ist heilsam. Sie unkontrolliert abzuladen ist unheilsam. Es ist wichtig, sich der Emotion bewusst zu sein und sie sich bewusst zu machen und das bedeutet eben nicht, sie unreflektiert auszuagieren, sondern hinzuschauen, woher sie kommt und was sie uns sagen will.

Es macht Sinn sich in die eigene Innenwelt zu begeben und sich zu fragen, was einen denn so wütend macht und warum man das Bedürfnis verspürt den Rest der Welt daran teil haben zu lassen. Man könnte sich fragen, was in einem selbst schon lange unbearbeitet und unverarbeitet gärt. Welches Schuldgefühl, welches Versäumnis, welche Verletzung, welche Trauer, welche Angst oder welche Ohnmachtserfahrung liegt der Wut zugrunde?
Sich mit der eigenen Wut auseinanderzusetzen und sie zu ergründen ist heilsam. Sie unkontrolliert abzuladen ist unheilsam.

Wut hat oft mit verdrängten Schatten zu tun, den die Wütenden nicht sehen wollen oder können. Wut hat auch immer etwas mit dem eigenen Selbstwert zu tun. Meistens liegen dem aggressiven Verhalten Verletzungen in der Vergangenheit zugrunde. Das sind z.B. wie gesagt Opfererfahrungen oder/und Diskriminierungserfahrungen. Die Wut fungiert dann als eine Umkehrung von einem Ohnmachtsgefühl in ein handlungsmächtiges Aktivwerden mittels Wut. Wut ist aus der Hilflosigkeit sich selbst, den eigenen Wunden, Schwächen und Fehlbarkeiten gegenüber geboren, die dann wütend auf das Außen projiziert wird, das schlecht ist und böse und dumm. Wo, könnten sich die wütenden Aggressoren fragen, bin ich selbst schlecht und böse und dumm?

Wut, die wir bewusst anschauen, hilft uns die eigenen Bedürfnisse zu erkennen für sie einzustehen. Sie ist ein Seismograf dafür, was in uns unerfüllt und ungelebt ist. In dem Moment, wo ich weiß, wo meine Wut herkommt, kann ich Verantwortung übernehmen und entscheiden, wie ich damit umgehe. Dann passiert es nicht, dass sie unkontrolliert hochschießt und zerstörerisch wirkt. Dann kann ich aus meiner Wut sogar Kraft schöpfen, indem ich sie in Kreativität wandle. Wut ist also auch eine wertvolle Ressource, denn sie gibt uns die Kraft, Kontrolle über das eigene Leben zu erlangen und Dinge zu verändern, die einem nicht gut tun, zum Beispiel eine dysfunktionale Beziehung zu beenden.

Statt also auf den Wutimpuls zu reagieren, beobachten wir ihn. Wenn wir das tun, lassen wir Raum zwischen uns und dem Wutimpuls und in diesem Raum haben wir Zeit zu entscheiden was wir mit der Wut machen wollen und wozu sie uns nützlich sein kann. Wut ist ungut wenn wir sie irgendwo hinlenken, aber sie ist sinnvoll, wenn wir sie dahin lenken wo wir Essentielles zum Besseren hin verändern wollen. Sich mit den Ursachen der eigenen Wut auseinanderzusetzen stünde manch wütenden Mitmenschen gerade in dieser harten Zeit nicht schlecht. Es gibt schon genug Drama, man muss es nicht noch schüren, hochkochen und andere damit infizieren.

Samstag, 26. Dezember 2020

Zeitenwende

                                                                         Foto: www

 

In einer Zeit, in der alles brüchig ist, suchen viele Menschen nach Erklärungen, um das Leben zu verstehen. Wir suchen Halt in einer haltlos gewordenen Welt nicht wissend wie es weitergeht, wir sehnen uns nach Sicherheit in einer Welt, die eine permanente Bedrohung darstellt und Lösungen nicht in Sicht sind. Wir wollen das Leben denkend verstehen und bewältigen. So sind wir es gewohnt. Und jetzt steht uns die Welt wie ein fremd gewordenes Objekt vor Augen, und wir messen und bewerten sie weiter nach gewohntem Maß. Wir ordnen den Phänomenen Gesetzmäßigkeiten zu, die uns auch nicht weiter helfen und gleichzeitig schaffen wir strenge Gesetze. Regeln und Verbote sind unser Alltag geworden, den Zahlen dominieren. Auf diese Zahlen starren wir Tag für Tag und werden immer ängstlicher, denn sie verheißen nichts Gutes. Messend, zählend und forschend bewegen wir uns orientierungslos im Chaos. Wir wollen nichts lieber als endlich wieder Ordnung schaffen und müssen erkennen: Angesichts einer Naturkatastrophe geraten wir an unsere Grenzen. Das Virus bedroht uns weiter, es nimmt unsden Atem in einer Welt, in der die Erde am Ersticken ist: I can´t breath.

Wir geraten mehr und mehr aus dem Gleichgewicht weil wir begreifen, auch das kommende Jahr wird nichts Entscheidendes verbessern wenn nicht ein Wunder geschieht. Wir werden noch lange weiter den größten Teil unserer Lebenszeit in unseren Wohnungen sitzen und uns fragen, ob das noch ein Leben ist, während wir hoffen, dass die Wissenschaft Mittel findet, die uns unsere Freiheit wieder gibt. Wir haben erkannt, dass Rationalisierung und Individualisierung, Technisierung und Chemisierung an ihren äußersten Punkt gelangt sind. Corona hat es uns gezeigt: So geht es nicht weiter. Wir stehen vor einer Zeitenwende.

Aber wohin wird sich das Leben wenden? Wohin bewegen wir uns? Welche Veränderungen müssen wir vornehmen?
Bewegen wir uns in eine virtuelle Welt? In eine Welt der digitalen Lebensweise in der wir schon jetzt leben und die bis ins nächste Jahr und darüber hinaus andauern wird? Wie wir leben, arbeiten und wie wir kommunizieren und kooperieren, muss neu durchdacht und geplant werden. Jetzt ist unsere kollektive Kreativität gefordert und die eines jeden Einzelnen.

