Montag, 30. August 2021

Abgrenzen müssen wir üben, jeden Tag immer wieder

 

                                                    Foto: Frank Widman www.frank-widmann.de

 
Es ist nicht gut, immer alles hinzunehmen. 
Es gibt Menschen, die verwechseln Gutmütigkeit mit Schwäche und nutzen dich aus. Manchmal musst du im Leben klare Grenzen ziehen. Nicht um andere zu verletzen, sondern um dich selbst vor Verletzungen zu schützen.
 
Nimm dir einen Moment Zeit zur Selbstreflexion, wenn du:
Dich elend fühlst und nicht weißt, warum dein Leben nicht so ist wie du es dir wünscht.
Dich traurig, wütend oder hilflos fühlst.
Merkst, dass deine Stimmung stark vom Verhalten anderer abhängig ist.
Dich immer um andere sorgst, für andere sorgst und dir für dich die Energie fehlt.
Dir überlegst wie du andere beeinflussen oder kontrollieren kannst.
Das Gefühl hast, dass du in deiner Beziehung leidest.
Aufgehört oder nie angefangen hast, dein eigenes Leben zu leben.
 
Wenn du magst, beantworte dir dann ehrlich folgenden Fragen:
Hast du ...
Sehr oft Ja gesagt, obwohl du Nein meintest?
Angst, deinen Gefühlen zu vertrauen?
Versucht, anderen auf eine Art zu helfen, die nicht geholfen hat?
Lügen geglaubt und dich im Anschluss betrogen gefühlt?
Obwohl du belogen und betrogen wurdest den anderen entschuldigt, aus Angst ihn zu verlieren und dann alleine zu sein?
Negative Gefühle unterdrückt und geschwiegen, wenn andere dich mit ihrem Verhalten verletzt oder enttäuscht haben?
Überreagiert, wenn andere dich mit ihrem Verhalten verletzt haben?
 
Du hast das tiefe Bedürfnis, von anderen Menschen gemocht und akzeptiert zu werden?
Warst du als Kind Lieblosigkeit, Ablehnung, Demütigung, Vernachlässigung und emotionalem oder körperlichem Missbrauch ausgesetzt?
Kennst du Sätze wie: Sei nicht so eingebildet! Die anderen sind besser als du! Steck deine Bedürfnisse zurück! Du taugst nichts! Du machst uns nur Kummer! Aus dir wird nichts!
Solche Sätze prägen unser Selbstbild und unser Verhalten.
Wir glauben irgendwann, dass wir es nicht wert sind geachtet und geliebt zu werden. Wir glauben, dass wir es nicht wert sind für das, was wir sind, anerkannt zu werden.
Und genauso lassen wir uns später behandeln.
Wir haben verinnerlicht, dass wir keine gute Behandlung verdient haben. Dieses destruktive selbstschädigende Programm ist in unserem Gehirn gespeichert. Es wird zur inneren Überzeugung über uns selbst. Es verhindert, dass wir uns zum Beispiel einen Partner suchen, der uns wertschätzt und liebevoll mit uns umgeht. Werden wir einmal wertschätzend behandelt, misstrauen wir dem Gegenüber. Die Stimme in unserem Inneren sagt dann ganz laut: Der meint es nicht ernst, du bist es nicht wert!
 
Fragen zur Selbsterkenntnis
In welchen Bereichen verlässt du dich selbst, nur um nicht abgelehnt oder verlassen zu werden?
Zähle bitte alle Bereiche auf.
Wo verlierst du dich in den Erwartungen und Bedürfnissen anderer in einem Maße, dass du deine Gefühle und Bedürfnisse nicht mehr spüren kannst?
Mit welchen Strategien führst du einen Kampf um geliebt zu werden?
Was tust du, um anderen zu gefallen oder es ihnen Recht zu machen, obwohl es deiner tieferen inneren Überzeugung widerstrebt und obwohl du genau spürst, dass du dem anderen nicht wichtig bist?
 
Du willst es anderen immer Recht machen?
Das ist eine unbewusste Taktik, um Konflikte zu vermeiden. Streitereien die dir aus der Kindheit vertraut sind und die damit verbundene schmerzhafte Erfahrung willst du um jeden Preis verhindern. Konflikte machen dir Angst. Diese Angst ist alt. Es ist die Angst des Inneren Kindes, das diese Gefühle unbedingt vermeiden will. Also passt es sich aus Selbstschutz an.
Der Preis, den es dafür zahlt ist hoch – es ist Selbstverleugnung. Dein inneres Kind kann lernen: Heute bist du erwachsen und bist in der Lage mit diesen Gefühlen umzugehen. 
 
Warum kannst du dich nicht abgrenzen?
Manchmal haben wir Angst, die Menschen die wir lieben, mit dem zu konfrontieren was wir uns wünschen.
Wir haben Angst unsere Bedürfnisse auszudrücken aus Angst zurückgewiesen, nicht mehr geliebt oder verlassen zu werden. Stattdessen verbergen wir unsere wahren Gefühle weil wir glauben, negative Reaktion wie z.B. die Zurückweisung anderer Menschen, nicht aushalten zu können.
Grenzen setzen ist Selbstfreundschaft
Das Wichtigste beim Setzen unserer Grenzen besteht ist darin, sie deutlich zu formulieren, sie zu kommunizieren und dann auch zu ihnen zu stehen. Immer wenn du Grenzen setzt und sie dennoch verletzen lässt oder sie selbst nicht achtest verlierst du an Selbstwertgefühl. Die Folge: Du fühlst dich klein und hilflos und funktionierst weiter im Sinne der anderen.
 
Hab Mut dich abzugrenzen!
Du kannst gedanklich Grenzen für dich aufgestellt haben. Sie nützen dir aber rein gar nichts, wenn du sie nicht klar aussprichst und sie dann auch verteidigst. Um sie zu verteidigen brauchst du Mut. Der Mut wächst mit jedem Mal, wenn du deine Grenze achtest und wahrst.
Du brauchst dich für ein klares NEIN weder zu entschuldigen noch zu rechtfertigen.
Wichtig ist ein selbstsicheres Auftreten und dass du der anderen Person freundlich und bestimmt begegnest und sagst was ist.
Lass dich nicht von Gegenargumenten oder Manipulationsversuchen verunsichern.
Bleib bei dem was du willst und entschieden hast.
Bleib bei dir, wahre deine Grenzen und stehe zu deinen Entscheidungen.
Je öfter du das tust, umso leichter wird es dir fallen deine Grenzen zu schützen. Egal ob gegenüber deinem Partner, der Familie, Freunden, Mitarbeitern oder Vorgesetzten.
Es braucht konsequente Übung, aber schon bald wirst du spüren, wie viel besser du dich fühlst, wenn du für dich selbst einstehst. Dein Selbstwertgefühl wird wachsen.
 
