Montag, 29. Mai 2017

Aus der Praxis – Raus aus der Hilflosigkeitsfalle


 
Malerei: A. Wende

Hilflosigkeit ist ein mieses Gefühl. Ein Gefühl, das viele von uns kennen, aus der Kindheit zum Beispiel oder aus einer Erinnerung heraus, die wir, weil das Gefühl der Hilflosigkeit so übermächtig war, jederzeit wieder abrufen können.

Hilflosigkeit entsteht dann, wenn es aus einem Problem scheinbar keinen Ausweg mehr gibt. Hilflosigkeit ist ein Gefühl, das wir kaum aushalten können. Hilflosigkeit macht uns klein, sie macht uns ohnmächtig, sie nimmt uns die Kontrolle und wir werden uns der Bodenlosigkeit der eigenen Existenz fühlbar bewusst. Sogar der Körper reagiert. Wir sind unfähig klar zu sehen und zu denken, wir können uns nicht mehr konzentrieren, alles verschwimmt zu einer unseligen Melange aus Kraftlosigkeit und innerer Unruhe. Das Herz rast, uns wird schwindelig, wir haben Magenschmerzen, die Muskeln sind permanent angespannt und im Kopf fühlt es sich an als seien alle Hirnwindungen in Watte gepackt. Eine bleierne Müdigkeit macht jede Bewegung zu einem Kraftakt. Der Focus verengt sich und wir nehmen nichts mehr wahr außer dem, wovor wir Angst haben. Hoffnungslosigkeit macht sich breit und der Mut geht verloren. Wir sehen und fühlen nur noch existentielle Bedrohung. Wir wissen nicht mehr wo wir ansetzen sollen, wir haben gefühlt keine Handlungsoptionen mehr. Es ist als hätte sich vor uns eine undurchdringliche Wand aufgebaut. Diese Wand heißt Angst. Es ist die Angst unterzugehen. Was dann einsetzt ist Erstarrung. 
Das ist fatal. Denn genau das Gegenteil würde uns jetzt aus der Hilflosigkeitsfalle heraushelfen.  Bewegung nämlich. Aber genau dazu ist der, der im Tal der Hilflosigkeit festsitzt, nicht mehr in der Lage.

Er ist im Zweifel nicht einmal mehr dazu fähig eine helfende Hand zu ergreifen, wenn sie sich ihm bietet. Er steckt fest in seiner Lähmung und hat allen Antrieb verloren. Er hängt in der Vergangenheit fest, als alles doch so viel besser war. Er klebt förmlich an der Vergangenheit und betrauert das verlorene Leben, das unabänderlich vorbei ist. Er wehrt sich mit jeder Faser gegen das was ist, und damit macht er alles noch schlimmer. Im schlimmsten Falle gibt er sich auf. Das ist der Gipfel der Hilflosigkeit: Sich in die Ohnmacht hineinfallen lassen. 

Was dann?
Dann kann es geschehen, dass Menschen sich aufgeben. Dass sie alles Vertrauen in sich selbst, in andere, in das Leben verlieren. Sie ergeben sich ihn ihr Schicksal und werden zerfressen von Wut und Hass gegen die Welt, die ihnen so unsagbar Schmerzhaftes antut. Irgendwann verliert sich sogar die Wut, sie wandelt sich in Verbitterung, in Selbstzerfleischung, in Selbstablehnung und am Ende in Selbstzerstörung. Sucht und Depression sind die Folgen. Im schlimmsten Falle endet eine solche emotionale Krise im Selbstmord. 

Aber ist das eine Lösung,  auch wenn es scheinbar keine Lösung mehr gibt. 
Gibt es nicht einen anderen Weg?
Es gibt immer einen anderen Weg, vorausgesetzt, dass man ihn zu sehen gewillt ist und der Spirale der Selbstzerstörung noch nicht vollkommen anheim gefallen ist. Denn dann geht nichts mehr.