In einer Zeit in der das Leben so wie wir es gewohnt waren, zusammengebrochen ist sind wir dazu angehalten, nachzudenken und das bedeutet vergangene Projekte, Träume, Jobs und zwischenmenschliche Beziehungen Revue passieren zu lassen und zu überprüfen ob sie der neuen Welt standhalten. Wir müssen selektieren und uns fragen, was geht und was nicht mehr geht und was keinen Sinn mehr macht. Wir müssen optimieren was umsetzbar und lebbar ist, was an Fähigkeiten und Potenzialen wir ausbauen und vervollkommnen können, damit sie uns in der neuen Welt halten und tragen. Wir müssen kompensieren, was uns weggerissen wurde und Alternativen finden. Wir sind aufgerufen uns neu zu positionieren und das in allen Lebensbereichen – uns selbst gegenüber, in unseren Beziehungen zu anderen, was unsere Lebensweise, unsere Gesundheit und unseren Beruf angeht. Wir dürfen uns fragen: Was darf gehen und was darf bleiben?

2021 wird ein Jahr des Umbruchs. Zuvor aber geht es um Großreinemachen.
Das ist eine große Herausforderung, noch dazu wenn alles unbeständig, veränderlich und unkontrollierbar ist. Das ist eine noch größere Herausforderung, wenn wir zerrissen sind zwischen der Hoffnung auf ein besseres Jahr 2021 und der Angst, dass 2021 noch eins drauflegen könnte.
Was dann?
Wie schaffen wir das mental, psychisch und physisch wo wir doch längst an der Grenze unserer Belastbarkeit angekommen sind? Woher die Kraft nehmen nach einem Jahr voller Shutdowns, Social Distancing, Verboten, Einschränkungen, Verlusten, Unsicherheiten und einer wabernden Angst, die uns mürbe gemacht hat und unsere Sehnsucht nach Freiheit so groß, dass es schon weh tut?
Indem wir akzeptieren was unveränderbar ist und ändern, was wir ändern können ist, wie ich es immer erwähne, und indem wir uns bewusst machen: Nicht der Stärkere, sondern der Flexiblere wird diese Katastrophe überstehen. 

 

Unsere Überlebenskunst ist jetzt gefragt.
Was einen Überlebenskünstler ausmacht ist die Fähigkeit sich an die Umstände anzupassen. Nur wenn wir bereit und fähig sind uns dem Jetzt anzupassen finden wir unseren Platz in der neuen Welt in der die Umbruchs- und Transformationsphase gerade erst begonnen hat. Wir alle sind aufgerufen mit Geduld und Disziplin für eine bessere Welt zu arbeiten. Jeder von uns kann entscheiden wie und was er dazu beitragen will.

„Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt. Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Befragte, der dem Leben zu antworten - das Leben zu verantworten hat“, schreibt Viktor Frankl. Genau darum geht es jetzt.
Keine leichte Übung, aber eine Herausforderung, die wir annehmen dürfen.

Donnerstag, 24. Dezember 2020

Wann ist Weihnachten

                                                                       Foto: A. Wende


„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“, so steht es in der Bibel. Gottes Liebe erscheint uns Christen mit der Geburt seines Sohnes in einem armseligen Stall, die einzige Herberge, die Maria und Josef finden. Dort wird er geboren, unspekatulär, still und in Armut. Gott schenkt uns seinen Sohn, den Heiland, den Retter, auf dass unser Leben erlöst werde von all dem Unheilsamen das darin ist. In der Geburt Jesu begegnet uns die Liebe Gottes. Und damit begegnet uns unsere tiefe Sehnsucht nach dem Heilsamen in all dem Unheilsaman, die Sehnsucht nach Frieden in einer unfriedlichen Welt, die Sehnsucht nach Liebe in einer lieblosen Welt.
Möge Frieden sein unter den Menschen, Liebe und Nächstenliebe.
Möge das Unheilsame ein Ende haben.
Möge die Liebe menschlich werden und die Herzen der Menschen weit und warm für sich selbst und den Nächsten.
Mögen Kriege und Kämpfe ein Ende haben und in diesem Jahr - möge diese Pandemie, die unser Leben so brüchig und schwer macht und so viele Verluste mit sich bringt, ein Ende haben.
Möge sie erwachen, die Menschheit und endlich begreifen, dass es an ihr selbst liegt, all das Unheilsame in der Welt und dass es an ihr selbst liegt, es endlich zu beenden.

Alle Jahre wieder begegnet uns mit der Heiligen Nacht die Erinnerung an gelebte Liebe und damit auch die Erinnerung an den Einen. Und ob wir nun gläubig sind oder nicht, es spielt keine Rolle. Dieser Eine ist ein Symbol, ein Aufruf an uns Menschen Mensch zu sein im besten Sinne.

Was ist einer gegen so viele?
Einer, der hofft gegen so viel Verzweiflung
Einer, der auf Macht verzichtet gegen so viel Korruption
Einer, der heilt gegen so viel Vernichtung
Einer, der rettet gegen so viele Richter
Ein Lebendiger gegen so viele Tote
Einer, der kam und zeigte, wie ein Blitzlicht, einen Bruchteil der Geschichte, was ein Mensch sein könnte.

So steht es in einer Inschrift in der Nikolaikirche in Leipzig.

Was ist einer gegen so viele?
Es ist einer! Und dann ist da noch einer und noch einer. Und je mehr es von diesen einen gibt, desto mehr werden wir. Und je mehr wir sind, desto mehr kann sich verändern hin zum Guten.
Wenn dieser Eine aus dem gute Taten hervorgehen allein bleibt, wird sich nichts verändern.