Wenn Du magst, schreibe dir folgenden Satz auf eine Karte und stelle sie dort auf wo du oft hinsiehst:
Ich bin kein Mensch, der sich schlecht behandeln lässt, der sich für andere selbst verleugnet oder von anderen benutzen lässt - niemals mehr und egal in welcher Situation. Meine Zeit und ich sind kostbar und wertvoll. Ich verbringe meine Zeit nur noch mit Menschen, die mich achten und wertschätzend behandeln. Der Rest kann seiner Wege gehen.
 
Und wenn Du das alleine nicht schaffst, ich unterstütze Dich gerne. 
 

Donnerstag, 26. August 2021

Weißt du, warum du es tust?

 

 



 "Dein Warum zu kennen ist wie ein Leuchtturm, der dich auf dem Weg zur Erfüllung führt.“

 Simon Sinek

 

Menschen tun etwas.

Sie tun den ganzen Tag etwas.

Sie tun, um etwas zu tun.

Sie tun, weil sie glauben, etwas tun zu müssen.

Sie tun es, weil sie meinen, es tun zu müssen.

Sie tun es, weil sie es schon immer tun.

Sie tun es und und merken nicht, was sie tun. 

 

Manchmal in einem hellen Moment kommt dann die Frage: Was tue ich da eigentlich?

Und sie beginnen zu beobachten, was sie tun.

Das ist gut, denn wenn wir beginnen uns selbst bei unserem Tun zu beobachten, finden wir heraus, was wir tun.

Der nächste Gedanke könnte sein: Wie tue ich es?

Und dann die entscheidende Frage: WARUM tue ich es?

Was ist mein WARUM?

 

Warum nach dem Warum fragen?

In der Philosophie ist das WARUM das Zentrum aller Sinnfragen. In der Philosophie versucht der Mensch die Dinge, das Leben, die Welt und das Menschsein zu verstehen. Philosophie ist die Liebe zur Weisheit. Zur Weisheit gehört für mich, mich zuerst einmal selbst zu erforschen und zu verstehen, warum ich denke wie ich denke, fühle wie ich fühle und handle wie ich handle. Mein Warum also.

Das Warum ist vielen Menschen nicht bewusst, aber es ist der Ausgangspunkt all unseres Handelns. Und doch stellen viele Menschen diesen Ausgangspunkt an den Rand ihres Denkens. 

Sie handeln unbewusst, weil sie sich ihrer Motive nicht bewusst sind. Sie lassen sich von unbewussten Motiven, inneren Überzeugungen, Glaubensmustern und übernommenen, nicht reflektierten Wertvorstellungen leiten. Sie sind sich ihrer selbst nicht bewusst. Es ist ihnen nicht klar, wer sie sind. Und es ist den wenigsten klar, warum sie sind, wer sie sind.

Fragt man sie, warum sie etwas tun, können sie zwar erklären, was sie machen und wie sie es machen, aber sie können nicht klar beantworten, warum sie etwas machen.

 

Erst unser Warum gibt dem, was wir tun, einen Sinn und ein klares Ziel.

 

„Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“

Diesem Gedanken folgend, erforschte der Psychiater und Begründer der Logotherapie und der Existenzanalyse Viktor Frankl, wie Sinnerfüllung im Leben möglich ist und wie sie uns dazu befähigt, auch in Krisenzeiten seelisch stabil zu bleiben.

 

Was ist dein Warum?

Um das herauszufinden kannst du dir folgende Fragen stellen:

Was ist der Grund, warum ich morgens aufstehe?

Was treibt mich an?

Was ist meine Motivation? 

Was ist meine Leidenschaft?

Was meine Freude?

Welche Werte verfolge ich?

Und: Welche Vision habe ich?

 

Uns unseres Warums bewusst zu sein, wirkt auf unser ganzes Leben.  

Und - wir sind uns der Auswirkungen unseres Warums bewusst. 

Wenn wir wissen, warum wir etwas tun, wissen wir viel über den Menschen, der wir sind und der wir sein wollen. Wir wissen um die Aufgabe in diesem Leben, die wir uns wählen, der wir uns stellen und die wir erfüllen wollen. Und zwar mit unserem ganzen Sein. Gegen alle Widerstände, wenn es sein muss.

 

 

 

 

 

 

 

 

Mittwoch, 25. August 2021

Den inneren Kampf aufgeben

 

                                                            Malerei: A. Wende


Der innere Kampf ist alles, was wir unternehmen um schmerzhaftes Erleben, Gefühle, Gedanken oder Erinnerungen zu vermeiden. Wir laufen weg, wir leugnen, wir unterdrücken, wir kompensieren, wir stürzen uns in die Arbeit, wir lenken uns ab, wir ziehen uns von der Welt zurück, wir betäuben uns mit Essen, Vergnügen, Drogen und Alkohol.
All das ist im Kampf gegen das innere Erleben sinnlos. 
 
Der Versuch unser Innerstes zu unterdrücken gelingt nie.
Es ist nicht nur ein illusorisches Unterfangen, es trägt auch die Gefahr in sich, dass das, was wir nicht sehen und fühlen wollen, noch mehr Raum einnimmt und sich verstärkt. Der innere Kampf wird zur Falle, der Versuch ihn zu vermeiden wird zur Sucht, die eine immer höhere Dosis verlangt.
Wer verändern will, was er empfindet, verändert nichts zum Guten. Wie jede Sucht macht es uns unfrei. Wir sind abhängig von dem Kampf, das eigene innere Erleben zu ändern. Wir sind Gefangene unserer Selbst wie alle Süchtigen, die sich im Kampf gegen sich selbst, selbst zerstören.
Wie der Süchtige, der sich betäuben muss, weil er sich selbst nicht aushält, weil er nicht fühlen will, was er fühlt, hindern wir uns daran, uns voll und ganz auf uns einzulassen. Uns fehlt die Kompetenz eine ehrliche tiefe Beziehung mit uns selbst einzugehen, sie zu pflegen und aufrechtzuerhalten.
Die Vermeidungstrategien, die kurzfristig für emotionale Erleichterung sorgen und unangenehme Gefühle besiegen sollen, hindern uns daran uns selbst ernst zu nehmen und unsere wahren Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen. 
 
Mit jedem Vermeiden, mit jeder kleinen Flucht, entfernen wir uns weiter von uns selbst. So werden wir uns nicht finden.
Im Gegenteil - wir verlieren uns, je öfter wir vor uns weglaufen, immer mehr. Wir isolieren uns von uns selbst und je mehr wir uns von uns selbst isolieren, desto mehr isolieren wir uns von anderen und von der Welt. Wie der Süchtige werden wir uns selbst fremd und am Ende sind wir nur noch ein Schatten unserer selbst. Wie jede Form des inneren Kampfes blockiert die innere Flucht Selbsterkenntnis, Selbstbewusstsein, Kreativität, Wachstum, Entwicklung und Lebensenergie. Und es gibt keine Form dieses Kampfes, die sich langfristig aus hilfreich entwickelt. Es wird nicht besser, was wir fühlen holt uns ein. Irgendwann, irgendwie, mächtiger und größer und dann haben wir ein richtig fettes Problem.
 