Sicher gibt es Situationen von Hilflosigkeit aus denen es kein Entrinnen gibt. Dann nämlich, wenn wir Opfer von Gewalt werden, wenn es ans Sterben geht oder wenn etwas, das mächtiger ist als wir, was immer es auch sei, unser Leben in der Hand hat. Aber davon spreche ich hier nicht. Ich spreche von der Hilflosigkeit mit der wir alle irgendwann einmal oder sogar mehrmals im Leben Bekanntschaft machen. Ich spreche von der Art von Hilflosigkeit, die sich einstellt, wenn wir etwas verlieren, was uns ausgemacht hat, etwas, das die Säulen unserer Existenz bedeutet hat und das ist für jeden von uns etwas anderes. Ich habe es erlebt, mehr als ein Mal, dass mir genommen wurde, was ich zu sein glaubte, was ich besaß und worüber ich mich definiert habe und was ich liebte. Ich kenne das Gefühl der Hilflosigkeit und der Ohnmacht, ich kenne den Schmerz und ich kenne die Angst. Ich weiß wie sich das anfühlt und ich weiß, wie es sich in diesem Zustand lebt: Man lebt am Rande der Verzweiflung. Und weil ich es kenne, weiß ich auch, dass es immer einen Weg heraus gibt, vorausgesetzt, man will da raus. 
 
Dazu gehört, dass man akzeptiert, dass es ist wie es ist. Dass man akzeptiert, das man manches im Leben, was einem Sinn und Halt gab aufgeben muss und es zurücklassen muss in der Vergangenheit wo es unwiderruflich als Erinnerung seinen Platz bekommt. Das ist bitter, das ist traurig, das kann uns in Momente der Verzweiflung stürzen und es kann sehr lange dauern bis man wir es betrauert und überwunden haben. Und es kann sein, dass diese Wunde niemals heilt. Auch damit lässt sich leben.

Wer aber in der Hilflosigkeit stecken bleibt verwehrt sich diesem Prozess. Er steckt fest wie ein trotziges Kind, das partout nicht begreifen will, dass es seinen Willen nicht bekommt. Das will, dass alles sein soll wie es war, dass die Dinge bleiben sollen wie sie sind. Dies ist eine kindliche absolute Forderung, die uns das Leben nicht erfüllt. "Du kannst nichts erzwingen, also lerne das zu akzeptieren!" Das lehrt uns die Hilflosigkeit. Wenn wir uns dagegen wehren, lehnen wir die Verantwortung ab mit dem was ist klarzukommen, auch wenn es höllisch weh tut. 

Wer in der Hilflosigkeit stecken bleibt, bleibt gewissermaßen im Trotz stecken, er trotzt dem, was das Leben von ihm fordert, Wandlung nämlich. Trotz ist eine paradoxe Anpassung. Im Trotz verschafft sich der Trotzende die Illusion unabhängig zu sein. Er gaukelt sich vor seinen Willen durchzusetzen gegen das was ist, indem er nein dazu sagt. Das ist verhängnisvoll, denn das Nein zu dem was ist, bedeutet nicht Unabhängigkeit von dem was ist, es ist Abhängigkeit von dem was ist und führt in die Erstarrung. Nichts geht mehr, die Ohnmacht siegt und der Untergang ist besiegelt. Hilflosigkeit fordert uns auf etwas zu tun. Sie fordert uns auf zu erkennen, was genau uns denn hilflos macht. Und meist ist es nicht das Problem an sich, sondern das, was wir darüber denken.

Es gibt immer Lösungen. Solange wir leben. Das muss der Hilflose erst einmal anerkennen und annehmen wollen.  Dann muss er schweren Herzens in Kauf nehmen, dass Lösungen nicht unbedingt den Königsweg bedeuten, sondern vielleicht erst einmal der kleine mit Dornen bewachsene Weg, den er beschreiten muss um aus seinem Dilemma herauszufinden. Abstriche machen, kleine Brötchen backen, Verzicht üben und mit dem klar kommen was noch da ist. Dazu gehört eine große Portion Demut. Auch das lehrt uns die Hilflosigkeit. 

Solange wir die Aufmerksamkeit auf das richten was uns hilflos macht, kommen wir nirgendwohin. Betrachten wir die Hilflosigkeit als Aufgabe, stellen wir uns damit einer Herausforderung die uns das Leben stellt. Wir entscheiden uns für den mühseligen Aufgang anstatt uns dem Untergang zu überlassen.




Sonntag, 28. Mai 2017

Zu viel Angst



Malerei: A. Wende

Sie redeten.
Zerredeten.
Redeten sich die Angst ein und die Angst aus.
Und immer wieder ein: Das mit uns kann nicht gehen
Und vielleicht war es so, dass es nicht gehen konnte.