Wann ist Weihnachten?
Jeden Tag, wenn wir begreifen und leben, worum es wirklich geht.

Danke, dass ihr mich ein Jahr lang hier auf meinem Blog begleitet habt.
Danke, dass es Euch gibt.
Möget Ihr gesund sein.

Schöne Weihnachten.

Dienstag, 22. Dezember 2020

Freiheit im Sinn

 

                                                                    Foto. A.Wende

Wir glauben gerne, es ginge darum, die Prüfung zu bestehen und das Problem zu überwinden, aber in Wirklichkeit gibt es gar keine Lösung. Genau dieses Denken führt dazu, dass wir uns immer mehr anstrengen auch wenn jede weitere Anstrengung zu nichts führt, außer zu noch mehr Anstrengung. Nur weil wir nicht akzeptieren wollen, dass es nicht für alles eine Lösung gibt. Wir wollen uns in Sicherheit wiegen und dazu gehören Lösungen.
So hat man uns das beigebracht.
Was man uns nicht beigebracht hat: Es geht nicht darum für alles die Lösung zu haben, es geht nicht darum an einen Ort zu kommen, an dem alles vollkommen ist. Haften wir diesem Gedanken an, klammern wir uns an eine illusionistische Sicherheit und wir missachten, dass alle Dinge aus sich heraus stets im Wandel sind und alles vergänglich ist - also nicht sicher und nicht stabil. Und auch nicht alles findet eine Lösung.
Das dürften wir in diesem Jahr verstanden haben.
Und jetzt?
Jetzt an diesem Weihnachten, das so viel anders ist, als die Weihnachten zuvor, stehen wir da wo es keine Lösung gibt.
Wir stehen auf brüchigem Boden.
Ein brüchiger Boden ist eine wacklige Angelegenheit, die uns nicht erlaubt fest auf den Füßen zu stehen, einen Standpunkt zu finden oder gar eine Lösung.
Wir erfahren an diesem Corona Weihnachten das Dilemma des Lebens selbst: Und dazu gehört, dass wir in manchen Momenten die Unerträglichkeit des Lebens zu spüren bekommen. Jetzt geht es darum, wie wir mit diesem Lebensdilemma umgehen wollen.
Wir könnten genau jetzt loslassen und eine Position entwickeln, in der wir alles was erscheint, lediglich erkennen ohne zu bewerten.
Darin liegt unsere Freiheit inmitten aller Unfreiheit, inmitten des Dilemmas.
Nichts ist vergänglicher als der äußere Sinn.
Die Freiheit des Menschen liegt im inneren Sinn.
Der meditative Sinn führt zum universellen Sinn.
Letzterer ist der unabhängigste Sinn. Er geht über uns selbst hinaus. Er ist jenseits von Leben und Tod.

Montag, 21. Dezember 2020

Liebe ist der Wunsch, dass es dem geliebten Menschen gut geht



Und es ist Weihnachten und wir wollen beieinander sein und uns halten und trösten und lieb haben. 
Und wir sind im Konflikt, weil wir beieinander sein wollen und zugleich wollen wir unsere Liebsten keiner noch so geringen Gefahr aussetzen. Wir wollen sie schützen.
Jeder von uns entscheidet jetzt, was er zu tun bereit ist um seine Liebsten zu schützen. Diese Entscheidung treffen wir alle für uns allein. Diese Entscheidung entscheidet ob wir ein großes Fest oder ein sehr kleines Fest verbringen. Diese Entscheidung entscheidet ob wir vielleicht sogar allein das Fest verbringen. 
 
Mein Sohn und ich haben entscheiden. Mein Sohn schützt mich, ich schütze meinen Sohn. Wir werden uns nicht live sehen an diesem Weihnachten. Uns nicht halten und gemeinsam kochen und essen und lachen und vor seinem Mischpult sitzen und er macht seine Beats und ich höre zu und singe mit und wir sind glücklich uns zu haben. Wir werden es so nicht haben, auch wenn uns das traurig macht und wir große Sehnsucht haben, Heimweh nach Familie nach diesem unguten Jahr.
Allein die Fahrt mit dem Zug nach Berlin, der Bahnhof voller Menschen, das Umsteigen in die volle S-Bahn. Hin und zurück - jedes Mal ein Risiko. Nein, zuviel Risiko. 
"Das ist nicht save, Mum", sagt mein Sohn. 
 
Wir haben entschieden, wir passen aufeinander auf. 
Wir verzichten auf etwas, was uns lieb und heilig ist - unser gemeinsames Weihnachten. 
Wir können verzichten, im Vertrauen, dass es wieder ein Weihnachten geben wird, wenn wir gut auf uns achten und das Glück haben, dass wir gesund bleiben. Letzteres haben wir nicht in der Hand, aber wir haben es in der Hand es zumindest nicht herauszufordern, das Glück.
Mama, sagt mein Sohn, weißt du, was für mich Liebe ist?
Liebe ist der Wunsch, es möge dem geliebten Menschen gut gehen. Und dazu müssen wir nicht aufeinanderhocken. Wir gehen nach draußen in der Stillen Nacht, er in Berlin, ich hier und wir schauen auf den Mond, den er so liebt, und es ist der gleiche Mond und wir sind beisammen.

Sonntag, 20. Dezember 2020

Weihnachten 2020

                                                                    Foto. A. Wende


Es ist der 20. Dezember 2020.
In vier Tagen ist Weihnachten. Es fehlt an vielem, was uns vertraut war in der vorweihnachtlichen Zeit, vor allem aber fehlt es an Zukunftseuphorie.
Die Städte liegen in staatlich verordneter Stille, kein Leben auf den Straßen, alles ausgestorben. Die Weihnachtsbeleuchtung kippt ihr einsames Licht auf das Straßenpflaster. Es herrscht wieder Shutdown am 20. Dezember 2020, das dritte Mal in diesem alles verändernden Jahr. Es ist ein nasskalter, grauer Sonntag. Keine weiße Weihnacht in Aussicht. Der Winter ist mild, aber die Menschen frieren innen. Man hat sie voneinander getrennt. Um sie voreinander zu schützen, damit sie sich nicht anstecken, einer am anderen, seit ein Virus die Welt befallen hat.
 