Strecken also wir die Waffen, schauen wir hin, hören wir auf zu kämpfen, befreien wir uns, indem wir uns erlauben zu fühlen, was wir fühlen. Lassen wir zu, was ist - dann lassen wir uns selbst zu. Und dann lernen wir mit unseren ungeliebten Gefühlen auf gesunde Weise umzugehen.
Tun wir das nicht und führen den sinnlosen Kampf weiter, werden wir wie der Süchtige, unsere emotionale Entwicklung abtöten.
Und wer sind wir dann? 
Gefühllose Marionetten, abgestumpft und unerreichbar für all das, was Leben ist.

Dienstag, 24. August 2021

Warum nicht ?


 
Ich würde ja gerne, aber ....
Ja, dieses „Aber“. Wir möchten es gern anders haben, wollen aber nichts dafür tun und nichts dafür aufgeben.
Für die Meisten von uns stellen Veränderungen eine Bedrohung dar, weil sie Gewohntes und Vertrautes hinterfragen und unbekanntes Neuland bedeuten.
Etwas verändern bedeutet: etwas vergeht.
Das ist für uns gleichbedeutend mit Schmerz. Wir klammern uns an die Dinge, obwohl wir wissen, dass sie sich ständig ändern, schaffen es aber selbst oft nicht sie bewusst zu ändern. Dabei vergessen wir: Dieses Klammern ist nicht nur vergeblich, sondern es beschert uns genau den Schmerz, den wir vermeiden wollen.
Wir halten fest an unserer Komfortzone. Auch wenn es darin ungut ist. Und immer unguter wird, wenn wir selbst nichts ändern.
Wir stellen Fragen wie: Was soll das bringen?
Weshalb soll ich was ändern, geht doch irgendwie?
Bringt doch eh nix. Also lass ich es lieber.
Oder wir sagen: Ich hab jetzt schon so viel versucht, aber es klappt nicht.
Oder wir fragen: Warum denn?
Wer etwas verändern und bewegen will, fragt: Warum nicht?
Wer etwas wirklich will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe. Und damit blockiert er sich selbst, denn: Wer ständig Gründe dagegen findet, muss nichts tun, damit es dennoch geht.
Wenn du wieder einmal Gründe findest, warum es nicht geht, kannst du dich entscheiden: Bist du Teil der Lösung – oder du bist Teil des Problems?

Samstag, 21. August 2021

Deutschland, 20. August 2021 - Der Tag als die Ausgrenzung kam

 

                                                            Foto: Alexander Szugger

 
„Wissen Sie, ich wollte mich nicht impfen lassen“, sagt die Helferin beim Zahnarzt, aber ich musste es machen, sonst hätte ich meinen Job verloren. Was hätte ich denn tun sollen, im Grunde hat man mich gezwungen, weil ich meinen Job brauche."
Ich denke, wie traurig das ist und sage ihr, dass es mir leid tut und dass ich sie verstehe.
Noch auf dem Weg in die Innenstadt, geht mir die Zahnarzthelferin nicht aus dem Kopf. Ich fühle mich nicht wirklich gut. Ich kann frei entscheiden, ob ich mich impfen lasse, ich habe keinen Chef, der mir Druck macht. Dann denke ich, fragt sich wie lange ich noch frei entscheiden kann. Und was ich mache, wenn man mich zwingen sollte mich impfen zu lassen. Ich werde eine Lösung finden.
 
Ich habe Lust auf einen Capucchino und eine Kardamonschnecke und mache mich auf den Weg in mein Lieblingscafe in meinem Viertel. Ich setze die Maske auf und gehe wie immer an den Tresen, weil man drinnen bestellen muss. Ich sage was ich möchte.
„Bist du geimpft, genesen, getestet?
Ich sage: Nein, weder noch.
"Sorry", pampt mich die sonst so freundliche Bedienung an, "dann kannst du hier nix mehr haben."
Fühlt sich seltsam an dieses: "Dann kannst du hier nix mehr haben." Fühlt sich irgendwie fremd an und auch demütigend, was mich erschreckt. Ich gehe wieder nach Draußen, sehe die Menschen, die an den kleinen Tischen sitzen und begreife: Da wirst du jetzt nicht mehr sitzen. Wie lange das so sein wird, weißt du nicht. Gut, ich könnte mich testen lassen, aber dann müsste ich wieder zurück in die Innenstadt und dazu habe ich keine Lust. 
 
Ich gehe nach Hause und mache mir einen Capucchino. In mir brodelt eine Melange unguter Gefühle. Ich setze mich ruhig hin, atme und versuche das Grundgefühl herauszufinden: Es ist Ohnmacht.
Ich fühle mich ohnmächtig. Ich bin jetzt 2 G, denke ich: Gesund – geächtet. Moment, da fehlt noch was: 2 G und A - Gesund, geächtet, ausgegrenzt.
Ich denke, das wird jetzt vielen Menschen in diesem Land so gehen, sobald die Inzidenz in den Städten über 50 geht, so wie in meiner Stadt. Ein Gruppe von Millionen Menschen wird von allem ausgeschlossen, was das Leben bereichert: Cafébesuche, Restaurantbesuche, Konzerte, Kinos, Schwimmbäder und vieles mehr. 
 
Die neuen Maßnahmen der Pandemie haben das, was selbstverständlich ist, zunichte gemacht, nämlich meine Grundrechte, die unantastbar sind wie etwa die Teilhabe am öffentlichen Leben, sprich nach Art 11: Die Freizügigkeit für jeden Bürger im ganzen Bundesgebiet. Ich denke ich an die Zahnarzthelferin: Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und die Berufsfreiheit. Teilentrechtung also für alle jene, die sich nicht impfen lassen.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Art 1 des Grundgesetztes hat sich erledigt.
Ächtung ist würdelos. Ausgrenzung ist würdelos.
Die Würde des Menschen ist antastbar.
Jedenfalls wenn es nach den Politikern geht und all denen, die Ungeimpfte für unsolidarisch und asozial halten und meinen sie verachten und ausgrenzen zu dürfen. Sie dürfen, mit staatlicher Erlaubnis.
Lange genug hat man den Menschen das Narrativ eingeimpft, die Impfung sei ein solidarischer Akt für die Gemeinschaft und wer diesen nicht vollzieht, stellt eine Gefahr für seine Mitmenschen dar. Folglich muss er ausgrenzt und damit bestraft werden.
 
Mir fällt mir der Satz von Ingeborg Bachmann ein: „Die Geschichte lehrt, aber sie findet keine Schüler.“ Mir fallen noch ganz andere Dinge ein, wenn ich weiter auf die Worte „Ausgrenzung und Ächtung“ assoziiere. Ich kann vieles fühlen, was ich zuvor als unvorstellbar und nur gedanklich nachvollziehbar fand. Ich spüre es jetzt am eigenen Leibe und mit mir Millionen anderer Menschen: Wir sind Outlaws, die sich dem Law and Order System verweigern. Ein Feindbild für die Guten. Wir sind böse und gefährlich. 
 