Zu viel Angst.
Wo Angst ist, kann Liebe nicht fließen.
Wo Angst ist, ist Enge und keine Bewegung.

Ein Wegrennen manchmal, dann.
Vor Einander wegrennen.
Vor sich selbst wegrennen.

Und dann wieder das Gefühl des Hingezogenseins.
Einer zum Anderen hin.

Warum sonst redeten sie?
Redeten.
Stundenlang.
Tag für Tag.

Warum reden und nicht aufhören, weil es doch nicht gehen konnte?
Angst.
Angst vor dem was sein könnte -
dann, wenn es nicht gehen konnte. 


Dienstag, 23. Mai 2017

Vom konstruktiven Umgang mit Ohnmacht


Die Konfrontation mit der eigenen Ohnmacht ist ein bedrohliches Gefühl.
Aber sie ist auch ein Zeichen für das Mögliche, denn in der Handlungsunfähigkeit liegt der Appell die eigene Sichtweise zu verändern und zu erweitern.
Wenn wir uns ohnmächtig fühlen ist es hilfreich die Bedingungen der Ohnmacht zu erkunden.
Im ersten Schritt könnten wir uns fragen:
Wie kam es dazu?
Was habe ich selbst dazu beigetragen?
Was genau macht mich ohnmächtig?
Sind es äußere oder innere Bedingungen?

Im zweiten Schritt gilt es die das alte Leben, die alten Ziele, die Vorstellungen wie etwas zu sein hat und die bisherige Blickweise auf Probleme in Frage zu stellen.
Auf diese Weise kann es gelingen das schöpferische Potenzial, das durch die Ohnmacht blockiert ist, freizusetzen.




Montag, 22. Mai 2017

Lektionen




Malerei: AW

du denkst das universum hat endlich einsicht und schickt dir ein wunderschönes päckchen.
du machst es auf und bist glücklich. dann siehst du beim genaueren betrachten, dass scheisse drin ist. und du denkst, wieder verarscht.
aber so ist es nicht, das universum verarscht dich nicht. du kriegst solange diese art päckchen, bis du sie nicht mehr aufmachst, weil du die scheisse schon vorher riechst.

Sonntag, 21. Mai 2017

Leben mit einem Narziss ...



Malerei: Angelika Wende

Wie tief muss die Not eines Menschen sein, um andere zu demütigen und sich dadurch besser zu fühlen, für einen Moment.
Doch dieser Moment reicht nicht, reicht nicht aus um die Not zu lindern.
Und immer neue Momente.
Immer wieder demütigen.
Immer wieder entwerten. 
Immer wieder verletzen.
Laut und leise verletzen
Den Anderen.
Und sich selbst besser fühlen.
Besser?
Nicht mehr so klein innen.
Nicht mehr so leer innen.
Nicht mehr so einsam innen.
Nicht mehr so bedürftig innen.
Nicht mehr so voller Angst innen.
Nicht mehr so voller Schmerz innen. 
Ein Schmerz ohne Ende.
Leben mit einem Narziss ...

Samstag, 20. Mai 2017

Raus aus der Lähmung


Foto: AW

Stillstand im Leben entsteht oft aus einem Gefühl der Ratlosigkeit. Ratlosigkeit wiederum führt zu Motivationslosigkeit. Wie hoch unsere Motivation ist hängt davon ab, ob wir ein Ziel haben, für das es sich lohnt Energie aufzuwenden. Wer weiß, was er will, bringt auch Energie auf, das zu tun, was er will. Wissen wir hingegen nicht was wir wollen, haben wir keine Idee wie es weiter gehen soll. Dann fühlen wir uns schwach und gelähmt. Wir sind blockiert.

Sicher gibt es im Leben ausweglos erscheinende Situationen, in denen wir glauben, nichts geht mehr. Aber auch wenn eine Situation noch so ausweglos ist, es gibt immer einen Weg. Vielleicht nicht den, den wir uns erträumen oder wünschen, vielleicht nicht den großen Glückbringenden, den wir uns erhoffen – aber es gibt einen Weg, immer, so lange wir leben.
Bleiben wir jedoch in der Ratlosigkeit stecken bleiben wir genau dort wo wir sind. Und im schlimmsten Falle versinken wir im Sumpf der Tatenlosigkeit.
 