Seit März stehen die Menschen unter Spannung. Sie haben Angst um sich selbst und Angst um ihre Liebsten. Wie nah darf ich ihnen kommen, wie hoch ist das Risiko sich gegenseitig zu infizieren? Wie weit voneinander weg ist es sicher, wenn auch nicht gut, weil es weh tut das Nichtnahe, das Nichtberühren, das Nichtspüren menschlicher Wärme, körperlich weh und immer mehr weh, weil Weihnachten ist, das Fest der Liebe.
Liebe will anfassen, Berühren gehört zu ihrer Sprache.
Anfassen geht nicht. Immer ist da ein Risiko.
Mann, Frau, Kind, jung, älter, alt - alle sind potenziell eine tödliche Gefahr füreinander.
 
Aber wir wollen doch beieinander sein! 
 Die Zeiten sind hart genug. Wir haben so viel verloren was uns wertvoll und wichtig war und vertraut und gut, so viel, dass wir es noch immer nicht ganz begriffen haben, weil es unbegreiflich ist, was uns da widerfahren ist in diesem Jahr, nach all den Jahren in denen alles doch irgendwie gut war für uns, auch wenn es mal Ungutes gab. Wir wollen wenigstens beieinander sein und uns halten und trösten und lieb haben. 
 
Permanent müssen wir wachsam sein. 
Nachdenken über ganz normale Dinge, die früher selbstverständlich waren – ein Händedrück, eine Umarmung, ein Kuss.
Die immer offene Türe für unseren Nächsten - geschlossen.
Nichts mehr ist selbstverständlich.
Das Selbstverständliche hat sich aufgelöst.
Ist kaputt gegangen, das Selbstverständliche.
Das Grundvertrauen, die letzte Sicherheit ist gebrochen.
Kaputt und wird nie mehr zu dem, was es vorher war.
Berührung, Nähe – eine zerstörte Selbstverständlichkeit.
Eine zerstörte Selbstverständlichkeit kann zu keiner neuen Selbstverständlichkeit werden.
Der Bruch hat es gezeigt: Nichts ist selbstverständlich.
Da ist etwas Neues in unser Leben gekommen, das alles verändert hat.
Das Haus in dem wir wohnen, hat Risse bekommen.
Ist nicht mehr dicht. Ist nicht mehr Schutz. Seine Mauern sind brüchig geworden und unsicher, bedroht vom Außen. Das Virus kennt kein Hausrecht.
Etwas Bedrohliches hat sich in unser Leben eingenistet. Unsichtbar und potenziell tödlich kriecht es durch jede Ritze.
Still und leise hat sich etwas verändert, hat sich Halt und Fundament aufgelöst.
Nein, wir können nicht mehr so tun, als ob nichts wäre.
An diesem Weihnachten 2020 schreiben wir eine neue Zeit.
Zukunft ohne Euphorie.

Samstag, 12. Dezember 2020

Wollt Ihr den harten Lockdown? Und seid Ihr Euch der Folgen für die Psyche bewusst?

 


Wollt ihr den harten Lockdown? Ja!, schreit die Mehrzahl der Menschen. 

Das ist verständlich, denn das Virus lebt von Kontakten und um uns vor eine potenziellen Infektion zu schützen, muss der zwischenmenschliche Kontakt auf ein Mindestmaß reduziert werden. Was aber viele und insbesondere auch die Regierung ausblendet, ist die Tatsache, dass Gesundheit nicht nur auf der körperlichen Ebene angesiedelt ist. Der Mensch hat nicht nur einen Körper, sondern auch einen Geist und eine Seele. Mens sana in corpore sano - Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper und umgekehrt: Ein kranker Geist macht einen kranken Körper. Längst weiß das unsere überpsychologisierte Gesellschaft, im Moment aber scheint dieses Wissen von keiner Relevanz zu sein. Oder, es wird der Einfachheit halber ausgeblendet. 

 

Fakt ist: Konnten die meisten Menschen im Frühjahr den Lockdown noch einigermaßen gut überstehen, wird der harte Lockdown im Winter viele von uns an die Grenze der mentalen und psychischen Belastbarkeit bringen. Die harten Maßnahmen, die uns jetzt wieder bevorstehen und die allein auf die rein körperliche Gesundheit der Menschen beschränkt sind und die seelische Gesundheit außer Acht lassen, sind unmenschlich. Ein verantwortungsvolles Krisenmanagement in Pandemiezeiten muss auch Maßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit der Menschen umfassen. 

 

Unsicherheit, Angst und Niedergedrücktsein sind die häufigsten Reaktionen auf die Pandemiesituation, auch bei psychisch einigermaßen gesunden Menschen.  

Gefühle und Zustände wie diese sind normale menschliche Reaktionen auf belastende Lebensereignisse. Nicht alle Menschen sind jedoch einem gleich hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt oder psychisch und sozial gleich belastet. 

Die einen kommen einigermaßen gut damit klar, andere leiden unvorstellbar.

Ich möchte mich hier auf jene Menschen fokussieren, die durch die Corona-Pandemie am stärksten gefährdet sind. 

 

Das sind vor allem die Coronakranken und deren Angehörige, das sind ältere und sehr alte Menschen, das sind Pflegebedürftige, medizinisches Pflegepersonal sowie Frauen, Kinder und Jugendliche und besonders auch Menschen mit körperlichen und/oder seelischen Behinderungen und Erkrankungen.