Ist das wahr?
Es ist nicht wahr.
Die Impfung ist nicht, wie man uns versprochen hat, der Gamechanger.
Hätte man den Beipackzettel aufmerksam gelesen wüsste man das. Dort steht: „Der Käufer erkennt an, dass die langfristigen Wirkungen und die Wirksamkeit des Impfstoffs derzeit nicht bekannt sind und dass der Impfstoff unerwünschte Wirkungen haben kann, die derzeit nicht bekannt sind…
Der Käufer erklärt sich hiermit bereit, Pfizer, BioNTech und deren verbundene Unternehmen von und gegen alle Klagen, Ansprüche, Aktionen, Forderungen, Verluste, Schäden, Verbindlichkeiten, Abfindungen, Strafen, Bußgelder, Kosten und Ausgaben freizustellen, zu verteidigen und schadlos zu halten.”
 
Es ist längst erwiesen, dass eine Impfung eine Ansteckung und damit die Weitergabe des Virus nicht ausschließt, sondern, dass Geimpfte ähnlich ansteckend sind und das Virus ebenso übertragen können wie Ungeimpfte. Das haben aktuelle Erkenntnisse der britischen Gesundheitsbehörde ergeben. Es ist auch nicht sicher, ob die Impfung bei jedem Menschen anschlägt. Es ist nicht sicher, dass Geimpfte nicht auch schwer erkranken können. Impfverfechter Karl Lauterbach mahnt jetzt, dass die Zahl derer, die sich trotz Impfschutz anstecken, steigen wird. Er rechnet mit einer deutlichen Zunahme von sogenannten Impfdurchbrüchen: „Bei allen Corona-Vakzinen steigt das Risiko eines Impfdurchbruchs nach einem halben Jahr an. Wir werden also vermutlich bald mehr Fälle sehen, sobald die Impfung bei etlichen Geimpften in Deutschland mehr als ein halbes Jahr zurückliegt.
Es ist auch nicht erwiesen wie lange Genesene immun gegen das Virus, geschweige denn gegen die neue Delta Variante sind.
Bisher geht man von ca 10 Monaten aus.
Wer prüft das nach?
Werden die Genesenen getestet bevor sie ihre Freiheit wiederbekommen? Woher weiß man, ob sie nicht schon längst ihre Immunität verloren haben?
Ist es also nicht so, dass „Genesen“ eine äußerst fragwürdige, nicht überprüfte Größe ist? Ist es dann nicht absurd, dass Genesene, deren Immunität vielleicht schon abgelaufen ist, sich frei bewegen dürfen, ohne Test, ebenso wie die Ungeimpften, ohne Test, und sich gegenseitig und die Ungeimpften anstecken können, die sich aber testen lassen müssen, um Freiheiten zu erhalten?
 
Who is who?
Wer ist hier die größere Gefahr für seine Mitmenschen?
Millionen Menschen wiegen sich in einer scheinbareren Sicherheit. Millionen Menschen ignorieren medizinische Fakten und meinen die große Bedrohung von Leib und Leben kommt von den Ungeimpften, auf die sie im Glashaus sitzend, jetzt mit Steinen werfen, weil die allein verantwortlich dafür sind, dass das Virus nicht auszumerzen ist. So jedenfalls macht eine Regierung die Menschen glauben und spaltet damit eine Gesellschaft in Gute und Böse, in Freie und Unfreie. 
 
Menschen, einen negativen Test abzuverlangen, ist in Pandemie-Zeiten nachvollziehbar, ob es sinnvoll ist, ist die andere Frage. Wir wissen, dass dieser Test nicht anzeigt, ob im Körper vermehrungsfähige Viren vorhanden sind oder nicht. PCR-positiv oder PCR-negativ heißt also nicht immer unbedingt, dass jemand infektiös ist oder nicht. Dass Gesunde falsch positiv getestet werden können und dass falsch negative Testergebnisse im Ausmaß von rund zehn Prozent vorkommen, wissen wir auch. Aber wenn schon testen, dann doch bitte alle, denn alle sind potentiell Überträger: Geimpfte, Genesene und Ungeimpfte.
Das Argument: Ungeimpfte sind eine Bedrohung für das Kollektiv ist eine Lüge. Eine gefährliche, unmoralische Lüge, basierend auf dem Nichtanerkennen, Negieren und Verdrehen von wissenschaftlichen Tatsachen.
Dennoch die These "Impfverweigerung ist asozial“, zieht leider bei der Mehrzahl der Menschen. Damit hat die Politik ein Argument, um ungehindert weitere Beschränkungen der Grundrechte zu erlassen. Aber Grundrechte sind keine Privilegien und nein, sie müssen nicht nur denen gegeben werden, die angeblich „sozial“ sind und sich impfen lassen. Diese Impfung ist lediglich ein Selbstschutz um einen schweren Verlauf zu verhindern. Und auch das ist nicht sicher.
Ein Impfangebot darf nicht ein Angebot sein, um seine Freiheit zu bekommen. Aber genau das ist es. Und wer dieses Angebot nicht annimmt wird bestraft: Mit Freiheitsentzug.
Die Spaltung der Gesellschaft geht weiter voran.
Wem sie nützt? Das möge sich ein jeder selbst überlegen. 
 
Was mich angeht, ich habe keinen Bedarf an einer Impfung, deren Wirksamkeit, deren Schutz und deren Verträglichkeit viele Fragen aufwirft. Ich lasse mich weder mit einer Bratwurst kaufen, noch lasse ich mich nicht unter Druck setzen. Ich lasse mich auch nicht moralisch manipulieren und erpressen, um meine Freiheit zurückzubekommen. Es geht um meine Gesundheit und meine Selbstfürsorge und für die bin ich selbst verantwortlich. Das darf ich noch alleine entscheiden.
Was meine Freiheit als ungeimpfter Mensch angeht - ich habe schon einige Lockdowns überstanden – ich habe Übung und Geduld. Meine Freiheit beginnt im Kopf.
Um es mit Viktor Frankl zu sagen: Die Freiheit, “hat“ man nicht – wie irgend etwas, das man auch verlieren kann –, sondern die Freiheit „bin ich“.

Mittwoch, 18. August 2021

Warum es wichtig ist auch "ungute" Gefühle zuzulassen

 

                                                                Foto: A. Wende

Viele von uns glauben, Selbstvertrauen bedeutet die Abwesenheit von Ängsten, Zweifeln und von Gefühlen der Unsicherheit. Wenn unangenehme Gedanken und Gefühle aufkommen, versuchen wir sie schnell wieder in den Griff zu bekommen, oder wir tun alles um sie zu unterdrücken. Anders ausgedrückt: Wir laufen vor ihnen weg. Aber, kann man noch von Selbstvertrauen sprechen, wenn wir uns selbst so wenig zutrauen, dass wir vor den eigenen Gefühlen weglaufen?
 