Was ist hilfreich um da raus zu kommen?
Frag dich nach deinen Zielen.
Frage dich, was du tun würdest, wenn du könntest wie du wolltest.
Und schreib es auf.
Schreib so viel auf, wie dir dazu einfällt, setze dir keine Begrenzungen mit deinem üblichen „Geht ja doch nicht“ oder „Das wird sowieso nichts“.
Dieses Denken ist wie eine Wand zwischen dir und dem Leben, die du selbst errichtest.
 

Versuche es: Schreib einfach alles auf, als ob es keine Begrenzungen gäbe und schau was passiert.
Wenn du es zulassen kannst, wirst du spüren, dass etwas ins Fließen kommt. Das ist ein erster kleiner Schritt, der eine wichtige Aufgabe hat: Du kommst für einen Moment in der Zeit aus der Lähmung heraus. Du bekommst wieder ein Gefühl für das, was möglich ist.

Wie sagte einst Hermann Hesse ...
"Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen."
Und so ist es.

Freitag, 19. Mai 2017

Realität



Foto: AW


"Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört daran zu glauben." So lautet ein Zitat von Phillip K. Dick
Es gibt Leute, die glauben, dass Realität nur eine Konstruktion unserer Gedanken und inneren Glaubensmuster ist. Sie glauben sogar daran, dass sie Kraft ihrer Gedanken, die Realität zu ihren Gunsten verändern können.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Realität unabhängig von unseren Überzeugungen und Glauben existiert. Denn das, was nur existiert, wenn oder weil wir daran glauben, ist keine Realität. Es ist eine Konstruktion von Realität.
Daher ist es sinnvoll sich der Realität zu stellen und sie als solche anzuerkennen, anstatt sich vozumachen, dass es sie nicht gibt und in der selbstgeschusterten Illusion von Realität hängen zu bleiben. Realität verschwindet nicht, wenn wir nicht daran glauben. Wir können was real ist nicht verschwinden lassen. Was wir beeinflussen können ist - WIE wir mit der Realität umgehen wollen. Und das bedeutet: Angemessenes Handeln, ob dessen was ist.

Dienstag, 9. Mai 2017

Wenn ich Dich denke ...





Wenn ich dich denke, ist es als blicke in einen Spiegel

Ich sehe meine Angst und meinen Mut

Ich sehe meine wirren Gedanken und meine tiefe Klarheit

Ich sehe meine innere Not und meine innere Stärke
Ich sehe mein Ganzes und meine Scherben

Ich sehe meine Zerrissenheit und meine Verzweiflung

Ich sehe meine Sehnsucht, meine Suche und meine Freude
Ich sehe mein Vertrauen und mein Misstrauen 
Ich sehe meine Vergangenheit und mein Jetzt
Ich sehe meine Wunden und mein Gold 
Ich sehe meine Neugier und meine Zweifel

Ich sehe mein Ringen nach Leben und meine Ohnmacht dem Sterben gegenüber

Ich sehe meine Obsession und meine Leidenschaft und mein Glück

Ich sehe meine Kraft, meine Zuversicht und meinen Glauben

Ich sehe meine Trauer, meinen alten und meinen neuen Schmerz
Ich sehe mein loderndes Feuer und meine kühle Asche 
Ich sehe meinen festen Boden und meine Bodenlosigkeit

Ich sehe meine Gaben, meine Wünsche und meine Träume

Ich sehe meine Liebe und meine Zärtlichkeit 

Ich sehe mich in meinem Hell und meinem Dunkel

in dir

durch dich

zu mir hin

zu dir hin ...



Für D.


Freitag, 5. Mai 2017

Ich mag Wahrhaftigkeit





Ich mag keine Spielchen

Ich mag keine Vielleichtchen
Ich mag keine Zweideutigkeiten
keine Unklarkeiten
keine Versprechen in Worten und dann Taten, die Worte Lügen strafen

Ich mag Offenheit
Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber
Ich mag Klarheit
Eindeutigkeit
Mut zu dem zu stehen was ist
auch wenn es weh tut
und es aussprechen
und kein Taktieren 
Ich mag Wahrhaftigkeit.