Psychische Auswirkungen hat für diese Menschen wie für alle anderen nicht nur das Leben mit einem potenziell tödlichen Virus, sondern die Drastik der Maßnahmen, insbesondere des harten Lockdowns, der uns jetzt wieder erwartet. Das öffentliche Leben kommt fast vollständig zum Erliegen. Alles außer dem, was wir zum Überleben notwendig brauchen macht dicht. Um Risikopatienten zu schützen wird alles geschlossen, was das soziale menschliche Leben ausmacht. Und damit fehlt der menschliche Austausch, das soziale menschliche Miteinander, das den jeder von uns täglich braucht. 

 

Ja, wir brauchen menschliche Kontakte um psychisch widerstandsfähig zu sein und um körperlich gesund zu bleiben. Wer Nähe erlebt hält zudem schwere psychische Belastungen besser aus. Mit den Kontakt-und Ausgehbeschränkungen fallen genau diese psychisch stärkenden Faktoren seit fast einem Jahr schon weg. Fatalerweise stehen sich hier zwei menschliche Grundbedürfnisse gegenüber: Das Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit und das Bedürfnis nach sozialen Kontakten. Genau das hat fatale Folgen. 

 

Infolge der Pandemiemaßnahmen steigt die Zahl psychischer Erkrankungen. 

Psychiater der Harvard-Universität schlagen bereits Alarm. Als Folge der Corona-Maßnahmen erwarten sie einen "Tsunami psychischer Erkrankungen". 

Auch die Bundespsychotherapeutenkammer hat bereits im August auf die Gefahr hingewiesen, dass neben Depressionen und Angststörungen, akuten- und posttraumatischen Belastungsstörungen auch Alkohol- und Drogen- und Medikamentenabhängigkeit, sowie Zwangsstörungen und Psychosen zunehmen. Gleiches gilt für häusliche Gewalt, Stigmatisierung, soziale Isolation, Einsamkeit und Suizidalität. So hat die Notaufnahme an der TU München die psychiatrischen Notfälle während der Ausgangsbeschränkungen in Bayern von März 2020 bis Mai 2020 ausgewertet und eine große psychische Gefährdung durch die Pandemie festgestellt. 22 Prozent der PatientInnen, die über Corona-Belastungen berichteten, haben einen Suizidversuch unternommen.

 

Besonders betroffen von den Auswirkungen der Maßnahmen sind auch ältere und alte Menschen. Sie werden aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos besonders starken Isolationsmaßnahmen unterworfen. Insbesondere Menschen in Alten- und Pflegeheimen wurden fast vollständig isoliert. Ein solches Vorgehen ist angesichts des damit verbundenen psychischen Leids menschlich nicht mehr nachvollziehbar. Diese Menschen sind massiv gefährdet, wenn sie auf die körperliche Nähe vertrauter Pflegkräfte und auf Besuche Familienangehöriger verzichten müssen. Zur häuslichen Isolation kommt für sie eine unerträgliche soziale Isolation hinzu, die viele kaum mehr verarbeiten können. Manche von ihnen sagten, als man sie nach ihrem Zustand befragte, sie wären lieber tot, als weiter so leben zu müssen. Man bedenke bei dieser Aussage:  Das sind Menschen, die einen Krieg überlebt haben. 

 

Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe sind in Deutschland mehr als fünf Millionen Menschen an Depressionen erkrankt. Im ersten Lockdown im Frühjahr hat fast jeder Zweite massive Einschränkungen Hilfen betreffend erlebt, sei es durch ausgefallene Arzt-und Therapeutentermine oder Klinikaufenthalte. Jetzt wird es noch dramatischer für Betroffene, denn viele Kliniken stellen Ressourcen für die Behandlung von Coronainfizierten um. Für diese Menschen kann der jetzige harte Lockdown zur psychischen Dekompensation führen. Es können Symptome wieder zum Ausbruch kommen, oder es kommt zu schweren Rückfällen.  

 

Eine Analyse der Stiftung Deutsche Depressionshilfe belegt: Rund drei Viertel der Menschen mit Depressionen (74 Prozent) empfanden den ersten harten Lockdown im Frühjahr als bedrückend. In der Allgemeinbevölkerung waren es 59 Prozent. Menschen mit einer Depression haben fast doppelt so häufig unter einer fehlenden Tagesstruktur (75 Prozent) und Grübeln (89 Prozent) gelitten als die Allgemeinbevölkerung. Da waren es aber immerhin auch 41 Prozent. In der häuslichen Isolation sind depressiv Erkrankte zudem deutlich häufiger tagsüber im Bett geblieben (48 Prozent versus 21 Prozent). Deutlich mehr als ein Drittel (43 Prozent) von ihnen gab an, dass es zu Konflikten und Streit kam. In der Allgemeinbevölkerung sagte das weniger als ein Fünftel (18 Prozent) der Befragten.

 

Für Menschen mit einer Depression, einer Angst – oder Zwangsstörung wird der Einschluss in die eigenen vier Wände durch diesen zweiten harten Lockdown destruktive Auswirkungen haben.  

Dabei wissen: Die Depression ist eine schwere, dringend behandlungsbedürftige seelische Erkrankung. Und wieder finden Betroffene keine wirkliche Hilfe. Telefon- und Videosprechstunden sind zwar eine Alternative, aber für manche nicht möglich oder die Online Hilfen sind erst gar nicht erreichbar. 

 

So berichtet die Telefonseelsorge dass ihre Nummern ständig überlastet sind. Bereits im ersten Lockdown riefen etwas über 2.700 Menschen täglich bei der Telefonseelsorge an. Das waren Menschen, die an Depressionen und Angststörungen leiden und aushäusige Kontakte mieden, aber auch viele ältere und körperlich Gebrechliche. Neben der Angst vor einer Infektion gaben lt. Telefonseelsorge, alle Anrufer an vor allem unter der sozialen Isolation zu leiden.

 

Menschliche Nähe, Wärme und das Gefühl, dazuzugehören und gebraucht zu werden, sind lebensnotwendig und heilsam für die Seele.  