Selbstvertrauen bedeutet, sich den eigenen Gedanken und Gefühlen zu stellen, auch wenn sie unangenehm oder lästig sind. 
Gerade "ungute" Emotionen sind gute Wegbereiter, denn meist haben sie einen tieferliegenden Grund. In diesem Sinne gibt es keine unguten Gefühle.
Wenn uns zum Beispiel etwas traurig macht, dann ist es sinnvoll, die Trauer auch zu spüren und ihr Raum zu geben. Wir müssen ein Gefühl nicht sofort verändern, denn es hat seine Berechtigung. Es ist viel hilfreicher es anzunehmen, denn es hat ja eine Botschaft. Es will, dass wir uns um uns kümmern, dass wir fürsorglich mit uns sind und uns Zeit geben es zu verarbeiten.
Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einer Klientin, deren Kinder das Haus verlassen haben. Das Nest ist leer. Auch im Job hat sie weniger zu tun. Es ist sehr still geworden um sie. Das Stillwerden irritiert sie. Sie ist eine „Macherin“. Sie ist es gewohnt immer aktiv zu sein und gebraucht zu werden. Jetzt ist da nur noch sie in einem leeren Haus. Das macht ihr zu schaffen. Sie weiß nicht wie sie damit umgehen soll. Ihr altes Selbstvertrauen bröckelt. Immer öfter kommen Gefühle hoch von Verlassensein, Angst vor der Zukunft, Angst vor Einsamkeit. Sie sagt: Ich halte das nicht aus. Ich muss etwas machen. Aber sie weiß nicht was. 
 
Sie muss etwas "machen" um den unguten Gefühlen davonzulaufen.
Was meine Klientin lernen darf, ist unter anderem das Loslassen von der Erwartung an sich selbst immer etwas "machen" zu müssen.
Vielleicht, sage ich, könnten sie einfach mal innehalten, hören, lauschen, sehen, fühlen, sich selbst spüren, spüren, was sie lange nicht gespürt haben. Und auf die Ankunft des richtigen Moments warten, um wieder aktiv zu sein. Die Gefühle aushalten, die aufkommen und sie beobachten. 
 
Es macht Sinn zu erforschen, was hinter unseren Gefühlen steckt, denn es sind meist Bedürfnisse, die in der Vergangenheit nicht erfüllt wurden oder im Jetzt nicht erfüllt sind. Wenn wir uns erlauben uns mit unseren Gefühlen auseinanderzusetzen schenkt uns das nicht nur tiefere Erkenntnisse über uns selbst, es unterstützt auch unseren Seelenfrieden. Seelenfrieden bedeutet auch: Wir müssen nicht ständig etwas "machen."Wir dürfen auch einfach "sein".

Montag, 16. August 2021

Aus der Praxis - Der negative Mutterkomplex oder der ewige Jüngling


                                                                  Malerei: Angelika Wende

 

Das erste Liebesobjekt des Sohnes ist die Mutter, zu der das Kind intensive körperliche und seelische Nähe sucht. Durchläuft das männliche Kind eine gesunde Entwicklung ist es in der Lage, sich im Laufe der Zeit über die Pubertät, bis hin zum Erwachsensein, aus dieser symbiotischen Bindung zu lösen. In einer hinreichend guten Mutter-Sohn-Beziehung hat der Mann die Fähigkeit entwickelt auch andere Menschen zu lieben. Gelingt die Ablösung nicht, wird die nicht gelöste Bindung zur Mutter zum sogenannten Mutterkomplex und damit zu einem seelischen Problem für den Mann und alle Frauen, die diesem Mann im späteren Leben begegnen.

Man unterscheidet zwischen einem positiven und einem negativen Mutterkomplex.  
Männer mit einem positiven Mutterkomplex lieben ihre Mutter und das Mütterliche in der Frau auf eine gesunde Weise. Männer mit einem negativen Mutterkomplex bleiben in der Beziehung zu ihrer Mutter stecken. Sie hängen ein Leben lang emotional an der Nabelschnur und sind nicht fähig sich in eine gesunde Mann-Frau-Bindung zu begeben. Das Innere dieser Männer ist besetzt von Misstrauen, Wut auf die Mutter und Verlustangst. Sie haben sich nicht altersgemäß aus der Bindung an die Mutter gelöst, sondern sind in einer früheren Entwicklungsstufe stecken geblieben. Auch als Erwachsene suchen sie noch immer die gute Mutter, die es nie gab. Nur die gesunde Liebe zur Mutter legt die Grundlage für männliche Reife, Liebesfähigkeit und die Wertschätzung des Weiblichen. Viele dieser ewigen Jünglinge hatten keinen Vater, einen früh verstorbenen Vater, einen schwachen Vater oder einen Vater, der zwar körperlich anwesend aber emotional abwesend war.

Der von seiner Mutter als Kind emotional verlassene Mann sucht nach bedingungsloser Annahme und Fürsorge. Immer wieder muss er jedoch in der Beziehung zu einer Frau entdecken, dass sie nur ein gewöhnliches menschliches Wesen ist. Nach der ersten Verliebtheit verschwindet die Faszination weil sie seinem inneren Ideal nicht genügt. Er wendet sich enttäuscht ab, um sein Idealbild auf eine andere Frau zu projizieren. Er sehnt sich ständig nach der mütterlichen Frau, die ihn in ihre Arme schließt, ihm Zuneigung schenkt, ihn beschützt, ihn versorgt und seine kindlichen Bedürfnisse befriedigt.

Von der Mutter verstoßene Söhne – der ewige Jüngling, der Puer Aternus
Eine emotional abwesende Mutter, eine suchtkranke Mutter, eine Mutter, die ihren Sohn nicht in seinen männlichen Anteilen annehmen kann und ihm das bewusst oder unbewusst signalisiert, fügt ihrem Sohn damit emotionalen Schaden zu. Das Kind empfindet sein Mannestum als unerwünscht, wild, aggressiv und schmutzig. Aber diese männlichen Anteile und deren Wertschätzung braucht der heranwachsende Mann in seinem Gefühl, lebendig zu sein. Fühlt er sich darin abgelehnt, fühlt er sich von der Mutter verstoßen. Er entwickelt ein Selbstbild, das von Wertlosigkeit, Schuld- und Schamgefühlen besetzt ist.

Die Ablehnung der Mutter hat Folgen in der Persönlichkeitsentwicklung. Man findet bei diesem Sohn, gewöhnlich diesen dunklen Schatten, der die als Kind abgespaltene Männlichkeit repräsentiert. Er ist nicht fähig später "seinen Mann zu stehen". Er ist nicht fähig Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Er ist unreif, dein ewiger Jüngling. Er wird nicht erwachsen. Erwachsen ist ein Mensch, der emotional, mental und materiell autonom ist. Er kann für sich selbst sorgen, hat frühkindliche emotionale Abhängigkeitsmuster abgelegt, zu innerer Stabilität und einem gesunden Selbstwertgefühl gefunden: Er kann gesunde Beziehungen führen.