Kontakt stärkt unser Immunsystem und erhöht zudem unsere Lebenserwartung. Soziale Isolation und Einsamkeit über lange Zeit machen krank. Durch ständige Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen aber sind wir Menschen immer mehr isoliert in den eigenen vier Wänden. Bei manchen Menschen wird durch die totale Reduktion auf sich selbst und aus der Angst, sich anzustecken, nicht selten Todesangst. Dazu kommt die Angst allein zu sterben zu müssen. Aufgrund des seelishes Dauerstresses, könnten viele dann auch tatsächlich früher sterben – ohne Corona. 

 

Singles sind während der Pandemie in der Regel stärker belastet als Familien oder Paare. 

Mehr als 17 Millionen Menschen in Deutschland sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr nicht nur alleinstehend sondern leben auch alleine. So allein wie jetzt waren sie nie zuvor. Besonders die Kontaktbeschränkungen machen Alleinstehenden zu schaffen. Sie leiden teilweise massiv unter Einsamkeitsgefühlen, die sie nicht mehr durch sozialen Kontakte wir z.B. einen Besuch im Café um unter Menschen zu kommen, kompensieren können. „Singles geht es am schlechtesten“, sagte Pastorin Astrid Eichler vom Netzwerk Solo & Co für christliche Singles in einem Interview der Berliner Zeitung. Es besteht die Gefahr, dass viele Singles in der Corona-Pandemie abrutschen und in ein schwarzes Loch fallen. Da merkt im Moment kein Mensch, wenn sie in eine Depression rutschen. Für Singles in ist der Lockdown in den Bereichen Kultur und Gastronomie schlimmer als die Kontaktbeschränkungen.“ 

 

Eine weitere psychisch stark betroffene Gruppe von Menschen sind diejenigen die ihre Arbeit einstellen mussten, weil sie nicht systemrelevant sind oder ihre Existenz aufgrund der Corona-Maßnahamen verloren haben. 

Diese Menschen haben nicht nur existentiell alles verloren, sie haben verloren was ihnen Sinn und Halt gab, sie haben keine Aufgabe mehr. Sie sind potenzielle Kandidaten für Depressionen und Suizid.

  

Besonders betroffen sind auch all die Menschen, die Tag für Tag um das Überleben Coronakranker kämpfen.  

Auch sie bedürfen dringend psychologischer Unterstützung um das Leid und die Angst, die sie Tag für Tag durch ihre Arbeit und auch an sich selbst zu spüren bekommen.   

 

Wir Menschen verfügen grundsätzlich über das Potenzial, Krisen zu überstehen und uns auch wieder davon zu erholen. Die Corona-Pandemie mit ihren harten Maßnahmen allerdings stellt unsere Resilienz und unsere Selbstheilungskräfte vor eine kaum zu bewältigende Herausforderung.  

Langsam kommen schon seelisch einigermaßen stabile Menschen an ihre Grenzen, für die oben Beschriebenen, und es gibt noch mehr Gruppen, die ich aufgrund der Länge die dieser Text dann hätte nicht erwähnt habe, ist diese Krise im Zweifel der seelische Untergang. 

 

Ein Ende der Pandemie ist bis jetzt nicht abzusehen. Die Bedrohung durch das Virus bleibt bestehen. Die große Verunsicherung, die Angst, das menschliche Leid, das sie mit sich bringt, dauert an.  

 

Je länger Krisen, Konflikte und lebensbedrohende Situationen dauern und je länger der Mensch sie isoliert von anderen Menschen bewältigen muss, desto eher sind die psychischen Widerstands-und Regenerationskräfte überfordert - das seelische System kollabiert.

Es ist längst überfällig. Die Politik muss langfristig für ein Leben mit dem Virus planen und handeln. Wir werden noch monate-, vielleicht jahrelang, mit dieser Bedrohung leben müssen. Und wer der Illusion verfällt das Problem sei mit Lockdowns, ob light oder hart, nachhaltig zu lösen unterliegt einem Irrtum. Es ist höchste Zeit für Konzepte und Maßnahmen, die die psychischen und die sozialen Konsequenzen der Pandemie mehr in den Mittelpunkt der Überlegungen rücken, zumal das nicht die erste und die letzte Pandemie ist mit der wir künftig leben müssen, zumindest wenn man dem Virologen Dr. Christian Drosten Glauben schenkt, der uns als Nächstes das Mers Virus ankündigt. 

 

Es ist in der Tat allerhöchste Zeit, sonst schreit irgendwann keiner mehr nach dem totalen Lockdown, weil ihm die Kollateralschäden viel mehr Angst machen als eine Infektion.

 

Freitag, 11. Dezember 2020

Zurückweisung oder wenn sich eine Tür schließt

 

Foto: A.Wende

Manchmal wollen wir genau das, was wir nicht haben können. Und viel zu oft übersehen wir dabei, dass das, was wir so sehnlichst haben wollen, nicht gut für uns ist. Wir kämpfen um jemanden, der uns nicht will, wir glauben ohne ihn ist unser Leben nicht sinnvoll oder leer. Wir glauben nur mit ihm können wir glücklich sein. Aber wer uns nicht will, wer uns zurückweist – wie könnten wir mit ihm glücklich sein?
Zurückweisung tut weh. Zurückweisung durch einen geliebten Menschen tut genauso weh wie körperlicher Schmerz.Wenn du zurückgewiesen wirst - und das wird immer wieder so sein – nimm Abstand vom Schmerz, nachdem du ihn gefühlt hast. Mach dir klar: Wenn dich jemand nicht will, ist es seine Entscheidung. Das musst du akzeptieren. 
 
Nimm dir Zeit die Emotionen zu fühlen. Erlaube dir traurig und verletzt zu sein. Zurückweisung muss man nicht nur aushalten können, sondern auch fühlen. Erlaube dir deine Gefühle. Erlaube dir verletzt, wütend und traurig zu sein. Erlaube dir zu trauern. Trauern ist ein wichtiger Prozess auf dem Weg zur Selbstheilung.
Mach dir bewusst: Dein Kampf ist ein sinnloser Kampf, den du nur verlieren kannst. Du verlierst ihn, nicht weil das Leben nicht gut zu dir ist, nicht weil du nicht gut genug oder „falsch“ bist, sondern weil du um den Falschen kämpfst. Du verletzt dich selbst. Es ist heilsam den Kampf aufzugeben dich aus destruktiven Beziehungen zu lösen, die dir nur weh tun. Es ist nicht nötig zu leiden, wenn du dieses Leid vermeiden kannst. 
 
Nimm die Zurückweisung an und geh, wenn du in einer Beziehung kein wertschätzendes, erfülltes und liebevolles Miteinander erfährst. Es ist das Miteinander und das Füreinander was glücklich macht. Niemals wird dich ein Gegeneinander glücklich machen.
Das Leben ist immer für dich. Wenn sich eine Tür schließt, dann öffnet sich irgendwo ein Fenster.

Donnerstag, 10. Dezember 2020

Ich-Sucht schafft Leid

 

                                                               Zeichnung: A. Wende

Du bist immer für ihn da, du hörst ihm zu, wenn er einen Zuhörer braucht und hilfst ihm, wenn er dich darum bittet. Vielleicht liebst du diesen Menschen sogar. Immer wieder verletzt er dich. Das spürst du auch und es schmerzt dich, aber dann entschuldigt er sich und du verzeihst diesem Menschen.
Du bist weiter für ihn da und schenkst ihm weiter deine Liebe, aber er verletzt dich immer wieder und er entschuldigt sich immer wieder. Und immer wieder verzeihst du ihm.
Du verzeihst ihm, weil du verstehst, weil du verstehen kannst oder verstehen willst oder weil du meinst ein guter Mensch muss verzeihen oder weil du wirklich ein Mensch bist, der verzeihen kann.
Irgendwann brauchst du die Hilfe dieses Menschen ganz dringend. Aber er hat wieder eine Entschuldigung oder einen trifftigen Grund dafür, dass er nicht für dich da ist.
 
Zum ersten Mal kommt das Gefühl in dir hoch, dass du mit diesem Verhalten nicht mehr leben kannst. Dir wird auf einmal klar, dass ein Verhalten, das nur ihm selbst nutzt und dein Wohl ignoriert, eine Lebenshaltung ist, die für dich nicht mehr akzeptabel ist.
Du durchschaust das Ich-bezogene Verhalten.
Du begreifst, ein Ich-bezogenes Verhalten hat keine Ambitionen etwas Gutes in die Welt zu geben.
Ich-bezogen Menschen bleiben hinter dem zurück, was sie an Fähigkeiten für das Gute und Wertvolle einsetzen könnten, sie sehen nur sich selbst und wollen alles für sich selbst. Es geht ihnen allein darum ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Sie beurteilen und benutzen Menschen nach dem Benefit, den sie ihnen bringen. Und so leben diese Menschen in der Haltung von Wollen und Nehmen. Dabei vergessen sie, dass sie irgendwann vielleicht an einen Punkt kommen, wo sie ganz unten sind und auf die Hilfe jener angewiesen, die sie für ihre Zwecke und Bedürfnisse benutzt haben.
Eine Ich-bezogene Lebensweise ist nicht nur ich-süchtig, sie ist unheilsam und unmoralisch. Sie ist Ausdruck einer existentiellen Verwahrlosung. Sie verursacht viel Leid.
Und weil du das erkannst hast, verlässt du das unheilsame Feld.
Du verabschiedest dich von diesem Menschen.
Du lässt ihn in seiner Welt, weil eure Werte und eure Lebensweisen nicht mehr zueinanderpassen. Du verlässt ihn, weil du dich dafür entscheidest, nicht mehr an einem Menschen zu leiden, der in Wahrheit an sich selbst leidet und dich in ein Leiden hineinzieht, das nicht deins ist.

Mittwoch, 9. Dezember 2020

Ich bin meine Insel - Vom Umgang mit dem Gefühl von Einsamkeit



                                                                      Foto: A. Wende

 
Niemand ist eine Insel, heißt ein Roman von Johannes Mario Simmel. Ich bin meine Insel, heißt es jetzt für viele von uns. Der immer lauter werdende Ruf nach dem totalen Lockdown kündigt es an, das Leben wird wieder still stehen. Mitten in der stillen Zeit, wird es so still und kalt wie ein Winter nur sein kann. Wohl dem, der Menschen hat, an denen er sich wärmen kann.
Aber was ist mit denen von uns, die vollkommen alleine sind? Wie gehen wir damit um, wenn da keiner ist in diesem stillen Zimmer, außer uns selbst? Wie halten wir uns warm?

Ich halte das nicht aus, sagte gestern eine junge Klientin zu mir. Ich halte es ja jetzt schon kaum noch aus. Das ist doch kein Leben mehr. Homeoffice, meine Eltern leben im Ausland, Freunde sehe ich kaum noch, nur ab und zu draußen zum Spazierengehen und dann gehe ich einkaufen und zurück in meine Wohnung und da ist nichts – nur ich. Tag für Tag, Abend für Abend, nur ich. Ich pack das nicht mehr. Ich drehe noch durch.