 Dem Puer Aeternus gelingt das nicht. Der ewige Jüngling ist nicht fähig Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, geschweige denn für das Leben anderer. Ewige Jünglinge sind oft sehr charismatische, faszinierende und verführerische Männer. Sie betonen stets ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Sie sind eher gefühlskalt, zu echter Nähe nicht fähig und daher meist bindungsunfähig. Sie sind in allen Bereichen des Lebens niemals angekommen. Jede Form von Verbindlichkeit ist ihnen zuwider. Eigenverantwortung und Verantwortung fürchten sie ebenso wie Regeln. Diese Männer sind nicht selten suchtartig entglitten. Sie trinken Alkohol, nehmen Drogen, rauchen. Sie sind süchtig nach Anerkennung, Bewunderung und Sex. Es fällt ihnen schwer ihre Gaben zu nutzen und im Leben und im Beruf einen Platz zu finden. Sie sehen sich zwar einerseits nach Erfolg und Anerkennung, sind aber nicht bereit, etwas dafür zu tun. Jede Art von Pflichten oder das Akzeptieren von Einschränkungen empfinden sie als unzumutbar. Im Grunde geht es immer nur um eins: Bedingungslos geliebt und versorgt sein, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen. Der ewige Jüngling will sich weder einschränken, noch will er ich irgendwem oder irgendetwas anpassen. Er ist egozentrisch, selbstverliebt und ausbeuterisch.  Er wehrt sich, wenn Reifung droht. Er benimmt sich in vielem wie ein Kind. Ordnung ist dem Ewigen Jüngling zuwider, genau da, wo sie für ihn wichtig ist: im Aufbau eines moralischen Gerüstes.

Der Mutterkomplex -
Männer, die auch in der Mitte ihres Lebens seelisch nicht über den  Reifungsstatus eines Jungen hinausgekommen sind.
Das Konzept der Komplexe ist eines der Konzepte der Jungschen Psychologie. Dazu gehört auch der Begriff „Mutterkomplex“. Nach C. G. Jung wird ein Mann, der ein problematisches Verhältnis zu seiner Mutter hat, sie verachtet, entwertet oder sogar hasst, Probleme mit dem Weiblichen haben
. Ein Mann, der unter einem negativen Mutterkomplex leidet, kann u.U. seinen Groll auf die Mutter unbewusst auf andere Frauen übertragen, indem er sie emotional missbraucht, benutzt und entwertet, weil er sie unbewusst fürchtet. Er fühlt sich durch das Weibliche in seiner Männlichkeit verachtet und bedroht.

Negative Beziehungserfahrungen mit der Mutter sind kindliche Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit, Nähe, Umsorgtsein und Liebe, die nicht erfüllt worden sind. 
Eine narzisstische, wenig beschützende Mutter beispielsweise oder eine ambivalente, unberechenbare, suchtkranke Mutter, die für ihren Sohn emotional nicht erreichbar bzw. begreifbar ist, ist für ein gelungenes Selbstkonzept des männlichen Kindes keine gute Basis. Durch den frühen Objektverlust kommt es in vielen Fällen zu Selbstentfremdung, Hilflosigkeit, Aggressionsansammlung oder einer allgemeinen Aggressionsschwäche. Männliche Aggression im gesunden Maße aber wird gebraucht, um sich aus der Symbiose mit der Mutter abzulösen und entschlossen eine Partnerin zu erobern. Nicht selten leiden diese Männer unter einem geringen Selbstwert, einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, Depressionen und/oder Suchtkrankheiten.  

Gefühle wie innere Leere, Angst, Wut und Schuld dominieren das seelische EmpfindenDie kindliche Erfahrung dieser Männerseelen ist das Gefühl des "Niedergemachtseins zum Nichts".
Das hat fatale Auswirkungen auf das Selbsterleben und auf das Beziehungsverhalten. So lassen sich Mutter und Geliebte für diese Männer nur schwer trennen, besonders wenn die Mutter eine zweideutige Gestalt war. Zwiegesichtig wie die Mutter schwankt der Sohn in seinem Verhältnis zum Weiblichen. Er weiß nicht, was es bedeutet ein Mann zu sein und fühlt sich der Frau unterlegen.
Er braucht ständig Bestätigung als Mann, weil er unbewusst spürt, dass er kein gereifter Mann ist. In der Beziehung zu einer Frau kommt es daher oft zu einer Objektfixierung, die durch Abhängigkeit gekennzeichnet ist. Männer mit einer nicht eindeutig erlebbaren Mutter suchen unbewusst immer eine Partnerin die zwei Pole hat – einen in der sich Eigenschaften der Mutter wiederfinden und einen der von der Mutter verschieden ist. Im Laufe der Beziehung aber erlebt der Mann die Partnerin immer mehr als Mutter und umgekehrt die Frau sich selbst als Mutterersatz, denn sie wird zum „Objekt des Lösungsversuchs“ der nicht gelösten Mutter-Sohn-Bindung funktionalisiert. Der Mann will einerseits mit der Frau verschmelzen, andererseits hält ihn sein Anklammern, sprich die kindliche Verschmelzungssehnsucht, genau da wo er einst als Kind war – in der unerfüllten Sehnsucht nach sich selbst. In diesem Konstrukt wird die Partnerin gleichzeitig begehrt und gefürchtet und daher unbewusst abgelehnt.
Auch Donjuanismus kann eine Folge des Mutterkomplexes sein. Wie das literarische Vorbild jagen diese Männer bindungsunfähig von Frau zu Frau, immer auf der unbewussten Suche nach der "guten Mutter", die es nicht gab, die unerreichbar bleibt und die insgeheim verachtet wird. Diese Verachtung wiederum führt zu Schuld-und Schamgefühlen, denn die Mutter darf nicht verachtet werden, sie ist ja die Mutter. Und die muss man lieben. Tut Mann das nicht, ist er ein schlechter Sohn.

Männer mit einem Mutterkomplex sind im Tiefsten allein und verunsichert. 
Die meisten von ihnen sind sich ihrer Mutterwunde nicht einmal bewusst oder sie winken ab, wenn man sie damit konfrontiert. Aber auch wenn sie es ahnen, sind  nur wenige Männer bereit sich ihrer verdrängten Wut auf die Mutter zu stellen. Sie bleiben ohne eine Aufarbeitung ihrer Problematik, ein Leben lang sich selbst ein unbekanntes Wesen, heimatlos, zerrissen von der Sehnsucht nach Selbstliebe und Liebe. Sie leiden und lassen fatalerweise die Frauen, denen sie begegnen, mitleiden.

Wer will schon einen ewigen Jüngling zum Manne?

Frauen, die sich von diesen Männern angezogen fühlen sind oft nach Außen hin starke Persönlichkeiten, die ihr Leben im Griff haben. Innerlich aber haben sie kein Gefühl für ihren Wert als Frau und ein fragiles Selbstwertgefühl. Sie sind nicht selten als Kind emotional vernachlässigt, missbruacht und abgewertet worden. Sie haben ein Selbstkonzept, das darauf beruht: "Wenn ich nur genug tue, werde ich geliebt". Oder: "Schau her was ich für dich tue, du musst mich doch lieben." Sie haben gelernt zu helfen und zu versorgen und ihren Wert darüber zu definieren, wie „gut“ sie anderen tun. Sie sind emotional stark ausbeutbar und haben ein sehr hohes Verantwortungsgefühl. Sie sind sensible, empathische und fürsorgliche Persönlichkeiten, die gerne geben, aber sich nicht erlauben auch zu bekommen, weil sie glauben, es nicht wert zu sein, bzw. es verdient zu haben. Viele von ihnen haben ein Helfersyndrom und wollen Schwächere retten. Nicht selten haben sie ein Problem mit starken, reifen Männern. Sie misstrauen ihnen oder haben Angst vor ihnen und so fühlen sie sich von diesem scheinbar zarten Mann angezogen, der keine Bedrohung darstellt. In der Beziehung mit einem ewigen Jüngling müssen sie dann jedoch erleben, dass sie in eine Falle geraten sind. Denn schon bald lernen sie die verantwortungslose, ängstliche, lebensunfähige, ausbeuterische, depressive, frustrierte und narzisstische Seite des Partners kennen. In der ungesunden Beziehungsdynamik mutieren sie zur versorgenden Mutter und bleiben als Frau auf der Strecke.

Wie wird der Jüngling erwachsen?

Die Erfahrung sagt: Die meisten von ihnen niemals. Was in jungen Jahren noch funktionierte wird ab der Lebensmitte nicht mehr gelingen oder zumindest nur schwer. Lässt die jugendliche Attraktivität nach, verliert der Jüngling seine Trumpfkarte mit der er das Spiel des Lebens meist gewonnen hat. Die meisten Frauen empfinden anstatt Anziehung nur noch Mitleid und sind als Versorgungsquelle schwer zu finden. Da sich diese Männer selbst kein autonomes Leben aufgebaut haben, beginnt mit dem Erkennen des eigenen Verfalls das Erkennen der eigenen Unfähigkeit und der Abhängigkeit von anderen. Das Gefühl von Verlorenheit und Heimatlosigkeit wächst. Frustration, Angst, Enttäuschung und das neiderschmetternde Gefühl im Leben versagt zu haben, machen sich breit. Es kommt zu einer existentiellen Krise, die nicht selten in Sucht oder Depression endet. Nach jedem Strohhalm, der den Untergang aufhalten kann, wird gegriffen. Sich selbst aus dem Sumpf ziehen wurde nicht gelernt. Der ewige Jüngling wird mit dem Altern von der Realität eingeholt und erlebt ein böses Erwachen.

Wie können diese Männer doch noch nachreifen?

Es geht darum erwachsen zu werden. Dazu muss die unheilsame Kindheit aufgearbeitet werden. Um sich endlich von der Mutter abzulösen müssen diese Männer sich die Beziehung zur Mutter genau anschauen, auch wenn der Blick zurück kein angenehmer ist.
Es ist ein psychologisches Gesetz: Nur die Bereitschaft zur Selbsterkenntnis führt zu einer konstruktiven Veränderung. Es schmerzt sich einer Vergangenheit zu stellen, die nicht reparabel ist, aber dies ist der einzige Weg um emotional nachzureifen und um
eine gesunde Identität  als Mann zu entwickeln. Ds ist mitunter dein langer Prozess, aber - besser spät als nie. Zu diesem Prozess gehört auch sich die verdrängte Wut auf die Mutter einzugestehen und sie dahin zu geben, wo sie hingehört. Bewusst anerkannte Wut kann hilfreich sein um sich von den mütterlichen Introjekten abzulösen und frei zu werden – für sich selbst, um ein eigenständiger Mann zu werden und frei für das Erleben erwachsener, mit dem Schatten der Kindheit nicht belasteter, gesunder Beziehungen – zu sich selbst und anderen.


 

Sonntag, 15. August 2021

Gedanke für den Tag

 



Viele von uns haben versucht die Dinge im Gleichgewicht zu halten. Wir haben versucht festhalten zu wollen, was sich nicht halten ließ. Retten wollen, was sich nicht retten ließ.
 
Wir lassen los.
 
Was geschieht, wenn wir loslassen?
Wir lassen die Kontrolle los.
Wir begreifen, dass alles was wir kontrollieren wollen, nur uns kontrolliert.
Wir begreifen, dass wie niemals das Ergebnis erreichen konnten, das wir wollten.
Wir lassen die Angst los.
Wir heißen Gelassenheit, Klarheit und Vertrauen willkommen.
Wir befreien uns und das, was wir kontrollieren wollen.
Wir kümmern uns um uns selbst.
Wir bringen uns selbst ins Gleichgewicht.

Dienstag, 10. August 2021

Ruhe im Chaos finden

 

                                                              Foto: A. Wende

 
Ohne ein Werkzeug unseren Geist zu beruhigen, schlägt er mit Gedanken nur so um sich. Als Folge davon machen uns Probleme, Ängste, Unsicherheiten, Befürchtungen, Verwirrungen und Vorstellungen benommen oder sie überwältigen uns. Das ewige Affengeschnatter im Kopf lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Aber Ruhe ist entscheidend für einen klaren Geist und ein mitfühlendes Herz. Sie ist entscheidend um im Chaos gelassen zu bleiben. Sind wir ruhelos sind wir nicht bei uns selbst, wir sind anfällig für alles was von Außen auf uns einströmt, wir lassen uns manipulieren und verführen.
 
Ruhelosigkeit sucht nach immer mehr Unruhe. Sie schwingt in der Resonanz unruhiger Energie und bäumt sich immer weiter auf. 
Wir werden nervös und fahrig und uns zu konzentrieren fällt uns schwer.
Sind wir ruhelos, sind wir nicht im Jetzt.
Ruhelosigkeit verschlingt die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.
Ruhelosigkeit steckt fest in der Anspannung und lässt Entspannung nicht zu. Sie führt dazu, dass wir uns in ein geistiges Gefängnis einsperren. 
Die Folge davon: Unsere Wahrnehmungen sind fixiert auf das Gleiche, das wir schon immer wahrnehmen, wir spulen das immer gleiche alte Programm ab, wir leben in Wiederholungen, Gewohnheiten, Projektionen, Kompensationen und Zerstreuungen, die uns abzulenken von uns selbst und dem was wirklich wichtig ist. Wir verpassen dabei eine ganze Menge Leben, das anders sein könnte, als das, was uns unser Gedankengefängnis als eine Realität voller Dramen vorgaukelt. Wir verpassen dabei die kostbaren Augenblicke des Guten, Wahren und Schönen, die da auch sind, würden wir sie nur wahrnehmen können. Wir leben in Achtlosigkeit dem Jetzt gegenüber und sind getrieben von Wollen und Haben all dessen, was jetzt nicht ist. Wir schwanken ohne festen Boden unter den Füßen und fühlen uns unsicher und ängstlich. Wir verlieren die Motivation für Freiheit und unsere Lebendigkeit erstickt. Alles fühlt sich hohl und fad an. Wir schlafen, anstatt wach das Leben in seinem ganzen Reichtum zu erfahren. Und unsere Angst im falschen Leben zu sein wächst.
Das ist wenig behaglich.
 