Die junge Frau sieht blass aus. Unter den schönen Augen liegen tiefe Schatten. Ich spüre ihr Leid. Ich frage sie, wie sich das anfühlt, allein in ihrer Wohnung.
Einsam. Ich habe Angst mich aufzulösen. Ich fühle mich verloren. Es ist als würde ich verschwinden und mit mir alles Leben um mich herum. Diese Einsamkeit ist ruhelos, bedrohlich und unheilschwanger. Aufgeladen mit dem Impuls ihr davonzulaufen, jemanden zu finden, der sie wegmacht.
Aber da ist keiner.
Ich kenne das Gefühl, antworte ich ihr.
Sie sieht mich an: Echt?
Ja, echt, antworte ich.
Und wie hält man das aus?
Man hält es aus, antworte ich. Man kann lernen damit umzugehen.
Aber wie?
Indem sie zunächst einmal akzeptieren, dass es Jetzt so ist und sich klar machen, dass es so nicht immer war und nicht für immer sein wird.
Sie schaut mich an. Ja, sagt sie, ich denke immer, das hört nicht auf.
Ja, antworte ich, und das macht es noch schlimmer. Es hört ganz sicher auf, weil nichts bleibt wie es ist, außer sie wollen, dass es bleibt wie es ist.
Aber was mache ich an diesen endlosen einsamen Tagen?
Nutzen Sie die Zeit. Sehen sie es wie ein Sabbatical – eine Auszeit. Ruhen sie ihre Seele aus. Versuchen sie das Gute darin zu finden. Erforschen sie, was ihnen gut tut. Tun sie etwas, was sie schon immer tun wollten und nie Zeit dafür hatten. Und vielleicht können sie auch empfinden wie gut es tut, Zeit zu haben, in der niemand außer ihnen bestimmt, was sie mit ihr tun.
Versuchen sie das Alleinsein zu würdigen.

Würdigen? Sie machen Witze!
Nein, ich mache keine Witze. Das ist mein Ernst, sage ich.
Aber ich weiß nicht, was ich mit mir allein die ganze Zeit anfangen soll.
Vielleicht ist das jetzt genau ihre Aufgabe, mit sich selbst etwas anzufangen. Sich selbst kennenzulernen, sich selbst zu erforschen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte das Leiden am Alleinsein, an der Einsamkeit nicht verharmlosen. Dieser Schmerz ist schrecklich und er kann uns unser ganzes Leben infrage stellen lassen. Er kann uns wie eine Strafe erscheinen, warum ich? Warum habe ich niemanden?

Einsamkeit ist ein sozialer Schmerz. Das Gehirn schätzt ihn genauso schlimm ein wie physischen Schmerz. Das ist es auch warum sie sich bedroht fühlen – beide Arten von Schmerz können ja auch tatsächlich Leib und Leben bedrohen. Aber psychischer Schmerz entsteht über unsere Gedanken, über unsere Vorstellungen – und darauf können wir Einfluss nehmen.

Ja, sagt sie, das stimmt wohl.
Solange sie das Allein mit sich selbst sein als Strafe oder als Verlassensein empfinden, leiden sie. Dann ist das Für-sich-selbst sein eine angstmachende Bedrohung. Für-sich-selbst-sein können sie aber auch dazu nutzen – FÜR sich selbst zu sein – im Sinne von: Sie sind für sich selbst da, so gut sie es können. Sie haben die Bereitschaft für sich selbst zu sein. Das ist die Voraussetzung. Und dann kommt die Übung, der Umgang damit.

Und wie geht das?
Zunächst einmal: Beobachten sie sich. Stellen sie sich Fragen.
Woran genau leide ich? Leide ich daran, dass da kein Mensch ist, der mir beim Leben zusieht oder leide ich daran, dass ich denke ich bin nicht okay, nicht liebenswert, nicht wertvoll?
Leide ich wirklich unter Einsamkeit oder schmerzt es mich, dass das Bild von Alleinsein nicht in meine Konditionierung oder in die Vorstellung gesellschaftlicher Konventionen passt?
Wenn sie das wissen kann sich Ihr Gefühl schon wandeln.
Und dann schreiben sie auf, was genau ihnen fehlt wenn sie sich einsam fühlen. Was immer dabei herauskommt: Sie werden die Einsamkeit anders sehen. Und dann machen wir weiter ...

Sie lächelt zaghaft. Ja, das mache ich. Könnte vielleicht spannend werden.
Das ist spannend. Und wenn die Zeit auf ihrer einsamen Insel vorbei ist, werden sie viel für sich selbst erfahren haben, da bin ich mir sicher.
Meine Klientin macht jetzt ihre Hausaufgaben. Bis zu nächsten Stunde.
Und dann machen wir weiter ...












Dienstag, 8. Dezember 2020

Eine Pandemie ist eine Pandemie, ist eine Pandemie

 



Wir sind an dem Punkt, an dem uns bewusst wird, diese Pandemie dauert. Sie dauert viel länger als wir es noch vor Monaten glaubten. Wir sind es leid, wir sind müde, wir sind überfordert. Wir werden ungeduldig und ungehalten vom Aushalten, aber es ist kein Ende in Sicht. Es geht weiter.
Der Ausnahmezustand ist die neue Normalität.
Eine Pandemie ist eine Pandemie ist eine Pandemie.
Das ist uns jetzt bewusst. Und es wird uns bewusst, dass wir keine Mittel haben um sie schnell wieder loszuwerden. Es wird uns bewusst wie machtlos wir sind gegen ein kleines Virus, das so große Vernichtung anrichtet.
Das ist schwer auszuhalten.
Manche denken noch immer das ist ein Fake, und sie leugnen was ist, weil sie die überwältigende Machtlosigkeit nicht ertragen können. Die Meinungen spalten sich und mit ihnen die Menschen. Freunde, Paare, Familien gehen als Feinde auseinander.
Der Druck ist immer schwerer auszuhalten.
Wir haben es nicht gelernt, mit einer Pandemie umzugehen. Solidarität, gegenseitige Hilfe und Mitgefühl schwinden und damit schwinden Nächstenliebe, Achtung, Toleranz, Respekt und Mitgefühl. Menschen attackieren einander, gehen aufeinander los, bewerfen sich mit Worten und Wasserwerfern. Sie verletzen sich gegenseitig und es nimmt kein Ende.
Währenddessen sterben Tag für Tag hunderte von Menschen.
Und die Gleichgültigkeit wächst.
Möge es viele geben, die nicht gleichgültig sind.