Da wir in einer Zeit leben, in der Angst so allgegenwärtig ist, ist es gut, ein Werkzeug zu haben, das unsere angespannte Ruhelosigkeit besänftigt und uns hilft aufzuwachen um ruhig, klar, wach und präsent zu sein.
Aufwachen beginnt damit, den ständigen unruhigen Strom unserer Zerstreuung wahrzunehmen.
Wir halten inne, wir setzen uns hin, atmen ruhig ein und aus und fangen dort an wo wir stehen.
Wir nehmen einfach nur wahr und fragen:
Was geht in meinem Körper vor – in diesem Moment?
Was läuft in meinem Kopf gerade ab?
Sind da Gedanken?
Worum drehen sie sich?
Sind da Gefühle und worum drehen sie sich?
Wir nehmen neugierig einfach unsere Verfassung wahr.
Wir erforschen was tatsächlich ist.
Wir erforschen unsere Wahrheit in diesem Moment.
Wir schauen einfach hin, was in diesem Moment vor sich geht, ohne es zu beeinflussen und zu bewerten.
 
Diese Übung von Gewahrsein ist eine Übung der Erfahrung von Präsenz.
Je öfter wir sie machen, desto klarer und ruhiger werden wir.
Desto näher kommen wir uns selbst, desto wacher werden wir.
Desto mehr sind wir bei uns selbst und unserem eigenen Erleben.
Wir beginnen uns mit uns selbst anzufreunden.
 
Warum tun wir das?
 
Das Gewahrsein unserer eigenen Verfassung ist die Grundlage für unser Selbstgewahrsein, unsere Selbstsicherheit, unser Selbstvertrauen und unsere Selbstachtung.
Aber was hilft uns das angesichts der Dramen in der Welt?
Wir kommen raus aus dem Chaos.
Wir befreien uns aus dem Gedankenkäfig.
Wir stehen mit beiden Füßen fest auf dem Boden des Jetzt.
Wir kommen zur inneren Ruhe.
Wir sorgen gut für uns selbst.
Wenn wir das gut können, können wir gut für das Wohl derer sorgen, die unsere Nächsten sind.
Und das verändert unsere kleine Welt entscheidend.

Dienstag, 3. August 2021

Ich meistere das jetzt!

 

                                                                     Foto: www

 
Lektionen kehren so lange wieder bis wir stark genug sind sie zu bewältigen.
Die Lektion verstehen ist der erste Schritt.
Und wir sagen: Oh ja, ich verstehe.
Die Lektion lernen ist der erste Schritt.
Und wir sagen: Ja, ich lerne.
Die Lektion akzeptieren und danach zu handeln ist der dritte Schritt.
Wir sagen: Das kann ich nicht oder das will ich nicht akzeptieren.
Wir machen weiter, wissend, dass wir das eigentlich tun sollten. Wir hoffen, dass es irgendwie doch noch gut wird. Wir geben uns Illusionen hin, wir belügen uns selbst und andere, weil wir es so wie es ist, nicht haben wollen.
Wir wollen es nicht, weil wir dafür einen Preis zahlen müssen, auf etwas verzichten müssen, etwas sein lassen müssen, etwas aufgeben müssen, etwas loslassen müssen, uns verabschieden müssen.
Wir suchen weiter das Gute im Unguten, nur um nicht akzeptieren zu müssen, dass es so wie es ist, nicht weiter gehen kann.
Wir halten fest.
Wir haften an Wünschen, Bedürfnissen, Sehnsüchten und machen Kompromisse, die schräg sind und von denen wir im Grunde wissen, dass sie sogar unheilsam sind.
Wir machen das eine Weile und kommen scheinbar damit klar.
Aber die Lektion kommt wieder, immer wieder und mit jedem Mal wird sie eindringlicher und schmerzhafter.
Sie kommt solange bis wir endlich bereit sind zu akzeptieren. Bis wir stark genug sind, radikal ehrlich zu uns zu sein, auch wenn es weh tut und wir die Konsquenzen fürchten.
Woraus erwächst dieses stark sein?
Es erwächst aus dem tiefen Gefühl, dass es sich so wie es ist, nicht (mehr) gut anfühlt und nicht mehr gut anfühlen wird, egal was der Verstand sagt, egal was das Herz sich ersehnt, egal worauf der Bauch nicht verzichten will.
Akzeptanz erwächst aus einen tief verinnerlichten: Ich habe es jetzt kapiert! Okay, es ist wie es ist. Und ich bin stark genug jetzt zu tun, was ich tun muss, stark genug zu handeln, weil ich fühle, was zu tun ist, ohne wenn und aber.
Ich habe die Lektion verstanden, gelernt und akzeptiert.
Ich meistere das jetzt!

Montag, 2. August 2021

Mehr wagen erfodert Mut

 

                                                                   Foto: A.Wende
 
 
„Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen.“
Dieses Zitat von Anais Nin spricht von Enge und Befreiung.
Verharrt die Rose in der Knospe geht sie zugrunde. Sie vertrocknet, ohne sich entfaltet zu haben.
Das ist ein schmerzlicher Zustand in dem viele Menschen ein Leben lang verharren. Sie haben Angst sich zu entfalten, Angst aufzublühen, Angst ihre Potenziale zu leben, Angst Risiken einzugehen. Sie verharren als Knospe, ein Leben lang und am Ende bereuen sie, was sie nicht getan haben, wegen der Angst, die so viel mächtiger war, als der Antrieb ihr Leben und ihre Lebendigkeit voll auszuschöpfen.
Ja, das Erblühen ist ein Risiko. Das ganze Leben ist ein Risiko.
Es erfordert Mut es zu bestehen, jeden einzelnen Tag, denn wir wissen nie was kommt. Auch wenn wir alles durchplanen und im Griff zu haben glauben, uns absichern, wo immer es möglich ist, Immer ist da das Risiko. Jeden Tag kann etwas geschehen, was wir nicht vorhersehen, nicht berechnen und nicht kontrollieren können.
Verharren wir in der Knopse, meinen wir sicher zu sein.
Aber es ist eine scheinbare Sicherheit, die Lebendigkeit abschnürt. Je länger wir unsere Lebendigkeit abschnüren, desto trockener werden wir. Zerknittert und am Ende verbittert, weil: Ach, hätten wir doch nur mehr gewagt.
Mehr wagen erfordert Mut.
Mut bedeutet, das, was wir tun wollen, zu tun, es trotz der Angst zu tun mit einem: Ja, ich mach das jetzt! Trotz des Risikos.
Mut bedeutet, ich entscheide mich für die Freiheit, ich selbst zu werden, mich zu entfalten – ich, die Rose, die erblühen will. Und auch wenn es bedeutet, dass ich Schmerz erfahren werde, dass ich Enttäuschung erfahren werde, dass ich verletzt werde - wenn ich alles Leben zulasse - ich blühe. Ich setze mich wie die Rose Wind, Sonne, Regen und Kälte aus. Ich will alles spüren, ich entscheide mich, mich selbst und das Leben zu (er)leben.